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Problemstellung

Im Dokument Prognose von Büromieten (Seite 26-30)

Kaum eine Branche der Wirtschaft verzichtet auf eine Abschätzung zukünftiger Entwicklungen.

Kapitalmarktteilnehmer beispielsweise fragen sich, wie sich der DAX, die Zinssätze oder ein-zelne Wertpapierkurse entwickeln werden. Für die Automobilindustrie sind die zukünftigen Ab-satzzahlen von Autos von Interesse. Und die gesamte Volkswirtschaft verfolgt mit Spannung die Einschätzungen der fünf Weisen zur konjunkturellen Entwicklung.

Umso erstaunlicher ist es, dass bisher relativ wenig zur zukünftigen Entwicklung des Büroim-mobilienmarktes veröffentlicht wurde, der ein besonders kapital- und wettbewerbsintensiver Markt ist, dessen Bedeutung durch die Tertialisierung der Volkswirtschaft und einem Anstieg des institutionellen Immobilienanlagevolumina in Deutschland auf €250 Mrd. zugenommen hat.5

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1950 1953 1956 1959 1961 1964 1967 1969 1972 1975 1978 1981 1984 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005

Teritärer Sektor Sekundärer Sektor Primärer Sektor

Abbildung 1: Anteile der Wirtschaftssektoren an der Bruttowertschöpfung6

4 Niederländischer Industrieller und Gründer des Shell-Konzerns.

5 Vgl. Abbildung 1; Abbildung 38, S. 180; Abschnitt 2.1.6; IPD Investment Property Databank GmbH (Hrsg.) (2007), S. 2; Rosen, K. (1984), S. 261; Holzmann, C. (2007), S. 11; Beyerle, T. (2003), S. 7.

6 Quelle: Eigene Darstellung; verwendete Daten: Statistische Bundesamt (2006).

Wie dringend dabei Prognosemodelle notwendig sind, zeigt eine empirische Studie zu For-schungsschwerpunkten der Immobilienökonomie, nach der die Praxis „Prognosemethoden für Märkte, Mieten und Renditen in Deutschland“ als wichtigsten Forschungsschwerpunkt sieht.7 Ein Quervergleich zu ähnlichen in USA, Großbritannien und Australien durchgeführten Unter-suchungen zeigt, dass die Prognose von Mieten auch dort höchste Priorität genießt.8

Rang Forschungsschwerpunkte

1 Prognosemethoden für Märkte, Mieten und Renditen 2 Einfluss der Steuergesetzgebung auf Immobilien 3 Existenz und Vorhersehbarkeit von Immobilienzyklen 4 Diversifizierung innerhalb eines Immobilienportfolios 5 Desinvestitionsstrategien für Immobilien

Tabelle 1: Die fünf wichtigsten immobilienökonomischen Forschungsprioritäten nach Meinung der Praxis für Deutschland9

Der Hauptindikator des Büroflächenmarktes ist der Mietpreis. Er bringt das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Immobilienmarkt zum Ausdruck. Im Gegensatz zu Aktien oder Devisen werden Büroflächen nicht an einer Börse zentral gehandelt, sondern individuell zwi-schen zwei Parteien. So gibt es keine tagesaktuellen Preise für Mieten oder Gesamterhebungen des Marktes. Stattdessen müssen Mieten durch Teilerhebungen ermittelt werden, wodurch die Datenlage beschränkt ist. In der Vergangenheit kam es zu Divergenzen zwischen Angebot und Nachfrage in der Immobilienwirtschaft und speziell auf dem Büroimmobilienmarkt, die zu zyk-lischen Preisveränderungen und in einzelnen Fällen sogar regelrechten Krisen geführt haben.10 In Phasen des Nachfrageüberhangs entstanden Überproduktionen auf der Anbieterseite, die durch die Dauer der Entwicklungsprozesse11 erst Jahre später auf den Markt kamen und beste-hende Leerstände noch verstärkten. Insbesondere in solchen Marktphasen besteht ein besonders großer Bedarf nach Erklärungs- und Prognosemodellen zur Entwicklung von Büromieten.12

7 Siehe hierzu Tabelle 1. Vgl. Schulte, K.-W., et al. (2004), S. 20.

8 Vgl. Ziering, B./ Worzala, E. (1997); Worzala, E., et al. (2002); Newell, G., et al. (2003b); Newell, G., et al.

(2004).

9 Vgl. Schulte, K.-W., et al. (2004), S. 20.

10 Beispiele hier für sind die Büroflächenmärkte von London Ende der 80er und von Frankfurt Anfang des Jahrtau-sends. In den USA kam es Ende der 80er sogar zu einer landesweiten Krise, die Mills wie folgt beschreibt: ‘‘The-re has been a massive oversupply in the U.S. office market since about 1987 or 1988. The situation probably represents the largest private resource misallocation in the U.S. economy during the post-World War II period.’’;

Mills, E. (1995), S. 56. Vgl. McDonald, J. F. (2002), S. 223; Harris, R./ Cundell, I. (1995), S. 76.

11 Vgl. Punkt 2.1.6.

12 Vgl. Harris, R./ Cundell, I. (1995), S. 76.

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Abbildung 2: Immobilienanlagen institutioneller Investoren nach Nutzungsarten13

Diese Marktschwankungen und -krisen werden u.a. durch ökonomische, realwirtschaftliche und politische Einflussfaktoren verursacht und durch Fehleinschätzungen von Marktteilnehmern verstärkt. Mit theoretisch fundierten Prognosen kann diesen Zyklen entgegen gewirkt werden,14 um so eine Misallokation von Ressourcen zu vermeiden. Aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft15 dienen Büromietprognosen als Entscheidungshilfe für sämtliche Markteilnehmer: so können sie z.B. Investoren16 und Portfolio-Manager unterstützen bei der optimalen Allokation von Ressourcen bezüglich Risiko und Rendite, Projektentwicklern helfen, die Nachfrage nach ihren Produkten besser einzuschätzen, oder für Behörden einen Bei-trag bei der Gestaltung und Umsetzung von Flächennutzungsplanungen zu leisten.17

Ausgangspunkt dieser Untersuchung bildet die These, dass Büromieten sich nicht nachhaltig unabhängig von dem fundamentalen Umfeld einer Volkswirtschaft entfernen können und sich der Angebots- und Nachfragesituation im jeweiligen Immobilienmarkt entsprechend entwickeln.

Diese Zusammenhänge lassen sich mit statistischen Methoden empirisch überprüfen. Somit

13 Quelle: Eigene Darstellung; Eigene Berechnungen; Verwendete Daten: Knepel, H. (2007), S. 22.

14 Blake, N., et al. (2000a), S. 2f sind der Ansicht, dass die Krise in den 90er Jahren in London sogar hätte vermie-den wervermie-den können.

15 Vgl. Ulrich, H. (1981), S. 10.

16 Lokale Marktprognosemodelle sind einer der wichtigsten Bestandteile für Immobilieninvestitionsprozesse, so-wohl auf taktischer wie auch strategischer Ebene. Ohne solche Prognosen ist beispielsweise die Aussagekraft ei-nes DCF-Modells stark eingeschränkt. Vgl. McAllister, P., et al. (2006), S. 9; Ball, M., et al. (1998), S. 251;

Chaplin, R. (1999), S. 22.

17 Dies ist nur eine Auswahl von möglichen Nutzern. Weitere Beispiele sind Banken, Büronutzer, Bewerter, Makler oder Berater. Laut der empirischen Studie von Wernecke, M., et al. (2004), S. 173 sind insbesondere für die Ma-nagementbereiche Projektentwicklung, Finanzierung und Portfolio Management sowie für Investition/Bewertung und Marketing Einschätzungen über zukünftige Entwicklungen von höchster Relevanz. Vgl. Blake, N., et al.

(2000a), S. 2f; Hoesli, M./ MacGregor, B. (2000), S. 98; Hanke, J. E./ Reitsch, A. G. (1998), S. 4; Wong, R.

(2002), S. 11; Labusch, D. (2006), S. 38 – 43; Rottke, N. B. (2008), S. 191f.

ten sich Mieten in Abhängigkeit von Determinanten wie Bruttoinlandsprodukt (BIP), Bürobe-schäftigung oder Zinsen und deren Erwartungsgrößen entwickeln und sich auch erklären lassen.

Andererseits ist die Frage wie unvorhergesehene Entwicklungen von Einflussfaktoren in Form von z.B. Schocks oder irrationalen Verhaltensweisen von Marktteilnehmern in einem Vorhersa-gemodell berücksichtigt werden können.18 Es gibt Stimmen, die die Erstellung von Prognosen für die Immobilienindustrie auf Grund der Besonderheiten des Wirtschaftsgutes19 und des damit verbundenen Marktes grundsätzlich in Frage stellen.20 Als Konsequenz daraus ergibt sich die These, dass die Entwicklung der Miete einem Zufallsprozess folgt und sich als so genannter Random Walk nicht prognostizieren lässt. Bezüglich der Frage, ob Büroflächenmärkte in ir-gendeiner Form effizient sind, wird zumindest die strenge Form der Markteffizienz pragmati-scher Weise als Arbeitshypothese und Annahme für die vorliegende Studie verneint. Die vorlie-gende Arbeit trifft daher die berechtigte Annahme, dass die Erstellung von Prognosen im getrof-fenen Untersuchungsrahmen prinzipiell möglich ist und zu besseren Vorhersageergebnissen als ein Random Walk Modell führen kann.21 Dieser Theorie stehen auch die zuvor angesprochenen Untersuchungen zu angelsächsischen Büromärkten entgegen, die mit Hilfe von ökonometri-schen Modellen die Entwicklung von Büromieten zum Teil erklären konnten.22

Vor diesem Hintergrund ist es eine erstaunliche Tatsache, dass in Deutschland bisher nur für wenige Immobilienmärkte ökonometrische Untersuchungen durchgeführt wurden. In USA oder Großbritannien stellen dieses Thema und die Konstruktion von Prognosemodellen bereits ein beträchtliches Forschungsgebiet dar.23 In Deutschland wird dieses Thema nur ungenügend durch Fachliteratur abgedeckt. Zu Beginn dieser Dissertation gab es in Deutschland keine Fachliteratur zu Prognosemodellen für den Büroimmobilienmarkt. Lediglich zum Wohnungsmarkt, einem Teilbereich des Wohnimmobilienmarktes, gab es Veröffentlichungen.24 Dieser Vakanz widmet sich diese Arbeit.

18 Dabei stellt sich die Frage, in wie fern sich psychologische und politische Aspekte berücksichtigen lassen, worauf im Laufe der Arbeit noch eingegangen wird.

19 Vgl. Punkt 2.1.6.

20 Eine Umfrage der Universität Potsdam unter 482 führenden Akteuren auf dem deutschen Immobilienmarkt aus dem Jahr 2000 kommt zu dem Ergebnis, dass eine große Mehrheit der Marktteilnehmer zukünftig mit einer sehr viel schwierigeren bzw. viel schwierigeren Vorhersagbarkeit gewerblicher Immobilienmärkte in Deutschland rechnet. Vgl. Hübner, R. (2002), S. 58f.

21 Vgl. Fama, E. F. (1970), S. 388 – 404; Fama, E. F. (1991) 1575 – 1617.

22 Vgl. Kapitel 4.

23 Vgl. Kapitel 4.

24Beispiele hierfür sind Dopfer, T. (2000), Voß, O. (2001) und Waltersbacher, M. (2004). Dieser Sachverhalt ver-deutlicht eine mangelnde Konsensbildung und eingeschränkten Austausch zwischen Immobilienwissenschaftler auf der ganzen Welt. Die unter dem Dach der IRES stattfindenden Konferenzen bieten eine wichtige Plattform zum Austausch und Koordinierung der immobilienökonomischen Forschung. Auch diese Arbeit widmet sich die-ser Problematik und soll dazu beitragen sie zu überwinden Des Weiteren steht die Heterogenität nationaler und regionaler Immobilienmärkte der Gewinnung von international anwendbaren Erkenntnissen entgegen. Vgl. Ab-schnitt 6.2; Holzmann, C. (2007), S. 12f.

Im Dokument Prognose von Büromieten (Seite 26-30)