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Einfluss der Fütterungskonzepte auf eine Campylobacter jejuni-Infektion von

5.2 Erörterung wesentlicher Ergebnisse

5.2.1 Einfluss der Fütterungskonzepte auf eine Campylobacter jejuni-Infektion von

Im ersten Teil der vorliegenden Studie sollte getestet werden, ob ein Einfluss einer reduzierten Rohprotein- und Aminosäurenaufnahme von Broilern auf eine experimentelle Infektion von Broilern mit Campylobacter jejuni besteht.

Zu diesem Zweck wurde im ersten Hauptversuch der Rohproteingehalt in der Ration von Broilern auf 190 g Rp/kg TS gesenkt und gleichzeitig der Gehalt der für das Wachstum der Tiere wichtigen Aminosäuren Lysin, Methionin, Threonin, L-Isoleucin, Valin und L Arginin durch den Einsatz kristalliner Aminosäuren auf das Niveau einer Kontrollration mit 212 g Rp/kg TS angehoben. Indirekt wurde auf diese Weise der Anteil der für den Stoffwechsel von C. jejuni wichtigen Aminosäuren Serin, Asparaginsäure, Glutaminsäure und

Prolin gesenkt (GUCCIONE et al. 2008). Auf diese Weise konnte eine geringere tägliche Aufnahme dieser Aminosäuren durch die Broiler erreicht werden, Zudem wurde eine geringere Freisetzung von Muzinen im Intestinaltrakt beobachtet, wobei C. jejuni die in den Muzinen enthaltenen Aminosäuren ebenfalls für sein Wachstum nutzen kann (HUGDAHL et al. 1988).

Einfluss der Fütterung auf die Muzinproduktion

Dabei waren die tägliche Rohproteinaufnahme im Versuchszeitraum von Tag 21 bis Tag 42 und der Gesamtmuzingehalt in den Exkrementen an Tag 42 signifikant miteinander korreliert (r2 = 0,73; p = 0,0002). Ein solcher Zusammenhang zwischen der Rohproteinaufnahme im Versuchszeitraum und dem Gesamtmuzingehalt in den Exkrementen konnte auch im zweiten Versuch festgestellt werden (r2 = 0,66, p = 0,0017). Diese Beobachtungen decken sich mit den in der Literatur beschriebenen Zusammenhängen zwischen der Rohproteinversorgung und der Muzinfreisetzung im Intestinum von Broilern (HORN et al. 2009; RAVINDRAN et al. 2009;

ABBASI et al. 2014). Diesen Zusammenhängen liegen zwei bekannte Mechanismen zugrunde. CLAUSTRE et al. (2002) konnten im Mausmodell zeigen, dass eine erhöhte Anzahl freier Peptide zu einer gesteigerten Muzinfreisetzung führt. RAVINDRAN et al.

(2009) konnten diese Beobachtungen auf den Broiler übertragen, wobei hier höhere Konzentrationen von Peptiden im Futter zu steigenden endogenen Aminosäurenverlusten von Threonin, Serin, Asparaginsäure und Glutaminsäure führten. Da diese Aminosäuren bei Broilern den Hauptbestandteil des Aminosäuren-Grundgerüsts der Muzine ausmachen (RAVINDRAN u. BRYDEN 1999; LIEN et al. 2001), schlossen die Autoren indirekt auf eine gesteigerte Muzinsynthese (RAVINDRAN et al. 2009). Hintergrund dieses Zusammenhangs zwischen Peptidkonzentrationen und Muzinproduktion ist die Tatsache, dass eine hohe Peptidkonzentration im Gastrointestinaltrakt natürlicherweise mit einer hohen Aktivität proteinspaltender Enzyme verbunden ist und diese Enzyme auch am Abbau der Muzine beteiligt sind (LIEN et al. 2001; CLAUSTRE et al. 2002; RAVINDRAN et al. 2009).

Der zweite Mechanismus ist auf die direkte Muzinsynthese aus freien Aminosäuren aus dem Darmlumen zurückzuführen (ALPERS 1972; ZAEFARIAN et al. 2008; HORN et al. 2009;

ABBASI et al. 2014). So können neben den Aminosäuren arteriellen Ursprungs auch freie Aminosäuren des Darmlumens zur Muzinsynthese genutzt werden (ALPERS 1972). Bei

höheren Aminosäurengehalten im Futter gelangen mehr Aminosäuren in den Dickdarm (LEMME et al. 2004) und stehen hier für die Muzinsynthese zur Verfügung. Insbesondere für Threonin ist ein Zusammenhang zwischen der Konzentration im Futter und der Zahl von Becherzellen sowie der Muzinproduktion beschrieben (ZAEFARIAN et al. 2008; HORN et al. 2009; ABBASI et al. 2014). Ein Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen täglichen Aufnahme von Threonin im Versuchszeitraum und dem Gesamtmuzingehalt in den Exkrementen konnte auch im ersten Hauptversuch der vorliegenden Studie dargestellt werden (r2 = 0,82, p < 0,0001). Dabei war dieser Zusammenhang noch deutlicher als die Korrelation zwischen der Rohproteinaufnahme und dem Muzingehalt der Exkremente (s.o.). Der proteinreduzierten Ration wurde Threonin gezielt zugesetzt, um eine bedarfsgerechte Versorgung der Broiler zu gewährleisten. Unter experimentellen Bedingungen könnte es aufgrund dieser Beobachtungen durchaus möglich sein, über einen reduzierten Threoningehalt im Futter die Muzinfreisetzung noch weiter zu reduzieren. Eine weitere denkbare Möglichkeit der zusätzlichen Reduktion der intestinalen Muzinfreisetzung ist eine noch stärkere Absenkung des Rohproteingehalts in der Ration.

Auch die Anzahl der Becherzellen in den Caeca war in den Gruppen mit Fütterung der proteinreduzierten Ration signifikant geringer als bei Fütterung der Kontrollration I. Hier ließ sich hingegen kein direkter Zusammenhang zur täglichen Rohproteinaufnahme im Versuchszeitraum herstellen und auch der Gesamtmuzingehalt der Exkremente an Tag 42 wies keine Korrelation zu der Anzahl der Becherzellen in den Caeca am Tag der Sektion auf.

Ein möglicher Grund hierfür ist die Tatsache, dass die Zahl der Becherzellen relativ kurzfristig reguliert werden kann. Innerhalb von etwa zwei Tagen ist die Differenzierung einer Becherzelle abgeschlossen und nach weiteren zwei bis drei Tagen unterliegt die Zelle der kontinuierlichen Gewebeerneuerung der intestinalen Schleimhaut (CHANG u.

LEBLOND 1971; CHANG u. NADLER 1975). Dabei ist in Modellen an der Maus und der Ratte ein Einfluss auf die Becherzellzahl mit einer gesteigerten Muzinfreisetzung infolge akuter Stressexposition beschrieben, (CASTAGLIUOLO et al. 1996; WILSON u. BALDWIN 1999). Als ein Stressauslöser des Geflügels ist auch das Handling der Tiere beschrieben (FREEMAN 1971). Solche Stressauslöser könnten die Erfassung der Körpermasse und die Beurteilung der Fußballengesundheit an Tag 42 sowie die gestaffelte Sektion über einen

Zeitraum von drei Tagen mit wiederholtem Herausgreifen von Tieren aus der Stalleinheit gewesen sein. Dennoch kann die signifikant geringere Anzahl der Becherzellen in der Versuchsgruppe mit proteinreduzierter Ration als ein Hinweis auf eine geringere Muzinfreisetzung in den Caeca einem geringeren Rohproteingehalt in der Ration gewertet werden.

Einfluss der Fütterung auf die Ausscheidung und Ausbreitung von Campylobacter jejuni Die reduzierte Muzinsekretion im ersten Hauptversuch in Kombination mit einer geringeren Aufnahme der für den Stoffwechsel von C. jejuni bedeutsamen Aminosäuren konnte die Ausbreitung der Infektion innerhalb der Tiergruppe etwas verzögern. So war die Prävalenz der C. jejuni-Ausscheidung in der Versuchsgruppe mit proteinreduzierter Ration über einen Zeitraum von vier Tagen nach der experimentellen Infektion kontinuierlich etwas geringer als in der Gruppe mit Kontrollration, wobei dies an Tag 25 auch statistisch abzusichern war.

Weiterhin konnte bei diesen Tieren eine signifikant geringere Ausscheidung von C. jejuni mit den Exkrementen festgestellt werden.

Zunächst soll auf die möglichen Hintergründe der Keimzahlreduktion in den Exkrementen eingegangen werden. Ein möglicher Grund ist die geringere Verfügbarkeit von Aminosäuren für die Mikroorganismen. Während die intestinale Mukusschicht optimale Bedingungen für das Wachstum von C. jejuni bietet (HUGDAHL et al. 1988; VAN DEUN et al. 2008b;

HERMANS et al. 2010), ist das Überleben und das Wachstum des Erregers außerhalb dieser Mukusschicht nur sehr eingeschränkt möglich (BLASER et al. 1980a; VAN DEUN et al.

2008b). VAN DEUN et al. (2008b) konnten zeigen, dass ein Wachstum von C. jejuni im Caecuminhalt nicht möglich ist und stellten bereits innerhalb von vierundzwanzig Stunden eine signifikante Reduktion der Keimzahl fest. Dennoch werden auch in den Exkrementen relativ hohe C. jejuni-Keimzahlen von bis zu 106 KbE festgestellt (POTTURI-VENKATA et al. 2007), was auch in dieser Studie bestätigt werden konnte. Wenngleich ein bakterielles Wachstum mit Hilfe der im Caecuminhalt und in den Exkrementen vorhandenen Aminosäuren nicht möglich scheint, ist dennoch eine Nutzung dieser Aminosäuren zur Aufrechterhaltung der bakteriellen Homöostase denkbar.

Eine geringere Substratverfügbarkeit von Aminosäuren im Caecuminhalt und später in den Exkrementen durch einen geringeren Gehalt von Muzinen sowie einer geringeren

Konzentration freier Aminosäuren könnte diese bakterielle Homöostase beeinträchtigen und auf diese Weise zu einer Keimzahlreduktion von C. jejuni beitragen. Für weitere Forschungsansätze wäre es daher durchaus interessant, die Überlebensdauer des Erregers in den Exkrementen in Abhängigkeit vom Muzingehalt und dem Anteil freier Aminosäuren zu untersuchen.

Dieser mögliche Zusammenhang zwischen der Substratverfügbarkeit und der Keimzahlreduktion von C. jejuni in den Exkrementen könnte auch die etwas langsamere Ausbreitung innerhalb der Tiergruppe mit proteinreduzierter Ration erklären. Eine geringere Überlebensfähigkeit von C. jejuni in den Exkrementen würde neben einer geringeren Keimzahl in den Exkrementen selbst auch zu einem schnelleren Absterben der Erreger in den ausgeschiedenen Exkrementen und damit zu einer geringeren Exposition anderer Tiere einer Tiergruppe mit dem Erreger führen.

Wenngleich sich durch diese veränderte Substratverfügbarkeit die Ausbreitung der Infektion in der Tiergruppe und damit auch in einem konventionellen Broilerbestand nicht dauerhaft aufhalten lässt, ist dennoch ein möglicher Nutzen einer geringeren Ausscheidung und langsameren Ausbreitung einer C. jejuni-Infektion in einem Broilerbestand denkbar. Vor dem Hintergrund, dass das in Europa häufig praktizierte Vorfangen eines Teils der Herde einige Tage vor dem regulären Schlachttermin mit einer großen Gefahr eines Eintrags von Campylobacter spp. in zuvor negative Broilerbestände verbunden ist, kann eine etwas langsamere Ausbreitung dieser Infektionen zu einer geringeren Prävalenz innerhalb der Herde führen. Zum Zeitpunkt des Vorfangens gegen Ende der Mastperiode wird eine geringere Bewegungsintensität der Tiere beobachtet (NEWBERRY u. HALL 1990; SØRENSEN et al.

2000). Ein Eintrag einer C. jejuni-Infektion im Rahmen des Vorfangens in einer Region des Stalls wird somit weniger aktiv durch die Tiere im Stall verbreitet als eine Infektion zu einem früheren Zeitpunkt, sondern ist auch auf eine Ausbreitung von Tier zu Tier angewiesen. Ist diese Übertragung von Tier zu Tier reduziert, etwa durch eine geringere Überlebensfähigkeit der Mikroorganismen in den Exkrementen, kann diese Verbreitung innerhalb des Stalls möglicherweise reduziert und die Prävalenz innerhalb der Herde verringert werden.

Eine niedrigere Prävalenz innerhalb der Herde und geringere Keimzahlen der Exkremente sind im Rahmen des Schlachtprozesses mit einer geringeren Gefahr der Übertragung von

Mikroorganismen auf den Schlachtkörper verbunden. HERMAN et al. (2003) beobachteten eine Korrelation zwischen der Campylobacter spp.-Prävalenz von Broilern und dem Anteil positiver Karkassen und REICH et al. (2008) konnten zeigen, dass die Keimzahlen im Inhalt der Caeca und auf den Karkassen der Broiler nach der Schlachtung ebenfalls korreliert sind.

Weiterhin ist es C. jejuni nicht möglich, sich auf den Karkassen oder dem Lebensmittel zu vermehren (HAZELEGER et al. 1998; ALTER et al. 2006). Stattdessen kommt es zu einer sukzessiven Verminderung der Keimzahlen, abhängig von der Lagerungstemperatur und der Lagerungsdauer (DOYLE u. ROMAN 1981, 1982; STERN 1995; LEE et al. 1998;

GEORGSSON et al. 2006). Bei einer geringeren Kontamination der Schlachtkörper im Rahmen des Schlachtprozesses, kommt es dementsprechend auch zu einer schnelleren Reduktion des Erregers sowohl auf der Karkasse und den Teilstücken als auch in den weiterverarbeiteten Produkten (ALTER et al. 2006). Bereits BLACK et al. (1988) konnten einen Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Anzahl KbE von C. jejuni und dem Risiko humaner Campylobacter-Infektionen zeigen, wobei das Infektionsrisiko mit höherer Dosis zunahm. Vor diesem Hintergund berechneten ROSENQUIST et al. (2003) mithilfe eines mathematischen Modells, dass durch eine Reduktion der Keimzahlen von Campylobacter spp. auf den Karkassen von Broilern um 2 log10-Stufen das Risiko humaner Campylobacteriosen um den Faktor 30 reduziert werden kann.

Die in dieser Studie festgestellte Keimzahlreduktion in den Exkrementen an Tag 23 betrug 1,9 log10-Stufen. Neben dem von REICH et al. (2008) beobachteten Zusammenhang zwischen den Keimzahlen in den Caeca und auf den Karkassen ist vermutlich auch eine Keimzahlverminderung in den Exkrementen mit einer geringeren Übertragung auf die Karkassen verbunden. Entsprechend kann letztlich möglicherweise auch ein geringerer Rohproteingehalt in der Ration von Broilern und der damit einhergehende Einfluss eines geringeren Gehalts an Muzinen und freien Aminosäuren in den Exkrementen auf die Keimzahlen von C. jejuni zu einer geringeren Exposition des Verbrauchers gegenüber C. jejuni durch den Verzehr von Geflügelfleischprodukten führen.

Einfluss der Fütterung auf die Kolonisation von Campylobacter jejuni

Ein Einfluss der Fütterung der proteinreduzierten Ration auf die Kolonisation von C. jejuni in den Caeca am Tag der Sektion konnte hingegen nicht festgestellt werden. HERMANS et al.

(2010) führen die Schwierigkeiten einer Einflussnahme auf die C. jejuni-Kolonisation in den Caeca von Broilern, von denen in zahlreichen Studien berichtet wird (VAN DEUN et al.

2008a; SANTINI et al. 2010; BAFFONI et al. 2012; SAINT-CYR et al. 2016), auf die schützende Funktion der intestinalen Mukusschicht für den Erreger zurück. Entsprechend war es ein Ansatzpunkt dieser Studie, auf diätetischem Wege über die Verringerung des Rohproteingehalts einen Einfluss auf die Muzinfreisetzung im Darmtrakt von Broilern zu nehmen. Während dies für die Gesamtmuzinfreisetzung im Verdauungstrakt auch deutlich nachgewiesen werden konnte, war aus technischen Gründen die Bestimmung des Muzingehalts speziell im Caecuminhalt nicht möglich.

Die geringere Anzahl der Becherzellen der Caeca der Versuchsgruppe mit proteinreduzierter Ration, die in dieser Studie beobachtet wurde, gibt einen Hinweis auf eine geringere Muzinproduktion in den Caeca durch die Fütterung einer Ration mit einem geringeren Proteingehalt. Verschiedene Gründe sind denkbar, warum dennoch kein Einfluss auf die Keimzahl von C. jejuni im Caecuminhalt festgestellt werden konnte. Zum einen wurde die Bestimmung der Keimzahl am Tag der Sektion durchgeführt und damit etwa drei Wochen nachdem die Tiere infiziert wurden. Ein möglicherweise initial bestehender Einfluss einer geringeren Muzinfreisetzung auf die Kolonisation von C. jejuni, der auch einen weiteren Erklärungsansatz für die geringeren Keimzahlen in den Exkrementen und die langsamere Ausbreitung der Infektion in der Versuchsgruppe PRR+ liefern könnte, ist daher nicht auszuschließen. Zum Zeitpunkt der Sektion war der Erreger hingegen schon für einen relativ langen Zeitraum im Darmtrakt der Tiere präsent und hatte dementsprechend die Möglichkeit, auch selbst einen Einfluss auf die Kolonisationsbedingungen zu nehmen.

In den Caeca, den von C. jejuni bevorzugt besiedelten Regionen des Verdauungstraktes von Broilern (BEERY et al. 1988), konnten im zweiten Hauptversuch signifikant tiefere Krypten bei einer C. jejuni-Infektion der Tiere beobachtet werden. Insbesondere in der Mukusschicht dieser Krypten wird eine hohe Besiedlungsdichte durch C. jejuni beobachtet (BEERY et al.

1988; MEINERSMANN et al. 1991). Mit einer größeren Tiefe der Krypten ist entsprechend eine größere Oberfläche der caecalen Schleimhaut und damit auch eine größere Fläche der intestinalen Mukusschicht verbunden, von der C. jejuni möglicherweise profitiert. Ein denkbarer Hintergrund dieser Veränderungen in der Morphologie der caecalen Schleimhaut

ist ein indirekter Einfluss durch C. jejuni. So ist durch C. jejuni eine Stimulation der SCFA-bildenden Bakterien beschrieben (KAAKOUSH et al. 2014; THIBODEAU et al.

2015). Auf die möglichen Hintergründe soll an späterer Stelle genauer eingegangen werden (siehe Kapitel 5.2.4). Ein höheres Aufkommen dieser kurzkettigen Fettsäuren führt zu einer Proliferation der Schleimhaut, um die Resorption dieser energetisch wertvollen bakteriellen Stoffwechselprodukte zu verbessern (LUPTON et al. 1988; GOODLAD et al. 1989; KRIPKE et al. 1989) und kann somit möglicherweise eine Erklärung für die tieferen Krypten unter einer Infektion mit C. jejuni darstellen.

Weiterhin ist in der Literatur auch eine veränderte Sekretion bestimmter Muzine durch die Anwesenheit von C. jejuni beschrieben (MCAULEY et al. 2007; LINDÉN et al. 2008a).

MCAULEY et al. (2007) konnten im Mausmodell zeigen, dass durch eine Infektion mit C. jejuni ein bestimmtes Muzin (MUC1) vermehrt freigesetzt wurde. Eine Stimulation des entsprechenden Gens durch die Anwesenheit von C. jejuni wurde auch beim Menschen beobachtet (LINDÉN et al. 2008a). Während dieses membranständige Muzin eine wichtige Funktion in der Abwehr des Wirtsorganismus gegen eine Invasion des Erregers hat und die Freisetzung daher als physiologische Reaktion des Wirtsorganismus angesehen werden kann (MCAULEY et al. 2007; SHENG et al. 2013), ist es dennoch denkbar, dass C. jejuni im Sinne seiner Kolonisation zunächst von dieser höheren Muzinfreisetzung und damit einer gesteigerten Substratverfügbarkeit profitiert.

Weiterhin ist auch eine gezielte Stimulation der Muzinproduktion durch C. jejuni selbst denkbar. Eine Regulation der Muzinsynthese und –freisetzung durch verschiedene andere Bakterien ist vielfach beschrieben (MACK et al. 1999a; DEPLANCKE u. GASKINS 2001;

SMIRNOVA et al. 2003; DHARMANI et al. 2008). Insbesondere die kommensale Flora spielt eine wichtige Rolle in der Modulierung der Muzinfreisetzung (DEPLANCKE u.

GASKINS 2001). So kann diese Flora bei Kontakt zu pathogenen Mikroorganismen durch Bindung an die Enterozyten oder indirekt durch Sekretion von Mediatoren eine gesteigerte Ausschüttung von Muzinen induzieren (MACK et al. 1999a; SMIRNOVA et al. 2003;

DHARMANI et al. 2008; TSIRTSIKOS et al. 2012).

Zudem ist eine Zunahme der Muzinfreisetzung auch durch entzündliche Veränderungen der Darmschleimhaut beschrieben (FORSTNER 1995; SHEKELS u. HO 2003; SMIRNOVA et

al. 2003). Eine Stimulation des Immunsystems durch C. jejuni ist dabei ebenfalls bekannt (LARSON et al. 2008; SHAUGHNESSY et al. 2009; AWAD et al. 2015; PIELSTICKER et al. 2016; VAEZIRAD et al. 2016). So wird C. jejuni aufgrund bestimmter Oberflächenstrukturen (Pathogen-associated molecular patterns) von entsprechenden Rezeptoren (pattern recognition receptors) des intestinalen Immunsystems der Broiler als potentiell pathogen erkannt und induziert einen Anstieg entzündungsfördernder (proinflammatorischer) Cytokine wie Interleukin-1 und Interleukin-6, die als Botenstoffe im Organismus fungieren (LARSON et al. 2008; SHAUGHNESSY et al. 2009; PIELSTICKER et al. 2016; VAEZIRAD et al. 2016). Neben vielen weiteren Funktionen, die später im Detail besprochen werden, führen diese Botenstoffe auch zu einer Aktivierung der Muzinfreisetzung (FORSTNER 1995; SHEKELS u. HO 2003; SMIRNOVA et al. 2003).

Letztlich ist es jedoch auch nicht auszuschließen, dass eine Reduktion der Muzinsynthese in dem von uns beobachteten Bereich von etwa 7 % nicht ausreicht, um die Kolonisationsbedingungen für C. jejuni substanziell zu verändern. So werden trotz dessen Muzine in großem Maße freigesetzt, was durchaus im Sinne des Tieres ist, um die verdauungsphysiologischen Vorgänge nicht zu beeinträchtigen und einen Schutz der Darmschleimhaut zu gewährleisten. Um den Einfluss einer proteinreduzierten Fütterung auf die Kolonisationsbedingungen für C. jejuni zum Zeitpunkt der Infektion näher zu untersuchen, sind daher weitere Forschungsansätze nötig, die die Muzinfreisetzung speziell in den Caeca exakt zum Zeitpunkt der Infektion bestimmen.

Im Gegensatz zum ersten Hauptversuch konnten im zweiten Hauptversuch nur geringe Unterschiede in der Ausscheidung und Ausbreitung von C. jejuni zwischen den Fütterungskonzepten festgestellt werden. Dies ist im Wesentlichen auf zwei Gründe zurückzuführen. Da im zweiten Hauptversuch primär der Einfluss einer C. jejuni-Infektion auf das Futteraufnahmeverhalten der Tiere untersucht werden sollte, wurden die beiden Rationen der Wahlration lediglich in ihrem Rohproteingehalt modifiziert. Eine zusätzliche gezielte Veränderung der Gehalte bestimmter Aminosäuren wie im ersten Hauptversuch wurde nicht vorgenommen, um die möglichen Einflussfaktoren auf das Futteraufnahmeverhalten möglichst gering zu halten. Entsprechend war eine reduzierte Aufnahme der für den Stoffwechsel von C. jejuni wichtigen Aminosäuren nur in Kombination

mit einer ebenfalls geringeren Aufnahme der für das Wachstum der Broiler wichtigen Aminosäuren verbunden, wodurch eine deutliche Reduktion der Rohproteinaufnahme möglicherweise verhindert wurde. Weiterhin wurde in dem Zeitraum nach der experimentellen Infektion mit C. jejuni ein Anstieg der Aufnahme der rohproteinreichen HP-Ration in der Versuchsgruppe mit Wahlration beobachtet, auf den im nächsten Abschnitt im Detail eingegangen wird. Diese beiden Tatsachen führten dazu, dass sich die Rohproteinaufnahme zwischen den beiden experimentell infizierten Gruppen im zweiten Hauptversuch nicht wesentlich unterschied und daher auf diesem Wege kein wesentlicher Einfluss auf die Infektionsdynamik zu erwarten war. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass zwar die Rohproteinkonzentration in der aufgenommenen Ration der Versuchsgruppe WR+ höher als der Rohproteingehalt der Kontrollration II war, jedoch die Gesamt-Rohproteinaufnahme pro Tier und Tag in dieser Gruppe in dem Zeitraum nach der experimentellen Infektion dennoch etwas geringer als in der Gruppe KR2+ war (vergleiche Tabelle 40). Diese Tatsache könnte eine Erklärung für die etwas geringeren Keimzahlen in den Exkrementen der Versuchsgruppe WR+ im Vergleich zu der Versuchsgruppe KR2+ an Tag 23 darstellen.

5.2.2 Einfluss einer Infektion von Broilern mit Campylobacter jejuni auf die