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Herleitung eines Vesikel-basierten Wachstumsmodells

phenspitze zusammenbricht. Der zeitliche Versatz der Keimungszeitpunkte wurde bei der späte-ren Modellanpassung ausgeglichen, indem pro Keimling ein Totzeitterm,Δ𝑡tot,𝒾, von der jeweiligen Zeitreihe subtrahiert und alle diese Terme bei der Identifikation mitgeschätzt wurden.

5.3 Herleitung eines Vesikel-basierten Wachstumsmodells

Das nachfolgend dargestellte Modell beschreibt den aktiven Transport von SV entlang von Mikro-tubuli innerhalb einer Hyphe sowie die diffusive Bewegung von Vesikeln. Die Ausführungen zur Modellherleitung entstammen der vorangegangenen Veröffentlichung von Kunz et al. [79], aller-dings wurden einige Anpassungen der Randbedingung bzw. der Modellkinetiken vorgenommen.

Auf die entsprechenden Änderungen wird an geeigneter Stelle hingewiesen. Während der vom Modell abgedeckten, kurzen Zeitspanne nach der Keimung aus der Spore findet weder Septierung noch Verzweigung statt. Der intrazelluläre Fluss aus SV wird daher ausschließlich an der Hyphen-spitze gestoppt. Weder Substrataufnahme noch Sekretion werden explizit im Modell berücksich-tigt. Diese können aber innerhalb der Modellstruktur nachträglich integriert werden. Es wird nicht zwischen Mikro- und Makrovesikeln unterschieden. Zudem wird angenommen, dass alle SV voll-ständig (oder in einem konstanten Anteil) mit Zellwandbestandteilen beladen sind. Das Recycling, d. h. der Rücktransport von SV nach der Freigabe der Ladung an der Zellmembran liegt ebenfalls außerhalb der beschriebenen Systemgrenzen.

10μm

Abbildung 5.8: Mikroskopische Aufnahme eines A. niger-Keimlings. Links: Durchlicht-Kanal.

Rechts: Grün-Fluoreszenz des Fluoreszenzproteins eGFP, fusioniert mit den v-SNARE-Proteinen der SV, Reporterstamm FG7 [80].

Sekretorische Vesikel werden im Folgenden als kontinuierliche, lokale Konzentrationen V(𝑥) dargestellt. Diese können als das Produkt der lokalen Mikrotubuli-Konzentration (𝑚MT/𝑉) und der Masse an Vesikeln pro Masse Mikrotubuli (𝑚V/𝑚MT) verstanden werden. Die lokale Masse in der𝑖-ten Rechenzelle𝑚𝑖einer Substanz wird im Volumenelement𝑑𝑉 bilanziert. Der Übergang von diskreten Einzelvesikeln zu Vesikel-Konzentrationen wird als eine angemessene Vereinfachung be-trachtet [31]. Morphologisch kann die Pilzhyphe als ein Zylinder mit zunächst konstantem, an der Hyphenspitze abnehmendem Durchmesser verstanden werden. Der Spitzenradius wird allerdings, aus zwei Gründen, nicht als notwendiges Element der Simulation betrachtet: Erstens erstreckt sich

die Zone, in der die SV-Akkumulation beobachtet wird, deutlich weiter in die Hyphe hinein als nur über den Bereich der Spitzenabnahme (sichtbar in Abbildung 5.8). Zweitens sei angenommen, dass die Transportgeschwindigkeit der SV an der Spitze nahe 0 liegt18. In dieser Zone würde ei-ne Verringerung der Durchschnittsfläche bzw. des effektiven Vesikelstroms daher keiei-ne starken Auswirkungen auf die Simulation haben. Aktuelle Messungen des verwendetenA. niger-Stammes ergaben einen Hypendurchmesser von 2.94±0.50μm.

Bilanzgleichungen

Die allgemeine Massenbilanz für ein infinitesimal kleines Volumenelement𝑑𝑉 ergibt

𝜕𝑚V(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑡 =𝑚V(𝑥, 𝑡) − 𝑚V(𝑥+𝑑𝑥, 𝑡) + (𝜇P(𝑥, 𝑡) −𝜇C(𝑥, 𝑡)) ·𝑑𝑉 , (5.1) mit dem SV-Massenstrom𝑚V, der in das Volumenelement𝑑𝑉 in𝑥 eintritt und dieses in𝑥 +𝑑𝑥 verlässt sowie den volumenspezifischen Termen für die SV-Produktion und den -Konsum,𝜇P(𝑥, 𝑡) und𝜇C(𝑥, 𝑡), vergleiche Abbildung 5.9, II. Da SV ausschließlich im Organismus produziert werden und die Zellwand nicht passieren können, wird Transport in die bzw. aus der Umgebung nicht durch das Modell beschrieben.

Der SV-Massenstrom𝑚V kann durch die Flussdichte entlang der𝑥-Koordinate, 𝑗𝑖, ersetzt wer-den. Durch die Kombination aus advektivem Transport mit der Transportgeschwindigkeit𝑢(𝑥, 𝑡) und einen Diffusionsterm gemäß Fick’schem Gesetz kann die Flussdichte in eine Funktion der Ve-sikelkonzentrationV(𝑥, 𝑡)überführt werden:

𝑚V(𝑥, 𝑡)= 𝑗𝑖𝐴=

V(𝑥, 𝑡)𝑢(𝑥, 𝑡) −𝐷𝜕V(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑥

·𝐴 . (5.2)

Hieraus ergibt sich

𝜕𝑚V(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑡 = [𝑗𝑖(𝑥, 𝑡) −𝑗𝑖(𝑥+𝑑𝑥, 𝑡)] ·𝐴+ (𝜇P(𝑥, 𝑡) −𝜇C(𝑥, 𝑡)) ·𝑑𝑉 . (5.3) Durch eine Reihenentwicklung nach Taylor kann der zweite Term der rechten Seite, 𝑗𝑖(𝑥+𝑑𝑥, 𝑡), überführt werden in

𝑗𝑖(𝑥+𝑑𝑥, 𝑡) ≈ 𝑗𝑖(𝑥, 𝑡) + 𝜕𝑗𝑖(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑥 𝑑𝑥 , (5.4)

wenn alle Terme(𝑑𝑥)𝑛, 𝑛 ≥2 vernachlässigt werden. Hieraus folgt wiederum

𝜕𝑚V(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑡 =−𝜕𝑗𝑖(𝑥, 𝑡)

𝜕𝑥 𝐴 𝑑𝑥 + (𝜇P(𝑥, 𝑡) −𝜇C(𝑥, 𝑡)) ·𝑑𝑉 . (5.5) Durch Ersetzen der Vesikelmasse durch die Konzentration,𝑚V(𝑥, 𝑡) =V(𝑥, 𝑡) ·𝑑𝑉, Ableiten des

18Der Abfall der Transportgeschwindkeit𝑢bis auf 0 μm min1 bedeutet – bei einer Wachstumsgeschwindigkeit der Hyphe von𝑑𝐿/𝑑𝑡 > 0 – natürlich, dass die Spitze in diesem Fall schneller wachsen, als SV nachgeführt werden könnten. Der Versuch, die Spitzengeschwindigkeit allerdings jeweils nur auf𝑑𝐿/𝑑𝑡abfallen zu lassen führte allerdings zu erheblichen, nummerischen Schwierigkeiten: Erhöhte Spitzenkonzentrationen resultierten in schnellerem Längen-wachstum, was wiederum die Akkumulation von SV in der Spitze beschleunigte. Die daraus resultierenden, extrem kleinen Zeitschrittweiten bei der Integration führten dazu, dass zunächst dieser vereinfachende Ansatz gewählt wurde.

5.3 Herleitung eines Vesikel-basierten Wachstumsmodells

Abbildung 5.9:Schematische Darstellung der Entstehung des Keimschlauchs und der Bildung der jungen Hyphe. Algorithmische Details während der Streckungsphase: I: Eine Hyphenspitze direkt nach der Keimung. Der rechte Randwert bewegt sich; II: Während der äquidistanten Streckung des Gitters wird die Vesikelmasse in einem Volumenelement𝑑𝑉 bilanziert; III: Die KonsumzoneΔ𝑥C

und die AbbremszoneΔ𝑥𝑢bilden sich. Diese verbleiben stationär zur Hyphenspitze.

Produkts nach𝑡mit𝑑𝑉 =konst. und dem beidseitigen Teilen durch𝑑𝑉 =𝐴·𝑑𝑥, ergibt sich

𝜕V(𝑥, 𝑡)

Der erste Term beschreibt die Veränderung der Konzentration aufgrund interner Flüsse, während der zweite die Quell- und Senken-Terme aufgrund der Vesikelproduktion bzw. des Vesikelver-brauchs erfasst.𝑢(𝑥, 𝑡) bezeichnet die mittlere aktive, lokale Transportgeschwindigkeit auf den Mikrotubuli, während die Diffusionskonstante𝐷zufällige Bewegungen ungebundener Vesikel be-schreibt. Gleichung 5.6 wird durch eine NormierungskonzentrationV0mit𝑣(𝑥, 𝑡) = V(𝑥, 𝑡)/V0

und𝜇𝑖(𝑥, 𝑡) =𝜇𝑖(𝑥, 𝑡)/V0mit𝑖={P,C}geteilt

Da in den Experimenten nur die Intensität der von den markierten SV emittierten Strahlung, aber nicht die echte Konzentration der SV gemessen wird, kannV0als Anpassungsparameter der

ex-perimentellen Daten verstanden werden.

Bewegliches Randwertproblem

Das Spitzenvolumen nimmt während der Bildung des Keimschlauchs von der Spitze her zu, wäh-rend bereits SV innerhalb des Keimlings präsent sind. Wähwäh-rend die intrazelluläre Transportge-schwindigkeit von der TranslationsgeTransportge-schwindigkeit𝑢auf den Mikrotubuli abhängt, wird sich die Hyphenspitze mit der Wachstumsgeschwindigkeit𝐿von der Spore entfernen. Die Bewegung eines (oder mehrerer) Randwerte zieht eine Erweiterung des Bilanzvolumens nach sich. Bei der Diskreti-sierung des Bilanzvolumens durch eine Reihe von Volumenelementen bedeutet das entweder eine Erweiterung eines oder mehrerer Volumenelemente.

Der hier verwendete Ansatz geht auf eine Methode von Crank [28] zurück, die als Front-Fixierung (engl.: front-fixing method) bekannt wurde. Bei dieser wird die Anzahl der numerischen Gitterpunkte (und damit die Zahl zu lösender Gleichungen) konstant gehalten, während das Gitter äquidistant gestreckt wird. Das mathematische System wird hierbei „künstlich” auf einem dimen-sionslosen Gitter𝜂 = 𝑥(𝑡)/𝐿(𝑡) ∈ [0,1] fixiert, wobei sich die Spore in𝜂=0, die Hyphenspitze in𝜂 = 1 befindet. Das Verhältnis𝑓(𝑥, 𝑡) = 𝑓˜(𝜂, 𝑡) muss mit𝑥 = 𝐿 𝜂 für eine willkürliche Funk-tion 𝑓(𝑥, 𝑡) auch in den transformierten Koordinaten ˜𝑓(𝜂, 𝑡) gelten. Für die Transformation der Modellgleichung (5.7) in fixierte Koordinaten gilt:

𝜕𝑣˜(𝜂, 𝑡)

Die Herleitung der Koordinatentransformation ist in Appendix A1 ausgeführt. In Folge der Trans-formation bleibt die Gesamtanzahl der Volumenelemente𝑁𝑥 konstant, während sich die Hyphen-spitze ausdehnt. Die transformative Regel ist daher äquivalent zu einer äquidistanten Dehnung des numerischen Gitters, wobei ein künstlicher Rückflussterm die Bewegung der Knoten bei der Streckung kompensiert. Der Einfachheit halber werden alle folgenden Ausdrücke zur Kinetik bzw.

zu den Rand- und Anfangswerten als Funktionen der𝑥-Koordinate angegeben, aber im transfor-mierten Schema als Funktionen von𝜂gelöst.

Anfangs- und Randwerte

Das System gilt nur dann als gut aufgestellt (engl.: well-posed), wenn dieses geeignete Rand- und Anfangsbedingungen beinhaltet. Da bereits schwellende Sporen eine beträchtliche SV-Aktivität zeigen, ist davon auszugehen, dass ein Vesikelfluss von der Spore zum Spitzenwachstum in der ersten Periode nach der Keimung beiträgt. Da der Vesikelfluss von der Spore in den Keimling nicht genauer bekannt ist und sein Beitrag zum Spitzenwachstum mit zunehmender Hyphenlänge ab-nimmt, scheint die Vorgabe eines spezifischen, konstanten Massenflusses im linken Randwert keine sinnvolle Lösung zu sein. Stattdessen kann der linke Randwert vorgeben werden, wenn die gemes-senen Intensitätsprofile in späteren Zeitschritten – d. h., wenn der Spitzenkörper voll entwickelt ist – gegen den stationären linken Grenzwert mit𝑣(0, 𝑡) =1 normiert werden. Bei noch kurzem Keimling steigt die SV-Konzentration im linken Randwert durch die sich entwickelnde

Spitzenak-5.3 Herleitung eines Vesikel-basierten Wachstumsmodells

kumulation an. Nach der Keimung nimmt dieser Wert durch die Vorwärtsbewegung der Spitze ab.

Als erster Ansatz wird angenommen, dass der linke Randwert nach folgender Zeitableitung gegen 𝑣(0, 𝑡) =1 konvergiert

𝑑𝑣(0, 𝑡)

𝑑𝑡 =𝑓LB (1−𝑣(0, 𝑡)) . (5.9)

Um später Einfluss auf die Geschwindigkeit der Konvergenz des linken Randwertes gegen 1 neh-men zu können, wurde zusätzlich zu Kunz et al. [79] ein Verzögerungsfaktor,𝑓LB, eingeführt und ebenfalls angepasst. Als Anfangswert für Gl. 5.9,𝑣(0,0), wurde in der späteren Parameteridentifika-tion der erste Messwert der SV-Verteilung zum Zeitpunkt𝑡0gewählt. Am Ende des Keimschlauchs werden SV entweder mit der Zellmembran fusionieren oder intern recycelt. Daher enthält der rechte Randwert keine SV mehr und kann auf eine konstante Konzentration𝑣𝑥=𝐿 = 0 festgesetzt werden. Dies entspricht einer perfekt absorbierenden Grenze, welche alle ankommenden SV auf-nimmt. Als Anfangswerte der SV-Konzentration wurde das Profil des als erstes keimenden Keim-schlauches der untersuchten Keimlinge verwendet19. Die Anfangslänge,𝐿0, wurde stattdessen als Parameter freigegeben und mit den anderen Parametern identifiziert.

Kinetiken

Die in Gleichung 5.7 noch nicht genauer spezifizierten Ausdrücke für Konsum, Produktion, Trans-port, Diffusion und Wachstum werden in diesem Abschnitt festgelegt. Einige Änderungen gegen-über Kunz et al. [79] in Gleichung 5.10 und 5.13 wurden eingearbeitet, um das Modell strukturell zu verbessern und um die Kongruenz zur Praxis im Fachgebiet sicherzustellen. Alle Änderungen sind nachfolgend an entsprechender Stelle vermerkt.

Konsum: Die Rate, mit der sich der Keimschlauch ausdehnt ist an die Vesikelfusion an der Spit-zenmembran gekoppelt, d. h., schnelleres Wachstum bedingt einen höheren Konsum von SV. Der Verbrauchsterm𝜇C(𝑥, 𝑡) beschreibt diesen Mechanismus. Der Verbrauch durch Fu-sion mit der Zellmembran sei auf eine VerbrauchszoneΔ𝑥C hinter der Spitze beschränkt (Abbildung 5.9). Die SV-Fusion wird durch einen Carrier-Komplex realisiert, weshalb eine Sättigungskinetik nach Monod als kinetischer Ansatz gewählt wird

𝜇C(𝑥) =⎧⎪⎪⎪⎨

⎪⎪⎪⎩

𝑘C·𝑣(𝑥)

𝐾C+𝑣(𝑥) falls 𝐿(𝑡) −Δ𝑥C𝑥𝐿(𝑡) sonst 0.

(5.10)

𝐾Cist die empirische Halbsättigungskonstante und𝑘Cist die maximale Geschwindigkeit der Spitzenerweiterung. Auf Grund der vorangegangenen Normierung haben diese die Einheiten [𝑘C] =min1bzw.[𝐾C] =1. Für die Abschätzung vonΔ𝑥C= 13 µm wurde die ursprünglich durch Balmant et al. [7] fürAspergillus giganteus errechnete Zonenlänge über den Durch-messer skaliert. In Kunz et al. [79] wurde𝐾Cals konstant angenommen, allerdings zu hoch

19Der zeitlich erste Keimschlauch wurde bestimmt, nachdem alle identifizierten Totzeiten,Δ𝑡tot,𝒾von den jeweiligen Zeitreihen subtrahiert wurden. Durch die Vorgabe nur eines Anfangsprofils𝑣(0, 𝑥)musste die Simulation zur Berech-nung des Gütefunktionals nur einmalig für alle Keimschläuche ausgeführt werden. Der Einfluss des Anfangsprofils auf die spätere SV-Verteilung sowie auf den Längenverlauf erwies sich zudem gering, siehe dazu Abschnitt 5.6, S. 77

angesetzt. In der Folge war das Verhältnis𝑘C/𝐾Centsprechend klein und der Monod-Term annähernd unwirksam. Im hier erneut angepassten Modell wird𝐾Chingegen mitgeschätzt.

Spitzenwachstum: Das Spitzenwachstum des jungen Keimschlauchs durchläuft typischerweise eine Phase exponentiellen Wachstums, bevor sich eine konstante Wachstumsgeschwindig-keit einstellt [42, 109, 51, 72]. Der für dieses Wachstum verantwortliche Konsum der SV in der Hyphenspitze wurde bereits in Gleichung 5.10 formuliert. Mit Verlängerung der Hyphe werden dabei stetig mehr SV produziert (siehe nächster Abschnitt: Produktion) und mit der Zellmembran fusioniert, wodurch die Wachstumsgeschwindigkeit über die Zeit zunimmt.

Durch den Monod-Charakter von Gleichung 5.10 ist die maximale Konsumrate allerdings begrenzt. In Kombination mit der ebenfalls begrenzten Länge der Fusionszone,Δ𝑥C, ist die auf diesem Weg konsumierte Menge an SV – und damit die maximale Wachstumsrate – ebenfalls limitiert. Gleichzeitig werden u. U. nicht alle SV auf dem Weg zur Hyphenspitze konsumiert, weshalb diese modellseitig beim Übergang von der vorletzten, 𝑁𝑥 −1-ten, in die letzte,𝑁𝑥-te Zelle des Rechengitters absorbiert werden. Die absorbierte Masse wird zur Masse aus dem Konsumterm addiert und damit ebenfalls in Längenwachstum umgesetzt:

𝑑𝐿

𝑌Lbezeichnet hierbei das Längenwachstum pro konsumierter SV-Masse. Auf Grund der Nor-mierung der SV-Konzentration, Gl. 5.7, ergibt sich die Einheit[𝑌𝐿] =μm/μm3=1/μm2. Die Anzahl der Gitterzellen innerhalb der VerbrauchszoneΔ𝑥Cwird als𝑁Cbezeichnet. Da eben-falls die Produktion von SV (nächster Abschnitt) auf eine bestimmte Zone hinter dem Apex begrenzt wird, kann durch den Funktionsterm 5.11 eine konstante Wachstumsgeschwindig-keit mit Ausbildung der Hyphe erzielt werden.

Produktion: Die Synthese von SV sei auf eine Endzone von Δ𝑥P hinter der Spitze des Keim-schlauchs begrenzt. Die Länge dieser Zone schätzen Sugai-Guérios et al. [142] auf 5≤ Δ𝑥P ≤ 20 µm für fadenförmige Pilze im Allgemeinen. Um der Annahme Rechnung zu tragen, dass SV einen Langstreckentransport innerhalb der Hyphe ermöglichen, wurde in Kunz et al. [79]

eine maximale Länge der Produktionszone vonΔ𝑥P =20 µm gewählt. Durch die in Kunz et al.

[79] gewählte Parametrierung des Konsumterms (auf welche sich auch obiger Absatz bezog) war praktisch kein Spitzenkonsum zu verzeichnen20. Durch diesen fehlenden Antagonis-ten zum Produktionsterm blieb das in Abbildung 5.10 dargestellte Phänomen unentdeckt:

Werden in einem breiteren Intervall hinter der Spitze SV produziert als konsumiert, d. h.

Δ𝑥P > Δ𝑥C, kann sich ein Plateau vor der Spitzenüberhöhung ausbilden (blauin Abbil-dung 5.10). Im Gegensatz hierzu kann eine gegenüberΔ𝑥Cverkürzte Produktionsrate, d. h.

Δ𝑥P < Δ𝑥C, zu einer Senke vor der Spitze führen (gelbin Abbildung 5.10)21. Dieser Verlauf der SV-Konzentration wurde ebenfalls nicht in den Messungen beobachtet wurde (schwarz in Abbildung 5.10).

20Der Konsum der SV in der Hyphenspitze erfolgte in dem in Kunz et al. [79] dokumentierten Fall dagegen fast ausschließlich über den rechten, absorbierenden Rand.

21Die Stärke der Ausprägung des beschriebenen Pleateau- und des Senkenphänomens ist selbstverständlich abhängig von der Parametrierung des Modells.

5.3 Herleitung eines Vesikel-basierten Wachstumsmodells

0 1

𝑥𝐿/μm

𝑣

Δ𝑥C

Δ𝑥P

Δ𝑥C

Δ𝑥P

Δ𝑥P=Δ𝑥C

Abbildung 5.10:Modellseitiger Einfluss des Verhältnisses der Länge der Produktions- zur Kon-sumzone auf die SV-Akkumulation im Bereich hinter der Hyphenspitze (𝑥𝐿 = 0). Blau: Bei Δ𝑥P > Δ𝑥Cbildet sich Plateau vor der Spitze aus;gelb: mit Verbrauch vor der Spitze ohne lokalen Produktionsterm kommt es zum Abfall der Konzentration vor der Spitze.Rot: nur für Δ𝑥P =Δ𝑥C

kann ein glatter Anstieg der SV-Konzentration vom Referenzwert, 𝑣(𝑥) = 1, zur Hyphenspit-ze sichergestellt werden. Schwarz: Auf den linken Rand normierte Fluoreszenzintensität als In-dikator für die SV-Konzentration entlang der Hyphe, extrahiert über den Algorithmus aus Ab-schnitt 3.4.2, S. 38. Für die Darstellung wurde das Modell an den FallΔ𝑥P = Δ𝑥C angepasst, die Transportkinetik für die beiden anderen Fälle geändert und diese mit gleicher Parametrierung si-muliert.

Modellseitig könnte nur der Diffusionsterm diese Phänomene ausgleichen, allerdings auch auf Kosten der Ausprägung der gesamten Spitzenerhöhung. Zur Vermeidung wurde statt-dessenΔ𝑥P=Δ𝑥C=13μm gesetzt, d. h. SV können nur dort produziert werden, wo sie auch verbraucht werden. Diese Festlegung steht ebenfalls im Einklang mit Sugai-Guérios et al.

[142]. In Anlehnung an Steinberg et al. [141] wurde zudem, als erster Ansatz, eine konstante Produktionsrate𝜃Pvorgegeben. Steinberg et al. beobachteten eine homogene Verteilung der Golgi-Äquivalente (und, damit möglicher Quellen für SV) in der Spitzenzone vonAspergillus nidulans:

𝜇P(𝑥) =⎧⎪⎪⎪⎨

⎪⎪⎪⎩

𝜃P falls 𝐿(𝑡) −Δ𝑥P𝑥𝐿(𝑡) und 𝑣(𝑥) >0 0 ansonsten.

(5.12)

SV Transport: In einem ersten Ansatz wird die Transportgeschwindigkeit der Vesikel auf einen konstanten Wert𝑢maxim subapikalen Teil der Hyphe begrenzt. Innerhalb der Abbremsregi-on,Δ𝑥𝑢, sinkt diese Geschwindigkeit bis auf einen Minimalwert𝑢min,∞direkt in der Spitze, d. h. im letzten Knoten. Während der ersten Phase des Wachstums, wennΔ𝑥𝑢 noch nicht vollständig ausgebildet ist, fällt die Geschwindigkeit an der Spitze nur anteilig ab (𝑥 /Δ𝑥𝑢) und erreicht𝑢min,∞ erst, wenn die Bedingung𝐿(𝑡) =Δ𝑥𝑢 erfüllt ist. Hieraus ergibt sich

fol-gende Fallunterscheidung:

𝑢(𝑡, 𝑥) =⎧⎪⎪⎪⎨

⎪⎪⎪⎩

𝑢max𝑢maxΔ𝑥−𝑢𝑢min,∞ ·𝑥 falls𝐿(𝑡) < Δ𝑥𝑢

𝑢max𝑢maxΔ𝑥−𝑢𝑢min,∞ ·max[𝑥−𝐿(𝑡) +Δ𝑥𝑢,0] ansonsten.

(5.13)

𝑢min,∞wird hierbei auf 0 gesetzt. Abbildung 5.11 visualisiert das zeitabhängige Geschwindig-keitsprofil. Es ist zu erwähnen, dass der Verlauf der Geschwindigkeitsabnahme und der dy-namische Aufbau des Geschwindigkeitsgradienten prinzipiell unbekannt sind. Insbesondere würde ein abrupter Übergang zwischen der Mikrotubuli- und der Aktin-Geschwindigkeit zu einer schnellen Akkumulation im ersten Aktin-Element in der Simulation führen, was als unwahrscheinlich erachtet wurde. Eine schrittweise Verringerung der Geschwindigkeit vermeidet darüber hinaus numerische Probleme (wie verstärkte nummerische Diffusion, die aufgrund des Konzentrationssprungs in einem Volumenelement vermehrt auftritt).

𝑥

Δ𝑥𝑢

𝐿(𝑡1) 𝐿(𝑡𝑁𝑡)

min,𝑢 min1𝑢(𝑡) max𝑢 𝑢

𝑢min(𝑡2)

𝐿(𝑡2)

Abbildung 5.11: Schematische Darstellung der Entstehung des Keimschlauchs und der Bildung der jungen Hyphe. Entwicklung des Geschwindigkeitsgradienten in der Hyphenspitze während der frühen Wachstumsphase: Die Geschwindigkeit an der Sporenoberfläche verbleibt konstant, während die Geschwindigkeit an der Hyphenspitze𝑢min(𝑡) abnimmt, bis𝐿(𝑡) = Δ𝑥𝑢 erfüllt ist.

Darauffolgend bewegt sich die Gradientenzone parallel zur Hyphenspitze. Aus Kunz et al. [79]

Diffusion: Falls sich SV völlig frei im Zytoplasma bewegen könnten, müsste für diese näherungs-weise die Einstein-Smoluchowski-Beziehung gelten [37]. Studien zeigten jedoch, dass sich