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Nachbildung des nat¨ urlichen Inkohlungsvorgangs

2.1 Literatur ¨ uber Grundlagenforschung

2.1.1 Nachbildung des nat¨ urlichen Inkohlungsvorgangs

Zu Beginn der Diagenese stehen mikrobiologische Abbauvorgänge, die in einer ver-gleichbar kurzen geologischen Zeitspanne ablaufen. Hierbei werden die Hemicellu-losen vollständig und Cellulose zum gröÿten Teil mineralisiert. Die energiereichen Kohlenhydrate werden abgebaut und für die Stowechsel der betreenden Mikroor-ganismen aufgebraucht. Die hierbei auftretenden, vielfältigen und komplexen Vor-gänge sollen an dieser Stelle jedoch nicht im Einzelnen betrachtet werden. Entschei-dend für die Kohlenstobilanz ist lediglich der Hinweis, dass der Kohlensto aus Cellulose und Hemicellulose am Ende der Mineralisierung als CO2 und CH4 an die Umgebung abgegeben wird. Obwohl einige Organismen auch dazu in der Lage sind, Lignin zumindest teilweise abzubauen, scheinen diese Makromoleküle den ersten Teil der Diagenese relativ unverändert zu überstehen. Die Diagenese als erster bioche-mischer Schritt bedeutet also eine präzise selektive Präservierung des Lignins sowie weiterer am ursprünglichen Massengehalt der Biomasse unbedeutender Fraktionen wie Harze, Pollen und Sporen (Hengel u. Macko, 1993; Hatcher u. a., 1994). Des Weiteren könnten aber auch Abbauprodukte der Cellulose sowie Überreste der in-volvierten Mikroorganismen bedeutende Bestandteile der späteren Kohle ausmachen (van Krevelen, 1993).

Die beim mikrobiologischen Abbau auftretenden, exakten Vorgänge sind noch nicht

im Einzelnen geklärt. Weitläuge Meinung war lange Zeit, dass die Makromoleküle durch die biochemischen Einüsse in Monomere zerlegt und anschlieÿend durch mehr oder weniger zufällige Polyreaktionen die Komponenten bilden, die unter den Sam-melbegri Huminstoe fallen (Durand, 1980; Ibarra u. Juan, 1985). Im Gegensatz dazu steht die etwas neuer aufgekommene Auassung, dass nur besonders beständige Makromoleküle (i. W. des Lignins) erhalten bleiben und lediglich durch Umstruktu-rierung der relevanten funktionellen Gruppen und intermolekularen Bindungen die Strukturen von Huminstoen bilden (Hatcher u. Cliord, 1997; Tegelaar u. a., 1989).

Nach Abschluss der mikrobiologischen Abbauvorgänge ist mehr oder wenig verän-derter Torf entstanden, der für die folgende, geologische Phase der Inkohlung der Ausgangssto ist (vgl. hierzu auch Abbildung 2.2). Dort herrschen dann thermoche-mische Veränderungen vor. Entscheidender Einussparameter ist die Temperatur, aber auch die Zeit spielt hier eine groÿe Rolle. Tektonische Einüsse, die sich in Form von lithostatischem Druck auf die Kohle auswirken, haben eine untergeordne-te Rolle und untergeordne-tendieren dazu, die chemischen Reaktionen zu verzögern. Stärker ist ihr Einuss auf die physikalische Struktur der Kohle (Stach u. a., 1982).

Als Resultat dieser thermochemischen Einüsse sinkt der Wassersto- und Sauer-stogehalt der Kohle mit zunehmender Inkohlung ebenso wie der Anteil üchtiger Verbindungen und der Feuchtegehalt. Im Gegensatz dazu steigen der Reexionsgrad und der Brennwert der Kohle. Zusätzlich erfolgt eine zunehmende Aromatisierung des Materials mit fortschreitender dreidimensionaler Vernetzung der Moleküle (Hae-nel, 1992) (Siskin u. Katritzky, 2001) (Stach u. a., 1982).

Es ist wichtig an dieser Stelle anzumerken, dass sämtliche Eigenschaften der Kohle als Mittelwerte anzusehen sind und sich unterschiedlich stark mit dem Alter der Koh-le ändern. KohKoh-le ist somit immer als Sammelbegri für unterschiedlichste, chemische Strukturen zu verstehen, die in der Kohleforschung als Mazerale bezeichnet werden.

Hinsichtlich der Elementarzusammensetzung lässt sich die Entwicklung der relevan-testen Bestandteile - Kohlensto, Wassersto und Sauersto - sehr anschaulich im Van-Krevelen-Diagramm darstellen (siehe Abbildung 2.1). Die fortschreitende In-kohlung der einzelnen Mazerale wird in diesem Diagramm durch charakteristische Bereiche beschrieben, wodurch diese Darstellungsform eine gängige Veranschauli-chung des Inkohlungsvorgangs geworden ist (z.B. Crelling u. a. (2006); Hunt (1979);

van Krevelen (1950); Stach u. a. (1982)). Die in diesem Diagramm aufgetragenen atomaren Verhältnisse lassen sich direkt aus der Strukturformel der Kohle oder wie folgt über die Massengehalte aus der Elementaranalyse berechnen.

H

C = %H

%C M˜C

H (2.1)

O

C = %O

%C M˜C

O (2.2)

Im hier dargestellten Diagramm sind ebenfalls exemplarisch die Bestandteile der Biomasse sowie von Holz eingezeichnet. Das Inkohlungsband von Kohle als Gesamt-heit folgt, ausgehend von der Elementarzusammensetzung der Biomasse, tendenziell eher der Entwicklung von Vitriniten, da diese für gewöhnlich einen Hauptbestandteil von Kohle ausmachen. Den verschiedenen Bereichen entlang des Inkohlungsvorgangs können dann die Stadien der Braun- und Steinkohlen bis hin zum Anthrazit zuge-ordnet werden. Auf die ebenfalls eingezeichneten Linien für die Dehydratisierung und Decarboxylierung wird später eingangen (s. Kapitel 2.4.1).

Es wurden zahlreiche Versuche zur hydrothermalen Karbonisierung durchgeführt, die zum Ziel hatten, diesen natürlichen Inkohlungsvorgang im Labor nachzubilden1. Zusammen mit anderen Methoden wurde so versucht, die natürlichen Vorgängen zu ergründen, was bereits in einem kurzen Review festgehalten wurde (van Krevelen, 1993). Es wurde früh erkannt, dass eine einfache, oene Pyrolyse nur unbefriedigende Ergebnisse erzielt und sich die entstehende Kohle in ihrer Art und Zusammenset-zung deutlich von natürlicher Kohle unterscheidet. Vielversprechender erschienen zunächst die Versuchsreihen von Bergius und Mitarbeitern, die zumindest in der Elementarzusammensetzung und dem äuÿeren Erscheinen nach ein braunkohleähn-liches Produkt hervorbrachten (Bergius, 1913, 1928b). Intensiv wurde der Gedanke, dass hydrothermale Bedingungen den natürlichen Inkohlungsvorgang reproduzieren können, von Berl und Mitarbeitern weiter verfolgt (Berl u. Schmidt, 1928; Berl u. a., 1932; Berl u. Schmidt, 1932a,b,c). Diese umfangreichen Versuche mussten die ent-sprechenden Forscher zwar aus heutiger Sicht zu vermutlich falschen Schlüssen über die Natur des Inkohlungsvorgangs zwingen, liefern aber nützliche Hinweise für die Anwendung und Machbarkeit der hydrothermalen Karbonisierung. So wurde neben

1Vgl. Bergius (1913, 1928b); Berl u. Schmidt (1928); Berl u. a. (1932); Berl u. Schmidt (1932a,b,c); Davis u. Spackman (1964); Erdmann (1924); Fuchs u. Horn (1931); Funasaka u. Yo-kokawa (1951); Funasaka u. a. (1953); Geissler u. Belau (1971); Heuser (1913); Horn u. Sustmann (1931); van Krevelen (1993); Lange u. Erasmus (1930); Marcusson (1923); Orem u. a. (1996); Schuh-macher u. a. (1960); Schwalbe u. Neumann (1933); Shearer u. Moore (1996); Sugimoto u. a. (1996);

Sugimoto u. Miki (1997); Tropsch u. Phillipovich (1922); Tsukashima (1966, 1967)

Abb. 2.1:Entwurf des Van-Krevelen-Diagramms aus van Krevelen (1950) mit den Bereichen der natürlichen Inkohlung verschiedener Mazerale (V, F, E, B)

Bergius und Berl auch von anderen Forschern der Standpunkt vertreten, dass Cellu-lose ein wichtiger Ausgangssto für die Entstehung der Kohle ist. Diese These wurde durch Ergebnisse der hydrothermalen Karbonisierung von u. a. Cellulose gestützt (Funasaka u. Yokokawa, 1951; Funasaka u. a., 1953; Schuhmacher u. a., 1960; Yoko-kawa u. a., 1964; Tsukashima, 1967). Dies kann wie eingangs erwähnt aus heutiger Sicht nicht mehr uneingeschränkt vertreten werden. Besonders nützlich wird diese Information aber für die praktische Anwendung der hydrothermalen Karbonisierung, da umfangreiches Datenmaterial zur Inkohlung von Cellulose vorliegt welche einen Groÿteil der frischen Biomasse ausmacht. Darüber hinaus existieren bereits sehr gro-be Abschätzungen zur Reaktionskinetik von Bergius (1928b) (hier wiedergegegro-ben in Gleichung (2.5)) sowie ein Modell zur Inkohlung genauer gesagt der hydrother-malen Behandlung von Panzenmaterial von Ruyter (1982) (hier wiedergegeben in Gleichung (2.6)). Begleitend zu den experimentellen Versuchen wurde versucht, den Reaktionsmechanismen der Inkohlung theoretisch näher zu kommen und mit hydrothermalen Bedingungen zu erklären2.

2Vgl. Burnham u. Sweeney (1989); Fischer u. Schrader (1920); Gillet (1955, 1956, 1957b,a);

Huck u. Karweil (1955); Kreulen u. Kreulen-van Selms (1957); Kreulen (1962); Mukherjee u. a.

(1996); Payne u. Ortoleva (2001); Siskin u. Katritzky (1991); Wolfs u. a. (1960)

Im Gegensatz dazu wurde bereits mit der frühen Veröentlichung von Bergius die Gültigkeit der Theorie, dass Cellulose der Hauptbestandteil der natürlich vorkom-menden Kohle sei, angezweifelt. Allen voran standen Forscher wie Fischer, Schrader und Tropsch, die argumentierten, dass Cellulose sehr schnell und dadurch zum gröÿ-ten Teil vollständig durch Mikroorganismen mineralisiert wird und daher nur für einen geringen Teil der Kohle verantwortlich sein kann (Donath u. Lissner, 1922;

Fischer u. Schrader, 1920, 1922; Horn u. Sustmann, 1931; Tropsch u. Phillipovich, 1922). An anderer Stelle wurde argumentiert, dass Bergius lediglich eine Verschwe-lung erreicht habe, und ein Verfahren entwickelt, bei dem die Kohle zusätzlich kom-paktiert wurde, um einen lithostatischen Druck zu simulieren (Bode, 1932; Gropp u.

Bode, 1932). Der kombinierte Eekt einer hydrothermalen Behandlung und gleich-zeitiger Simulation eines lithostatischen Drucks wurde von einigen Forschungsgrup-pen weiter verfolgt, um den tatsächlichen geologischen Verhältnissen näher zu kom-men (z. B. Davis u. Spackman (1964); Orem u. a. (1996); Shearer u. Moore (1996)).

Hydrothermale Bedingungen gelten nach wie vor neben der 'conned pyrolysis'3 als eine gute Möglichkeit, den natürlichen Inkohlungsvorgangs bzw. die Alterung von or-ganischem Material zu simulieren (Behar u. a., 2003; van Krevelen, 1993; Michels u.

Landais, 1994; Wilkins u. George, 2002). Da es oensichtlich unangebracht ist, die zu Beginn der Diagenese auftretenden biochemischen Prozesse durch eine thermochemi-sche Umwandlung zu simulieren, wurden diese künstlichen Alterungsreaktionen auf Proben beschränkt, die mikrobiologische Abbauvorgänge bereits durchlaufen haben und bei denen dadurch die Cellulose und Hemicellulosen zumindest teilweise entfernt wurden (Behar u. Hatcher, 1995; Geissler u. Belau, 1971; Orem u. a., 1996). Dennoch weisen thermochemische Verfahren gewisse Grenzen auf, so ist z.B. in der Regel der Sauerstogehalt der produzierten Kohle unnatürlich hoch (Sugimoto u. Miki, 1997).

Es werden somit die kombinierten Eekte der Dehydratisierung und der Decarboxy-lierung mit einer messbaren Abweichung von den natürlichen Vorgängen simuliert.

Ein weiteres grundlegendes Problem bei der Simulation des natürlichen Inkohlungs-vorgangs ist die Tatsache, dass die real vorhandenen geologischen Zeiten im Labor nicht reproduzierbar sind. Der Einuss der Temperaturerhöhung über die der na-türlich auftretenden hinaus, damit der Vorgang abgekürzt und eine Untersuchung überhaupt erst ermöglicht wird, kann noch nicht abschlieÿend beurteilt werden. Auf

3Bei diesem Verfahren wird organisches Material in kleinen Goldröhrchen (wenige Millimeter groß mit <1mm Wandstärke) eingeschweißt. Diese Reaktionsgefäße werden dann hohem Druck von außen ausgesetzt (bis zu 100 MPa), so dass die Gefäße kollabieren und das Volumen innerhalb des Reaktors sehr klein wird. Anschließend wird die Temperatur erhöht, um pyrolytische Zersetzung hervorzurufen.

der einen Seite herrscht die Meinung, dass die Bildung von Kohlenwasserstoen im Wesentlichen durch eine Reaktionsgleichung nach Arrhenius beschreibbar ist und dadurch Zeit und Temperatur austauschbar sind (z. B. Bergius (1913) und Ruyter (1982)). Auf der anderen Seite wird jedoch argumentiert, dass eine Temperaturerhö-hung über ein gewisses Maÿ Reaktionen hervorruft, die während des natürlichen In-kohlungsvorgangs nicht vorkommen (Monthioux u. a., 1985; Monthioux, 1988; Land-ais u. a., 1994).

Darüber hinaus werden Laborversuche dadurch eingeschränkt, dass die Untersu-chung der natürlichen Inkohlungsserie einer bestimmten Panzenart bislang nicht gelungen ist. Geologische Bedingungen, die über einen relevanten Zeitraum eine konstante Panzen/ Rohstoquelle aufweisen und gleichzeitig eine stabile und lange thermische Historie aufweisen, sind sehr selten. Zusätzlich verändern sich die meis-ten Panzenarmeis-ten über die geologische Zeitspanne der Inkohlung durch Evolution signikant. Panzenmaterial, das den Ursprung von Kohle gebildet hat, ist heute in dieser Form nicht mehr verfügbar, was Laborversuche grundsätzlich in ihrer Aussa-gekraft einschränkt. Somit kann ein Vergleich von Laborversuchen mit natürlichen Bedingungen nicht konsistent hergestellt werden.