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PCBUS-Überstände induzieren die Migration neutrophiler Granulozyten

6. D ISKUSSION

6.4 PCBUS-Überstände induzieren die Migration neutrophiler Granulozyten

G

RANULOZYTEN

Eine Verwendung von PCBUS-Überständen im unteren Kompartiment einer Transwell-Platte führte zu einer starken migratorischen Aktivität von bovinen neutrophilen Granulozyten.

Nicht-stimulierte, 1:3 verdünnte PCBUS-Überstände veranlassten dabei 14,5 % der PMN zur Migration, wogegen LPS-stimulierte, 1:3 verdünnte PCBUS-Überstände 97,2 % der neutrophilen Granulozyten aktivierten (Abbildung 21). Die PMN eines Tieres fielen dabei mit reduzierten Migrationsraten auf, sodass die LPS-stimulierten PCBUS-Überstände 53 % der PMN zur Migration veranlassten, die nicht-stimulierten Überstände 1,7 %. Dass die PMN verschiedener Spendertiere unterschiedlich stark reagieren, ist bekannt. Zwischen den Untersuchungen lag hier ein Zeitraum von zwei Wochen. SCHUBERTH et al. (2002) führten die interindividuellen Unterschiede zwischen den neutrophilen Granulozyten von Kühen in der Bildung von ROS auf die unterschiedliche hormonelle Situation der Kühe im Rahmen des ovariellen Reproduktionszyklus zurück, wobei dies die wiederholt niedrige migratorische Aktivität der PMN eines Tieres nicht erklären kann. Es sind allerdings auch individuelle Unterschiede von längerer Dauer bekannt. Beispielsweise unterscheiden sich humane neutrophile Granulozyten stark in ihrer PMA-induzierten NETose, also der durch Bildung von NETs ausgelösten Form des Zelltodes. Dabei wurde die Hypothese aufgestellt, dass die PMN eines Menschen eine bestimmte Prädisposition haben NETs auszubilden und diese Ergebnisse waren auch nach mehreren Wochen noch reproduzierbar (HOFFMANN et al. 2016). Ähnlich verhielt es sich mit der migratorischen Aktivität der PMN des Tieres 623 (Abbildung 20 und Abbildung 21), welche niedriger war als die der übrigen fünf untersuchten Tiere.

Vergleicht man die PCBUS-Überstand-induzierte Migration mit der Migration ausgelöst durch Überstände von Zitzenexplants, fallen zunächst Unterschiede in der Auswertung auf. LIND (2011) hat die Transmigrationsrate der PMN in Reaktion auf die Überstände von Explants aus dem Bereich der Fürstenbergschen Rosette beziehungsweise aus der Zitzenzisterne in Bezug gesetzt zu der Migration, die durch 100 ng/ml CXCL8 ausgelöst wird. Dabei erreichten die LPS-stimulierten Explantkultur-Überstände relative Migrationsraten von 60 bis 80 % der CXCL8-induzierten Migration. In der vorliegenden Arbeit wurden hingegen absolute Migrationsraten verwendet. Dabei erreichten LPS-stimulierte PCBUS-Überstände in einer Verdünnung von 1:3 eine Migrationsrate von 97,2 % und nicht-stimulierte, 1:3 verdünnte

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PCBUS-Überstände eine Migrationsrate von 14,5 %. Bei LIND (2011) lag die relative Migrationsrate von nicht-stimulierten Explant-Überständen bei unter 5 %. PCBUS-Überstände haben daher verglichen mit Zitzen-Explantkulur-Überständen eine größere chemotaktische Potenz. Zusätzlich müssen Unterschiede in der verwendeten Methode betrachtet werden. Bei LIND (2011) wurden 10-well-Chemotaxiskammern verwendet. Die Varianzkoeffizienten der Replikate lagen zwischen 35 bis 293 %. Außerdem wurden die verbliebenen PMN im oberen well nicht quantifiziert, sondern die Migrationsrate mithilfe der Zahl an eingesetzten PMN errechnet. In der vorliegenden Arbeit wurde dagegen ein 96-well-insert-System (Transwell-Platte) verwendet, wobei die einzelnen Vertiefungen komplett voneinander getrennt waren und auch keine Durchmischung beim Abnehmen der Membran entstehen konnte. Die absolute Migrationsrate wurde errechnet, indem die Zahl der PMN im unteren Kompartiment durch die Zahl aller wiedergewonnen PMN dividiert wurde, nicht durch die Zahl der eingesetzten PMN.

Dadurch gehen verloren gegangene PMN, die beispielsweise am Insert oder am Plastik der wells adhärieren, nicht in die Berechnung ein. Unterschiede in der chemotaktischen Potenz der Überstände zwischen diesen beiden Arbeiten können nicht nur in dem verwendeten Gewebe (Zitze gegenüber Euterparenchym) und der genutzten Methodik, sondern auch in der Verwendung verschiedener Typen und Konzentrationen von LPS begründet sein. Lind verwendete 1 µg/ml LPS von E. coli 1303, wogegen in der vorliegenden Arbeit 100 ng/ml hochreines LPS von E. coli O111:B4 verwendet wurde. KALIVODA (2010) hat ähnliche Untersuchungen an pbMEC und MAC-T-Zellen ebenfalls in einer 10-well-Chemotaxiskammer durchgeführt. Dabei wurde gezeigt, dass der Überstand von pbMEC, die mit 50 oder 100 ng/ml LPS stimuliert wurden, zu relativen Migrationsraten von 40 bis 50 % führen. Für MAC-T-Zellen konnte ein Einfluss erst ab einer Konzentration von 100 µg/ml LPS nachgewiesen werden. Vergleicht man die PCBUS-Überstand-induzierte Migration demnach mit der Migration nach LPS-Stimulation von Zitzenexplants einerseits und pbMEC andererseits, so besitzen die Überstände von LPS-stimulierten PCBUS eine stärkere chemotaktische Potenz. Gemeinsam ist diesen Studien, dass Überstände von nicht-stimulierten Zellen/Geweben zu einer signifikant geringeren Migration führten, sodass die chemotaktische Potenz nicht auf die Gewinnung oder Kultur der Zellen und Gewebe, sondern auf die LPS-Stimulation zurückzuführen ist.

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In den genannten Arbeiten zu Zitzenexplants und pbMEC wurden CXCL8-Konzentrationen im einstelligen Picogramm-Bereich per ELISA ermittelt (KALIVODA 2010; LIND 2011).

CXCL8 führt zur Migration boviner neutrophiler Granulozyten und stellt das Standard-Chemokin für das Rind dar (PERSSON et al. 1993; FRANK 2000; EICKHOFF 2018;

HARTMANN 2020). Es wurde daher im Rahmen dieser Arbeit stets als Positivkontrolle für die In-vitro-Transmigration genutzt. Aus der Untersuchung des Sekretoms der PCBUS-Überstände mittels ELISA (5.2) war bekannt, dass die Konzentration von CXCL8 in den nicht-stimulierten PCBUS-Überständen unter der Nachweisgrenze und in den LPS-stimulierten PCBUS-Überständen unterhalb von 10 ng/ml CXCL8 liegt. Die starke Induktion der Migration kann also über CXCL8 alleine nicht erklärt werden. Eine chemotaktische Wirkung des ultrareinen LPS kann ausgeschlossen werden, da eine entsprechende LPS-Kontrolle bei jeder In-vitro-Migration mitgeführt wurde (Abbildung 21, Abbildung 22). Die Vermutung liegt nahe, dass neben CXCL8 einer oder mehrere andere Mediatoren die PCBUS-Überstand-induzierte Migration wesentlich beeinflussen. Um diese Hypothese zu prüfen, wurden PCBUS-Überstände zunächst weiter verdünnt. Mit einer Verdünnung von 1:5 wurde eine submaximale Migration der bovinen neutrophilen Granulozyten erreicht, wobei ein signifikanter Unterschied zwischen nicht-stimulierten und LPS-stimulierten PCBUS bestand. Diese submaximale Migration wurde präferiert, um weiterführend die Inhibition der Migration zu untersuchen.

CXCL8 ist nicht das dominante Chemokin in PCBUS-Überständen

Im Folgenden wurde untersucht, inwieweit sich die CXCL8-induzierte Migration boviner neutrophiler Granulozyten inhibieren lässt. Dazu wurden neben einem Antikörper gegen bovines CXCL8 auch SB225002 als ein Antagonist des CXCR2-Rezeptors und Pictilisib, das die Signalweiterleitung durch die PI3-Kinase hemmt, verwendet.

Im Rahmen dieser Arbeit konnte die durch 12,5 und 25 ng/ml CXCL8-induzierte Migration von 12,6 % beziehungsweise 36 % durch mouse-IgG2a-anti-bovine-CXCL8 auf 5,6 % bzw.

15 % reduziert werden. Auch die Migration von humanen PMN wurde schon mehrfach erfolgreich durch Antikörper gegen CXCL8 inhibiert (KUIJPERS et al. 1992; PARK et al.

2009; OKIMOTO et al. 2020). Vergleichbares wurde von MACKINTOSH et al. (2013) anhand von bovinen neutrophilen Granulozyten in Reaktion auf 7,5 ng/ml CXCL8 in einer 10-well-Chemotaxis-Kammer ebenfalls gezeigt. Dabei wurde 1 µg/ml mouse-anti-ovine-IL-8

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genutzt und wie in dieser Arbeit für 30 Minuten bei 4 °C inkubiert, wodurch sich die Migrationsrate von 60 % auf 10 % reduzieren ließ. Die durch CXCL8-induzierte Migrationsrate war bei MACKINTOSH et al. (2013) höher und die Migration wurde deutlicher gehemmt. Eine mögliche Ursache kann wiederum die verwendete Methode darstellen. Im Gegensatz zu der 10-well-Chemotaxiskammer von MACKINTOSH et al. (2013) wurde im Rahmen dieser Arbeit eine 96-well-insert-Kammer genutzt, die eine genauere Applikation der Stimuli und Zellsuspensionen ermöglicht, da die wells komplett voneinander getrennt und nicht über eine Membran miteinander verbunden sind. Die Porengröße war bei beiden Arbeiten identisch, sodass dies keinen Unterschied in den Migrationsraten erklären kann. Auch wurde in beiden Arbeiten rekombinantes bovines CXCL8 verwendet. Ein weiterer Unterschied zwischen den Untersuchungen ist allerdings, dass MACKINTOSH et al. (2013) FKS-haltiges Medium verwendeten. Alle Medien und Überstände wurden dort 1:3 verdünnt, um den Anteil von FKS auf 1,25 % zu senken (MACKINTOSH et al. 2013). FKS hat jedoch einen starken Einfluss auf die Migration boviner neutrophiler Granulozyten (SCHLENSKA-LANGE et al. 2008;

WESTPHAL et al. 2015). Da FKS eine sehr variable Zusammensetzung besitzt (JOCHEMS et al. 2002), wurde es ihm Rahmen dieser Arbeit zur Überprüfung der Neutrophilenfunktionen nicht verwendet.

Während Antikörper gegen CXCL8 die CXCL8-induzierte Migration hemmen, konnte kein Einfluss auf die durch LPS-stimulierte PCBUS-Überstände induzierte Migration nachgewiesen werden (Abbildung 27). Stattdessen steigerte die Zugabe des CXCL8-spezifischen Antikörpers die Migrationsrate. Die fehlende Blockade der Überstand-induzierten Migration durch anti-CXCL8 steht im Einklang mit den Ergebnissen von MACKINTOSH et al. (2013), welche die Migration boviner neutrophiler Granulozyten in Bezug auf LPS-stimulierte endometriale Epithelzellüberstände untersuchten. Auch dort konnte die Überstand-induzierte Migration durch anti-CXCL8 nicht inhibiert werden.

Dieses Ergebnis stützt die Hypothese, dass CXCL8 nicht das dominante Chemokin in PCBUS-Überständen darstellt.

Der CXCR2-Inhibitor SB225002 beeinflusst die CXCL8-induzierte Migration nicht Nachdem eine Hemmung der Migration auf Produktebene mithilfe von Antikörpern gegen bovines CXCL8 nicht erfolgreich war, wurde im nächsten Schritt versucht, die Migration auf der Rezeptorebene zu blockieren. Die Wirkung von CXCL8 auf neutrophile Granulozyten wird

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über die Rezeptoren CXCR1 und CXCR2 vermittelt. SB225002 wurde als starker, selektiver CXCR2-Antagonist beschrieben (WHITE et al. 1998).

Für eine Konzentration von 1 µmol/l SB225002 konnte hier kein Einfluss auf die Migration boviner neutrophiler Granulozyten in Reaktion auf 5, 10 oder 20 ng/ml CXCL8 gezeigt werden (Abbildung 25). Da eine inhibitorische Wirkung von SB225002 nicht nur auf neutrophile Granulozyten des Menschen und Kaninchens, sondern auch auf bovine PMN bereits gezeigt wurde (WHITE et al. 1998; RAMBEAUD u. PIGHETTI 2007), widerspricht das Ergebnis dieser Arbeit den Erwartungen. Dabei wurde die Migration durch WHITE et al. (1998), induziert durch 1 nmol/l CXCL8, in einer Boyden-Kammer untersucht. Eine Boyden-Kammer besteht aus zwei Abteilungen, die durch eine Membran voneinander getrennt sind. Die Auswertung erfolgt nach Fixierung und Färbung der Membran (BOYDEN 1962). Nach Zugabe von 300 nmol/l SB225002 war kein Unterschied in der Anzahl migrierter PMN zur Negativkontrolle detektierbar (WHITE et al. 1998). Auch in einem murinen In-vivo-Colitis-Modell konnte eine Behandlung mit SB225002 die Einwanderung neutrophiler Granulozyten vermindern (BENTO et al. 2008). Neutrophile Granulozyten von Rindern zeigten unter Einfluss von SB225002 einen reduzierten, CXCL8-induzierten, intrazellulären Calciuminflux. Die verbleibende CXCL8-Wirkung schreiben die Autoren der Bindung von CXCL8 an CXCR1 zu (RAMBEAUD u. PIGHETTI 2007).

CXCL8 bindet auf humanen neutrophilen Granulozyten nicht nur über den Rezeptor CXCR2, sondern auch über CXCR1. Dabei hat CXCR2 eine hohe Affinität zu CXCL8 und CXCR1 eine geringere (STILLIE et al. 2009). STILLIE et al. (2009) stellten die Hypothese auf, dass PMN in vivo nicht durch alleinige Bindung von Agonisten an CXCR1, sondern möglicherweise durch eine Bindung an CXCR2 allein aktiviert werden. Die Expression von CXCR1 und CXCR2 wurde auch für bovine Zellen nachgewiesen, nämlich für Theca-Zellen und endometriale Epithelzellen (MURAYAMA et al. 2010; GÄRTNER et al. 2016), bisher allerdings nicht auf bovinen Granulozyten. TANAKA et al. (2017) untersuchten dagegen die Verwendung von spezifischen Antikörpern gegen CXCR1 und CXCR2 beim Meerschweinchen und konnten so zeigen, dass CXCL8 in Meerschweinchen über beide Rezeptoren eine Migration auslösen kann, wogegen CXCL1 nur über CXCR2 wirkt.

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Ob SB225002 keine inhibitorische Wirkung auf CXCR2 auf bovinen neutrophilen Granulozyten hat oder ob die In-vitro-Migration boviner PMN auf CXCR1 allein beruht, konnte nicht geklärt werden. Ein weiterer potenzieller Ansatz, sich der Wirkung von CXCR1/2 auf bovinen neutrophilen Granulozyten zu nähern, könnte die Verwendung von CXCL8-Analoga sein, die zwar an CXCR1/2 binden, jedoch keine Signaltransduktion auslösen. Ein solches Analogon stellt CXCL8((3-73))K11R/G31P dar. G31P konnte die Chemotaxis boviner neutrophiler Granulozyten sowohl in vitro als auch in vivo reduzieren (F. LI et al. 2002). Es ist allerdings bisher nicht kommerziell verfügbar.

PCBUS-induzierte Migration wird teilweise durch PI3-Kinase vermittelt

Eine dritte Strategie, die CXCL8-induzierte Migration zu charakterisieren, stellt ein Eingriff in die Signaltransduktion dar. Die Migration-induzierende Wirkung einer Bindung von CXCL8 an CXCR1/2 wird durch die PI3K vermittelt (KNALL et al. 1997; LIU et al. 2016). HONG et al. (2017) haben verschiedene PI3K-Inhibitoren auf ihre Wirkung bezüglich der Interaktion zwischen bovinen neutrophilen Granulozyten und Spermien untersucht. Dabei haben neun PI3K-Inhibitoren diese Interaktion erfolgreich reduziert, darunter auch GDC-0941, welches auch als Pictilisib bezeichnet wird. Die Verminderung der Interaktion zwischen neutrophilen Granulozyten und Spermien betrifft dabei sowohl die Migration als auch die Phagozytose, wobei beide Funktionen über die PI3K vermittelt werden (STEPHENS et al. 2002). Bei Pictilisib handelt sich es um einen Inhibitor, der alle Klassen der PI3K anspricht (MILLER et al. 2019). Im humanen Bereich wird Pictilisib in der onkologischen Forschung eingesetzt (WALLIN et al. 2012; EHRHARDT et al. 2015).

Pictilisib hatte hier einen signifikant hemmenden Einfluss auf die CXCL8-induzierte Migration boviner neutrophiler Granulozyten (Abbildung 26). Diese Wirkung wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals nachgewiesen und kann als Hinweis gewertet werden, dass die PI3K auch in der Signaltransduktion von CXCL8 in bovinen PMN relevant ist. Die PI3K ist in humanen Zellen in der Signaltransduktion sowohl von CXCR1 als auch von CXCR2 beteiligt (LANE et al. 2006; SUN et al. 2019).

Weil Pictilisib einen deutlichen hemmenden Einfluss auf die durch 10 ng/ml CXCL8 induzierte Migration aufwies, wurde seine Wirkung ebenfalls in Bezug auf PCBUS-Überstände untersucht. Tatsächlich konnte eine Vorinkubation der bovinen neutrophilen Granulozyten mit Pictilisib die Migration in Richtung LPS-stimulierter PCBUS-Überstände signifikant

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reduzieren (Abbildung 28), wenn auch bei Weitem nicht blockieren. HEIT et al. (2002) zeigten, dass chemotaktische Signale durch PMN hierarchisch wahrgenommen werden. Demnach werden Zielsignale gegenüber intermediären Signalen priorisiert. Zu den intermediären Signalen zählen Chemokine und Lipidmediatoren (HEIT et al. 2002). Zielsignale, wie Komplementfaktoren und N-Formyl-Peptide, werden durch p38-mitogenaktivierte Proteinkinasen (MAPK) transduziert, wogegen intermediäre Signale über den PI3K-Signalweg weitergeleitet werden (HEIT et al. 2008a). Dass sich ein Teil der PCBUS-Überstand-induzierten Migration durch den PI3K-Inhibitor Pictilisib verhindern lässt (Abbildung 28), kann als Hinweis gewertet werden, dass dieser Anteil der Migration durch intermediäre Signale vermittelt wird. Dies steht im Einklang mit einer Untersuchung von equinen neutrophilen Granulozyten, deren Migration in Richtung bronchoalveolärer Lavage-Flüssigkeit durch verschiedene PI3K-Inhibitoren ebenfalls signifikant vermindert werden konnte (BULLONE et al. 2013). Um diese Hypothese zu unterstützen, könnte zukünftig untersucht werden, ob sich ein anderer Teil der Migration durch p38 MAPK-Inhibitoren blockieren lässt und wie sich gegebenenfalls beide Inhibitoren zusammen auswirken. Es gibt verschiedene Hinweise dafür, dass die PI3K nicht zwingend erforderlich ist, um Chemotaxis auszulösen (HOELLER u. KAY 2007; TAKEDA et al. 2007; HEIT et al. 2008a).

Ob eine durch E. coli ausgelöste Mastitis einen milden oder schweren Verlauf nimmt, ist mehr von Kuh-assoziierten Faktoren abhängig als von den Pathogenitätsfaktoren des Erregers (BURVENICH et al. 2003). Da eine schnelle Einwanderung von neutrophilen Granulozyten den Verlauf einer Mastitis positiv beeinflusst, wogegen eine langsame Einwanderung eher zu schweren Verläufen führt (VANDEPUTTE-VAN MESSOM et al. 1993; MEHRZAD et al.

2001; MEHRZAD et al. 2004, 2005), ist eine Anwendung von Pictilisib oder anderen PI3K-Inhibitoren im Rahmen einer Mastitis nicht indiziert. Außerdem sind starke systemische Nebenwirkungen aus der Behandlung verschiedener Neoplasien beim Menschen bekannt. Dazu zählen Autoimmunreaktionen, opportunistische Infektionen, Hautläsionen, Bluthochdruck und Hyperglykämie (GREENWELL et al. 2017).

In Kapitel 5.5.1.1 wurde dargestellt, dass PCBUS-Überstände eine starke chemotaktische Potenz besitzen. Die durch diese Überstände induzierte Migration konnte nicht mit einem CXCL8-spezifischen Antikörper blockiert werden. Auch durch den PI3K-Inhibitor Pictilisib konnte die Migration nur in begrenztem Maße reduziert werden. Sowohl CXCL8 als auch LPS

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wurden als Ursachen der migrationsinduzierenden Wirkung ausgeschlossen. Fraglich bleibt, welche chemotaktischen Faktoren die LPS-stimulierten PCBUS sezerniert haben. Dazu könnten beispielweise der aktivierte Komplementfaktor C5a und das Chemokin CXCL5 zählen.

Der alternative Weg zur Komplementaktivierung kann im Euter ablaufen (RAINARD 2003), sodass unter anderem das chemotaktische Fragment C5a entsteht (SHUSTER et al. 1997;

RAINARD et al. 2000), welches die Migration boviner neutrophiler Granulozyten fördert (SMITS et al. 1996). Für CXCL5, ein weiteres CXC-Chemokin, das auch auf neutrophile Granulozyten wirkt (ALLMANN-ISELIN et al. 1994; HAIDER et al. 2019), wurde eine verstärke Expression nach LPS-Stimulation anhand von primären bovinen Euterepithelzellen (pbMEC) nachgewiesen (PAREEK et al. 2005). Auch auf die Signaltransduktion dieses Chemokins hätte eine Hemmung der PI3-Kinase einen Einfluss (ZHOU et al. 2014; ZHOU et al. 2015). Für die Chemokine CXCL1, CXCL2 und CXCL3 gibt es gleichsam Nachweise der Expression durch mammäre Epithelzellen beim Rind (LAHOUASSA et al. 2007; RAINARD et al. 2008). Sie wirken ebenfalls chemotaktisch auf neutrophile Granulozyten. C5a, CXCL1, CXCL2, CXCL3 und CXCL5 sollten also bei zukünftigen Untersuchungen zur chemotaktischen Potenz von PCBUS-Überständen zusätzlich untersucht werden.

Zugabe von CXCL8 zu PCBUS-Überständen verstärkt die Migration überadditiv

Um diese chemotaktische Potenz weiter zu charakterisieren, wurde den PCBUS-Überständen CXCL8 zugegeben. Die Zugabe von CXCL8 in einer Konzentration von 10 ng/ml zu PCBUS-Überständen im unteren well einer Transwell-Platte steigerte die Chemotaxis neutrophiler Granulozyten (Abbildung 31). Für nicht-stimulierte PCBUS-Überstände war dieser Effekt signifikant und überadditiv. Für LPS-stimulierte Überstände konnte vergleichbares nicht gezeigt werden. Dies könnte in der „zu starken“ Migration induziert durch den stimulierten PCBUS-Überstand begründet sein. Eine signifikante Steigerung wird aufgrund der Streuung und der bestehenden Migration erschwert. Dass die Zugabe von CXCL8 zu nicht-stimulierten PCBUS-Überständen zu einer überadditiven Steigerung der Migrationsrate führte, legt nahe, dass die PCBUS Mediatoren sezerniert haben, welche die chemotaktische Wirkung von CXCL8 auf bovine neutrophile Granulozyten potenzieren. Ein solcher Einfluss wurde für bovine neutrophile Granulozyten beispielsweise für C5a vermutet (RAINARD u.

RIOLLET 2006). Für humane und murine neutrophile Granulozyten ist bekannt, dass Interaktionen zwischen CC- und CXC-Chemokinen bestehen, die zu einer vermehrten

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Freisetzung von PMN aus dem Knochenmark und einer verstärkten Migration ins Gewebe führen (GOUWY et al. 2004; STRUYF et al. 2005). Die Untersuchung der Sekretion anderer Chemokine als CXCL8 war nicht Gegenstand dieser Arbeit, könnte hinsichtlich dieser Fragestellung jedoch Aufschluss geben. Auch Serumamyloid A1 (SAA1) besitzt in humanen neutrophilen Granulozyten einen synergistischen Effekt mit CXCL8 und führt auf diese Weise in vitro zu einer gesteigerten Chemotaxis (DE BUCK et al. 2015). Eine erhöhte Konzentration von SAA wurde nach Infektion mit Streptococcus subspecies oder E. coli in der Milch Mastitis-erkrankter Kühe nachgewiesen (JACOBSEN et al. 2005; SUOJALA et al. 2008;

SADEK et al. 2017; BOCHNIARZ et al. 2020; DALANEZI et al. 2020). Die PCBUS-Überstände wurden auf das Vorhandensein von SAA bisher nicht untersucht. Eine Synergie zwischen CXCL8 und SAA kann anhand der genannten Untersuchungen also nur vermutet werden. Weiterhin wurde in humanen endometrialen Epithelzellen eine Sekretion von CXCL8 und GM-CSF nachgewiesen, die zu synergistischen Effekten auf die Migration neutrophiler Granulozyten führen kann (SHEN et al. 2004). Auch im Verlauf einer Mastitis kann die GM-CSF-Expression erhöht sein (ALLUWAIMI et al. 2003; J. W. LEE et al. 2006).

In einer In-vivo-Untersuchung mit intramammärer Infusion von GM-CSF an Kühen mit subklinischer Mastitis wurde gezeigt, dass Kühe differenziell auf GM-CSF reagieren, wobei die Zellzahl steigt oder fällt (OZAWA et al. 2012). Die Untersuchung der gemeinsamen Wirkung von GM-CSF und CXCL8 auf die Chemotaxis von bovinen neutrophilen Granulozyten zeigte zwar einen Unterschied zwischen der kombinierten Verwendung von GM-CSF und CXCL8 und der Summe aus den Migrationsraten jedes Mediators allein, jedoch ist dieser Unterschied nicht sehr aussagekräftig. Die Kombination aus GM-CSF und CXCL8 führte zu einer 98-prozentigen Migration, was der Positivkontrolle entspricht. Die Summe aus der Migrationsrate von GM-CSF und CXCL8 beträgt 126 % (Abbildung 32). Der Unterschied zwischen beiden liegt also darin begründet, dass nicht mehr als 100 % PMN wandern können, die Summe aus beiden Raten einzeln jedoch darüber liegt. Ein solcher Versuch sollte daher mit geringeren Konzentrationen der Mediatoren wiederholt werden. Der Erkenntnisstand zur Modulation der Migration boviner neutrophiler Granulozyten durch GM-CSF in vitro und in vivo ist noch relativ ungeklärt. An dieser Stelle könnte weitere Forschung auch mithilfe von PCBUS Aufschluss bringen, ob und inwieweit GM-CSF an dem Entzündungsgeschehen im Euter beteiligt ist und die Einwanderung neutrophiler Granulozyten beeinflusst.

126 GM-CSF vermittelt die Migration boviner PMN

Die Migration boviner neutrophiler Granulozyten kann (wie weiter oben ausgeführt) neben CXCL8 noch durch weitere CXC-Chemokine und auch durch aktivierte Komplementfaktoren ausgelöst werden. Interessante Daten fanden sich für die Migration neutrophiler Granulozyten der Maus: KHAJAH et al. (2011) wiesen eine chemoattraktive Wirkung von 1 µg/ml GM-CSF

Die Migration boviner neutrophiler Granulozyten kann (wie weiter oben ausgeführt) neben CXCL8 noch durch weitere CXC-Chemokine und auch durch aktivierte Komplementfaktoren ausgelöst werden. Interessante Daten fanden sich für die Migration neutrophiler Granulozyten der Maus: KHAJAH et al. (2011) wiesen eine chemoattraktive Wirkung von 1 µg/ml GM-CSF