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Prophylaxe und Therapie schwerer COVID-19-Verläufe

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Ansatzpunkte für den Einsatz von Arzneimitteln zur Prävention und Therapie schwerer COVID-19-Verläufe Die Vermei-dung einer Corona-Infektion stellt einen wichtigen Ansatzpunkt in der Be kämpfung der COVID-19-Pandemie dar. Angesichts der oben beschriebenen Übertragungswe-ge wird verständlich, dass Kontaktbe-schränkungen, das regelmäßige Lüften bei Aufenthalt in geschlossenen Räumen und das Tragen von Mund-Nase- Bedeckungen einen wichtigen, nicht-medikamentösen Ansatz der Prophylaxe darstellen (Exposi-tionsprophylaxe).

Neben den nicht-medikamentösen Mög-lichkeiten der Prophylaxe werden auch verschiedene Arzneimittel als prophylakti-sche Ansätze diskutiert, ohne dass bisher allerdings Wirkstoffe zur Prophylaxe einer SARS-CoV-2-Infektion zugelassen wurden.

Die deutsche Gesellschaft für

Krankenhaus-hygiene hat allerdings bereits im Dezember 2020 unter Berücksichtigung der vorhande-nen Datenlage Empfehlungen zum Gurgeln mit Mundspüllösungen beziehungsweise zur Verwendung von Nasensprays veröf-fentlicht. Als Gurgellösungen werden Koch-salzlösungen oder bevorzugt auch ätheri-sche Mundspüllösungen empfohlen. Für die nasale Anwendung werden Carragelose-haltige Präparate empfohlen (29). Carra-gelose ist ein natürlicher, aus Rotalgen gewonnener Wirkstoff, der einen Schutz-film als physikalische Barriere bildet und so verhindert, dass Viren die Schleimhaut infizieren können. Der entscheidende Baustein in der Prophylaxe einer SARS-CoV-2-Infektion beziehungsweise schwerwie-gender Verläufe einer COVID-19-Erkran-kung ist jedoch die Impfung, auf die auf Seite 27 (Erprobte Ansätze zur Prävention schwerer COVID-19-Verläufe) näher einge-gangen wird.

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Bei der Therapie einer COVID-19-Infektion werden unterschiedliche Ansatzpunkte genutzt. Als eine potenziell kausale, also die Ursache behandelnde Therapie, sind Wirkstoffe anzusehen, die für andere Vi-ruserkrankungen entwickelt wurden. Hier ist unter anderem das gegen das Ebolavi-rus entwickelte Remdesivir zu nennen, auf welches auf Seite 35 (Remdesivir) näher eingegangen wird. Weitere antivirale Wirk-stoffe, die ebenfalls untersucht wurden, sind die bei einer HIV-Infektion eingesetz-ten Wirkstoffe Ritonavir/Lopinavir sowie der gegen eine Hepatitis-C-Infektion ent-wickelte Wirkstoff Ribavirin. Leider konnte bisher für keinen der drei letztgenannten Wirkstoffe eine überzeugende Wirksamkeit in klinischen Studien gezeigt werden. Mög-licherweise ist aber die Therapie mit dem ursprünglich gegen die Virusgruppe entwi-ckelten Wirkstoff Favipiravir eine antivirale Behandlungsoption bei COVID-19 (30).

Bei schweren Krankheitsverläufen stellt die überschießende Entzündungsreaktion einen wesentlichen Pathomechanismus dar. Dies erklärt, warum die Beeinflussung des Immunsystems ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt bei der Behandlung von CO-VID-19 ist, was ab Seite 40 (Immunmodula-torische Behandlungsansätze) besprochen wird.

Das gerade bei schweren Verläufen erhöh-te Risiko einer Aktivierung des Gerinnungs-systems mit der Gefahr des Auftretens von Blutgerinnseln (zum Beispiel Lungenembo-lie) rechtfertigt den regelhaften Einsatz von Gerinnungshemmern. Informationen zum Einsatz von Antikoagulanzien sind auf Seite 46 (Thromboembolien: Antikoagulan-zien) zu finden.

Aus klinischer Sicht stellt die Verschlechte-rung der Lungenfunktion mit der Notwen-digkeit einer möglichst nicht-invasiven, gegebenenfalls auch invasiven Beatmung sicherlich die entscheidende klinische Her-ausforderung dar (siehe Seite 45 (Unter-stützung der Atmung: Sauerstoff)).

Wie bei anderen viral ausgelösten Lungen-entzündungen besteht auch bei einer durch COVID-19 ausgelösten Lungenent-zündung die Gefahr, dass aufgrund einer zusätzlichen bakteriellen Infektion des vor-geschädigten Lungengewebes eine weite-re Verschlechterung der klinischen Situati-on eintritt. Details zum Einsatz vSituati-on Antibiotika sind auf Seite 46 (Ko-Infektionen:

Antibiotika) dargestellt.

Erprobte Ansätze zur Prävention schwerer COVID-19-Verläufe: Impfungen Aktuell sind in Deutschland und Europa fünf Impfstoffe gegen COVID-19 zugelassen:

Comirnaty® (BioNTech/Pfizer), Nu va xo vid®

(Novavax), Spikevax® (Moderna), Vaxzevria®

(AstraZeneca) und COVID-19 Vaccine Jans-sen® (Johnson & Johnson) (31). Internati-onal existieren weitere (teils regiInternati-onal zuge-lassene) Impfstoffe wie beispielsweise Sputnik V® (Gamaleya, zugelassen unter anderem in Russland) (32). CoronaVac®, hergestellt von dem in Peking ansässigen Unternehmen Sinovac, ist der weltweit am häufigsten verwendete COVID-19-Impf-stoff. Nicht weit dahinter liegt der von der staatlichen Firma Sinopharm in Peking entwickelte Impfstoff. Diese Impfstoffe be-finden sich teilweise, gemeinsam mit wei-teren Kandidaten, in einem sogenannten Rolling-Review-Verfahren der European Medicines Agency (EMA) (33). Das bedeu-tet, dass die für eine potenzielle Zulassung in der Europäischen Union nötigen Studi-endaten laufend gesichtet und begutach-tet werden.

Weitere Impfstoffkandi-daten Laut Daten der World Health Organisation WHO befinden sich derzeit (Stand 08.12.2021) weltweit insgesamt weitere 194 Impfstoffkandidaten in der präklinischen Entwicklung und 136 Impfstoffkandidaten werden bereits klinisch erprobt (34).

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Impfstofftypen Die Mehrheit der zu-gelassenen und sich in der Entwicklung befindlichen Impfstoffe nutzt das bereits beschriebene Spike-Protein, das sich auf der Hülle von SARS-CoV-2 befindet, als Impfantigen, das heißt als Zielstruktur für die Erkennung des Virus durch das mensch-liche Immunsystem und die Immunantwort.

Dies geschieht – je nach Impfstofftyp – auf verschiedene Art und Weise.

Die in Deutschland als erstes zugelassenen Impfstoffe gegen COVID-19 sind Vertreter zweier neuartiger Impfstofftypen, bei de-nen das beschriebene Impfantigen durch den Körper der geimpften Patientinnen und Patienten selbst „hergestellt“ wird:

Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) und Spike-vax® (Moderna) sind mRNA-Impfstoffe, während Vaxzevria® (AstraZeneca) und COVID-19 Vaccine Janssen® (Johnson &

Johnson) vektorbasierte Impfstoffe dar-stellen (Abb. 3). Bei beiden Impfstofftypen wird genetische Information zur Herstel-lung des Impfantigens in menschliche Zel-len transportiert. Das „Transportmittel“ ist dabei allerdings unterschiedlich. Bei den mRNA-Impfstoffen gelingt der Transport in

die Körperzelle verpackt in kleinste Fetttröpfchen (Lipid-Nanopartikeln), bei den Vektorvirenimpfstoffen über gentech-nisch modifizierte, für den Menschen nicht gefährliche Viren. Die in Deutschland und Europa zugelassenen Vektorvirenimpfstoffe nutzen dafür Adenoviren, die normalerweise Erkältungen auslösen und weit in der Bevölkerung verbreitet sind. Ein weiterer Unterschied ist, was in die menschliche Zelle transportiert wird. Während mRNA-Impf-stoffe die messenger-RNA (mRNA) und damit bereits den direkten Bauplan für das Impfantigen enthalten, ist bei Vektorvi-renimpfstoffen die DNA-Sequenz des Imp-fantigens in die Virus-DNA eingebaut. Die-se Sequenz wird von menschlichen Zellen abgelesen, wodurch sie zunächst die mRNA herstellen und erst danach das Spike-Pro-tein (35).

Weitere Impfstoffe gegen COVID-19 nutzen Technologien, die schon bei anderen sich auf dem Markt befindlichen Impfstoffen zum Einsatz kommen (zum Beispiel Impf-stoffe gegen Hepatitis B, Humanes Papillo-mavirus (HPV), Grippe) und bei denen das Impfantigen biotechnologisch hergestellt wird. Für den Impfstoff Novavax® wird das Spike-Protein in Insektenzellen

her-Totimpfstoff

Vektorviren-Impfstoff

mRNA-Impfstoff

Virusprotein

Ein SARS-CoV-2-Gen eingefügt

mRNA für das Spike-Protein, von Lipiden umhüllt

Körperzelle

Immun-Antwort Totimpfstoff

mRNA-Impfstoff

Virusprotein

Ein SARS-CoV-2-Gen eingefügt

mRNA für das Spike-Protein, von Lipiden umhüllt

Körperzelle

Immun-antwort

gestellt und gereinigt (32). Allerdings wurde gezeigt, dass Impfstoffe mit hochgereinig-ten Proteinen nur eine schwache Immun-antwort hervorrufen, sodass dem Spi-ke-Protein ein Adjuvans zur Verstärkung der Wirkung hinzugefügt wird (35).

Wirksamkeit und Effektivität der in Deutschland zugelassenen mRNA- und Vektorvirenimpfstoffe Ein direkter Ver-gleich der Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe ist nur schwer möglich, da sich die entsprechenden Studien zur Ermittlung der Wirksamkeit in vielen Faktoren

unter-scheiden. Die Ergebnisse werden durch die Studienmethodik, die Studienpopulation, gemessene Endpunkte und die örtliche Verbreitung der verschiedenen Varianten von SARS-CoV-2 zum Zeitpunkt der Studie beeinflusst. In Bezug auf eine symptoma-tische COVID-19-Erkrankung / einen positi-ven Test auf SARS-CoV-2 werden folgende Wirksamkeiten nach zwei Impfdosen bezie-hungsweise bei COVID-19 Vaccine Jans-sen® (Johnson & Johnson) nach einer Impf-dosis berichtet: Comirnaty® (BioNTech/

Pfizer) 95 Prozent, Spikevax® (Moderna) 94 Prozent und COVID-19 Vaccine Janssen®

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(Johnson & Johnson) 66 Prozent. Auch der Abstand zwischen den beiden Impfungen kann die Wirksamkeit beeinflussen, wie sich am Beispiel von Vaxzevria® (Astra-Zeneca) zeigt: 55 Prozent bei einem Impf-abstand von <6 Wochen und 81 Prozent bei einem Impfabstand >12 Wochen. Neben der Verhinderung von Ansteckungen und sym-ptomatischen Verläufen allgemein liegt der Fokus der Wirksamkeit auf der Verhinde-rung von COVID-19-bedingten schweren Krankheitsverläufen beziehungsweise Krankenhausaufnahmen. Hier wird für alle vier Impfstoffe eine Wirksamkeit von 85,4 Prozent bis 100 Prozent angegeben. Der tatsächliche Effekt der Impfungen außerhalb von klinischen Studien wird allerdings auch durch Faktoren wie den Anteil der bereits geimpften Bevölkerung und die vorherr-schende Virusvariante beeinflusst. Je nach Virusvariante können Impfungen mehr oder weniger wirksam sein, was die generelle Ver-hinderung von Ansteckungen und sympto-matischen Verläufen angeht (32).

Bei einer Erstimpfung mit dem Vektor-virenimpfstoff Vaxzevria® (AstraZeneca) wird in Deutschland mittlerweile eine Zweit-impfung mit einem mRNA-Impfstoff emp-fohlen (siehe Seite 32: Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, STIKO). Ein solches heterologes Impfschema, bei dem zwei verschiedene Impfstoffe eingesetzt

werden, führt zu einer stärkeren Immun-antwort als die zweimalige Impfung mit Vaxzevria® (AstraZeneca). Die Ständige Impfkommission STIKO erwartet daher eine bessere Schutzwirkung durch eine hetero-loge Impfung, wenn die erste Impfung mit Vaxzevria® (AstraZeneca) erfolgt ist (37).

Impfreaktionen und -komplikationen Wie auch bei anderen Impfungen traten nach einer Impfung gegen COVID-19 typi-sche Nebenwirkungen auf, zum Beispiel Schmerzen an der Einstichstelle, Kopf-schmerzen, Müdigkeit, MuskelKopf-schmerzen, Fieber und Übelkeit, die meist milder und vorübergehender Natur sind. Auch wurden sowohl bei mRNA-Impfstoffen als auch bei Vektorvirenimpfstoffen selten / sehr selten (0,1 Prozent bis 0,01 Prozent) allergische Reaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock berichtet.

Darüber hinaus wurden in Verbindung mit Impfungen gegen COVID-19 auch be-stimmte neurologische (das heißt das Nervensystem betreffende) und kardiolo-gische (das heißt das Herz-Kreislauf-System betreffende) Ereignisse berichtet. Beispiele neurologischer Ereignisse sind nach Imp-fung mit mRNA-Impfstoffen Fälle von

Gesichtslähmung (0,1 Prozent bis 0,01 Prozent) und nach Impfung mit Vektorvi-renimpfstoffen das Guillain-Barré-Syn-drom. Beispiele kardiologischer Ereignisse sind Fälle von Herzmuskel- und Herzbeu-telentzündungen (<0,01 Prozent) bei mRNA-Impfstoffen und Blutgerinnsel mit einer gleichzeitigen Verringerung der Zahl an Blutplättchen und Blutungen bei Vek-torvirenimpfstoffen (<0,01 Prozent). Von Herzmuskelentzündungen waren vor al-lem jüngere Männer <30 Jahre betroffen (wobei das Risiko bei Impfung mit Spike-vax® in dieser Patientengruppe höher war als das bei Comirnaty® (38)) und von Blut-gerinnseln Personen <60 Jahre.

Wichtig ist, dass das Auftreten eines uner-wünschten Ereignisses in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer Impfung nicht zwingend bedeutet, dass es durch die Impfung verursacht wurde. Dies zeigt sich daran, dass Ereignisse, die als seltene Impfnebenwirkung gelten (zum Beispiel Herzmuskelentzündung) auch ohne Imp-fung auftreten können (entsprechend ihrer Hintergrundinzidenz). Gleichwohl ergab sich für die oben genannten Ereignisse in der geimpften Population eine Häufigkeit oberhalb dieser „normalen“ Hintergrund-inzidenz, sodass eine ursächliche Rolle der Impfung wahrscheinlich ist. Allerdings sollte

nicht vergessen werden, dass schwerwie-gende Krankheitssymptome, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit nach einer Impfung auftraten (wie zum Beispiel Gesichtslähmung, Guillain-Barré-Syndrom, Thrombosen und Herzmuskelentzündun-gen) mit deutlich höherer Wahrscheinlich-keit auch bei einer COVID-19-Erkrankung auftreten (39-41).

Wichtig bei der Bewertung einer Impfung ist das Abwägen des potenziellen Nutzens (Vermeidung schwerwiegender Krank-heitsverläufe) gegen potenzielle Risiken (Vermeidung von Nebenwirkungen). Die-ses sogenannte Nutzen-Risiko-Verhältnis wurde durch die zulassenden Behörden (zum Beispiel die Europäische Arzneimit-telagentur) für verschiedene Bevölke-rungsgruppen als positiv bewertet, das heißt, der Nutzen überwiegt die Risiken.

Zusätzlich erfolgt in Deutschland auch noch eine Bewertung durch die Ständige Impfkommission (STIKO) im Sinne von Empfehlungen. Auch hier liegt inzwischen generell für alle Erwachsenen und Jugend-lichen im Alter von 12 bis 17 Jahren (sowie für Kinder im Alter von 5 bis 11 Jahren mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung) eine Empfeh-lung der STIKO zur Durchführung einer Impfung vor.

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Impfempfehlungen der Ständigen Impf-kommission (STIKO) Seit der Zulassung des ersten Impfstoffs gegen COVID-19 in Deutschland und des Beginns der Impf-kampagne hat die STIKO ihre Empfehlungen zur Impfung aufgrund neuer zur Verfügung stehender Daten mehrfach angepasst und aktualisiert. Vaxzevria ® (AstraZeneca) wur-de beispielsweise zu Beginn nur für jüngere Patientinnen und Patienten empfohlen, da nicht genügend Daten zur Beurteilung der Immunantwort bei mit diesem Vakzin geimpften Älteren vorhanden waren (42, 43). Allerdings zeigten sich bei Jüngeren (zwar sehr selten (<0,01 Prozent), aber häufiger als bei Älteren) schwere Neben-wirkungen (Hirnvenenthrombose), sodass Vaxzevria® (AstraZeneca) in Deutschland nur noch für Patientinnen und Patienten über 60 Jahren empfohlen wird (44). Ange-sichts des vermehrten Aufkommens der ansteckenderen Delta-Variante des Virus wurde aufgrund der stärkeren Immunant-wort empfohlen, nach einer Erstimpfung mit Vaxzevria® (AstraZeneca) eine Zweit-impfung mit einem mRNA-Impfstoff vorzu-nehmen (42). Zuvor galt die Empfehlung, für beide Impfungen den gleichen Impf-stoff zu verwenden, mit Ausnahme jünge-rer Patientinnen und Patienten, die eine Erstimpfung mit Vaxzevria® (AstraZeneca) erhalten hatten.

Aufgrund der Tatsache, dass bei Personen unter 30 Jahren mit dem Impfstoff Spike-vax® ein höheres Risiko für Herzmuskelent-zündungen beobachtet wurde als mit dem Impfstoff Comirnaty®, passte die STIKO ihre Impfempfehlung an. Impfungen in dieser Altersgruppe sollen nur noch mit Comirnaty®

durchgeführt werden, unabhängig davon, welcher Impfstoff bei einer zuvor erfolgten Impfung gegen COVID-19 eingesetzt wurde (38).

Daten aus Beobachtungsstudien aus meh-reren Ländern zeigen, dass es – bei gleich-zeitiger Verbreitung der Delta-Variante von SARS-CoV-2 – vier bis sechs Monate nach der Grundimmunisierung zu einem leichten Rückgang des Schutzes gegen schwere Krankheitsverläufe kommt. Der Schutz ge-gen symptomatische Infektionen im Allge-meinen (unabhängig vom Schweregrad) ist deutlicher beeinträchtigt. Bei Älteren und bei Personen mit einem beeinträchtigten Immunsystem aufgrund von Erkrankungen oder Arzneimitteln (Immundefizienz) lässt der Schutz vor schweren Krankheitsverläu-fen deutlich nach (45). Die STIKO empfahl eine dritte Impfdosis, die in den Medien auch als Booster-Impfung bezeichnet wird,

zuerst nur für Personen mit Immundefizienz (46). Im weiteren Verlauf wurde die Impf-empfehlung für die dritte Dosis auf Perso-nen ab 70 Jahren, Bewohner von Alten- und Pflegeheimen und Personen mit Patientenkontakt wie beispielsweise Pfle-gepersonal ausgeweitet. Gleichzeitig wur-de für Personen, wur-deren Grundimmunisie-rung mit einer einzelnen Dosis COVID-19 Vaccine Janssen® erfolgt ist, eine Auffri-schungsimpfung mit einem mRNA-Impf-stoff ab 4 Wochen nach der Grundimmuni-sierung empfohlen (47). Im November 2021 empfahl die STIKO dann eine Auffri-schungsimpfung für alle Personen ab 18 Jahren. Die Booster-Impfung soll mit einem mRNA-Impfstoff in der Regel 6 Monate nach der Grundimmunisierung erfolgen, allerdings kann der zeitliche Abstand auch auf 3 Monate verkürzt werden (48).

Besondere Personengruppen – Kinder und Jugendliche Für Kinder und Ju-gendliche sind in Deutschland die mRNA-Impfstoffe Comirnaty® (BioNTech/Pfizer) ab 5 Jahren und Spikevax® (Moderna) ab 12 Jahren zugelassen (33). Die Ständige Impfkommission sprach am 16. August 2021 eine generelle Impfempfehlung für 12- bis 17-Jährige aus, während zuvor bei dieser Altersgruppe eine Impfung nur bei

Vorerkrankungen empfohlen worden war (49). Wie bereits erwähnt empfiehlt die STIKO, bei Personen unter 30 Jahren nur den Impfstoff Comirnaty® einzusetzen.

Kurz vor Redaktionsschluss gab die STIKO in einer Pressemeldung am 9. Dezember 2021 bekannt, dass sich ein Beschlussent-wurf hinsichtlich der Impfung von Kindern unter 12 Jahren im Stellungnahmeverfah-ren mit den Bundesländern und beteiligten Fachkreisen befindet. Die STIKO empfiehlt darin die Impfung gegen COVID-19 für Kin-der von fünf bis elf Jahren, die eine Vorer-krankung oder Kontakt mit Risikopatienten und -patientinnen haben. Auch auf indivi-duellen Wunsch der Kinder und Eltern be-ziehungsweise Sorgeberechtigten kann nach ärztlicher Aufklärung eine Impfung vorgenommen werden (50).

Besondere Personengruppen – Schwangere Seit September 2021 empfiehlt die STIKO Stillenden und Schwangeren ab dem 2. Tri-menon eine Impfung gegen COVID-19. Au-ßerdem wird die Impfung allen Personen im gebärfähigen Alter empfohlen, damit be-reits vor Eintritt der Schwangerschaft ein Impfschutz besteht. Zunächst kamen für Schwangere beide mRNA-Impfstoffe, das heißt sowohl Spikevax® als auch Comirna-ty®, in Betracht (51). Zusammen mit der Aktualisierung der Impfempfehlung für Personen unter 30 Jahren (siehe oben)

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empfahl die STIKO jedoch, bei Schwange-ren, unabhängig vom Alter, nur noch Co-mirnaty® einzusetzen (38). Zusätzlich sol-len auch doppelt geimpfte Schwangere ab dem 2. Trimenon eine Auffrischungsimp-fung mit Comirnaty® erhalten (45).

Fortschritt der Impfkampagne in Deutsch-land und weltweit Bis zum 8. Dezember 2021 waren in Deutschland laut Daten des Robert Koch-Instituts 72,2 Prozent der Be-völkerung mindestens einmal und 69,2 Pro-zent vollständig gegen COVID-19 geimpft (52). Die Impfquote ist weltweit sehr unter-schiedlich.

Während in Deutschland 18,7 Prozent der Bevölkerung bereits eine dritte Impfung bekommen haben (52), haben weltweit nur 55,3 Prozent der Bevölkerung eine Erst-impfung erhalten und 44,9 Prozent sind vollständig immunisiert (53). In Ländern mit niedrigen Einkommen sind nur 6,3 Pro-zent der Menschen mindestens einmal geimpft worden. Das Robert Koch-Institut berichtet Stand Juli 2021 von einer Ziel-impfquote für Deutschland von 85 Prozent bei den 12- bis 59-Jährigen und von 90 Prozent für Personen ab 60 Jahren (54).

Erprobte Ansätze zur Therapie schwerer COVID-19-Verläufe Die folgenden Ab-schnitte stellen eine Auswahl von Wirkstof-fen vor, die im Laufe der Pandemie von verschiedenen Quellen als mögliche COVID-19-Therapien ins Spiel gebracht und/oder diskutiert wurden. Wir beschreiben ihre ursprünglichen Anwendungsbereiche und ihre Wirkweise (allgemein und bei COVID-19 sowie gegebenenfalls den derzeitigen Stand der klinischen Erprobung und die da-raus abgeleiteten Leitlinienempfehlungen.

Letztere basieren hierbei auf der S3-Leitlinie

„Empfehlungen zur stationären Therapie von Patienten mit COVID-19“ der Deutschen In-terdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) (55).

Die ausgewählten Wirkstoffe können danach unterteilt werden, wie sie in den Verlauf der COVID-19-Infektion beziehungsweise -Er-krankung eingreifen. So werden Wirkstoffe in Betracht gezogen, die entweder darauf abzielen, 1 die Virusvermehrung einzu-dämmen oder zu stoppen, 2 eine über-schießende Reaktion des Immunsystems zu korrigieren, 3 spezifische Komplikatio-nen (bakterielle Ko-InfektioKomplikatio-nen, Thrombo-sen) zu vermeiden oder zu behandeln oder 4 die beeinträchtigte Sauerstoffversor-gung so weit wie möglich zu beheben.

Antivirale Behandlungsansätze Es liegt auf der Hand, dass eine Eindämmung der Virusvermehrung eine wichtige Rolle bei der Therapie einer COVID-19-Erkrankung spielen könnte (analog dem Einsatz von Antibiotika zur Therapie bakterieller Infek-tionen). Allerdings befinden sich wesentlich weniger antivirale Wirkstoffe auf dem Markt als antibiotische, und viele Virustatika greifen an virusspezifischen Zielstrukturen an, die bei SARS-CoV-2 keine Rolle spielen.

Einige wenige Wirkstoffe mit potenziell anti-viraler Wirkung gegen SARS-CoV-2 wurden allerdings bereits getestet.

Remdesivir (Veklury®) Remdesivir wurde als Virustatikum ursprünglich gegen Ebola und Marburgfieber entwickelt, erhielt hier-für jedoch keine Zulassung.

Wie wirkt der Wirkstoff? Wie könnte der Wirkstoff bei COVID-19 helfen?

Coronaviren sind RNA-Viren, das heißt im Gegensatz zu DNA-Viren (und zum Men-schen) ist ihre Erbinformation als RNA gespeichert. DNA und RNA sind aus Basen aufgebaut, deren Reihenfolge die Erban-lagen bestimmt. Damit sich das Coronavirus vermehren kann, muss es auch eine Kopie seiner RNA anfertigen, die es dann dem neugebauten Virus wieder mitgeben kann.

Remdesivir ist ähnlich wie eine Base aufge-baut, und wenn es anstatt der richtigen Base in die entstehende Kopie der RNA des Virus eingebaut wird, kommt es zu einem Abbruch der Basenkette, wodurch die Vi-rusvermehrung gehemmt wird (56, 57).

Wie ist die Studienlage? Was empfehlen Leitlinien? Remdesivir ist seit Juli 2020 zur Behandlung von COVID-19 zugelassen.

Bedingt durch den Wirkmechanismus könnte ein Einsatz von Remdesivir besonders am Anfang einer Infektion sinnvoll sein, um die Vermehrung des Virus im Körper zu verlang-samen. Jedoch zeigte Remdesivir bei hos-pitalisierten COVID-19-Patientinnen und -Patienten im Vergleich zur

Bedingt durch den Wirkmechanismus könnte ein Einsatz von Remdesivir besonders am Anfang einer Infektion sinnvoll sein, um die Vermehrung des Virus im Körper zu verlang-samen. Jedoch zeigte Remdesivir bei hos-pitalisierten COVID-19-Patientinnen und -Patienten im Vergleich zur