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Die Proteinversorgung von Broilern

2.4 Zusammenhänge zwischen einer Infektion von Broilern mit Campylobacter spp. und

2.4.2 Die Proteinversorgung von Broilern

2.4.2.1 Der Aminosäurenbedarf der Broiler

Beim Geflügel besteht, wie auch bei anderen monogastrischen Tierarten, per definitionem kein direkter Bedarf an Protein, sondern vielmehr ein Bedarf an Aminosäuren (KIRCHGEßNER 2011). Für die physiologischen Stoffwechselvorgänge im Organismus sind mehr als 20 Aminosäuren beschrieben, die wichtige Funktionen besitzen (RAVINDRAN u.

BRYDEN 1999). Davon sind für das Geflügel zehn Aminosäuren essentiell, ohne deren Verfügbarkeit ein Überleben der Tiere nicht möglich ist (OUSTERHOUT 1960). Diese können nicht vom Tier selbst synthetisiert werden. Zusätzlich können weitere Aminosäuren leistungsbegrenzend sein, da ihre Synthese auf der Umsetzung essentieller Aminosäuren basiert. So wird etwa Cystein aus der essentiellen Aminosäure Methionin synthetisiert (BAKER et al. 1996) und als Substrat für Tyrosin dient die ebenfalls essentielle Aminosäure Phenylalanin (SASSE u. BAKER 1972). Empfehlungen für die Aminosäurenversorgung von Broilern werden von dem Ausschuss für Bedarfsnormen der Gesellschaft für Ernährungsphysiologie herausgegeben (GFE 1999).

Tabelle 1: Einteilungen der Aminosäuren nach ernährungsphysiologischen Gesichtspunkten für das Geflügel (nach SCOTT et al. (1982) in GFE (1999), modifiziert)

Arginin Cystein (Methionin*) Alanin

Histidin Hydroxylysin (Lysin*) Asparagin

Isoleucin Tyrosin (Phenylalanin*) Asparaginsäure

Leucin Glutamin

* Substrat der jeweiligen Aminosäure; ** bei maximalem Wachstum ggf. limitierend

Wachsende Tiere haben einen hohen Bedarf an bestimmten essentiellen Aminosäuren (KIRCHGESSNER et al. 1987). Für die Muskelfleischbildung ist Lysin bei Broilern die erstlimitierende Aminosäure (GEAU 1948), die Neubildung von Federn erfordert hohe Gehalte der schwefelhaltigen Aminosäuren Methionin und Cystein (BAKER et al. 1996). Bei einem geringen Rohproteingehalt in der Ration muss die Ration daher durch eine gezielte Zugabe von bestimmten Aminosäuren angereichert werden, um eine bedarfsdeckende Versorgung der Tiere zu gewährleisten (BAKER 2009; WU 2014). Je geringer der Rohproteingehalt im Alleinfutter für Broiler ist, desto bedeutender ist der Gehalt an leistungsbegrenzenden Aminosäuren und deren Verhältnis zueinander (MACK et al. 1999b).

Dabei können, abhängig vom Rohproteingehalt, auch Aminosäuren limitierend sein, die bei praxisüblichen Rohproteingehalten von 19 % Rp und mehr i.d.R. ausreichend enthalten sind (BAKER 2009). DEAN et al. (2006) konnten darstellen, dass bei einem Rohproteingehalt von 16 % für ein optimales Wachstum zusätzlich zu der Anreicherung der Ration durch die essentiellen Aminosäuren ein Zusatz der nichtessentiellen Aminosäure Glycin notwendig ist.

Neben dem Einfluss des Wachstums auf den Aminosäurenbedarf des Geflügels besteht eine Vielzahl weiterer innerer und äußerer Einflussfaktoren, wie die Genetik, das Geschlecht, das Alter oder die Umgebungstemperatur (HAN u. BAKER 1991; ROSE u. KYRIAZAKIS 1991;

FORBES u. SHARIATMADARI 1994; GFE 1999; MORRISON et al. 2012). Allein Hühner unterschiedlicher Nutzungsrichtungen haben beispielsweise einen sehr unterschiedlichen Bedarf an Aminosäuren, der im Vergleich von Legehennen und Masthühnern deutlich wird (GFE 1999). Weiterhin haben jedoch auch verschiedene Broilerrassen, die sich in ihrer Wachstumsgeschwindigkeit unterscheiden, andere Anforderungen an den Aminosäurengehalt in der Ration (HAN u. BAKER 1991) und selbst innerhalb einer Rasse ändert sich der Bedarf mit dem Alter der Tiere (GFE 1999).

Ein ebenfalls bedeutsamer Einflussfaktor auf den Aminosäurenbedarf ist das Auftreten von Infektionen, die mit einem Mehraufwand an Aminosäuren für immunologische Prozesse einhergehen (VISSCHER 2013). So kommt es bei einer Stimulation des Immunsystems zu verschiedenen stoffwechselphysiologischen Veränderungen im Organismus, die zum einen repressive Auswirkungen auf die Futteraufnahme haben (KYRIAZAKIS 2010). Zum anderen kommt es zu Veränderungen in unterschiedlichen Gewebetypen hin zu einer katabolen

Tendenz im Fettgewebe und der Muskulatur (HAMMOND 1944; ELSASSER et al. 2008) und einer priorisierten Versorgung des Immunsystem, welches für seine Leistungen auf die Nutzung von Aminosäuren angewiesen ist, um die immunologisch wichtigen Proteinverbindungen wie Plasmaimmunglobuline, Akute-Phase-Proteine oder Cytokine bilden zu können (BEISEL 1977; LOCHMILLER u. DEERENBERG 2000). Weiterhin ist auch eine gesteigerte Muzinproduktion, die u.a. im Rahmen enteraler Infektionen auftritt, mit einem hohen Aminosäurenaufwand verbunden (ADEDOKUN et al. 2011; MCGUCKIN et al.

2011; ALEMKA et al. 2012).

Neben diesem Aufwand an Aminosäuren für immunologische Leistungen geht von den Immunzellen selbst ein hoher Glukoseverbrauch aus (LOCHMILLER u. DEERENBERG 2000), dem zum einen durch die Mobilisation von Fettdepots begegnet wird (HAMMOND 1944; ELSASSER et al. 2008), der andererseits jedoch auch zu einer verstärkten Gluconeogenese aus Metaboliten des Aminosäurenabbaus führen kann (LOCHMILLER u.

DEERENBERG 2000; ELSASSER et al. 2008).

2.4.2.2 Wahlversuche zur Proteinversorgung

Diese hohe Variabilität des Bedarfs an Aminosäuren wirkt sich auch auf das Futteraufnahmeverhalten der Tiere aus (RANFT u. HENNIG 1991; FORBES u.

SHARIATMADARI 1994; KYRIAZAKIS 2010; MORRISON et al. 2012). Vieles spricht dabei für eine homöostatische Regulation der Aminosäurenaufnahme, der ein äußerst komplexes, jedoch noch nicht sehr genau erforschtes Zusammenspiel verschiedener Mechanismen zugrunde liegt (MORRISON et al. 2012).

Eine Ration, die unausgeglichen in ihrer Aminosäurenzusammensetzung ist, kann das Futteraufnahmeverhalten der Tiere beeinflussen (BOORMAN 1979; FORBES u.

SHARIATMADARI 1994; FORBES 2007). Auf eine moderate Imbalanz der Aminosäuren können die Tiere mit einer kompensatorischen Steigerung der Futteraufnahme reagieren (FORBES 2007). Ist die Imbalanz hingegen durch eine gesteigerte Futteraufnahme nicht zu kompensieren, reagieren Broiler und auch andere Tierarten mit einer Verzehrsdepression, die direkt proportional zu dem Mangel bestimmter Aminosäuren oder der Dimension der Imbalanz ist (BOORMAN 1979). FORBES und SHARIATMADARI (1994) sehen als

Hintergrund die metabolischen Kosten, die mit der Desaminierung und Ausscheidung der überschüssigen Aminosäuren über den Harnsäurezyklus verbunden sind.

Neben dieser Fähigkeit, eine unausgeglichene Aminosäurenzusammensetzung der Ration zu erkennen, können Broiler aus Futtermitteln unterschiedlicher Proteinqualität diejenige Komponente herausfinden, die ihren Bedürfnissen am nächsten kommt (ROSE u.

KYRIAZAKIS 1991; FORBES u. SHARIATMADARI 1994; FORBES 2007; KIM 2014).

Evolutionsbiologisch ist diese Fähigkeit von hoher Bedeutung für die Tiere, um unterschiedliche potentielle Nahrung nach ihrem Nährstoffgehalten zu unterscheiden (FORBES u. SHARIATMADARI 1994). In der empirischen wissenschaftlichen Arbeit macht man sich diese Fähigkeit zu Nutze, um in Fütterungsversuchen mit Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Futtermitteln (Wahlversuche) den Einfluss verschiedener äußerer und innerer Faktoren auf das Futteraufnahmeverhalten der Tiere zu untersuchen (EMMANS 1991;

ROGERS u. BLUNDELL 1991; FORBES 2007).

Als Grundvoraussetzung für die Durchführung eines solchen Wahlversuches ist zu beachten, dass mindestens eine Komponente ein unausgewogenes Verhältnis der Nährstoffe besitzen muss, deren Aufnahme es zu untersuchen gilt (EMMANS 1991). Klassischer Weise werden in Wahlversuchen zur Proteinversorgung zwei Komponenten mit unterschiedlichen Gehalten an Rohprotein angeboten, wobei eine Komponente einen Rohproteingehalt unterhalb des Bedarfs der Tiere aufweist (Low-Protein-Diet), die andere hingegen einen Überschuss enthält (High-Protein-Diet). SHARIATMADARI und FORBES (1993) konnten bei Einsatz einer Low-Protein-Diet mit einem Rohproteingehalt von 65 g/kg TS und einer High-Protein-Diet von 280 g/kg TS ein Futteraufnahmeverhältnis der beiden Komponenten beobachten, welches ein maximales Wachstum der Tiere ermöglichte. Der mittlere Rp-Gehalt der aufgenommenen Ration betrug 225 g/kg TS. SIEGEL et al. (1997) konnten diese Ergebnisse bestätigen, wobei die beiden Komponenten in ihrem Rohproteingehalt etwas höher angesetzt wurden (82 g bzw.

330 g/kg TS). KIM (2014) wählte hingegen einen etwas anderen Ansatz, indem neben einer High-Protein-Diet mit 294 g Rp/kg TS eine Komponente mit einem ausgewogenen Rohproteingehalt (205 g/kg TS) anboten wurde. Hier wurde eine deutlich höhere Aufnahme der ausgewogenen Komponente im Gegensatz zu der High-Protein-Diet (70 % bzw. 30 %) beobachtet.

Weisen hingegen alle angebotenen Komponenten einen Rohproteingehalt unterhalb der Bedarfsgrenze bzw. einen Rohproteinexzess auf, so werden jeweils die Futtermittel bevorzugt, die den Bedürfnissen der Tiere am nächsten kommen (SHARIATMADARI u.

FORBES 1993).

GOUS und SWATSON (2000) setzten verschiedene Futtermittel mit identischen Rohproteingehalten ein, die mit Fischmehl, Sonnenblumen- oder Sojakuchen jedoch unterschiedliche Proteinquellen enthielten. Bei einer Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Rohproteinquellen wurden bessere Zunahmen beobachtet als bei solitärem Einsatz einer Komponente. Hieraus schließen die Autoren auf die Fähigkeit der Tiere, entsprechend ihrer Bedürfnisse einen Einfluss auf das Aminosäurenmuster der aufgenommenen Ration zu nehmen (GOUS u. SWATSON 2000).

Insbesondere für die wichtigsten wachstumslimitierenden Aminosäuren des Geflügels, Lysin und Methionin, konnte gezeigt werden, dass die Tiere unterschiedliche Gehalte dieser essentiellen Nährstoffe im Futter unterscheiden können. KIM (2014) konnte analog zu den oben beschrieben Versuchsmodellen zur Rohproteinversorgung darstellen, dass Komponenten mit einem bedarfsgerechten Gehalt an Lysin gegenüber Komponenten mit hohen oder niedrigen Lysingehalten bevorzugt wurden. Stand die Komponente mittleren Lysingehalts nicht zur Auswahl, wurde eine bedarfsgerechte Mischung aus einer Low-Lysine-Diet und einer High-Lysine-Diet aufgenommen (KIM 2014). Vergleichbare Ergebnisse zur Versorgung mit Methionin konnten STEINRUCK et al. (1990) darstellen.

Grundsätzlich ist bei Wahlversuchen zur Proteinversorgung jedoch zu beachten, dass die Futteraufnahme wesentlich vom Energiegehalt der Ration abhängt, wobei die Gesamtfutteraufnahme negativ mit dem Energiegehalt korreliert ist (FORBES 2007). Beim wachsenden Geflügel bleibt der Proteinbedarf relativ konstant während der Energiebedarf verhältnismäßig ansteigt (FORBES u. SHARIATMADARI 1994). Dies resultiert in einem Protein-Energie-Verhältnis, welches mit zunehmendem Alter der Tiere kleiner wird.

Hintergrund ist das begrenzte Proteinansatzvermögen bei steigender Futteraufnahmekapazität (KYRIAZAKIS et al. 1990), was physiologischer Weise in der Anlage von Fettdepots resultiert (SHARIATMADARI u. FORBES 1993).

Broiler neigen dazu, ihren Energiebedarf durch eine möglichst geringe Gesamtfutteraufnahme

zu decken (FORBES u. SHARIATMADARI 1994). In Wahlversuche zur Rohprotein- und Aminosäurenversorgung, in denen einzelne Komponenten einen geringen Rohproteingehalt in Kombination mit einem überdurchschnittlichen Energiegehalt aufwiesen, besteht daher die Gefahr einer Energieüberversorgung bei einer Proteinversorgung unterhalb des Bedarfs (FORBES u. KYRIAZAKIS 1995).