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Morphologische Entwicklungsphasen von A. niger:

4.3 Vor- und Nachbereitung zur Kultivierung unter Strömung

5.1.1 Morphologische Entwicklungsphasen von A. niger:

Von der Spore zum Myzel

Filamentöse Pilzorganismen wieA. nigerkönnen – je nach Umgebungsbedingungen und Phase im Lebenszyklus – eine Vielzahl von Wachstumsformen, d. h. morphologischen Zuständen – einneh-men. Eine Übersicht dieser Entwicklungsstadien ist in Abbildung 5.1 gegeben. Pilzsporen bilden den Ursprung fungalen Wachstums und stellen eine asexuelle Form der fungalen Fortpflanzung

dar, siehe Abbildung 5.1 (a). Sporen sind sphärische Zellen von geringem Durchmesser, die auf ein Überleben unter rauen Bedingungen über lange Zeiträume angepasst sind. Sie können extre-me äußere Bedingungen wie Hitze [45], Kälte, Trockenheit – sogar Weltraum-Strahlung [27] – zu großen Anteilen unbeschadet überstehen und so das Überleben der Kolonie sichern. Die Wider-standsfähigkeit von Sporen gegenüber Umwelteinflüssen hängt mit der Zusammensetzung der sie umgebenden äußeren Zellwand zusammen [18]. Die äußere Schicht der Zellwand ist von hydro-phoben Proteinen und Melanin umgeben, die Anlagerung an Luft-Wasser-Grenzflächen begünsti-gen kann [38]. Sporen werden an Sporenkörpern, sog. Conidiophoren, typischerweise in großen Mengen gebildet, um eine effektive Verteilung über die Luft sicherzustellen. Sie enthalten zum Zeitpunkt ihrer Bildung bereits alle wichtigen Zellorganellen wie z. B. Zellkern, Mitochondrien, endoplasmatisches Retikulum (ER) und sekretorische Vesikel. Sie befinden sich allerdings in einem ruhenden Zustand verminderter metabolischer Aktivität.

Sind vorteilhafte Umweltbedingungen ausreichend lange gegeben, kommt es zur Schwellung der Sporen und zur Keimung, d. h. zur Ausbildung eines oder mehrerer Keimschläuche (Abbil-dung 5.1 (b)). Diese Bedingungen umfassen u. a. Feuchtigkeit, Kohlendioxid- und Sauerstoffgehalt, pH-Wert, externe Krafteinwirkung [114] und die Abwesenheit von Inhibitoren. Die Nährstoffzu-sammensetzung hat ebenfalls einen Einfluss auf den Keimungsvorgang [59, 58]. Ebenfalls ist eine Temperaturabhängigkeit auf das Quellverhalten in A. niger erkennbar [96, 50]. Bei beginnender Keimung wird der Metabolismus in Gang gesetzt und es kommt zur Quellung, d. h. zu einem sphä-rischen Anschwellen von Sporen unter Aufnahme von Wasser und Nährstoffen aus der Umge-bung [152]. Der Anstieg der metabolischen Aktivität ist u. a. durch die steigende Anzahl der als mRNA vorliegenden Gentranskripte gekennzeichnet [152]. Die Anzahl der Mitochondrien und der Anteil des aktiven Zellmaterials, d. h. die Größe des ER nehmen zu [112].

Nach beendeter Quellung geht das sphärische in ein gerichtetes, polares Wachstum über wie in Abbildung 5.1 (b) dargestellt. Es bilden sich ein oder mehrere Keimschläuche (auch Keimlinge ge-nannt) mit einem Durchmesser von etwa 3-4μm aus. Während dieses frühen Wachstumsstadiums werden die Keimschläuche zunächst durch Speicherkomponenten aus der Spore unterstützt, bevor sie selbst zum Wachstum – durch die Aufnahme von Nährstoffen – beitragen können [115].

Die so entstandenen Hyphen können ab einer bestimmten Länge (zumeist subapikale) Verzwei-gungen ausbilden. Die Anzahl der VerzweiVerzwei-gungen steigt exponentiell an, wodurch ein komplexes Myzel entsteht, siehe Abbildung 5.1 (d) und (e). Ab einer bestimmten Komplexität und unter be-stimmten Bedingungen in Flüssigkultur bilden sich sog. Pelletstrukturen bis zu einem Durchmesser von mehreren Millimetern aus, siehe Abbildung 5.1 (f). BeiA. nigerist die Pelletbildung in

beson-(a) (b) (c) (d) (e) (f)

Abbildung 5.1:Morphologische Entwicklungsstadien filamentörser Pilze in Pellet-Flüssigkultur:

(a) Sporen; (b) Keimschläuche; (c) unverzweigte Hyphe; (d) verzweigte Hyphe; (e) komplexes My-zel; (f) dichtes Pellet. Übernommen von Barry et al. [9, S. 2].

5.1 Stand der Forschung

derem Maße mit der Coaggregation der Sporen verbunden, da diese während der Quellungsphase Agglomerate bilden [53].

Aufbau und Funktion verschiedener Zellbestandteilen inA. niger

Die prinzipielle Aufbau einer wachsenden Pilzhyphe ist schematisch in Abbildung 5.2 dargestellt.

Nachfolgend soll eine Übersicht über einige für den exozytotischen Transportweg wichtige Zell-organelle inA. nigergegeben werden. Die Zelle ist von einer Zellwand und einer Plasmamembran umgeben, welche das Innere der Zelle und den extrazellulären Raum gegeneinander abtrennen.

Die fungale Zellwand besteht aus einer Matrix von Komponenten, welche über ein Gerüst fibril-lenartiger Polysaccharide verbunden sind [52]. Hauptbestandteile der Zellwand inA. nigerbilden 𝛽-(1,3)-Glukan und Chitin, die über Wasserstoffbrücken ein Netzwerk von Mikrofibrillen ausbil-den und die Funktion eines Exoskeletts erfüllen [81]. Dieses Konstrukt macht die Zellwand sowohl formbar, als auch mechanisch robust genug, um hohem Zellinnendruck standzuhalten [85, 105]. Die darunterliegende, äußere Plasmamembran besteht aus einer Doppelschicht Phospholipide, welche mit ihren polaren hydrophilen Phosphatidyl-Enden in Richtung des Zytoplasma und in Richtung der wässrigen Umgebung gerichtet sind. Die hydrophoben, unpolaren Enden der Phospholipide werden in den Innenraum der Doppelmembran eingeschlossen. Verschiedene, in die Membran eingelassene Proteinmoleküle erfüllen Kanal-, Rezeptor oder Transporter-Funktionen und erlau-ben einen selektiven physischen Austausch (z. B. für Exo- und Endozytose und zur Wasserauf-nahme) sowie die sensorische Wahrnehmung der extrazellulären Umgebung. Die Plasmamembran der Zelle umgibt das sog. Zytoplasma, eine wässrige Lösung erhöhter Viskosität, welche aus einer komplexen Mischung von Molekülen und Ionen besteht und eigens durch Membranen abgetrennte Zellorganellen beinhaltet. Unter diesen bildet der Zellkern (sog. Nukleus) den Ausgangspunkt

vie-Hyphen

Septum Pore Woroninkörper

Vakuole

Vakuole Zellkern

SV

SV

SV SV Golgi

Zellwand Plasmamembran

Septensekretion

apikale Sekretion ER

Abbildung 5.2: Schematischer Aufbau einer wachsenden Pilzhyphe mit einigen Zellorganellen und den Transportwegen der SV bis zur apikalen bzw. zur Septensekretion. Übersetzt nach Ne-valainen et al. [110].

ler Zellfunktionen, da er das genetische Material in verschiedenen Chromosomenpaaren in Form von Desoxyribonukleinsäure beinhaltet. Das Ablesen der DNA-Sequenzen im Zellkern, die sog.

Transkription in mRNA und deren Transport im Zytoplasma bilden hierbei die ersten Schritte der Synthese neuer Moleküle im Rahmen der Proteinbiosynthse. Die Übersetzung der mRNA in Proteine – die Translation – findet an den Ribosomen statt. Diese befinden sich entweder frei im Zytoplasma oder am ER. Dieses ist ein gefaltetes Gebilde großer Oberfläche, in welchem die gebil-deten Proteine für spezifische Aufgaben vorsortiert werden. Anschließend werden die Proteine im Golgi-Apparat aufgenommen, modifiziert, in SV verpackt und als funktionelle Transporteinheiten zu anderen Zellorganellen (z. B. zu Lysosomen, Peroxisomen oder der Plasmamembran) entlassen.

Als weitere, eigenständige Zellorganellen dienen Mitochondrien der Bildung von Adenosintriphos-phat, das als Energieträger in der Zelle fungiert.

Als mikromechanische Ursache für das Spitzenwachstum filamentöser Pilze wird der erhöhte, hydrostatische Zellinnendruck (sog. Turgor) vermutet. Dieser wird durch den osmotischen Druck aufrechterhalten, der entsteht, wenn die Konzentrationen osmotisch aktiver Substanzen innerhalb der Zelle höher sind als im umgebenden Milieu. Innerhalb der Hyphe kommt es zu einem druck-getriebenen, laminarem Massenstrom von Zytosol in Richtung der wachsenden Hyphenspitzen.

Dieses Phänomen kann zum Teil mit der Volumendifferenz erklärt werden, die bei der Bildung neuen Spitzenvolumens entsteht und wird vermutlich ebenfalls über den Turgordruck reguliert [86, 85].

Der exozytotische Transportweg

In der Zelle produzierte Proteine und organische Säuren werden an der Hyphenspitze sekretiert (Exozytose), um organische Bestandteile der Umgebung in Makromoleküle vorspalten, aufnehmen und verarbeiten zu können. Darüber hinaus dient Exozytose auch der Abwehr von Feinden, indem der pH-Wert der Umgebung gezielt beeinflusst oder bestimmte Enzyme ausgeschleust werden. Die-se Die-sekretierten Enzyme sind nicht Die-selten von biotechnologischem InteresDie-se und eine Steigerung der Produktsausbeute in der Fermentation wird angestrebt. Zellintern werden Proteine – also auch En-zyme – über das ER, den Golgi-Apperat und mittels SV zur Zellmembran transportiert, wo sie in den extrazellulären Raum entlassen werden [139, 58] (siehe Abbildung 5.3). Diese funktionelle Trans-portkette wird auch als konventioneller Weg der Proteinsekretion bezeichnet [104]. InA. nigerist insbesondere das Enzym Glucoamylase (1,4-𝛼-D-Glucan Glucohydrolase, Abk.: GlaA) von Inter-esse, da dieses die Hydrolyse von𝛼-1,4 glykosidischen Verbindungen katalysiert, um𝛽-Glukose aus Polysacchariden (z. B. aus Stärke) zu erzeugen [132]. Die u. a. seit Wösten et al. [159] etablier-te Annahme, dass GlaA in A. niger an den Hyphenspitzen sekretiert wird, muss nach aktueller Erkenntnislage zumindest teilweise korrigiert bzw. erweitert werden. Hayakawa et al. [57] und Fiedler et al. [43] stellen erhebliche Akkumulation von GlaA auch an den Septen fest, was das Vor-handensein eines weiteren Sekretionsweges andeutet (ebenfalls in Abbildung 5.2, S. 53 dargestellt).

Neben Enzymen zum Aufbau der Zellwand werden Zellwandbestandteile zur Erweiterung der Hy-phenspitze zum Apex befördert. Für die Zellwand benötigte Glykoproteine werden ausschließlich im Golgi produziert und über SV zur Zellmembran an der Hyphenspitze transportiert [29]. Damit werden biotechnologisch relevante Enzyme und Zellwandbestandteile über die gleichen sekreto-rischen Transportwege ausgeschleust. Die Frage, wie der Inhalt der SV – z. B. das Verhältnis von

5.1 Stand der Forschung

Vakuole

Mitochondrium

Endosom

ER

Golgi

Spitzenkörper

Satelliten-Spitzenkörper

Abbildung 5.3:Hypothetisches Modell zum Vesikel-Transportnetzwerk in wachsenden Hyphen.

Rot: Zellinterne Transportwege;grün: Exozytose;blau: Endozytose;grau: Zellmembran. Übernom-men und übersetzt von Fischer-Parton et al. [44, S. 256].

Glykoproteinen und Zellwandmaterial – dynamisch angepasst wird, ist bisweilen ungeklärt.

Transport SV

Alle komplexen, zytosolischen Transportwege erfordern Mechanismen, um Vesikel zu den ge-wünschten Zielorganellen zu befördern und diese mit der Plasmamembran des Zielkompartiments zu fusionieren. Zelluläre Transportmechanismen können passiv (d. h. rein diffusiv), passiv-advektiv durch Mitreißen durch den Volumenstrom des Zytosols und aktiv, über energieverbrauchende Transportvehikel erfolgen [71]. Welche Mechanismen – einzeln oder im Zusammenspiel – inner-halb der Pilzhyphen wirken und welche den hoch effizienten Transport ermöglichen, wird weiter-hin diskutiert [75]. Studien an Ersatzpartikeln in der Größe von Vesikeln zeigen, dass zytosolisch-diffusiver Transport für längere Transportwege in Hyphen keine wahrscheinliche Erklärung dar-stellt. Luby-Phelps [92] errechneten einen Diffusionskoeffizienten, der etwa 500−1000-fach nied-riger war, als in rein wässnied-riger Lösung. Bleichrodt et al. [16] konnten außerdem zeigen, dass rein diffusiver Transport durch die Septierung durch die Hyphe nur sehr langsam verläuft. Oberhalb von vier zu passierenden Septen ist praktisch kein physischer Kontakt über das Zytosol mehr erkenn-bar. Geschlossene Septen scheinen allerdings den Glukosetransport über Hyphenkompartimente nicht zu behindern [17]. Es wird zudem beschrieben, dass aktiver Transport auf Mikrofilamenten Zytosol mitreißen, durchmischen und damit passiv-advektive oder diffusive Phänomene auslösen kann [20, 71].

Klassischerweise wird angenommen, dass in Pilzen der Art A. niger der Langsteckentransport über sog. molekulare Motoren in der Zelle realisiert wird [140]. Diese Motoren bewegen sich ak-tiv, d. h. unter ATP-Verbrauch, entlang von Strukturen des Zytoskeletts. Zu diesen Strukturen ge-hören Mikrotubuli und Aktinkabel, wobei erstere mit dem Langstrecken- und letztere mit dem

SNARE

Donor-Kompartiment

Cargo Vesikel

(a)Details zum „budding”-Prozess sowie zur Ober-flächenstruktur der Vesikel.

Zellmembran t-SNARE

v-SNARE

(b) Fusionsmechanismus der Vesikel-Biomembran mit der Membran am Zielorganell über Kopplung der v- und t-SNARE-Proteine.

Abbildung 5.4:Einzelschritte des SV-Transports zwischen verschiedenen Zellkompartementen, schematische Darstellung. Übernommen und übersetzt aus Klann et al. [75].

Kurzstrecken- bzw. Spitzentransport assoziiert werden [35]. Mikrotubuli sind Polymere von Tu-bulindimeren, die durch Organellen und Vesikel in eukaryontischen Zellen zum Transport über weite Strecken genutzt werden. Sie bestehen aus zylindrischen Röhren mit einem Durchmesser von 25 nm und weisen eine Polarität auf, wobei Neupolymerisation am positiven Ende stattfindet.

Sogenannte Molekularmotoren (engl.: molecular motors) nutzen diese Polarität. Kinesine bewe-gen ihre Ladung zu den Plusenden, während Dynein Organellen zu den Minusenden transportie-ren. Damit sind Kinesine vor allem mit der Exozytose, Dyneine mit Endozytose assoziiert [139].

Aktin-Mikrofilamente sind schmale, hole Stäbe, die aus zwei, linear polymerisierten Strängen des globulären Proteins Aktin bestehen (sog. F-Aktin) [107]. Aktin-Strukturen erfüllen verschiedene Aufgaben, darunter die Ausbildung der Spitzenpolarität und sorgen für eine energieeffiziente Or-ganisation der Zelle [12]. In jungen Keimschläuchen der Spezies A. niger sind sie spindelförmig in den Hyphenspitzen angeordnet. Ihre regulative Rolle zum gerichteten Vesikeltransport und zur Sekretion (z. B. als letzte Shuttle-Instanz vor der Membran) wird diskutiert [13].

Die Rolle der SNARE-Proteine bei der Vesikel-Membran-Fusion

Ein bilateraler, kontinuierlicher Stoffaustausch zwischen zwei Zellkompartimenten schließt fol-gende, obligatorische Einzelschritte ein: (i) Moleküle werden im Donor-Kompartiment mit einer eigenen Biomembran umhüllt und als Vesikel verpackt (Abbildung 5.4a); (ii) diese Vesikel werden mit zielspezifischen Signalproteinen versehen und zum Zielorganell geleitet. Das Vesikel nähert sich dann, (iii), der Zellmembran des Zielorganells [156]. Im letzten Schritt wird das Vesikel am Zielorganell akzeptiert, die Fusion durch die SNARE-Proteine16 eingeleitet und vollzogen (siehe Abbildung 5.4b). Diese Signalproteine befinden sich sowohl in der Membran des beteiligten Trans-portvehikels (als v-SNAREs) als auch in der Biomembran des Zielorganells (als t17-SNAREs) [137,

16Engl. Akronym:solubale N-ethylmalemide sensitive factor attachment protein receptor

17Engl. Abk.: target,zu dt. Ziel-SNAREs. Äquivalent dazu: v-SNARE für „vesicle”-SNAREs

5.1 Stand der Forschung

24]. Bei Kontakt der beiden SNARE-Typen bilden diese einen Komplex, der sich über beide Mem-branen ausbreitet, diese „reißverschlussartig” zusammenführt und den Cargo entleert [88, 107].