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1 E INLEITUNG

1.1 Problemstellung, Zielsetzung

Die Lore-Lindu-Region in Zentralsulawesi stellt als Teil des Biodiversitäts-Hotspots Wallacea (Abb. 1) ein – unter Biodiversitätsaspekten betrachtet – einmaliges Gebiet Indo-nesiens und eines der weltweit bedeutendsten Zentren endemischer Arten dar (WALTERT et al. 2004; SCHULZE et al. 2004). Als eines der beiden einzigen Schutzreser-vate Zentralsulawesis nimmt der Lore-Lindu Nationalpark eine Schlüsselrolle für den Erhalt der einzigartigen Flora und Fauna der Insel Sulawesi ein (vgl. COATES et al. 1997;

MYERS et al. 2000; STATTERSFIELD et al. 1998). 228 bisher entdeckte verschiedene Vo-gelarten und eine beachtliche Anzahl wichtiger endemischer Landsäuger sind dort be-heimatet (WALTERT et al. 2004: 328 u. 331). Den Kern des Parks bildet einer der wenigen noch existierenden artenreichen Primärwälder des Archipels.

Abb. 1 Der Biodiversitäts-Hotspot Wallacea (Quelle: CONSERVATION

INTERNATIONAL 2002)

Im südostasiatischen Vergleich verfügte Indonesien im Jahre 2000 über den größten Bestand an Primärwald. Mit über 95.000 ha weist der Inselstaat knapp dreimal

soviel Primärwald auf wie Myanmar, welches den zweiten Rang einnimmt (vgl. Abb. 2).

Selbst wenn man den Umstand berücksichtigt, dass es sich bei Indonesien um den flä-chengrößten Staat Südostasiens handelt, und die Verhältniswerte von Primärwaldfläche der Staaten zu der jeweiligen gesamten Landfläche betrachtet, positioniert sich Indonesien mit 53 % immer noch unter den vorderen Rängen.

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Abb. 2 Primärwaldbestand und Ratio Primärwaldfläche zur gesamten Landfläche südostasiatischer Staaten im Jahr 2000

Abgesehen von Vietnam nimmt der Waldbestand in allen verglichenen Ländern Südostasiens ab. Indonesien offenbart sich dabei als eines der Länder mit den höchsten Entwaldungsraten in der regionalen Synopse. Zwischen 1990 und 2000 wurde der Wald-bestand jährlich um 1,2 % bzw. 1.300 ha dezimiert,1 ein Wert, der nur von Myanmar und den Philippinien überschritten wird, welche eine jährliche Entwaldungsrate von 1,4 % während der letzten Dekade des 20. Jh. aufweisen (vgl. Abb. 3).

1 Während des Zeitraums 1982-1990 belief sich die Entwaldung in Indonesien auf 937.000 ha pro Jahr (OLIVE 1998: 2)

-1,6

Abb. 3 Jährliche Abnahme des Waldbestandes südostasiatischer Staaten 1990 - 2000 im Verhältnis zum Gesamtbestand im Jahr 2000

In der Lore-Lindu-Region nahm der Bestand an Naturwald zwischen 1971 und 2002 um rund 18 % ab, bei einer durchschnittlichen jährlichen Entwaldungsrate von 0,6 % (ERASMI et. al. 2004: 294).2

Mit dem Rückgang der Waldreserven ist auch eine Dezimierung der in Interaktion mit dem Wald lebenden Tier- und Pflanzenpopulationen verbunden. Besonders für Na-turwissenschaftler3, allen voran Biologen, ist die Untersuchung von Biodiversitäts-Hotspots wie der Lore-Lindu-Region daher von großer Bedeutung. Bestandsaufnahmen bisher noch nicht umfassend inventarisierter Pflanzen- und Tierarten liefern dabei neben der Erforschung von Tier-Pflanzen-Interaktionen wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse

2 Die große Diskrepanz zwischend den Entwaldungsraten der Lore-Lindu-Region einerseits und Gesamt-Indonesiens andererseits kann einerseits durch die unterschiedlichen Zeitintervalle (1971-2002 bzw.

1990-2000), andererseits durch die unterschiedlichen Datenquellen erklärt werden (ERASMI et. al.

2004: 295f).

3 Im Folgenden wird bzgl. der Verwendung weiblicher und männlicher Formen im Singular das Ge-schlecht unterschieden. Bei Pluralformen wird dagegen die männliche Schreibweise verwendet, welche jedoch die weibliche Form automatisch mit einschließt. Handelt sich im Plural ausschließlich um männliche oder weibliche Subjekte im grammatikalischen Sinn, wird die Form wiederum unterschie-den.

im Bereich der Grundlagenforschung zu tropischen Regenwaldregionen. Ebenso sind Untersuchungen zu den Luft- und Wasserregimen sowie zur Bodenbeschaffenheit einer solchen Region von besonderer Wichtigkeit. Diese Forschungsthemen erzeugen bei flüchtiger Betrachtung den Anschein, man bewege sich ausschließlich inmitten der An-ökumene, und es drängt sich die Frage nach dem Menschen in diesem Gefüge auf. Im-merhin bevölkern zum Ende des 20. Jh. über 120.000 Menschen die Lore-Lindu-Region, welche einen bedeutenden Einfluss auf ihre Umwelt haben.

Aus diesem Grund bietet die Lore-Lindu-Region nicht nur aus naturwissenschaft-licher Perspektive ein äußerst interessantes Forschungsfeld. Der dynamische sozioöko-nomische und kulturelle Wandel in diesem Gebiet eröffnet ein ebenso weites, wie für eine Einschätzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse wichtiges Untersuchungsfeld. So stellt die Gründung des Lore-Lindu-Nationalparks selbst eine große Herausforderung für die Vereinbarung von Naturschutzinteressen auf der einen Seite und den Belangen der im Randbereich des Parks lebenden Menschen andererseits dar. Für die Generierung umfas-sender Lösungsansätze in diesem, wie auch in anderen aktuellen Problembereichen sind die Kenntnisse über die Entwicklung der Kulturlandschaft und ihre beeinflussenden Fak-toren von großer Bedeutung. Neben naturgeographischen Gegebenheiten ist der Mensch durch sein Handeln der größte prägende Faktor für die Veränderungsprozesse einer be-stimmten Region der Erde. Heute lebt eine Vielzahl unterschiedlicher Gruppen von Men-schen in der Lore-Lindu-Region, welche ihre Umgebung prägen und tagtäglich verän-dern. Dies passiert auf individueller Ebene eines jeden Bewohners der Region ebenso wie auf der Ebene unterschiedlicher Gruppen. Veränderungen der Kulturlandschaft können sowohl durch interne, als auch externe Faktoren und Prozesse hervorgerufen werden.

Der zeitliche Untersuchungsrahmen dieser Arbeit erstreckt sich über das gesamte 20. Jahrhundert. Durch diesen Zeitrahmen sind die drei wichtigsten geschichtlichen Epo-chen abgedeckt: die letzten Jahre der vorkolonialen Periode bis 1904, die Kolonialzeit bis 1945 und die daran anschließende Ära der Unabhängigkeit Indonesiens. Somit ist ge-währleistet, dass nicht nur aktuelle Veränderungsprozesse der Kulturlandschaft erfasst werden, sondern auch geschichtliche Voraussetzungen und Entwicklungen in die Analyse mit einfließen können. Ausgehend von der Annahme, dass beispielsweise zahlreiche Komponenten postkolonialer Gesellschaften in vielen Bereichen auf den Fundamenten

kolonialzeitlicher Einflussnahme basieren (KÖßLER 1994: 85ff), aber auch, dass traditio-nelle, vorkoloniale Aspekte in Form von Kontinuitäten fortbestehen, ist historisches Wis-sen über eine Region für die Ausformung nachfolgender Prozesse unentbehrlich (vgl.

BEHRENDT 1965). Der zeitliche Rahmen kann nicht immer strikt eingehalten werden. So werden die zeitlichen Eckpunkte, die Jahre 1900 und 2000, an manchen Stellen dieser Arbeit bei Bedarf auch überschritten.

Erste entscheidende Veränderungen der Kulturlandschaft ereigneten sich bereits Anfang des 20. Jh. mit der kolonialen Eroberung durch die Holländer. Nach der Unab-hängigkeit Indonesiens setzte sich der Wandel fort und entwickelte sich vor allem in den letzten zehn Jahren besonders rapide. Die Einrichtung des Lore-Lindu Nationalparks An-fang der 1990er Jahre mit seinem geschützten Waldreservat und die damit verbundene Verknappung von Landressourcen ließ diese Region zu einem äußerst sensiblen Kultur-landschaftsgebilde wandeln. Besonders die Migration auf regionalem und lokalem Maß-stab führte in der Lore-Lindu-Region zu einem Mosaik unterschiedlichster Kulturland-schaftseinheiten auf relativ kleinem Raum.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Veränderungen der Kulturlandschaft dieser Region seit Beginn der holländischen Unterwerfung zu analysieren. Es wird dabei untersucht, in welchen räumlichen und funktionalen Bereichen welche Faktoren auf Makro- (global und national), Meso- (regional), und Mikroebene (lokal) die Kulturlandschaft der Lore-Lindu-Region geprägt und zu einer Differenzierung des Kulturlandschaftsgefüges beigetragen haben. Hierzu werden die Bereiche Bevölkerung, Siedlungswesen, Landbesitz und -nutzung sowie Politik beleuchtet. Fallbeispiele auf regionaler und lokaler Ebene sollen einen tieferen Einblick in die Veränderungsprozesse geben und der vermuteten Komplexität der Wandlungsprozesse Rechnung tragen.

Die vorliegende Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 552 – STORMA. Die Lore-Lindu-Region wurde daher nicht vom Verfasser dieser Arbeit per-sönlich ausgewählt, sondern war durch den regionalen Forschungsrahmen des SFB vor-gegeben. Bereits während der Vorbereitungsphase dieses interdisziplinären, wissen-schaftlichen Projekts hatte der Verfasser im Rahmen seiner Diplomarbeit den westlichen Teil Zentralsulawesis als Forschungsraum ausgewählt und die Auswirkungen der

Kolo-nialzeit auf die Kulturlandschaft dieses Gebietes anhand von unveröffentlichten Archiv-quellen, sowie zeitgenössischer und aktueller Literatur untersucht (vgl. WEBER 2000). Im Zuge der Beantragung des Sonderforschungsbereichs wurde von der DFG die besondere Bedeutung einer geographischen Untersuchung zur Kulturlandschaft der gesamten Lore-Lindu-Region als Grundlagenarbeit zur Interpretation der Forschungsergebnisse anderer sozialwissenschaftlicher, aber v.a. auch naturwissenschaftlicher Disziplinen innerhalb des SFB erkannt.