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Qualitatives analytisches Kodieren und Kategorisieren

Im Dokument Der performative Umgang mit dem Text (Seite 96-104)

2 Probenprozessbeobachtung .1 Teilnehmende Beobachtung

3.2 Qualitatives analytisches Kodieren und Kategorisieren

3.2.1 Thematisches Kodieren auf Basis von Einzelfallanalysen

Nach dem Prozess der Datenerhebung und dem Ausstieg aus dem Feld der Probenprozessbeobachtung begann die Auswertung und Analyse der erhobenen Daten. Zunächst wurde für jeden Probenprozess das Korpus der Feldnotizen und Probenprotokolle gelesen und analytisch kodiert.

Dieser Prozess beinhaltete das Zeile-für-Zeile-Kategorisieren des Text-materials, das aus zwei Phasen bestand: dem offenen Kodieren und dem gezielten, fokussierten Kodieren. Jeder Probenprozess wurde zunächst als Einzelfallanalyse interpretiert. Für jeden Probenprozess wurde ein Kategoriensystem entwickelt, wobei es um die Generierung von Themen und Analysekategorien zunächst für jeden einzelnen Fall ging, die dann in einem zweiten Schritt miteinander abgeglichen wurden.

Insgesamt hat sich der zeitliche Prozess von Beobachtungs- und Kodierungsphasen der drei Probenprozesse gegenseitig beeinflusst. Die zwei ersten Probenprozesse von Laurent Chétouane und Volker Lösch wurden relativ dicht hintereinander beobachtet, sodass dazwischen keine Auswertungsphase stattfinden konnte. Nach Abschluss der Beob-achtung des Probenprozesses von Volker Lösch begann ich mit dem Kodieren und Kategorisieren der im Rahmen der Probenprozessbeob-achtung von Volker Lösch verfassten Protokolle. Im Anschluss daran folgte die Probenbeobachtung der Produktion von Claudia Bauer. Das Kodieren und Kategorisieren der dort verfassten Probenprotokolle fand zwar ebenfalls als Einzelfallanalyse statt, wurde jedoch von den bereits generierten Kodes und Kategorien der Probenprozessauswertung von Volker Lösch beeinflusst. Nach dem Kodierungsprozess der bei Claudia Bauer erhobenen Probenprotokolle begann ich mit der vertieften Ana-lyse dieses Probenprozesses.

Dies beinhaltete ebenfalls das Transkribieren sowie Kodieren und Kategorisieren des mit der Regisseurin geführten Interviews, das

Nach-hören und Transkribieren ausgewählter Probensequenzen sowie, darauf aufbauend, aufführungs- und inszenierungsanalytische Ansätze des erhobenen Audio- und Videomaterials, wobei ebenfalls auditive Analy-sen durchgeführt wurden. Es wurde ein Dokument verfasst mit der Beschreibung dieses Einzelfalls auf Basis von ausgewählten Kategorien.

Dieses Dokument bildete später auch einen Bestandteil der Ergebnisse.

Im Anschluss an diese Einzelfallanalyse erfolgte der weiterführende Auswertungsprozess der Produktion von Volker Lösch, ebenfalls als Fallanalyse. Erst daran anschließend wurde das Protokollmaterial des Probenprozesses von Laurent Chétouane kodiert und kategorisiert sowie als Einzelfall interpretiert. Zwar gab es hier auch noch beide Pha-sen des produktionsspezifischen offenen und fokussierten Kodierens und Kategorisierens, jedoch erfolgte der Kodierungsprozess im Rahmen dieser Einzelfallanalyse von Beginn an wesentlich fokussierter als inner-halb der beiden ersten Kodierungsprozesse. In den beiden ersten Fall-analysen entwickelte Kategorien und thematische Bereiche wurden der Einzelfallanalyse des Probenprozesses von Laurent Chétouane zugrunde gelegt, wobei eine thematische Struktur entstand, die jedoch ergänzt wurde durch produktionsspezifische Aspekte. Diese themati-sche Struktur diente später dem Vergleich aller drei Probenprozesse bzw. der abschließenden Darstellung der Ergebnisse.

Auch im Rahmen der Fallanalysen der Probenprozesse von Volker Lösch und Laurent Chétouane entstand jeweils ein Analysedokument, in dem der Einzelfall auf Basis der jeweils ausgewählten Kategorien beschrieben und interpretiert wurde. Diese Dokumente flossen eben-falls in die Theoriebildung und Darstellung der Ergebnisse ein. Die auf-geführte Reihenfolge hatte zeitliche und organisatorische Gründe, die mit verschiedenen Aufgaben des Forschungsprojekts insgesamt sowie zusätzlichen beruflichen Tätigkeiten im Zusammenhang standen. Man kann sicherlich kritisch einwenden, dass ein chronologisch geschlosse-ner Ablauf von Beobachtungs- und Auswertungsphasen günstiger gewesen wäre, jedoch erleichterte diese Reihenfolge durchaus den Aus-wahlprozess der zu analysierenden Kategorien (vgl. S. 97 ff.).

Nach Abschluss der Einzelfallanalysen wurden ausgewählte Katego-rien der drei Einzelfälle miteinander verglichen, wobei es um das Herausarbeiten von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ging. Darü-ber hinaus wurden produktionsspezifische Besonderheiten in den Fokus genommen, die sich einer Vergleichbarkeit entzogen. Dieser Analyse-und Interpretationsprozess gleicht einem Verfahren, das bei Flick als

„thematisches Kodieren“ beschrieben wird (vgl. Flick 2014, 402 ff.).

Hier werden in einem ersten Schritt fallbezogene Analysen und erst im

zweiten Schritt fallübergreifende Vergleiche durchgeführt (vgl. ebd. 407 f.).

Dieses Verfahren eignete sich insofern für die vorliegende Untersu-chung, als dass durch die Entwicklung einer im Erhebungsmaterial begründeten thematischen Kategorienstruktur für die Fallanalyse und Fallvergleiche die Vergleichbarkeit der Interpretation erhöht werden kann. „Gleichzeitig bleibt das Verfahren jedoch sensibel und offen für die spezifischen Inhalte in Fall und sozialer Gruppe im Hinblick auf den untersuchten Gegenstand.“ (ebd. 408) Das Verfahren gestaltete sich als ein sehr aufwendiger Prozess, der im Folgenden noch detaillierter beschrieben werden soll. Die Analyse der Probenprozesse begann mit der Kodierung und Kategorisierung der Probenprotokolle und Inter-views und führte weiter zu vertieften Fallanalysen, in denen ausgewählte Probensequenzen auch anhand der vorhandenen Audio- und Videoauf-nahmen, vorliegender literarischer Dokumente sowie Noten- und Text-materialien ausgewertet und interpretiert wurden.

3.2.2 Offenes Kodieren

In Anlehnung an die methodischen Hinweise von Emerson et al. (vgl.

Emerson et al. 2011, 171 ff.) wurden die Probenprotokolle eines jeweils beobachteten Probenprozesses Zeile für Zeile gelesen, um alle Ideen, Themen und Fragen zu identifizieren und zu formulieren, ungeachtet dessen, wie verschieden und unvereinbar sie schienen. Das genaue Lesen der Probenprotokolle wurde kombiniert mit dem Prozess des analyti-schen Kodierens, der die Kategorisierung des Textmaterials beinhaltete.

Offenes Kodieren zielt darauf ab, einen Text aufzubrechen und zu ver-stehen sowie das erhobene Datenmaterial in Begriffe zu fassen (vgl.

Flick 2014, 388 sowie 392).

Zu diesem Zweck werden die Daten zunächst zerlegt […]: Aussagen werden in ihre Sinneinheiten (einzelne Worte, kurze Wortfolgen) zergliedert, um sie mit Anmerkungen und vor allem mit „Begriffen“

(Kodes) zu versehen […]. (ebd. 388)

Wie detailliert man dabei vorgeht, hängt von der Fragestellung, vom Material, vom persönlichen Stil des Interpreten und von der Phase im Forschungsprozess ab (vgl. ebd. 392). Die von mir erhobenen Proben-protokolle wurden zunächst Zeile für Zeile, später auch abschnittsweise kodiert. Auf diese Weise entstanden zahlreiche Kodes, die im nächsten Schritt gruppiert und kategorisiert wurden.

Im Prozess des offenen Kodierens wurde versucht, unter Berück-sichtigung der Fragestellung so viele Themen wie möglich aus dem

Material zu generieren, ungeachtet dessen, ob diese Themen und Kate-gorien schlussendlich verwendet werden, ob sie relevant sind oder zusammenpassen. Es ging innerhalb dieses Prozesses noch nicht so sehr darum, die Daten zu sortieren, sondern darum, Kategorien zu identifi-zieren, voneinander zu unterscheiden und zu benennen (vgl. hierzu Emerson et al. 2011, 175 ff.).

Inspiriert durch das Kodieren der Probenprotokolle sowie durch das Lesen der in den Probenprotokollen enthaltenen Anmerkungen und Kommentare, den sogenannten „In-Process-Memos“, wurden weitere theoretische Ideen entwickelt und Kommentare verfasst. Emerson et al.

bezeichnen sie nach Strauss und Corbin als sogenannte „Code Memos“

(vgl. ebd. 185).

While the fieldworker should try to read and code all fieldnotes, he may turn from the coding to writing memos at any time, seeking to get ideas and insights down on paper when they occur. He may also reread inprocess memos, abandoning some, while revising and elab -orating others in light of subsequent observations and the insights generated by coding. We encourage writing memos about as many ideas, issues, and leads as possible. While some of these ideas reflect concerns and insights that the fieldworker brings to the reading, others grow out of reengaging the scenes and events described in the fieldnotes. (ebd. 185 f.)

Das Ergebnis des offenen Kodierens war für jeden Probenprozess eine Liste mit vergebenen Kodes und Kategorien, „ergänzt um die zur Erläu-terung und inhaltlichen Definition von Kodes und Kategorien angeleg-ten Kodenotizen und eine Vielzahl von Memos, die Auffälligkeiangeleg-ten im Material und für die zu entwickelnde Theorie relevante Gedanken ent-halten“ (Flick 2014, 392). Diese Liste enthält viel mehr Kategorien und Kodes, als in der weiterführenden Analyse verfolgt werden konnten.

Der nächste Schritt bestand in der Auswahl von Schlüsselkategorien.

Insbesondere Kategorien, die für die Fragestellung besonders relevant erschienen oder die in den Beobachtungsprotokollen aller drei Proben-prozesse identifiziert werden konnten, wurden ausgewählt und weiter-verfolgt. Jedoch gab es auch Kategorien, die produktionsspezifisch aus-gewählt wurden.

3.2.3 Fokussiertes Kodieren

Das fokussierte Kodieren zielt darauf ab, Kategorien, die im Prozess des offenen Kodierens entstanden sind, zu verfeinern und zu differenzieren.

Dieser Prozess wird bei Flick in die zwei Phasen des „axialen Kodierens“

(vgl. Flick 2014, 393) und des „selektiven Kodierens“ (vgl. ebd. 396) unterteilt, soll hier jedoch in Anlehnung an Emerson et al. als „fokussier-tes Kodieren“ bezeichnet werden (vgl. Emerson et al. 2011, 191 ff.).

Aus einer Vielzahl entstandener Kategorien wurden diejenigen aus-gewählt, deren weitere Ausarbeitung vielversprechend erschien bzw. die auch einen Vergleich aller drei Probenprozesse ermöglichten. Hierfür wurden die Probenprotokolle eines jeweiligen Probenprozesses noch-mals gelesen, Schlüsselkategorien festgelegt und Textpassagen dement-sprechend zugeordnet. Analytisch interessante Themen wurden ausge-arbeitet, Beziehungen zwischen einzelnen Kategorien und ihren Kodes hergestellt sowie neue Themen und neue Beziehungen zwischen diesen Themengebieten entdeckt.

Die Auswahl bestimmter Kategorien erfolgte nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern stellte eine gezielte, thematische Entscheidung dar. Sie orientierte sich hauptsächlich an der allgemeinen Fragestellung sowie an Fragen, wie:

Für die Erarbeitung welchen Textes bzw. welcher Szene gibt es auf-–

schlussreiche, dichte Mitschriften und Aufnahmen?

Welche Probensequenzen eignen sich für eine Rekonstruktion?

Welche beobachteten Ansätze der Texterarbeitung weichen ab von –

mir bekannten, in der Literatur beschriebenen methodischen Ansät-zen?

Welche beobachteten und dokumentierten Ansätze bringen Spiel-–

und Sprechweisen hervor, die sich nicht einer realistischen Spielpra-xis zuordnen lassen?

Wo lassen sich Parallelen im Vergleich der drei Produktionen erken-–

nen, inwieweit sind gerade die Unterschiede interessant?

Verallgemeinernd kann gesagt werden, dass sich die Auswahl der vertieft zu analysierenden Kategorien an der Erarbeitung von Szenen orien-tierte, die mit traditionellen Texterarbeitungsansätzen sowie Praktiken einer realistischen Figurendarstellung brechen. Fokussierten die Beob-achtungsphasen noch Texterarbeitungsweisen und ihre Entstehungsfor-men im Allgemeinen, wurden für die Analyse Beispiele ausgewählt, die als typisch gelten konnten für einen „performativen Umgang mit Texten und gesprochener Sprache“. Es muss jedoch erwähnt werden, dass die Definition für einen performativen Umgang mit Texten und gesproche-ner Sprache nicht bereits im Vorhinein gegeben war, sondern als theore-tischer Ansatz erst im Laufe des Auswertungsprozesses herausgearbeitet wurde. Hier folgte der Analyseprozess den Grundsätzen der Grounded Theory, die Analyseprozesse von Anfang an einbezieht und auch das

Sampling, d. h. die Auswahl von Analysematerial und Kategorien, immer wieder zu den Daten zurückführt bzw. mit neu zu erhebenden Daten abgleicht. Insofern ist zuvor aufgeführte Reihenfolge der Beob-achtungs- und Auswertungsphasen der einzelnen Probenprozesse nicht nur kritisch zu betrachten. Sie führte durchaus zu einer erleichterten Kategorienauswahl.

Im Laufe des Auswertungsprozesses kristallisierte sich eine Kernka-tegorie heraus, die mit der Formulierung „performative Ansätze der Text-arbeit“ umschrieben wurde. Diese Kernkategorie lag einerseits in der allgemeinen Fragestellung begründet, wurde aber gegenstandsbezogen spezifiziert. Weitere relevante Kategorien wurden mit dieser Kernkatego-rie in Beziehung gesetzt und für eine tiefergehende Analyse ausgewählt.

Für das Erkennen von Mustern sowie das In-Beziehung-Setzen von Kodes und Kategorien war das Hin- und Herspringen zwischen induk-tivem und dedukinduk-tivem Denken kennzeichnend. Während das induktive Denken das Entwickeln von Begriffen, Kategorien und Beziehungen aus dem Text impliziert, werden im Rahmen eines deduktiven Denkens gefundene Begriffe, Kategorien und Beziehungen am Text überprüft, und zwar an anderen Textpassagen als denjenigen, aus denen sie entwi-ckelt wurden (vgl. Flick 2014, 394). Dies geschah zum einen im Rahmen einer Fallanalyse, zum anderen fallübergreifend, indem gefundene Kate-gorien eine thematische Struktur für die nächste Fallanalyse ergaben. An folgender thematischer Struktur orientierten sich schließlich sowohl die Fallanalysen als auch später die fallübergreifenden Vergleiche:

Inszenierungsspezifisches/Konzeptionelles

Dimensionen und darstellerische Möglichkeiten performativer Tex-–

terarbeitungsverfahren und ihrer Erscheinungsformen Anforderungen an die Schauspielerinnen und Schauspieler –

Diese fallübergreifenden Kategorien beinhalteten fallspezifische Unter-kategorien und Kodes, die in einer vertieften Analyse differenziert betrachtet und ausgearbeitet wurden. Im Zusammenhang damit stand das Schreiben sogenannter „integrativer Memos“ (vgl. Emerson et al.

2011, 193). Hierbei galt es, theoretische Verbindungen zwischen kodier-ten Probenprotokollauszügen und den abstrakkodier-ten Kategorien, die sie einschließen, herzustellen. Weiterhin wurden vorangegangene „In-Pro-cess-Memos“ und „Code Memos“ neu geordnet und überarbeitet, um Themen und Fragestellungen herauszufiltern, die mehrere dieser Memos durchziehen (vgl. ebd.).

Theoretische Memos gründen sich auf die erwähnten Codenotizen und auf übergreifende Zusammenhänge, die der Forscher Schritt für Schritt erkennt. Das Schreiben von theoretischen Memos fördert eine Distanzierung von den Daten und trägt dazu bei, über eine nur deskriptive Arbeit hinauszugelangen (Motto: „Stop and memo!“).

Die Memos können im Verlauf der Auswertung Ausgangspunkte für die Formulierung des Endmanuskripts werden. Theoretische Memos werden von Anfang an geschrieben und beständig überarbeitet (theoretical sorting). Arbeiten im Team mit Kollegen verhindert Ein-seitigkeiten und kann den Erkenntnisprozess beschleunigen, wes-halb sich die Arbeit mit einer Forschergruppe und (Forschungs-) Supervision bewährt hat. (Böhm 2013, 477)

Die in diesem Zitat beschriebenen Arbeitsschritte wurden auch inner-halb meines Analyseprozesses durchlaufen. Für jeden einzelnen Pro-benprozess wurde ein sogenanntes Analysedokument angefertigt, in dem ausgewählte Kategorien auf Basis des Datenmaterials vertieft analy-siert, d. h., interpretiert und mit theoretischen Ausführungen in Verbin-dung gebracht wurden. Diese Analysedokumente wurden mit der For-schungsgruppe diskutiert, immer wieder überarbeitet und bildeten schließlich die Grundlage für das Verfassen des Endmanuskripts.

Die Art und Weise des Kodierens und Kategorisierens änderte sich im Verlauf des Auswertungsprozesses der drei Probenbeobachtungen.

Während das offene Kodieren im Rahmen der Probenprozessanalyse von Volker Lösch noch handschriftlich stattfand und die Kodes und Kategorien an den Rand der entsprechenden Passagen direkt ins Pro-benprotokoll geschrieben und parallel dazu auf einem gesonderten Blatt notiert wurden, nutzte ich für das fokussierte Kodieren dieses Proben-prozesses das Audiotranskriptionsprogramm „f4analyse“ (vgl. Internet-quelle 9). Nachdem ich dieses Computerprogramm kennengelernt hatte, wurden auch die beiden anderen Probenprozesse mittels dieses Pro-gramms kodiert und kategorisiert.

Das Programm ermöglichte eine zeitsparende und übersichtliche Auswertung der Probenprotokolle. Einzelne Segmente eines Proben-protokolls konnten per Mausklick einem Kode bzw. einer Kategorie zugeordnet werden. Die Kategorien und ihnen zugeordnete Kodes wur-den automatisch farblich differenziert und in einer Übersicht angeord-net. Weiterhin konnten Kommentare und Memos in eine jeweilige Pro-benprotokollsequenz eingefügt werden. Für einen Kode konnten die betreffenden Passagen der Probenprotokolle sofort zusammengeschnit-ten werden, sodass alle relevanzusammengeschnit-ten und als zum jeweiligen Kode

gehöri-gen Textteile im Überblick erschienen und als Dokument gespeichert werden konnten. Ebenso konnten alle Memos bzw. Kommentare ein-fach zusammengestellt werden. Die Auswertung gestaltete sich mithilfe dieses Programms wesentlich übersichtlicher und effizienter als die handschriftliche Kodierung der Probenprotokolle.

Die Phasen des offenen und fokussierten Kodierens sind nicht streng getrennt voneinander zu betrachten. Sie stellen „verschiedene Umgangs-weisen mit textuellem Material dar, zwischen denen der Forscher bei Bedarf hin und her springt und die er miteinander kombiniert“ (Flick 2014, 387 f.). Im Übrigen wurden nicht nur die Probenprotokolle kodiert und kategorisiert, sondern auch die vier Interviews. Die auditiv aufgezeichneten Interviews wurden zunächst transkribiert und dann mittels des beschriebenen Verfahrens kodiert und kategorisiert. Für die Transkription der Interviews wurde ebenfalls das Audiotranskriptions-programm „f4analyse“ zu Hilfe genommen, wobei sich insbesondere das variabel verstellbare Sprechtempo ohne Tonhöhenveränderung, der automatische Rücksprung auf die letzten Worte der gerade transkribier-ten Passage, die automatische Sprecherwechselmarkierung und das Ein-fügen von Zeitmarken am Ende jedes Absatzes als nützlich erwiesen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass dem Textmaterial der Probenprotokolle und transkribierten Interviews im Prozess des Kodie-rens und KategorisieKodie-rens Begriffe bzw. Kodes zugeordnet wurden, „die zunächst möglichst nahe am Text und später immer abstrakter“ (Flick 2014, 388) formuliert wurden. Derartige Begriffe wurden zu Kategorien zusammengefasst und Beziehungen zwischen den Kodes und Katego-rien hergestellt (vgl. ebd.). Dabei wurden Eindrücke, Assoziationen, Fragen, Ideen etc. während des gesamten Prozesses in Form von Kode-notizen notiert (ebd.). Bestimmte Kategorien wurden schließlich ausge-wählt und Belege aus den Probenprotokollen, Memos und Interviews zugeordnet. Die Probenprotokolle und Interviewaussagen wurden dabei in ihrer Struktur aufgelöst und neu strukturiert (vgl. ebd. 419). In Anlehnung an die Methode des thematischen Kodierens wurden zunächst Fallanalysen erstellt, die dann im zweiten Schritt auf eine Ver-gleichsebene gebracht wurden. Hierfür wurden fallübergreifende Kate-gorien analysiert ebenso wie produktionsspezifische belassen.

Im Gegensatz zu deduktiven Vorgehensweisen, denen eine Theorie zugrunde liegt, die anhand der Daten belegt oder widerlegt werden soll, ist diese Form der Forschung daran interessiert, anhand der erhobenen Daten eine Reihe von Themen und ausführlichen Analysen hervorzu-bringen, immer in Bezug zur empirischen Welt, die untersucht wurde.

Dieser offene Prozess bedeutet jedoch nicht, dass existierende Theorien

ignoriert wurden. Theoretische Vorannahmen und Interessen flossen in jeder Phase des Schreibens mit ein, sie beeinflussten sämtliche Entschei-dungen. In Anlehnung an Emerson et al. kann der Auswertungsprozess als ein reflektierendes Wechsel- bzw. Zusammenspiel von Theoriebe-trachtung und Datenauswertung angesehen werden (vgl. Emerson et al.

2011, 197 f.).

In die Analyse und Interpretation des Datenmaterials flossen selbst-verständlich nicht nur die als Texte vorliegenden Probenprotokolle und transkribierten Interviews ein, sondern sämtliche während der Proben-beobachtungen erhobenen, schriftlichen Dokumente wie Stückvorla-gen, literarische oder nicht-literarische Texte, Textfassungen und Notenpartituren. Zudem wurden ausgewählte Probensequenzen, die als Audioaufnahme aufgezeichnet vorlagen, nachgehört, transkribiert und flossen in die Analyse ein. Aussagen der Probenbeteiligten oder einzelne Arbeitsschritte konnten auf diese Weise rekonstruiert werden.

Darüber hinaus wurden die Audioaufnahmen, insbesondere aber auch die Videoaufnahmen, die von jeder Inszenierung vorliegen, für weiter-führende inszenierungsanalytische und teilweise auch aufführungsana-lytische Ansätze genutzt. Darauf soll im Folgenden näher eingegangen werden.

Im Dokument Der performative Umgang mit dem Text (Seite 96-104)