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Programm zur morphologischen 3-D-Rekonstruktion von Filamenten 38

3.4 Programme zur Bildanalyse

3.4.2 Programm zur morphologischen 3-D-Rekonstruktion von Filamenten 38

Das folgende Programm rekonstruiert den Filamentverlauf von Hyphenpilzen aus dreidimensiona-len CLSM-Aufnahmen [79]. Entlang der Mittelachse der Hyphe kann die Fluoreszenz-Intensität ex-trahiert und auf einen eindimensionalen, gemittelten Verlauf reduziert werden. Dieses Programm ist zunächst für die statische Kultivierung (siehe Abbildung 4.2(c)), d. h. ohne Strömung konzipiert, bei der es zu keiner erheblichen Fluid- und Hyphenbewegung über die Zeit kommt. Die Beschrei-bung des Programms erfolgt in diskreter Form – im Gegensatz zur Veröffentlichung in Kunz et al.

[79].

Eine Mittellinie aus verrauschten Bilddaten mit endlicher Abbildungsleistung zu rekonstruie-ren stellt hierbei eine Herausforderung dar. Für diese wurden in der Vergangenheit verschiedenste Algorithmen zur Segmentierung entwickelt [68, 91, 126, 127, 76, 102, 113]. Kirbas et al. [73] un-terscheiden dabei zwischen sechs Klassen von Algorithmen dieser Art: (1) Techniken der Muste-rerkennung (engl.: pattern recognition techniques), (2) modell-basierte Ansätze, (3) Ansätze der Nachverfolgung (engl.: tracking-based approaches), (4) Ansätze mit Hilfe künstlicher Intelligenz, (5) Ansätze basierend auf neuronalen Netzen, und (6) verschiedene Ansätze zur Erkennung röh-renförmiger Objekte. Der hier entwickelte Ansatz fällt in die erste Kategorie und ist der klassischen Methode der Mustererkennung, in der Unterkategorie der Skelett-basierten Algorithmen zuzuord-nen. Er basiert auf der kombinierten Anwendung von elementaren Filtern und Segmentierungs-schritten, welche den Längenverlauf des Pilzes zu einem Grundskelett reduzieren. Das Programm wurde als Skript in FIJI [133], einer open-source Software zur wissenschaftlichen Bildanalyse, pro-grammiert.

Der schematische Aufbau des Programms ist in Abbildung 3.6 dargestellt. Die Bilddaten wur-den vor ihrer Nutzung vorverarbeitet. Zunächst wurde der Hintergrund von wur-den Bilddaten sub-trahiert (Plugin: subtract brackground, FIJI). Danach durchlief das Bild einen Median-Filter (2-D-Median-Filter-Kernel, Abschnitt 3.4.1), um das Bildrauschen zu reduzieren.

Durch das sequentielle Anfahren unterschiedlicher𝑥𝑦-Bereiche während der CLSM-Aufnahme und dem damit verbundenen Impuls auf die Sporen kam es zu einem lateralen Drift über die Zeit.

Dieser wurde in allen Raumrichtungen durch das Pluginalign slices in stack[129] kompen-siert.

Bei einer statischen Kultivierung ohne Medienfluss ist sichergestellt, dass die Position der Mittelachse im letzten Frame, 𝑡end, die Mittelachsenpositionen in allen vorherigen Bildern bei {𝑡1. . . 𝑡𝑖. . . 𝑡end−1}adäquat erfasst, siehe Abbildung 3.6 (a)15. Der Frame zum letzten Aufnahme-zeitpunkt𝑡endwurde als Summe in die𝑥𝑦-Ebene projiziert (Summen-Projektion, Abschnitt 3.4.1) (b). Die Projektion wurde anschließend binarisiert (Binarisierung, Abschnitt 3.4.1) und die Spo-renposition identifiziert (Tubeness-Plugin [129] in FIJI [133]). Daraufhin wurde das Binärbild mit der Funktionskeletonizationausgedünnt. Das Ergebnis war die projizierte𝑥𝑦-Mittelachse𝐶1, siehe Abbildung 3.6 (c):

𝐶1

mSkelett,nSkelett (3.5)

mit der Reihe der Pixel entlang der Mittellinie, fortlaufend definiert durch die EinträgemSkelett,𝑠 und

nSkelett,𝑠 mit dem Laufindex𝑠 = {1,2, . . . , 𝑆1}und der Anzahl der Pixel,𝑆1, in der Mittellinie. Die

15Vorausgesetzt wird hier, dass es ebenfalls zu keiner Drift während der Bildaufnahme kommt.

3.4 Programme zur Bildanalyse

Abbildung 3.6: Schematischer Aufbau des Programms zur Extraktion der Mittellinie aus drei-dimensionalen Fluoreszenzaufnahmen filamentöser Pilzorganismen. (a) Eingangsdaten: 3-D-Zeitreihe über 𝑁𝑇 Frames einer Einzelspore mit wachsendem Keimschlauch. (b) Summen-Projektion (in𝑧) des𝑁𝑇ten Frames. (c) Extraktion der Mittellinie überskeletonization(siehe Box: (i)). (d) Streckung entlang des Skeletts in der𝑥𝑦-Ebene. (e) Summen-Projektion in ˜𝑥. (f) Ex-traktion der Mittellinie und (g) Streckung entlang des Skeletts in der ˜𝑦𝑧-Ebene. (h) Extraktion der˜ gemittelten Intensitätswerte entlang von ˜˜𝑥𝑧-Ebenen, d. h. orthogonal zu ˜˜˜˜ 𝑦. Durch dieses Programm ergibt sich der Verlauf der Fluoreszenz-Intensität als Funktion der Hyphenlänge. (i) Ablaufschnitte bei der Skeletonisierung: Bildung des Binärbildes durch Setzen eines Schwellenwertes, Schätzung des Radius über das FIJI-PluginTubeness[129], Skeletonisierung und Extraktion entlang der Mit-tellinie. Übernommen und übersetzt aus Kunz et al. [79].

Bildpunkte aller z-Ebenen des originalen Stacks wurden anschließend entlang dieser Mittellinie

„gestreckt”, d. h. entlang

mSkelett,𝑠,nSkelett,𝑠 und einem schlauchförmigen Umgebungsgebiet mit dem Durchmesser𝑤𝐶1über die nicht-lineare Transformation (𝑥,𝑦, 𝑧) → (𝑥,˜ 𝑦,˜ 𝑧)˜ mit ˜𝑧 = 𝑧 (TransformJ-Plugin [97] in FIJI [133]) begradigt.

Der begradigte Frame ˜I[m˜,n˜,o,𝑇end] wurde erneut als Summe in ˜𝑥-Richtung projiziert, siehe Abbildung 3.6 (e), und durch die Funktion skeletonization in ein Skelett überführt, Abbil-dung 3.6 (f). Die finale Mittellinie

𝐶2

˜

nSkelett,oSkelett (3.6)

wurde wiederum fortlaufend definiert durch die Einträge

˜

nSkelett,𝑠,oSkelett,𝑠 mit dem Laufindex 𝑠 = {1,2, . . . , 𝑆2}und der Anzahl der Pixel,𝑆2. Dies hatte erneut eine Streckung und daher eine Transformation zur Folge ((𝑥,˜ 𝑦,˜ 𝑧) → (˜ 𝑥,˜˜ 𝑦,˜˜ 𝑧)˜˜ mit ˜˜𝑥 =𝑥˜, Abbildung 3.6 (g)). Durch die bisherige Abfolge wurde der Keimschlauch in alle Raumrichtungen gestreckt und beschnitten. Es resultieren die finalen Raumdimensionen zu

𝑥˜˜ ∈ [−𝑤/2,𝑤/2], 𝑦˜˜ ∈ [0, 𝐿(𝑡)], 𝑧˜˜∈ [−𝑤/2,𝑤/2] . (3.7) Aus dem finalen Stack wurde die Fluoreszenz-Intensität entlang der Mittellinie ˜˜𝑦extrahiert. Hierbei wurde, ausgehend von der Spore, orthogonal in ˜˜𝑥und ˜˜𝑧gemittelt, siehe Abbildung 3.6 (h).

Die Bildung des Skeletts beinhaltete mehrere Einzelschritte, welche in Abbildung 3.6 (i) darge-stellt sind. Der Einfachheit halber wurde die Axialkoordinate der gestreckten Hyphe, ˜˜𝑦, im späteren mathematischen Modell als𝑥bezeichnet. Dieses wird später in Kapitel 5, S. 51 beschrieben.

3.4.3 Programme zur Quantifizierung der Biomasse und der Fluoreszenz

Das folgende Programm wurde entwickelt, um die Veränderung der Biomasse und die relative Menge bzw. Dichte der SV über die Zeit zu quantifizieren. Die Bilddaten sollten eine ausreichende Anzahl homogen verteilter Sporen und eine ausreichende Masse homogen wachsenden Myzels beinhalten, um gemittelte Aussagen für die Gesamtpopulation treffen zu können.

Das Programm teilt sich in drei Unterprogramme, welche in Abbildung 3.7(a)-(c) schematisch dargestellt und im Folgenden algorithmisch beschrieben werden.

(a) Axiale Verteilung der Fluoreszenz

Die Verteilung des Fluoreszenz-Signals entlang der Tiefenachse soll bestimmt werden. In Anlehnung an den räumlichen Mittelwert der Wandschubspannung in der CFD-Simulation (Gleichung 2.44, S. 19) kann der räumliche Mittelwert für Fluoreszenzdaten errechnet wer-den:

F [o, 𝑡]= 1

M·N M

m=1

N n=1

F [m,n,o, 𝑡] . (3.8) Das Ergebnis ist ein mittlerer Wert der Fluoreszenz für alleOSlices und alle𝑁𝑡 Zeitpunkte.

Die Fluoreszenz wird auf die Summe aller𝑥−𝑦-gemittelten Fluoreszenzsignale normiert, um

3.4 Programme zur Bildanalyse

(a)

x z

_

y

x (b)

t

end

y

(c)

[. . .]

40 60 80 100 120 0

50 100

F [𝑜, 𝑡]

𝑜·Δ𝑧/μ𝑚

[. . .]

Summen-projektion

𝑡

* FΣ,𝑧[𝑡]+

[. . .]

𝑡

* T1[,𝑡]+

[. . .]

Abbildung 3.7:Schematische Darstellung der Programme zur Quantifizierung des Myzelwachs-tums aus dreidimensionalen Fluoreszenzaufnahmen. (a) Axiale Verteilung der Fluoreszenz, (b) Ge-samtfluoreszenz über die Zeit, (c) invertierte Gesamtabsorption aus Transmissionslicht.

den Anteil des Signals pro Slice vom Gesamtsignal zu erhalten:

F [o, 𝑡] O

o=1 F [o, 𝑡] . (3.9)

(b) Gesamtfluoreszenz

Die Summe der Fluoreszenz über alleO Slices wird für alle Bildpunkte in allen𝑁𝑡 Frames berechnet:

F𝑧[m,n, 𝑡] = O o=1

F [m,n,o, 𝑡] . (3.10)

Eine anschließende Mittlung über[m,n]

*F𝑧[𝑡]+

= 1

M·N M

m=1

N n=1

F𝑧[m,n, 𝑡] (3.11)

ergibt die zeitabhängige, (𝑧)-summierte, gemittelte Fluoreszenz.

(c) Mittlere Extinktion und Varianz

Auf Grund der Leistungskonservativität der Transmissionsstrahlung kann für die Bestim-mung der durch das Myzel verdeckten Fläche eine willkürliche Höhenebene gewählt werden.

Die mittleren Ebeneno=(O−1)/2 (Abbildung 3.7,rot) aller𝑁𝑡 Frames werden invertiert, um die Intensität des absorbierten Lichtes (Extinktion) als positive Intensitätswerte zu er-halten:

T1[m,n,o, 𝑡] =𝑁grau−1− T [m,n,o, 𝑡], (3.12) mit der Anzahl der Grauwerte des Digitalbildes,𝑁grau. Aus der invertierten Zeitfolge erfolgt eine Mittlung über[m,n]

*T1[o, 𝑡]+

= 1

M·N M

m=1

N n=1

T1[m,n,o, 𝑡] . (3.13) Die Varianz der Extinktion inoerrechnet sich über

**T1[o, 𝑡]++

= 1

M·N M m=1

N n=1

T1[m,n,o, 𝑡] −*

T1[o, 𝑡]+2

. (3.14)

4 Versuchsaufbau

In den vorherigen Kapiteln wurde auf die numerischen Grundlagen der verwendeten Simulations-und Identifikationsverfahren sowie auf die Programme zur Bildanalyse eingegangen. Das Folgende soll eine Detailbeschreibung des Versuchsaufbaus liefern.

Im Rahmen dieser Arbeit wurden Pilze konfokalmikroskopisch untersucht. Im ersten Hauptteil der Arbeit (Kapitel 5) werden Proben zum Zwecke der Modellbildung in stehendem Flüssigme-dium herangezogen. Im zweiten Hauptteil (Kapitel 6) erfolgt die Kultivierung dagegen in einer durchflossenen Kammer, in der die Auswirkungen der Strömung auf Biomassewachstum, SV und auf ein Produktenzym untersucht werden.

Die Dimensionierung des hier verwendeten Prototyps einer Wachstumskammer mit rückwärts-gewandter Stufe – nachfolgend als „spezielle Wachstumskammer” oder als „Stufenkammer” be-zeichnet – soll in Abschnitt 4.1 beschrieben werden. Abschnitt 4.2 schildert die Funktionsweise des druckgetriebenen Pumpsystems, mit dem ein quasi-kontinuierlicher Mediumsfluss durch die Kammer gewährleistet und sterile Kultivierungsbedingungen eingehalten werden können. Die Re-gelung des Volumenstroms für vier im Experiment eingestellte Volumenströme wird daraufhin er-läutert (Abschnitt 4.2). In Abschnitt 4.3 wird außerdem beschrieben, wie die Proben vorbereitet, der Versuchsstand in Betrieb genommen und dieser anschließend gereinigt wurde.

4.1 Auslegung und Fertigung eines Prototyps der speziellen Wachstumskammer Die finale Prozesskette von Auslegung, Konstruktion und Fertigung bis zur fertigen Kammergeo-metrie war das Ergebnis eines iterativen Optimierungsprozesses. Im Laufe der ersten Phase der Promotion wurden unterschiedliche Prototypen der Durchflusskammer mit einem 3-D-Drucker hergestellt. Diese wurden sowohl mit Deckgläsern verklebt als auch mit Dichtmaterialien (O-Ringe, Silikonmatten) verpresst. Der Fokus bei diesen Entwürfen lag zunächst auf der Dichtigkeit des Kammer-Designs, wobei die Einflüsse der Geometrie auf die Strömungsphänomene zunächst ver-nachlässigt wurden. Keiner der Entwürfe konnte allerdings die vorgenommenen Belastungstests auf Dichtheit in einem Maße bestehen, welches für den Einsatz auf dem CLSM nötig gewesen wäre.

Ursächlich dafür waren die Fertigungstoleranzen des 3-D-Druckers, welche zu einer Verformung des planaren Bauteils direkt nach dem Druck führten oder während der Nachbearbeitung entstan-den. Die verworfenen Kammerentwürfe sind der Arbeit zum Zwecke der Vollständigkeit angefügt, siehe Materialanhang, Abbildung M9 bis M16. Letztlich wurde ein kommerziell erhältlicher, halb-offener Kanal-Slide als Grundkörper für den Strömungskanal („sticky slide, I Luer 0.8”, Firmaibidi, Kunststoff) genutzt, siehe Abbildung 4.1,rechtsindunkelblau, S. 44. Der unverblockte Kanalkörper wird nachfolgend auch mit dem englischen Akronym „PPFC” abgekürzt, was auf den Bauteiltyp als „parallel plate flow chamber” verweist (weitere Informationen hierzu in Abschnitt 6.1.1, S. 88).

Die Verwendung des steril verpackten Kanal-Slides bot sich zudem an, um die Probenvorberei-tung zu vereinfachen. Für den Flüssigkeitszu- und -abfluss sind zwei Stutzen (Luer-Lock, weiblich)

an der Bauteil-Oberseite vorgesehen. Die gesamte Bauteilhöhe inkl. der Stutzen liegt bei 3 mm.

Im Inneren des Kanal-Slides befindet sich eine Aussparung von 50×5 mm, die den eigentlichen Strömungskanal bildet.

(a) (b) (c) (d)

𝑠 𝐻

b.iii b.ii

b.i

Abbildung 4.1:Links:Gesamtaufbau aus Strömungskammer und Dichtungsrahmen. (a) Unterer Rahmen mit Versenkung für Klebung (Aluminium, gefräst); (b) Stufenkammer (b.i: Kammerroh-ling, „sticky-slides 0.8”, Firmaibidi; b.ii: Stufe, Ausschnitt aus selbstklebender Folie, 400 µm, Fir-ma Aslan; b.iii: Kunststoff-Deckglas Firmaibidi); (c) Rahmen-Inlet mit O-Ring-Nut (PMA (Akro-nym: Polymethylmethacrylat), ABS-ähnlicher Kunststoff (Akro(Akro-nym: Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer), „tough resin”, FirmaFormlabs); (d) oberer Rahmen mit Versenkung und Nut (Alumi-nium, gefräst). Alle Bauelemente werden über sechs Schrauben und Muttern verbunden. Der ver-wendete O-Ring (54×1.5 mm) aus NBR (engl. Akronoym: nitrile butadiene rubber,zu dt.: Acrylnitril-Butadien-Kautschuk) verteilt den Druck von oben auf die Durchflusskammer. Die Kammer (b) wird in den unten Rahmen (a) geklebt, um ein Ausbeulen des Kunststoff-Deckglases der Kammer aufgrund des Systemdrucks zu vermeiden.Rechts:Aufbau der Durchflusskammer mit rückwärts-gewandter Stufe, Bemaßungen in mm.Oben:Verklebte Darstellung im Horizontalprofil, bestehend aus Kammer-Rohling (dunkelblau) wird auf die Deckglasfolie (hell-blau) mit Stufe (rot) geklebt.

Dieser Kanal-Slide wurde auf ein Deckglas geklebt (Abbildung. 4.1, b.iii, in blau), auf wel-cher wiederum die rückwärts-gewandte Stufe angebracht war (Abbildung. 4.1, b.ii, rot). Für die rückwärts-gewandte Stufe wurde eine Folie der Höhe 400 µm auf die Breite der Kanalaussparung, 5.0 mm, mit einem Mikro-Cutter zugeschnitten und nach Verklebung vollständig vom Kanal-Slide umschlossen. Der Kanalüberbau war bereits mit einer Klebstoffschicht versehen und konnte so

4.1 Auslegung und Fertigung eines Prototyps der speziellen Wachstumskammer

über den Verbund von Polymer-Deckglas und Stufe gestülpt werden. Der schichtweise Aufbau aus Deckglas, Stufe und aufgesetztem Kanal-Slide ist in Abbildung 4.1 (rechts) dargestellt.

Eine ausführliche Beschreibung der Kriterien, welche zur Auslegung der Strömungskammer (d. h. der Stufenlänge und -höhe) herangezogen wurden ist dem Stand der Forschung, Ab-schnitt 6.1.2, S. 91 zu entnehmen. Die relative Bemaßung der Stufe wurde so gewählt, dass die geometrischen Heuristiken aus der Literatur eingehalten wurden. Dies war nötig, um die Ergeb-nisse der Fluidsimulation – in Anbetracht fehlender physikalischer Messungen der Strömung – im Nachhinein auf Plausibilität prüfen zu können. Die relative Querschnittserweiterung ER, welche sich aus dem Verhältnis 𝐻/𝑠 (Abbildung 4.1) ergibt, wurde hierfür auf den in der Literatur am häufigsten verwendeten Wert ER=2 festgelegt, vergleiche auch Abschnitt 6.1.2, S. 91. Die Stufen-höhe𝑠wurde damit auf die halbe Kammergesamthöhe𝑠=𝐻/2=400μm gesetzt. Zur Minderung dreidimensionaler Randeffekte sollte der Kanal breit genug sein, um ein aspect ratio von AR>10 einhalten zu können. Für die gegebene Kammer konnte dieses Kriterium mit AR = 12.5 knapp eingehalten werden. Zur Beruhigung der Strömung sollte außerdem eine ausreichend lange Zu-flusszone vor der Stufe berücksichtigt werden. Die Länge dieser Zone (nach Eingangsport), wurde hier zu 27×𝑠gewählt.

An die Deckglasunterseite der Kammer wurden besondere Anforderungen gestellt. Für eine Nut-zung auf dem CLSM musste das Deckglas an der Unterseite des Kanals im Wellenlängenbereich zwischen Anregung und Emission, d. h. von 480− 716 nm optisch durchlässig sein. Die Dicke des Glases wurde auf die Linse abgestimmt, da es (insbesondere bei Luft-Objektiven) zu erhöhter chromatischer und sphärischer Aberration kommt. In Standard-Deckgläsern für die Konfokalmi-kroskopie sollte eine Dicke von ungefähr 180 µm nicht überschritten werden. Für die Verwendung auf dem CLSM, das monochromatische Laserstrahlung zur Anregung von fluoreszierenden Pro-teinen nutzt, wurde zudem auf geringe Autofluoreszenz des Materials geachtet. Die Oberfläche musste für eine Proteinbeschichtungen geeignet sein, weil Poly-L-Lysin als Adhäsionscoating hin-ter der Stufenkante verwendet wurde. Da sich die Kanalunhin-terseite aufgrund des erhöhten Innen-raumdrucks u. U. verformen könnte und die Dichtigkeit des Stufen-Kanals jederzeit gewährleistet sein muss, sollte das Deckglasmaterial zudem ausreichend flexibel sein. Die Wahl fiel hier auf ein Polymer-Deckglas (polymer coverslip, Dicke 170±10 µm, Firma ibidi), das glasähnliche optische Eigenschaften mit hoher Materialflexibilität verbindet. Im Gegensatz zu einem Glas-Deckglas ist dieses Polymer bruchstabil und kann der Verformung durch den erhöhten Druck in der Kammer standhalten. Da es bei höheren Betriebsdrücken trotz der Verklebung weiterhin zum Ausbeulen des Kunststoff-Deckglases kam, musste ein Standard-Objektträger unter das Kunststoff-Deckglas in den Rahmen gelegt und die Fläche zwischen beiden mit Immersionsöl bestrichen werden. Wel-che Auswirkungen sich aus dieser Änderung für die Flussexperimente ergaben, wird später in Abschnitt 6.5.2 diskutiert.

Bei erhöhten Betriebsdrücken kann es bei Langzeitversuchen zur Auswölbung des Deckgla-ses und zum schrittweisen Ablösen der Verklebung zwischen Kammer-Slide und dem Polymer-Deckglas kommen. Um dies zu verhindern, wurde der Strömungskanal vor einer Rahmenkonstruk-tion umgeben, welche – über sechs Schrauben verbunden – den Kammer-Slide zusammenpresste.

Der untere Aluminium-Rahmen (Abbildung 4.1(a)) besaß eine mittige Vertiefung auf Größe des Kanal-Slides, in welche dieser mit einem kapillargängigen UV-Kleber fixiert wurde. Hierdurch wur-de eine größere Kontaktfläche zwischen Rahmen und Deckglas-Oberfläche geschaffen, welche das

Ablösen der Klebeschicht zwischen Polymer und Kammer-Slide verhinderte. Auf dem Kanal-Slide (Abbildung 4.1(b)) lag ein Passstück auf (Abbildung 4.1(c)), welches die Kraft über einen O-Ring auf die Kanal-Oberseite verteilte. Dieses Passstück wurde mit einem kommerziellen 3-D-Drucker ge-fertigt (stereolithografisches Verfahren aus Polymethylmethacrylat, FirmaFormlabs, Form 2+). Das Ensemble wurde durch den obersten Rahmen (Aluminium) abgeschlossen und mit sechs Schrauben fixiert. Technische Zeichnungen aller verwendeten Teil-Baugruppen sind im Materialanhang A4 in den Abbildung M6 bis M8 hinterlegt. Das Ensemble aus Kanal, Stufe und Rahmenkonstruktion wurde bei Drücken bis 1400 mbar betrieben und zeigte keine Undichtigkeiten.