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Die intestinale Mukusschicht

2.4 Zusammenhänge zwischen einer Infektion von Broilern mit Campylobacter spp. und

2.4.3 Die intestinale Mukusschicht

Wie bereits erwähnt, hat die Rohproteinversorgung neben der Bedeutung für die Bedarfsdeckung des Tieres auch einen Einfluss auf die Dicke und Zusammensetzung der intestinalen Mukusschicht (RAVINDRAN u. BRYDEN 1999; LEMME et al. 2004;

MONTAGNE et al. 2004; RAVINDRAN et al. 2009; ABBASI et al. 2014). Im Zusammenhang mit der Bedeutung dieser Mukusschicht für eine Infektion der Broiler mit C. jejuni (HUGDAHL et al. 1988; VAN DEUN et al. 2008b; ALEMKA et al. 2010a) soll im Folgenden näher auf den Aufbau, die Interaktion mit C. jejuni sowie die Beeinflussbarkeit dieser Mukusschicht durch die Fütterung näher eingegangen werden.

Die Schleimhaut des Darms hat eine unvergleichlich große Oberfläche, die kontinuierlich einer Vielzahl von Einflüssen der aufgenommenen, exogenen Komponenten, aber auch der intestinalen Mikroorganismen ausgesetzt ist (ALLEN 1981; KIM u. HO 2010; TARABOVA et al. 2016). Zum Schutz dieser Oberfläche besteht über den gesamten Darmtrakt die so genannte Mukusschicht, die zum größten Teil aus Muzinen aufgebaut ist (ALLEN 1981; KIM u. HO 2010; TARABOVA et al. 2016). Sie stellt eine physikalische Barriere dar, hat aber gleichzeitig durch die selektive Durchlässigkeit eine wichtige Funktion für die Diffusion kleiner Nahrungsbestandteile aus dem Chymus zu den zellassoziierten Verdauungsenzymen der intestinalen Schleimhaut und damit für die Absorption von Nährstoffen (DEPLANCKE u.

GASKINS 2001; TARABOVA et al. 2016). Weiterhin übernimmt die Mukusschicht wichtige immunologische Funktionen (s. u.) (ALLEN 1981; KIM u. KHAN 2013) und hilft sie als eine Art Gleitmittel bei der Passage des Chymus (ALLEN 1981; TARABOVA et al. 2016).

2.4.3.1 Bildung der Mukusschicht und Einteilung der Muzine

Die intestinale Mukusschicht besteht bis zu 95 % aus Wasser und enthält mit etwa einem Prozent löslichen Salzen eine Elektrolyt-Zusammensetzung, die mit dem Blutplasma vergleichbar ist (ALLEN 1981). Daneben sind in der Mukusschicht verschiedene partikuläre

Bestandteile enthalten, die von vier verschiedenen Zelltypen der intestinalen Schleimhaut sezerniert werden (ALLEN 1981; TARABOVA et al. 2016). Den Hauptbestandteil machen die Muzine aus, welche 1-10 % der Mukusschicht ausmachen können (ALLEN 1981) und von den Becherzellen produziert werden (ALLEN 1981; SPECIAN u. OLIVER 1991; KIM u.

KHAN 2013; TARABOVA et al. 2016). Die Muzine sind aufgebaut aus einem Protein-Grundgerüst mit einer hohen Zahl an o-glykosidisch gebundenen Kohlenhydraten und werden daher auch als Glykoproteine bezeichnet (ALLEN 1981). Das Protein-Grundgerüst besteht dabei zum größten Teil aus Serin und Threonin (RAVINDRAN u. BRYDEN 1999;

ADEDOKUN et al. 2011). Beim Geflügel sind außerdem Prolin, Asparaginsäure und Glutaminsäure in hohen Anteilen enthalten (RAVINDRAN u. BRYDEN 1999; LIEN et al.

2001; ADEDOKUN et al. 2011). Die gebundenen Kohlenhydrat-Seitenketten machen etwa 70 % der Muzine aus und bestehen aus den Kohlenhydraten Acetylgalactosamin, N-Acetylglucosamin, Galaktose, Fucose und Sialinsäuren (ALLEN 1981; ADEDOKUN et al.

2011; ALEMKA et al. 2012; KIM u. KHAN 2013).

CORFIELD et al. (2001) teilen die Muzine in zwei Gruppen ein. Sie grenzen die Muzine von den sezernierten, Gel-bildenden Muzinen ab. Zell-Oberflächen-Muzine sitzen unmittelbar auf der apikalen Membran der Mukosaepithelzellen und schützen diese vor mechanischen Einflüssen durch große Moleküle sowie der Adhäsion von Mikroorganismen (LINDÉN et al. 2008b). Die sezernierten Gel-bildenden Muzine stellen den Hauptbestandteil der Mukusschicht dar und sind für die viskös-elastische Beschaffenheit dieser Schicht verantwortlich (LINDÉN et al. 2008b).

Eine weitere Einteilungsmöglichkeit der Muzine ist die Klassifizierung nach ihren chemischen Eigenschaften in neutrale und saure Muzine (MONTAGNE et al. 2004;

ADEDOKUN et al. 2011; TARABOVA et al. 2016). Während neutrale Muzine vor allem von neugebildeten, unreifen Zellen gebildet werden, produzieren reife Becherzellen saure Muzine, welche resistenter gegen mikrobiellen Abbau sind (TARABOVA et al. 2016).

Neben den Muzinen selbst besteht die Mukusschicht aus verschiedenen weiteren Molekülen, die von anderen Zelltypen produziert werden. So gelangen die von den B-Zellen des Immunsystems produzierten Immunglobuline (insb. IgA), die eine wichtige Funktion der lokalen Immunabwehr haben über die Enterozyten in die Mukusschicht (KIM u. HO 2010;

MCGUCKIN et al. 2011). Des Weiteren sezernieren enteroendokrine Zellen verschiedene Monoamine und Peptide mit hormoneller Funktion (MCGUCKIN et al. 2011; MORRISON et al. 2012) in die Muzin-Matrix. Von den nur im Jejunum und Ileum vertretenen Paneth-Zellen wird eine Synthese antimikrobieller Substanzen wie Lysozymen und Defensinen beobachtet, denen eine Bedeutung in der Abwehr pathogener Mikroorganismen zukommt (WHITE et al.

1995; MCGUCKIN et al. 2011).

Unter physiologischen Bedingungen besteht ein Gleichgewicht zwischen der Neubildung und Sekretion der Muzine auf der einen Seite und dem enzymatischen Abbau durch körpereigene Proteasen und kommensale Mikroorganismen sowie Abrieb durch die Ingestapassage auf der anderen Seite, wobei diese Vorgänge in einer relativ konstanten Dicke der Mukusschicht resultieren (ATUMA et al. 2001; CORFIELD et al. 2001; MCGUCKIN et al. 2011).

2.4.3.2 Interaktionen zwischen C. jejuni und der intestinalen Mukusschicht

Durch die Anwesenheit zahlreicher pathogener Mikroorganismen kommt es physiologischer Weise zu einer Hyperplasie der Becherzellen und forcierter Muzinsekretion mit einem gesteigerten Anteil saurer Muzine (KIM u. HO 2010; ADEDOKUN et al. 2011; MCGUCKIN et al. 2011; ALEMKA et al. 2012; KIM u. KHAN 2013). Das Ziel dieser Reaktion ist die Aufrechterhaltung der Integrität der Mukusschicht sowie eine Eradikation der pathogenen Flora (KIM u. HO 2010; KIM u. KHAN 2013).

Pathogene Mikroorganismen, die an den Verdauungstrakt adaptiert sind (enterale Pathogene), wie beispielsweise Escherichia coli, Salmonella spp. oder Clostridium perfringens haben jedoch verschiedenen Strategien entwickelt, um die Barriere der Mukusschicht zu überwinden (COSTERTON et al. 1978; FIRON et al. 1983; IMMERSEEL et al. 2004). Die Produktion verschiedener Muzin-abbauender Enzyme zählt ebenso wie eine Muzin-indizierte Chemotaxis und eine aktive Beweglichkeit zu den Virulenzmechanismen dieser enteralen Pathogene (HOSKINS et al. 1985; YOUNG et al. 2007; ALEMKA et al. 2012).

Auch C. jejuni hat sehr erfolgreiche Strategien entwickelt, die Mukusschicht zu invadieren und schließlich in dieser zu kolonisieren (VAN DEUN et al. 2008b; ALEMKA et al. 2010a).

Während die exakten Mechanismen der Kolonisation, Adhäsion und Invasion von C. jejuni noch nicht abschließend erforscht sind (MORAN et al. 2011; ALEMKA et al. 2012; DA

FONSECA BATISTÃO et al. 2016; PIELSTICKER et al. 2016), konnten zahlreiche Studien der vergangenen Jahre jedoch komplexe wechselseitige Beziehungen von Bakterium und intestinaler Mukusschicht darstellen (HUGDAHL et al. 1988; BYRNE et al. 2007;

MCAULEY et al. 2007; VAN DEUN et al. 2008b; ALEMKA et al. 2010a; 2010b; 2012).

Wichtige Bedeutung in der Interaktion von Bakterium und Mukusschicht hat dabei der Mikroorganismus selbst. Durch korkenzieherartige Bewegungen und gerichtete Motilität mit Hilfe seiner Geißeln ist C. jejuni in der Lage, sich aktiv in der Mukusschicht fortzubewegen (YOUNG et al. 2007).

Beeinflusst wird diese Bewegung durch die anziehende Wirkung, die bedeutsame Bestandteile der Muzine auf C. jejuni ausüben, etwa die Aminosäuren Serin, Glutamat und Asparaginsäure aber auch der Einfachzucker Fucose (HUGDAHL et al. 1988; KHANNA et al. 2006). Sowohl das Vorhandensein von Rezeptoren, die für diese Chemotaxis verantwortlich sind, als auch die Präsenz von Genen, welche die Biosynthese von Geißeln codieren, sind essentielle Vorrausetzung für eine erfolgreiche Kolonisation in Hühnern (WASSENAAR et al. 1993; HENDRIXSON u. DIRITA 2004; HENDRIXSON 2006).

Die Anwesenheit von Muzinen scheint dabei essentiell für das Überleben und das Wachstum von C. jejuni zu sein (HUGDAHL et al. 1988; VAN DEUN et al. 2008b). Bereits HUGDAHL et al. (1988) konnten zeigen, dass C. jejuni die Aminosäuren Serin, Asparaginsäure und Glutamat aus dem Protein-Grundgerüstes der Muzine für sein Wachstum nutzen kann. VAN DEUN et al. (2008b) zeigten in ihrer Studie ein Überleben und eine Vermehrung von C. jejuni in phosphatgepufferter Salzlösung mit einem Zusatz von aviären Mukusbestandteilen, wohingegen dies in reiner phosphatgepufferter Salzlösung, sowie durch Zugabe von Caecuminhalt nicht der Fall war.

Weiterhin scheinen von Bestandteilen der Mukusschicht, neben dem Einfluss auf die bakterielle Chemotaxis, weitere Auswirkungen auf den mikrobiellen Organismus von C. jejuni auszugehen (BYRNE et al. 2007; ALEMKA et al. 2010a; 2010b). So konnte durch die Präinkubation von C. jejuni mit aviären Mukusbestandteilen im Vergleich zu humanen Muzinen die Adhäsion und Invasion des Erregers an und in aviären und humanen Zelllinien reduziert werden (BYRNE et al. 2007; ALEMKA et al. 2010a; 2010b). Dabei konnte sowohl

ein Effekt durch Mukusbestandteile aus dem Dünndarm als auch aus dem Dickdarm von Hühnern ausgemacht werden (BYRNE et al. 2007; ALEMKA et al. 2010b), wobei bei Herkunft aus dem Dünndarm eine deutlichere Reduktion der Invasion erzielt werden konnte (BYRNE et al. 2007). Die Autoren vermuten hinter diesen Wechselwirkungen einen Grund für die unterschiedlichen Kolonisationseigenschaften von C. jejuni in Huhn und Mensch.

Neben diesen Einflussfaktoren der Mukusschicht auf den Erreger konnte aber auch gezeigt werden, dass eine Infektion mit C. jejuni nicht ohne Auswirkungen auf die muzinbildenden Becherzellen bleibt. So zeigten MCAULEY et al. (2007), dass durch eine Infektion der Maus mit C. jejuni ein bestimmtes Muzin (MUC1) deutlich heraufreguliert wird, was in der Abwehr des Tieres eine zentrale Rolle zu spielen scheint. So wurde bei Mäusen mit einer Mutation im MUC1-Gen eine deutliche Zunahme der systemischen Infektion durch C. jejuni beobachtet (MCAULEY et al. 2007). Beim Menschen wurde ebenfalls eine Stimulation des MUC1-Gens durch C. jejuni-Infektionen beobachtet (LINDÉN et al. 2008a).

2.4.3.3 Einflüsse der Fütterung auf die intestinale Mukusschicht

Abgesehen von der forcierten Muzinsekretion durch die Anwesenheit pathogener Mikroorganismen unterliegt die Sekretion von Muzinen und damit die Zusammensetzung und Dicke der Mukusschicht weiteren Einflussfaktoren unter denen die Diätetik eine bedeutenden Stellenwert einnimmt (ALLEN 1981; RAVINDRAN u. BRYDEN 1999; FERNANDEZ et al.

2000; LEMME et al. 2004; MONTAGNE et al. 2004; SMIRNOV et al. 2004; RAVINDRAN et al. 2009; ADEDOKUN et al. 2012; ABBASI et al. 2014; TARABOVA et al. 2016)

Dabei ist zum einen die Höhe der Muzinsekretion, zum anderen aber auch die Zusammensetzung der Mukusschicht durch die Fütterung zu beeinflussen (FERNANDEZ et al. 2000; MONTAGNE et al. 2004; SMIRNOV et al. 2004; ADEDOKUN et al. 2012).

Die Muzinproduktion steigt mit einer Erhöhung der Gesamtmenge des aufgenommenen Futters überproportional an (MONTAGNE et al. 2004). Als Gründe hierfür sind eine höhere Passagerate und ein voluminöserer, festerer Chymus zu sehen, die zu einer zunehmenden Erosion der Mukusschicht führen (MONTAGNE et al. 2004). Auf der anderen Seite führt ein Futterentzug zu einer raschen Abnahme des Gesamtmuzingehaltes im Chymus (THOMPSON

u. APPLEGATE 2006) und schließlich zu einer verringerten Anzahl an Becherzellen und einer geringeren Dicke der Mukusschicht (SMIRNOV et al. 2004).

Darüber hinaus ist ein höherer Rohfasergehalt der Ration mit einer höheren Sekretion von Muzinen verbunden (JØRGENSEN et al. 1996; RAVINDRAN u. BRYDEN 1999;

ADEDOKUN et al. 2012). Durch unlösliche Fasern wird die Abrasion der Mukusschicht durch die Ingestapassage erhöht und es kommt zu einer mechanischen Irritation der Darmschleimhaut, während lösliche Fasern durch ihre Wasserbindungskapazität die Viskosität der Mukusschicht verringern und so ihre Integrität vermindern (MONTAGNE et al. 2004). Zudem ist der Rohfasergehalt negativ mit der Energiedichte korreliert (KAMPHUES et al. 2014), was zu einer kompensatorischen Steigerung der Futteraufnahme mit den bereits erläuterten Konsequenzen für die Mukusschicht führt (MONTAGNE et al.

2004).

CLAUSTRE et al. (2002) konnten in einem in-vitro-Versuch an isolierten Abschnitten des Jejunums von Ratten eine Steigerung der Muzinsekretion durch verschiedene, hydrolysierte Proteine zeigen. Diese Beobachtungen wurden u.a. auch durch MARTÍNEZ-MAQUEDA et al. (2012) bestätigt. Die nativen, nicht hydrolysierten Proteine hatten dagegen keinen Einfluss auf die Muzinsekretion, woraus die Autoren eine Stimulation der Muzinsekretion speziell durch Peptide ableiten (CLAUSTRE et al. 2002). Eine hohe Zahl freier Peptide im Darmlumen spricht dabei für eine hohe Aktivität proteinspaltender Enzyme wie Pepsin und Chymosin, die auch eine Spaltung der Muzin-Glykoproteine katalysieren MONTAGNE et al.

(2004). RAVINDRAN et al. (2009) konnten diese Ergebnisse auf eine in-vivo-Studie mit Broilern übertragen, in der eine höhere Zahl von Peptiden im Ileum zu einem Anstieg der intestinalen Sekretion der Aminosäuren führte, die ein Hauptbestandteil des Muzin-Proteingerüstes sind.

Eine besondere Bedeutung kommt hierbei dem Threoningehalt der Ration zu. So führt ein höherer Threoningehalt zu einer Zunahme der Zahl an Becherzellen und einer erhöhten Mukusproduktion (ZAEFARIAN et al. 2008; HORN et al. 2009; ABBASI et al. 2014). Dabei macht Threonin einen bedeutsamen Teil des Protein-Gerüsts der Muzine aus (RAVINDRAN u. BRYDEN 1999; ADEDOKUN et al. 2011) und tritt, im Vergleich zu anderen Aminosäuren, im Verhältnis zur Aufnahme mit der Nahrung nur in geringeren Anteilen im

portalen Blut auf (MONTAGNE et al. 2004). Ein Grund hierfür ist die direkte Muzinsynthese aus freien Aminosäuren des Darmlumens, die neben den Aminosäuren arteriellen Ursprungs eine wichtige Bedeutung am Aufbau der Mukusschicht haben (ALPERS 1972).