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Prognose der Pflegebedürftigen

4. Pflegevorausberechnung

4.1 Prognose der Pflegebedürftigen

Als Grundlage für die Berechnung des zukünftigen Pflegebedarfes in der Stadt Gera, wurden die Zahlen zu den Pflegebedürftigen des Thüringer Landesamtes für Statistik mit dem momentan aktuellsten Stand zum 15.12.2019 genutzt. Diese bildeten die Grundlage für die Berechnung der Pflegequoten, welche nach den Kategorien Geschlecht und Altersgruppen unterteilt wurden (Vgl. Tabelle 4).

Um die zukünftige Anzahl der Pflegebedürftigen im Jahr 2030 zu berechnen, wurde der Ansatz einer konstanten Entwicklung, in Form einer Extrapolation anhand der Bevölkerungsentwicklung, gewählt (Status-Quo-Berechnung). Das heißt, dass von gleichbleibenden Bedingungen ausgegangen wurde und nur schwer bzw. nicht darstellbare dynamische Entwicklungen, wie etwaige Gesetzesänderungen oder technisch/medizinische Innovationen nicht berücksichtigt oder angenommen wurden. Allein die Bevölkerungsentwicklung bildet den einzigen dynamischen Faktor dieser Pflegevorausberechnung. Die mit dem Datenstand 2019 berechneten Pflegequoten wurden, angepasst an die Faktoren Alter und Geschlecht, auf die Bevölkerungsprognose für das Jahr 2030 übertragen. Hierfür wurde die untere Variante der Haushalts- und Bevölkerungsprognose der Stadt Gera aus dem Jahr 2018 genutzt.

Eine weitere gängige Methode zu Ermittlung einer zukünftigen Entwicklung der Anzahl der Pflegebedürftigen wäre auch die Berechnung eines Mittelwertes der letzten drei verfügbaren Datenstände, um somit etwaige Schwankungen auszugleichen. Dieser Ansatz wurde jedoch bewusst nicht gewählt, da durch die Veränderung der Pflegegesetzgebung eine überproportionale Erhöhung der Pflegebedürftigen und eine Verschiebung innerhalb der Pflegearten zustande gekommen wäre, welche eine zukünftige Bedarfsberechnung verfälschen würde.

Im Basisjahr hatte die Stadt Gera eine Hauptwohnsitzbevölkerung von 94.564 Personen, darunter waren 6.413 Personen pflegbedürftig, was einer Pflegequote von 6,78 Prozent entspricht. Die Pflegequote unter der weiblichen Bevölkerung war dabei mit 8,19 Prozent deutlich höher, als die der männlichen Bevölkerung von 5,29 Prozent. Im Prognosejahr 2030 wird die Zahl der Geraer Hauptwohnsitzbevölkerung voraussichtlich 92.784 Personen betragen und dadurch gegenüber dem Basisjahr um 1.780 Personen gesunken sein. Durch die Alterung der Bevölkerung steigt jedoch die Anzahl der pflegebedürftigen Personen um ca.

400 Personen und wird voraussichtlich 6.830 Personen umfassen. Hiervon werden 2.590 Personen männlich und 4.240 Personen weiblich sein.

Die Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen muss jedoch mit Vorbehalt betrachtet werden, so sei gesagt, dass es sich hierbei um einen Trend handelt, welcher sich, nach den Einschätzungen zur Bevölkerungsvorausrechnung der Stadt Gera, auch wieder umkehren wird. (Vgl. Stadt Gera 2017)

So ist davon auszugehen, dass die wachsende Zahl von pflegebedürftigen Personen, nach einem vorläufigen Höhepunkt um das Jahr 2030, tendenziell wieder sinkt und um das Jahr 2040 wieder auf dem Niveau von 2020 sein wird (Vgl. Abb. 9). Hierbei gilt es bedarfsgerechte Pflegestrukturen zu schaffen, welche diesem Trend gerecht werden und nicht zur Folge haben, dass eine Überkapazität an Pflegeeinrichtungen vorhanden ist.

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Tabelle 5 Prognose der Pflegebedürftigen in der Stadt Gera zum Jahr 2030

Alter

Geschlecht

2019 Prognose 2030

Einwohner Pflegebedü

rftige Pflegequote Einwohner Pflegebedür ftige

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Bevölkerungs- und Haushaltprognose Stadt Gera 2018, eigene Darstellung und Berechnung.

29 4.2. Prognose nach Pflegearten

Insbesondere der Trend weg von der vollstationären hin zur teilstationären oder ambulanten Pflege dürfte zur Folge haben, dass der Bau von stationären Pflegeeinrichtungen, trotz steigender Pflegezahlen, an Bedeutung verliert (Vgl. Abb. 10). Stattdessen sollte der Fokus auf innovative ambulante und modular aufgebaute Pflegeangebote gelegt werden, die Autonomie pflegebedürftiger Menschen so lang wie möglich zu erhalten und das Leben im vertrauten Umfeld zu ermöglichen. Neue Wohnformen, altersgerecht gestaltete Quartiere und die Möglichkeiten der Digitalisierung können diese Entwicklung unterstützen.

Bereits erkennen lässt sich dies anhand der Entwicklung der Pflegebedürftigen nach Pflegarten der vergangenen Jahre (Vgl. Abb. 16). Die Zahl der Pflegebedürftigen in stationären Einrichtungen sank von 1.256 im Jahr 2017 auf 1.241 im Jahr 2019. Dies entspricht einem relativen Anteil an allen Pflegebedürftigen von rund 24 Prozent im Jahr 2017 auf ca. 20 Prozent im Jahr 2019. Die Zahl der Pflegebedürftigen stieg in der ambulanten Pflege von 1.748 (2017) auf über 2.000 Personen im Jahr 2019 und liegt damit etwa konstant bei einem Drittel der pflegebedürftigen Personen.

Aufgrund der beschriebenen Extrapolation der Pflegequoten des Basisjahres 2019 auf das Prognosejahr 2030, bestehen die relativen Anteile der Pflegearten an den Pflegebedürftigen auch im Prognosejahr 2030. Die absolute Zahl ändert sich jedoch, anhand der Veränderung Altersstruktur der Geraer Bevölkerung. Hierbei findet eine Erhöhung auf 2.302 Pflegebedürftige in der ambulanten Pflege (2019 waren es 2.127 Personen) und 1.355 in der stationären Pflege (1.241 in 2019). Ebenfalls erhöht sich die Anzahl der Pflegebedürftigen, welche ausschließlich Pflegegeld erhalten von 2.769 im Jahr 2019 auf 2.883 im Prognosejahr 2030.

Abbildung 16 Prognose der Pflegebedürftigen in der Stadt Gera nach Pflegearten

Quelle: Thüringer Landesamt für Statistik, Bevölkerungs- und Haushaltprognose Stadt Gera 2018, eigene Berechnung.

Anmerkung: Die Kategorie stationäre Pflege erfasst die vollstationäre Dauerpflege und die Kurzzeitpflege. Bis 2015 enthielt die statistische Darstellung des TLS zur stationären Pflege auch die teilstationäre Pflege, während diese seit 2017 zur ambulanten Pflege oder dem Pflegegeld gezählt werden. Die Vergleichbarkeit der Zahlenwerte vor 2017 und ab 2017 ist daher nur bedingt gegeben.

2017 2019 2030

Pflegebedürftige insgesamt 5.292 6.413 6.830

davon ambulante Pflege 1.748 2.127 2.302

davon stationäre Pflege 1256 1.241 1.355

davon ausschließlich Pflegegeld 2.288 2.769 2.883

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30 4.3 Bedarf an stationären Pflegeplätzen

An dieser Stelle sollen die Platzkapazitäten der stationären Einrichtungen der aktuellen und prognostizierten Zahl der Pflegebedürftigen im stationären Bereich gegenübergestellt werden.

Durch die Annahme gleichbleibender Kapazitäten der stationären Einrichtungen, bei einer gleichzeitigten Erhöhung der Zahl der Pflegebedürftigen, kann dadurch ein hypothetischer Bedarf für das Prognosejahr 2030 errechnet werden.

Es ist anzunehmen, dass nicht alle Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gera in Einrichtungen untergebracht sind, welche sich im Stadtgebiet befinden und umgekehrt, dass auch Pflegebedürftige von Außerhalb in Einrichtungen in der Stadt Gera untergebracht sind.

Wenn der Anspruch verfolgt werden soll, dass allen Bürgerinnen und Bürgern ein stationäres Angebot in ihrer Stadt gemacht werden kann, muss allerdings davon ausgegangen werden, dass die in der Stadt Gera vorgehaltenen Plätze für die Anzahl der pflegebedürftigen Geraerinnen und Geraer ausreichend vorhanden sind.

Im Basisjahr 2019 stehen für 1.241 pflegebedürftige Geraerinnen und Geraer, welche ein stationäres Angebot benötigen, 1.280 Pflegeplätze zur Verfügung. Da eine 100 Prozentige Auslastung in der Praxis, in Folge von Doppelbelegungen und Übergangszeiten, nicht erreicht werden kann, wird davon ausgegangen, dass die Einrichtungen mit einer durchschnittlichen Belegungsquote von 98 Prozent voll ausgelastet sind. Die vorhandenen Kapazitäten der Einrichtungen werden daher um 2 % reduziert. Hierdurch reduziert sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Plätze von 1.280 auf 1.254. Wenn also davon ausgegangen wird, dass diese Plätze für Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gera zur Verfügung stehen, ergibt dies bei 1.241 pflegebedürftigen Personen im Jahr 2019 ein Plus von 14 Plätzen, welche anderweitig vergeben werden können. Nach der Pflegevorausberechnung wird angenommen, dass die Zahl der pflegebedürftigen Personen im Jahr 2030 auf 1.355 steigt. Dies hätte zur Folge, dass, bei einer angenommen gleichbleibenden Zahl an verfügbaren Plätzen, es zu einem Defizit von 101 Pflegplätzen kommt. (Vgl. Tab. 6)

Auf Grundlage der Belegungsrate in den Einrichtungen der Geraer Heimbetriebsgesellschaft, konnte ein Faktor berechnet werden, welcher für die hypothetische Nutzung von Einrichtungen in der Stadt Gera durch Bürgerinnen und Bürgern der Stadt abgeleitet werden kann. Es wird dabei von einer Nutzungsrate von 83 Prozent ausgegangen. Dies heißt im Umkehrschluss, dass man davon ausgehen kann, dass etwa 17 Prozent der Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gera, sich für einen Pflegeplatz außerhalb der Stadt entscheiden. Auf die Kapazitäten der Pflegeeinrichtungen hätte dies die Auswirkung, dass im Jahr 2019 1.030 Plätze von Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gera genutzt wurden und 253 Pflegeplätze an Pflegebedürftige von Außerhalb vergeben wurden. Für das Jahr 2030 erhöht sich die Zahl der pflegebedürftigen Geraerinnen und Geraer auf 1.125 Personen, während dadurch die Zahl der verfügbaren Plätze für Personen außerhalb Geras auf 129 sinkt. (Vgl. Tab. 6)

Diese Berechnung sollte allerdings mit Vorbehalt gesehen werden, da nur die Quantität von Pflegbedürftigen und Pflegeplätzen berücksichtig werden. Weitere Variablen, wie etwa Passungsprobleme, freie Entscheidungen und Personalressourcen, werden nicht berücksichtigt.

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Tabelle 6 Prognostizierter Bedarf an stationären Pflegeplätzen in der Stadt Gera für Bürgerinnen und Bürger der Stadt Gera

Quelle: Pflegestatistik Thüringer Landesamt für Statistik, eigene Berechnung.

Anmerkung: Faktor Belegung durch Geraer Bev. bei 0,83

4.4 Vergleich der Pflegevorausberechnung des Thüringer Landesamtes für Statistik (TLS) und der Stadt Gera

Auch das Thüringer Landesamt für Statistik (im Folgenden TLS) hat in der letzten Zeit eine Pflegevorausberechnung veröffentlicht, welche auf die Entwicklung in der Stadt Gera eingeht.

Die Ergebnisse unterscheiden sich deutlich von den hier aufgezeigten.4

Zum einen stellt das TLS das Prognosejahr 2040 dar, während in der Pflegevorausberechnung der Stadt Gera das Prognosejahr 2030 genutzt wird. Das Jahr 2030 wurde bewusst gewählt, da aus Sicht der Stadt Gera eine zuverlässige Planbarkeit, welche über einen Zeithorizont von 10 Jahren hinausgeht, nicht möglich ist. Jede Prognose kann immer nur auf Grundlage der gegenwärtigen Situation erstellt werden. Durch eine Vielzahl von nicht-vorhersehbaren Faktoren und Ereignissen, beispielhaft sei hier die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 genannt, können die Ergebnisse einer getroffenen Prognose vollständig annihiliert werden. Dies gilt umso mehr je größer der getroffene Prognosezeitraum angesetzt wird.

Die Pflegevorausberechnung des TLS erfolgt anhand der gleichen Parameter wie sie auch in der Pflegevorausberechnung der Stadt Gera genutzt wurden (Bevölkerungsentwicklung sowie Pflegequoten nach Altersgruppen und Geschlecht) (Vgl. Kap.4.1). Auffällig war jedoch, dass die Zahl der Pflegebedürftigen im Jahr 2040 nach der Berechnung des TLS steigt anstatt zu sinken, wie nach der Berechnung auf Grundlage der Datenbasis der Stadt Gera zu erwarten wäre. Der Grund hierfür liegt darin, dass das TLS und die Stadt Gera unterschiedliche Bevölkerungsprognosen nutzen. So wird durch das TLS die „2. Regionalisierte Bevölkerungsvorausberechnung in Thüringen“ (TLS 2019b) und durch die Stadt Gera die

„Bevölkerungs- und Haushaltsprognose 2018“ (Stadt Gera 2018) genutzt.

Um Klarheit zu verschaffen, was die Nutzung unterschiedlicher Bevölkerungsprognosen für die Ergebnisse der jeweiligen Pflegevorausberechnungen haben, wurde diese modellhaft nachgerechnet. Das Ergebnis dieser Berechnungen zeigte, dass die Zahlen der Pflegbedürftigen nach den Datengrundlagen des TLS und der Stadt Gera für das Jahr 2030 zu ähnlichen Ergebnissen kommen, für das Jahr 2040 jedoch ein deutlicher Unterschied besteht. Die Anzahl der Pflegebedürftigen liegt für das TLS im Jahr 2040 deutlich über den Ergebnissen auf der Datengrundlage der Stadt Gera. Es zeigte sich, dass das TLS von einer

4 Vgl. hierzu: https://statistik.thueringen.de/th_2040/default.asp?up=33, abgerufen am 25.08.2021.

32 deutlichen Zunahme der Personen über 80 Jahre ausgeht, bei einem gleichzeitigten Rückgang der Gesamtbevölkerung. Die Zahl der Personen über 80 Jahre liegt nach der Bevölkerungsvorausberechnung des TLS im Jahr 2040 somit bei ca.11.590 Personen (2019 bei 8.820 Personen), während die Gesamtbevölkerung von 93.550 im Jahr 2019 auf 80.490 im Jahr 2040 sinken soll. Die Bevölkerungs- und Haushaltsprognose 2018 der Stadt Gera kommt zu anderen Entwicklungen (Vgl. Kap. 1.3). Nach der Prognose der Stadt Gera wird, im Unterschied zur Berechnung des TLS, mit einer Abnahme der Personen über 80 Jahre von 9.166 Personen im Jahr 2020 auf 9.026 Personen im Jahr 2040 gerechnet, bei einer gleichzeitigen Bevölkerungsentwicklung von 93.542 Personen im Jahr 2020 auf 90.468 Personen im Jahr 2040 (nach Bevölkerungs- und Haushaltsprognose 2018 der Stadt Gera, untere Variante, Hauptwohnsitzbevölkerung).

Die durch das TLS angenommene Zunahme der Personen über 80 Jahre führt zu einer deutlich erhöhten Zahl an pflegbedürftigen Personen. Diese Entwicklung kann durch die Stadt Gera allerdings nicht nachvollzogen werden und widerspricht den Ergebnissen der Geraer Bevölkerungsvorausberechnung. Es kann nur vermutet werden, dass das TLS von einem erhöhten Zuzug hochbetagter Personen in die Stadt Gera oder einer deutlich erhöhten Lebenserwartung ausgeht. Die Gründe für diese Annahme sind uns allerdings nicht bekannt und werden durch das TLS nicht offengelegt.

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5. Zukünftige Entwicklung der Pflegestrukturen in Gera

Die Herausforderungen einer zukünftigen Entwicklung von Pflegestrukturen wurden am Anfang dieser Veröffentlichung bereits umschrieben. So bestehen unterschiedliche Trends für die Zukunft der Pflege, welche sich auch auf die Stadt Gera auswirken. Neben dem bereits erläuterten demografischen Wandel und der daraus resultierenden Alterung der Bevölkerung, führt der sich noch verstärkende Trend einer Urbanisierung dazu, dass Familienzusammenhänge räumlich immer weiter zergliedert werden. Insbesondere für ältere Menschen kann es zu einer Singularisierung und Vereinsamung führen, wenn Kinder und Enkel nicht mehr im näheren Umfeld leben. Die tägliche Unterstützung und Pflege durch nahe Angehörige entfällt dadurch immer häufiger. Zusammen mit dem Fachkräftemangel ergeben sich Herausforderungen, welche innovativer Lösungen bedürfen. Diese können etwa in neuen Pflege- und Wohnformen sowie die Ausweitung der Digitalisierung auf den Pflegebereich liegen.

Zusammen mit den Trägern von Pflegeangeboten und Pflegedienstleistern, welche in der Stadt Gera tätig sind, möchte die Stadt Gera diesen Trends und Herausforderungen nachgehen, um bedarfsgerechte Lösungen für die Stadt Gera zu finden und zu begleiten. Die bereits gemachten Erfahrungen sollen an dieser Stelle wiedergegeben werden.

5.1 Fachtag Pflege am 21.07.2021

Die Stadt Gera strebt eine enge vernetzte Zusammenarbeit mit Akteuren und Dienstleistern der Pflege vor Ort an, um künftig noch bedarfsgerechtere Pflegestrukturen zu planen und das Miteinander zwischen Pflege-Dienstleistern und Kommunalverwaltung zu fördern und zu stärken.

Ein erstes Forum für alle Beteiligten bildete der „Fachtag Pflege — Die Zukunft von Pflegestrukturen in der Stadt Gera", der am Mittwoch, den 21. Juli 2021, im Kultur- und Kongresszentrum stattfand. Eingeladen hatten das Dezernat Jugend und Soziales, das Amt für Gesundheit und Versorgung sowie das Sozialamt. Teilgenommen haben verschiedene Geraer Pflegedienstleister aus dem stationären und ambulanten Bereich, der Seniorenbeirat, der Service.Generationen, das Netzwerk Gesunde Kommune sowie Einrichtungen, die sich mit dem Thema Pflege befassen.

Im Fokus der Veranstaltung standen Fragestellungen zu den Herausforderungen der Stadt Gera, die für die Zukunft der Pflege bestehen, zum Bedarf der konkreten Pflegeangebote in den einzelnen Stadt- und Ortsteilen sowie den damit verbundenen Rückschlüssen auf eine alters- und pflegegerechte Stadtentwicklung. Gemeinsam sollen Antworten auf diese Fragen gefunden werden. Pflegebedürftigen sollte ein langes selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Mit dem Wissen darüber, was gewollt und benötigt wird, kann die Stadt die Pflegestrukturen begleiten.

Mit Blick auf die derzeitige Bevölkerungsstruktur der Stadt Gera und die zunehmende Alterung der Bürgerinnen und Bürger, zeigt sich, dass der Bedarf an häuslicher, ambulanter oder stationärer Pflege weiter anwächst. Derzeit sind etwa 30 Prozent der Geraer Bevölkerung 65 Jahre und älter.

Die Erkenntnisse dieses Fachtages sollen an dieser Stelle dargestellt werden und fließen in die Planungsgrundlagen für die Stadt Gera ein.

34 Fachkräftemangel

Insbesondere die Personalsituation ist eine Herausforderung, welche durch den überwiegenden Teil der Teilnehmenden angebracht wurde. Für die Teilnehmenden stellt diese Thematik eine bereits bestehende Herausforderung dar, welche sich zukünftig noch ausweiten wird.

Als Gründe für diesen Umstand, wurden von den anwesenden Expertinnen und Experten unterschiedliche Aspekte genannt. Unter anderem leidet der Pflegeberuf unter einem schlechten Image und ist für viele potentielle Arbeitskräfte nicht attraktiv. Hier sollte mit einer Steigerung der Attraktivität und einer Imageverbesserung entgegengewirkt werden, um neue Arbeitskräfte zu gewinnen und die Mitarbeiterbindung zu erhöhen.

Neben einem besseren Marketing für das Berufsfeld, sollte vor allem eine höhere Wertschätzung durch Vorgesetzte erfolgen. Diese sollte sich etwa durch eine attraktive und gesunde Arbeitsplatzgestaltung sowie eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie kenntlich machen.

Die geringe Personaldecke führt zu einer angespannten Situation, welche bewirkt, dass die eingesetzten Arbeitskräfte in dem Maße überfordert sind, dass gleichermaßen die Attraktivität des Berufsstandes sinkt und potentielle Bewerberinnen und Bewerber abgeschreckt werden.

Dieser Trend wurde durch die Aussetzung des Zivildienstes verstärkt, welcher auch durch FSJ-Leistende nicht ausgeglichen werden kann. Ein Lösungsansatz besteht in der Verbesserung des Betreuungsschlüssels, um die Belastung der einzelnen Mitarbeiter zu verringern, eine Verbesserung in der Ausbildung zum Pflegehelfer und einer höheren Vergütung von ambulanten Pflegeleistungen.

Die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland wurde von den Teilnehmenden ebenfalls als ein Lösungsansatz für fehlendes Personal genannt. Es wurde jedoch anhand von unterschiedlichen Praxisbeispielen verdeutlicht, dass dies nicht immer einfach sei. So wurde von einer hohen Fluktuation ausländischer Fachkräfte und auftretenden Sprachbarrieren berichtet.

Pflegende Angehörige

Durch die Teilnehmenden wurde festgestellt, dass die Pflege durch Angehörige im eigenen Haushalt die häufigste Form der Pflege darstellt, die pflegenden Angehörigen jedoch häufig unvorbereitet und überfordert mit dieser Aufgabe sind. Die Teilnehmenden waren sich daher einig, dass diese Personengruppe stärker unterstützt, entlastet und auch präventiv auf einen eintretenden Pflegefall vorbereitet werden sollte. Eine höhere Beratung vor Ort und eine stärkere Informationstätigkeit seien hierfür der Schlüssel. Durch Schulungen und Informationen sollten die pflegenden Angehörigen professionalisiert werden. Dies könne auch unter Anleitung von ambulanten Pflegediensten erfolgen. Als begleitende Maßnahme ist auch ein Netzwerk für zu Pflegende und Angehörige denkbar.

Veränderung der Rahmenbedingungen

Auch in den grundlegenden Strukturen und Rahmenbedingungen in der Pflege sahen die Teilnehmenden Veränderungspotentiale. Es gilt neue Pflegekonzepte umzusetzen und die Veränderung der Pflegestrukturen (nach der Corona-Pandemie) in die Wege zu leiten. Dies sollte unter der Einbeziehung aller Pflegekassen und kommunaler Unterstützung erfolgen. Als Ziel eines solchen Prozesses gaben die Teilnehmenden eine Entbürokratisierung und eine

35 Verstetigung von Projektstrukturen an, welche nicht nur kurzfristig sondern auch langfristig wirken sollen. Die Schaffung von klaren und transparenten Strukturen, war den anwesenden Expertinnen und Experten wichtig. Gewünscht ist hierbei eine zentrale Stelle für die Lösung kommunaler Probleme, welche vor allem eine stärkere Kommunikation in den Vordergrund stellt.

Digitalisierung

Eine weitergehende Digitalisierung in der Pflege wurde von den Teilnehmenden noch nicht als entscheidende Lösung für die derzeitigen Herausforderungen angesehen. Die „wärmende Hand“ ist für die anwesenden Experten noch immer die entscheidende Komponente in der Pflege.

36 5.2 Pflege im Quartier/Kooperationen im Sozialraum

Eine entscheidende Rolle bei der zukünftigen Gestaltung von Pflegestrukturen wird der quartiersnahen und sozialraumorientierten Pflege zukommen. Hierbei steht das Ziel im Vordergrund, ein langes selbstbestimmtes Leben im gewohnten Umfeld bis ins hohe Alter zu ermöglichen.

Eine große Rolle hierbei spielen Wohnformen, welche ein alters- und alternsgerechtes Leben im gewohnten Sozialraum ermöglichen. So gibt es in der Stadt Gera etwa bereits Kooperationen für betreutes und pflegebetreutes Wohnen zwischen Wohnungsgenossenschaften und Pflegedienstleistenden (WG Neuer Weg in Kooperation mit Pflegediensten: Kai Vieregge", "Pflege mit Herz" und "Caritasverband Ostthüringen e.V.", Quelle: www.wg-neuerweg.de).

In Seniorenwohngemeinschaften können ältere Menschen ihre gegenseitigen Stärken und Schwächen ergänzen und dadurch ein selbstständiges Leben bis ins hohe Alter führen.

Unterschiedliche Wohnungsunternehmen bieten diese Form des Zusammenlebens für ältere Menschen bereits an. Darüber hinaus gibt es ein großes Angebot an barrierearmen- bzw.

freien Wohnungen.

Ein stärkerer Fokus auf Pflege im Quartier wurde durch die Teilnehmenden des Fachtags Pflege gelegt. Es wurde betont, dass es bereits unterschiedliche sozialraumbezogene Angebote gibt. So wurde das Sozialmanagement von Vermietergesellschaften, die die Sozialdienste der Kliniken (hier wurde angemerkt, dass das Entlassungsmanagement verbessert werden müsse) und die Arbeit der Stadtteilbüros hervorgehoben. Auch der Service.Generationen spielt eine wichtige Rolle für ältere Menschen, muss jedoch noch bekannter gemacht werden.

Quartiersbezogene Entwicklungspotentiale sahen die anwesenden Expertinnen und Experten im Ausbau der Barrierefreiheit. So muss Barrierefreiheit als eine Selbstverständlichkeit gelten und mehr bezahlbarer barrierefreier Wohnraum und Versorgungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Auch sollten Stützpunkte im Quartier entstehen, welche alle Dienstleistungen vor Ort bündeln und kompetente Ansprechpartner vorhanden sind. Für die Umsetzung von alters- und

Quartiersbezogene Entwicklungspotentiale sahen die anwesenden Expertinnen und Experten im Ausbau der Barrierefreiheit. So muss Barrierefreiheit als eine Selbstverständlichkeit gelten und mehr bezahlbarer barrierefreier Wohnraum und Versorgungseinrichtungen zur Verfügung stehen. Auch sollten Stützpunkte im Quartier entstehen, welche alle Dienstleistungen vor Ort bündeln und kompetente Ansprechpartner vorhanden sind. Für die Umsetzung von alters- und