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2.2.1 Geometrisches Modell

Als geometrisches Modell wird in der Photogrammetrie der funktionale Zusammenhang zwischen den Be-obachtungen Li, den Objektkoordinaten (X, Y, Z), sowie der äußeren und inneren Orientierung des Aufnahme-gerätes verstanden. Beschreibt das geometrische Modell das reale Aufnahmegerät nur ungenügend, wird das Modell um Korrekturterme ΔLi in Abhängigkeit von Zusatzparametern erweitert:

(2.34) Wird das geometrische Modell in dieser Form beschrieben, kann es unmittelbar zur Formulierung von Verbesserungsgleichungen für die Ausgleichung nach vermittelnden Beobachtungen (Kapitel 2.1.2.4) ver-wendet werden.

2.2.1.1 Koordinatensystem-Hierarchie

In photogrammetrischen Anwendungen wird meist ein dreidimensionales kartesisches Objektkoordina-tensystem verwendet, in welchem die Koordinaten von Objektpunkten bzw. die Position und Ausrichtung der aufzunehmenden Objekte, sowie die Position und Orientierung der Aufnahmegeräte definiert wird. Dieses Koordinatensystem ist allen anderen Systemen übergeordnet.

Am Ende der Koordinatensystem-Hierarchie steht das Koordinatensystem, in dem die Messungen durch-geführt werden, d.h. die ursprünglichen Beobachtungen vorliegen. Bei Bildern ist das ein zweidimensionales kartesisches Bildkoordinatensystem. Bei einem Aufnahmegerät mit tachymetrischem Messprinzip, z.B. einem Laserscanner, ist dieses ein dreidimensionales sphärisches Koordinatensystem.

Zwischen das übergeordnete Objektkoordinatensystem und das Koordinatensystem der Beobachtungen werden oft verschiedene Koordinatensysteme geschaltet, die für die Herleitung eines funktionalen Zusam-menhangs zwischen den Beobachtungen und den Objektkoordinaten sinnvoll sind. Es handelt sich dabei um Koordinatensysteme, die dem jeweiligen Aufnahmesystem angepasst sind. Diese werden deshalb auch als Gerätekoordinatensysteme bezeichnet. Häufig handelt es sich dabei um ein dreidimensionales kartesisches

Li=f

[

X ,Y , Z,X0,Y0, Z0,,,,innere Orient.,Li

]

Gerätekoordinatensystem, es kann aber auch ein zylindrisches (z.B. Panoramakamera, Kapitel 4.2.1.3) oder sphärisches Koordinatensystem (z.B. vollsphärisches Panorama, Kapitel 4.4.1) sein. Der Ursprung des Gerä-tekoordinatensystems ist das Projektionszentrum, d.h. der Punkt, in dem sich alle Abbildungsstrahlen schnei-den.

Werden mehrere Aufnahmegeräte zu einem Aufnahmesystem kombiniert, hat jedes Gerät ein eigenes Ge-rätekoordinatensystem. Dabei dient meist eines der Systeme als primäres Gerätekoordinatensystem in welches die anderen (sekundären) Systeme transformiert werden. Die Gerätekoordinatensysteme können aber auch als gleichwertig angesehen werden. Darüber hinaus besteht oft die Aufgabe, mehrere Objektkoordinatensysteme (z.B. verschiedene photogrammetrische Teilprojekte) in ein globales Weltkoordinatensystem (z.B. durch GPS-Messungen) zu transformieren. Dies kann beispielsweise bei der Kombination mit Luftbildanwendungen notwendig sein.

2.2.1.2 Äußere Orientierung

Als äußere Orientierung einer Aufnahme werden die Parameter zur Transformation des dazugehörigen Gerätekoordinatensystems in das übergeordnete Objektkoordinatensystem bezeichnet. Diese Parameter sind (bei statischer Aufnahme) drei Translations- und drei Rotationsparameter (Kapitel 2.1.1.2). Die sechs Para-meter der äußeren Orientierung beschreiben also die Position und Ausrichtung eines Aufnahmegerätes inner-halb eines übergeordneten Objektkoordinatensystems.

2.2.1.3 Innere Orientierung

Der Bezug zwischen dem Gerätekoordinatensystem und dem Koordinatensystem in dem die Beobachtun-gen definiert sind wird als innere Orientierung bezeichnet. Bei einem photogrammetrischen Bild ist das die Position des Projektionszentrums in Bezug zur Bildebene. Dazu gehören die Bildkoordinaten des Bildhaupt-punktes (Lotfußpunkt durch das Projektionszentrum auf der Bildebene) und die Kamerakonstante (senkrech-ter Abstand zwischen Projektionszentrum und Bildebene). Bei Aufnahmegeräten, die nicht der Geometrie der Zentralperspektive entsprechen, muss die Definition der inneren Orientierung angepasst werden.

2.2.1.4 Zusatzparameter

Zusätzliche Parameter werden dem geometrischen Grundmodell bestehend aus äußerer und innerer Orien-tierung hinzugefügt, wenn dieses die reale Gerätegeometrie nicht ausreichend genau beschreibt. Diese Para-meter sind meist Bestandteil additiver Korrekturterme am funktionalen Modellansatz und werden oft als Ge-rätefehler bezeichnet. Genau genommen kompensieren sie jedoch Abweichungen zwischen einem vereinfach-ten geometrischen Modell und den physikalischen Eigenschafvereinfach-ten des Aufnahmegerätes. Beispiele für Zusatz-parameter sind die Koeffizienten des Polynoms zur Kompensation der radial-symmetrischen Verzeichnung ei-nes Objektives oder die Achsabweichungen bei Geräten mit tachymetrischem Messprinzip. Die Parameter der inneren Orientierung einschließlich der Zusatzparameter werden auch als Kalibrierparameter bezeichnet, da sie der Kalibrierung des Messgerätes dienen.

2.2.2 Räumlicher Rückwärts- und Vorwärtsschnitt

2.2.2.1 Räumlicher Rückwärtsschnitt

Bei einem räumlichen Rückwärtsschnitt werden die Parameter der äußeren Orientierung und bei ausrei-chender Anzahl bekannter Objektpunkte auch die der inneren Orientierung und Zusatzparameter mit Hilfe der Beobachtungen von einem einzigen Aufnahmestandpunkt bestimmt. Bei einem photogrammetrischen Bild müssen die Bildkoordinaten von mindestens drei bekannten Objektpunkten gemessen werden, um die sechs Parameter der äußeren Orientierung bestimmen zu können. Zur Ausgleichung nach vermittelnden Beobach-tungen wird die Beobachtungsgleichung (Gleichung 2.34) als Grundlage für Verbesserungsgleichungen ver-wendet, die zum Aufbau der Koeffizientenmatrix nach den unbekannten Parametern der äußeren Orientie-rung, gegebenenfalls der inneren Orientierung und Zusatzparametern abgeleitet werden. Die Linearisierung

2.2 Photogrammetrische Grundlagen

der Verbesserungsgleichungen erfolgt mit Hilfe von Näherungswerten für alle zu schätzenden Parameter. Ob-jektpunktkoordinaten gehen grundsätzlich als gegebene Größen in die Ausgleichung ein und können nicht ge-schätzt werden. Deshalb limitiert die Genauigkeit der Passpunkte häufig die Genauigkeit der Ausgleichungs-ergebnisse.

Es ist auch möglich, den räumlichen Rückwärtsschnitt mit einem linearen Gleichungssystem (Direkte Li-neare Transformation, kurz DLT) zu lösen. Dem Vorteil dieses Ansatzes, dass keine Näherungswerte notwen-dig sind, steht der Nachteil gegenüber, dass mehr Passpunkte (mindestens 6) notwennotwen-dig sind und es bei be-stimmten Passpunktkonfigurationen zu schlecht konditionierten bis hin zu singulären Gleichungssystemen kommen kann. Die DLT wird oft zur Beschaffung von Näherungswerten für die Parameter der äußere Orien-tierung angewendet [Luhmann et. al., 2006].

Die Berechnung des räumlichen Rückwärtsschnittes ist nicht nur unter Nutzung der Beobachtungen photo-grammetrischer Aufnahmegeräte möglich, sondern auch anderer Geräte, wie Tachymeter oder terrestrischer Laserscanner. Dabei werden als Beobachtungen sphärische Koordinaten (Horizontal- und Vertikalwinkel, ggf. Distanz) anstelle der Bildkoordinaten verwendet. In der Geodäsie ist die Berechnung der äußeren Orien-tierung getrennt in zweidimensionale Lagekoordinaten und eine Höhenkoordinate üblich, da die meisten Ge-räte (abgesehen von manchen terrestrischen Laserscannern) horizontiert werden können.

2.2.2.2 Räumlicher Vorwärtsschnitt

Die Umkehrung des räumlichen Rückwärtsschnittes ist der räumliche Vorwärtsschnitt. Dabei werden die Koordinaten von Objektpunkten als Unbekannte in einer Ausgleichung nach vermittelnden Beobachtung ge-schätzt. Die Parameter der äußeren und inneren Orientierung, sowie mögliche Zusatzparameter gehen als fes-te Größen in die Ausgleichung ein. Für die Bestimmung der Objektkoordinafes-ten sind die Beobachtungen (Bildkoordinaten) des jeweiligen Objektpunktes in mindestens zwei Aufnahmen von zwei unterschiedlichen Standorten zu messen. In der Regel ist die Berechnung am effektivsten, wenn für jeden unbekannten Objekt-punkt eine eigene Ausgleichung durchgeführt wird. Die Verbesserungsgleichungen (abgeleitet aus Gleichung 2.34) werden zum Aufbau der Koeffizientenmatrix nach den Objektkoordinaten abgeleitet und damit an der Stelle von Näherungswerten der Objektkoordinaten linearisiert.

Der in der Photogrammetrie verwendete räumliche Vorwärtsschnitt ist mit einem geodätischen Vorwärts-einschnitt gleichzusetzen, bei dem als Beobachtungen statt den Bildkoordinaten Winkelmessungen (Horizon-tal- und Vertikalwinkel) eingehen. Aus diesem Grund können auch die Winkelmessungen eines Gerätes mit tachymetrischem Messprinzip (z.B. terrestrischer Laserscanner) mit in die Berechnung einbezogen werden.

Die Möglichkeit der Messung der Distanz mit diesen Geräten und deren Berücksichtigung als weitere Beob-achtung in der Ausgleichung kann die Objektkoordinatenbestimmung deutlich zuverlässiger machen, weil sich unterschiedliche Beobachtungen gegenseitig in hohem Maße kontrollieren.

2.2.3 Bündelblockausgleichung

• Definition

Bei der Bündelblockausgleichung im ursprünglichen Sinne werden beliebig viele im Raum angeordnete Bilder rechnerisch simultan orientiert. Als Messwerte dienen die im Bild gemessenen Koordinaten von Ob-jektpunkten. Resultat der Berechnung sind neben den Orientierungselementen der Bilder und den Werten möglicher Zusatzparameter auch die Koordinaten von Objektpunkten. Zusätzlich zu den Parametern des geometrischen Modells können zahlreiche statistische Angaben zur Genauigkeit und Zuverlässigkeit be-rechnet werden. Die Bündelblockausgleichung ist das leistungsfähigste und genaueste Verfahren zur Bild-orientierung und Punktbestimmung in der Photogrammetrie.

• Funktionales Modell

Die Methode der Bündelblockausgleichung stellt eine Kombination der Verfahren des räumlichen Rück-wärts- und Vorwärtsschnittes dar, weil alle in Gleichung 2.34 enthaltenen Parameter als Unbekannte in die

Ausgleichung nach vermittelnden Beobachtungen eingehen. Zur Linearisierung der Verbesserungsgleichun-gen werden Näherungswerte für alle zu schätzenden Parameter benötigt. Darüber hinaus können im Rah-men der Bündelblockausgleichung zusätzliche Informationen über das Objekt in Form von Bedingungsglei-chungen (Bedingungen zwischen Objektpunkten, z.B. Geraden, Ebenen, Körper) berücksichtigt werden.

• Datumsfestlegung

Das Ausgleichungsproblem kann nur gelöst werden, wenn vorher ein übergeordnetes Koordinatensystem festgelegt wird, da sonst das Normalgleichungssystem einen Rangdefekt (speziell Datumsdefekt) aufweist.

Die Festlegung eines Koordinatensystems kann entweder über mindestens drei Passpunkte mit insgesamt sieben Koordinateninformationen (minimales Datum) oder über die Einführung sieben zusätzlicher Bedin-gungsgleichungen zwischen den Unbekannten (freie Netzausgleichung) geschehen.

• Simultankalibrierung

Bei der Bündelblockausgleichung besteht die Möglichkeit, neben den Orientierungselementen und Objekt-punktkoordinaten auch die Werte von Zusatzparameter der verwendeten Kamera simultan zu ermitteln.

Dies wird als Simultankalibrierung bzw. Selbstkalibrierung des Aufnahmegerätes bezeichnet.

• Kombinierte Ausgleichung unterschiedlicher Beobachtungen

Eine Verallgemeinerung der Definition der Bündelblockausgleichung bedeutet die gleichzeitige rechneri-sche Einpassung aller Aufnahmen beliebiger Messgeräte (Kamera, Panoramakamera, terrestrirechneri-scher Lasers-canner, etc.). Die Berechnung erfolgt dann unter der Forderung, dass sich alle Strahlen zwischen Objekt-punkt und den beteiligten Messgeräten optimal in einem ObjektObjekt-punkt schneiden. Das bedeutet, dass in der Bündelblockausgleichung neben Bildkoordinaten auch andere Beobachtungstypen wie beispielsweise Stre-cken und Winkel simultan ausgeglichen werden müssen.

Die simultane Ausgleichung der Beobachtungen verschiedener Messgeräte macht die Definition und Be-rücksichtigung unterschiedlicher geometrischer Modelle notwendig. Insbesondere die Verwaltung der ver-schiedenen geometrischen Modelle, unterschiedlicher Beobachtungstypen, der unbekannten Parameter ei-ner beliebigen Anzahl von Objektpunkten, Messgeräten und Standpunkten stellt eine Herausforderung an die Struktur der verwendeten Software dar. Weiterhin ist bei der Ausgleichung unterschiedlicher Beobach-tungen das stochastische Modell von zentraler Bedeutung.

3 Aufnahmegeräte

In diesem Kapitel werden die verschiedenen Aufnahmegeräte vorgestellt, deren Messdaten in einer inte-grierten Bündelblockausgleichung verarbeitet werden sollen. Dabei werden vor allem technische und geome-trische Aspekte berücksichtigt, die für die Entwicklung geomegeome-trischer Modelle von Belang sind. Augenmerk wird auch auf mögliche Anwendungen der Messgeräte und damit verbundene Auswerteverfahren gelegt. Zu-dem wird auf Kombinationsmöglichkeiten der Daten unterschiedlicher Aufnahmegeräte hingewiesen. Zentral-perspektive Kameras werden einleitend nur kurz erwähnt, weil deren Aufbau und Funktionsweise als bekannt vorausgesetzt wird. Für die Aufnahmegeräte Panoramakamera und terrestrischer Laserscanner werden exem-plarisch jeweils die Geräte genauer vorgestellt, mit denen zahlreiche Testdaten für die Entwicklung der geo-metrischen Modelle und für die kombinierte Auswertung aufgenommen wurden. Das sind die Panoramakame-ra EYESCAN M3D metric und der Laserscanner Riegl LMS-Z420i.