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Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung

und in der (arbeitsorientierten) Alphabetisierung und Grundbildung

2.2 Professionalisierung und Professionalitätsentwicklung

in der (arbeitsorientierten) Alphabetisierung und Grundbildung

Im Zuge der zunehmenden Ausdifferenzierung der Erwachsenenbildung in ver-schiedene Teilfelder mit spezifischen Rahmenbedingungen und Anforderungen hat sich in den letzten Jahren auch die Alphabetisierung und Grundbildung als ein ei-genständiges Praxis- und Forschungsfeld mit innovativen Konzepten und Theorien entwickelt (vgl. Nuissl & Przybylska 2016). Mit Blick auf aktuelle Forschungsbefunde und -aktivitäten für das spezifische und noch junge Feld der Alphabetisierung und Grundbildung verweisen diese ebenfalls auf eine Professionalitätsdebatte, welche sich verstärkt mit der Professionalisierung und professionellen pädagogischen Hand-lungskompetenz von Lehrkräften auseinandersetzt. Begründet ist dies insbesondere durch den hohen praktischen Bedarf an professionellen Trainings- und Weiterbil-dungsmöglichkeiten ebenso wie durch die Komplexität des Handlungsfeldes: „Die komplexe Struktur des Handelns als Lehrender in der Erwachsenenbildung wird im Bereich der Alphabetisierung noch zusätzlich verdichtet“ (ebd., S. 88). Mit der Pro-fessionalisierung in diesem Bereich ist ein Schwerpunkt entstanden, welcher „die Entwicklung umfassender Fortbildungskonzepte sowie Konzipierung von berufsbe-gleitenden Studien und Weiterbildungsmaßnahmen für Lehrende in Kursen“ (ebd., S. 93) im Fokus hat.

Inspiriert ist dieser Forschungsschwerpunkt besonders durch international ver-gleichende Forschungsaktivitäten und -befunde, auch wenn die Entwicklungen und Implementierung eines Professionalisierungssystems für Lehrende in der Alphabe-tisierung bei den europäischen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich weit fortge-schritten sind. Als beispielhaft für eine hohe Qualität an qualifizierten und profes-sionellen Lehrkräften im Bereich der Alphabetisierung gilt England, wo bereits in den 1980er Jahren entsprechende Qualifikationen definiert und hoch regulierte Qua-lifizierungsprogramme verpflichtend eingeführt wurden. In diesem internationalen Kontext wurde zwischen 2011 und 2013 von einem Netzwerk verschiedener

europäi-scher Staaten, darunter auch Deutschland, das Projekt „BASKET“ („Professional de-velopment for teachers of adult basic skills“) erarbeitet. Ausgangspunkt war, ähnlich dem internationalen wie nationalen Professionalisierungsdiskurs für die Erwachse-nenbildung im Allgemeinen, die Annahme, dass entgegen der hohen praktischen Relevanz der professionellen Kompetenzen von Lehrenden im Alphabetisierungs-und GrAlphabetisierungs-undbildungsbereich keine professionelle Kompetenzausbildung Alphabetisierungs-und einheit-liche Standards bestehen.

„However, the role of the adult basic skills teacher is often under-valued in EU member states. There is a lack of established systems for the training of adult basic skills teach-ers, with no established professional development pathways“ (Basket n. a., S. 3).

Entsprechend war es das Ziel, nationale Qualifizierungssysteme und -strategien für Lehrkräfte in der Alphabetisierung und Grundbildung zu entwickeln sowie Modelle und nationale Bedarfe zu ermitteln (vgl. Deutsches Institut für Erwachsenenbildung 2013). Ähnlich zum allgemeinen erwachsenenbildungswissenschaftlichen Professio-nalisierungsdiskurs werden auch hier Empfehlungen für die Entwicklung von Quali-fizierungssystemen für Lehrende der Alphabetisierung ausgesprochen, die u. a. ei-nen europäischen Rahmen für Standards von Kompetenzen von Lehrkräften fordern (vgl. Nuissl & Przybylska 2016). Auch hier ist anzumerken, dass ein solcher Kompe-tenzrahmen bisher nicht vorliegt.

Befördert wird das Praxis- und Forschungsfeld der Alphabetisierung und Grund-bildung im nationalen Kontext insbesondere durch Grund-bildungspolitische Entwick-lungen. So haben die Förderschwerpunkte zur „Forschung und Entwicklung zur Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ (2007–2012) und zur „Arbeits-platzorientierten Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener“ (2012–2015) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung sowie die „Nationale Strategie für Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener in Deutschland 2012–2016“

zahlreiche Forschungsaktivitäten und Praxisprojekte gefördert. Besonderen Auf-schwung hat dieses Praxis- und Forschungsfeld auch durch die 2016 in Kraft getre-tene „Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung“ (Alpha-Dekade) er-fahren. Hierbei haben sich Bund, Länder und Partner dazu verpflichtet, bis 2026 Grundbildung in Deutschland zu verbessern. In diesem Rahmen werden vom Bun-desbildungsministerium spezifische Förderschwerpunkte, darunter auch die AoG, durchgeführt und entsprechende Forschungs- und Entwicklungsprojekte gefördert.1 Ein solches Projekt, welches sich Lehrenden in der Grundbildung widmet, stellt das Projekt CurVe II – Curriculum und Professionalisierung der Finanziellen Grundbil-dung – dar. Mit dem Projekt wird ebenfalls die Professionalisierung von Lehrenden in den Fokus genommen und eine Fortbildung entwickelt und erprobt, welche die Kompetenzentwicklung von Lehrenden im Grundbildungsbereich stärken soll (vgl.

Mania & Tröster 2015). In besonderer Weise reagierte auch die Pädagogische Hoch-schule Weingarten, die sich mit der Einrichtung eines Masterstudiengangs und

ei-1 In diesem Kontext ist beispielsweise auch das hier rahmengebende Projekt ABAG2 zu verorten, welches neben den Teil-nehmenden und Betrieben auch die Professionalisierung der Lehrenden in den Blick nimmt.

ner Professur für Alphabetisierung und Grundbildung auf die praktische Notwen-digkeit einerseits und die gesellschaftliche Relevanz der Thematik andererseits einstellte (vgl. Pädagogische Hochschule Weingarten 2018). Dahingehend hat der Masterstudiengang zum Ziel, die Studierenden für konkrete Lehrtätigkeiten im Be-reich der Alphabetisierung und Grundbildung professionell auszubilden, und nimmt damit auch ausdrücklich die professionelle Handlungskompetenz von Lehr-kräften in den Blick. Auf die praktische Notwendigkeit reagiert auch im Rahmen des Projekts Gruwe (Grundbildung bewegt Unternehmen) das Büro für Berufliche Bil-dungsplanung Dortmund und bietet eine praxisnahe und spezifische Weiterbildung für Lehrende in der AoG an (Büro für Berufliche Bildungsplanung 2018).

Obwohl einige aktuelle Forschungsaktivitäten und -befunde im Zuge der Pro-fessionalitätsdebatte dargestellt werden können, so verweist auch der Forschungs-stand für das spezifische Feld der Alphabetisierung und Grundbildung auf die drin-gende praktische Notwendigkeit, sich wissenschaftlich intensiver mit Fragen nach spezifischen pädagogischen Kompetenzanforderungen an Lehrende und deren Pro-fessionalisierung sowie Professionalitätsentwicklung auseinanderzusetzen. Denn trotz der Bemühungen, insbesondere durch die zahlreichen Projekte im Rahmen der verschiedenen bildungspolitischen Förderprogramme, liegen keine einheitlichen und konsensfähigen Befunde oder Standards zu Kompetenzanforderungen an Leh-rende im Feld der Alphabetisierung und Grundbildung vor. Dies lässt sich auch für das spezifische Praxis- und Forschungsfeld der AoG annehmen, das durch den be-sonderen Feldbezug zwischen beruflicher und allgemeiner Bildung sowie durch das Zusammenspiel der vielfältigen Akteure eine besondere Feldspezifik erfährt, die komplexe Anforderungen an das Handeln Lehrender in diesem Bereich ebenfalls verdichtet und als höchst komplex vermuten lässt.

„Arbeitsorientierte Grundbildung (AoG) stellt Bildungsinstitutionen und Lehrende vor neue Herausforderungen: AoG ist ein ‚aufsuchendes‘ Angebot; es geht darum, Betriebe anzusprechen, zu informieren, zu sensibilisieren; es müssen passgenaue Angebote kon-zipiert werden, die dem Bedarf von Beschäftigten und Betrieb gerecht werden; das Ler-nen soll möglichst arbeitsnah stattfinden; Nutzen und Zugewinn sollen möglichst trans-parent werden usf.“ (Klein, Folger & Behlke 2015, S. 5).

Und obwohl insbesondere in den letzten Jahren, nicht zuletzt durch bildungspoliti-sche Förderprogramme, dieser Schwerpunkte gefördert wurden und zu innovativen Forschungsansätzen für den Bereich der Alphabetisierung und Grundbildung sowie AoG geführt haben, so lässt sich auch hier eine defizitäre Forschungslage konstatie-ren, welche insbesondere durch den internationalen Vergleich deutlich wird. Gleich-zeitig schließt sich aber auch hier im Sinne des zugrunde liegenden Erkenntnisinte-resses erneut die Frage an, inwieweit die Besonderheiten der äußerst komplexen Spezialfälle von Lehre in der Erwachsenenbildung, wie es die AoG darstellt, tatsäch-lich eigene, spezifische Kompetenzmodelle und -standards benötigen oder ob diese durch ein Modell allgemeiner erwachsenenpädagogischer Kompetenzmodelle ab-bildbar sind.

Die dargelegte Diskussion sowie die Herausarbeitung der Kontextspezifik des Feldes der AoG erfordert zunächst die Erarbeitung eines grundlegenden Verständnis-ses professioneller pädagogischer Handlungskompetenz sowie eine Kennzeichnung eines allgemeinen, erwachsenenpädagogischen Kompetenzanspruchs an Lehrende.

Demgemäß schließt sich im nachfolgenden Kapitel eine Darstellung verschie-dener aktueller Kompetenzmodelle an, welche Verständnisse von professioneller pä-dagogischer Handlungskompetenz kennzeichnen. Diese Kennzeichnung erlaubt in einem weiteren Schritt eine Herausarbeitung der Kontextspezifik professioneller