• Keine Ergebnisse gefunden

Die ROS-Bildung wird durch PCBUS-Überstände verstärkt

6. D ISKUSSION

6.3 Die ROS-Bildung wird durch PCBUS-Überstände verstärkt

anschließend daraufhin untersucht, inwieweit sie die Bildung intrazellulärer und extrazellulärer reaktiver Sauerstoffspezies modulieren. Die Zugabe von PCBUS-Überständen zu bovinen neutrophilen Granulozyten führte unmittelbar zu einer Steigerung der Komplexität (Abbildung 8) und nach einer Vorinkubation zur vermehrten Bildung intrazellulärer (Abbildung 9) und extrazellulärer ROS (Abbildung 15). Um der Frage nachzugehen, ob es sich hierbei um ein Priming der neutrophilen Granulozyten handeln kann, sollte zunächst geklärt werden, was ein solches Priming ausmacht. EL-BENNA et al. (2016) beschrieb, dass die primende Substanz, beispielsweise TNF- oder GM-CSF, allein keine oder nur eine schwache Reaktion in den Zellen auslöst. Nach Stimulation beispielsweise mit fMLP führe das Priming dann zu einer deutlich erhöhten ROS-Produktion. Welche Faktoren ein Priming auslösen, sei dabei je nach

112

Spezies unterschiedlich (YAFFE et al. 1999). MIRALDA et al. (2017) veröffentlichten eine weiter gefasste Definition von Priming. Demnach gehe es bei dem Übergang von einem ruhenden Zustand der neutrophilen Granulozyten in einen Zustand erhöhter Ansprechbarkeit nicht nur um die vermehrte NADPH-Oxidase-Aktivität, sondern auch um Prozesse wie Degranulation, Zytokinsynthese, Adhäsion, Transmigration, Chemotaxis und um eine verzögerte Apoptose. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Teilaspekte der Funktionen neutrophiler Granulozyten fokussiert analysiert.

Bezüglich der Bildung extrazellulärer ROS wurde im ersten Schritt die Methode dahingehend überprüft, ob eine Reduktion von Cytochrom c tatsächlich auf die Bildung von Superoxid, gebildet durch die NADPH-Oxidase, zurückzuführen ist. Dabei wurde nach dem Protokoll von RINALDI et al. (2007) vorgegangen, in dem verschiedene Untersuchungsmethoden für die Bildung extra- und intrazellulärer ROS anhand von bovinen PMN geprüft wurden. Wie nach der Studie von RINALDI et al. (2007) erwartet, wurde die Cytochrom c-Reduktion sowohl durch Zugabe von Superoxiddismutase (SOD) als auch durch Diphenyleneiodoniumchlorid (DPI) signifikant vermindert (Abbildung 14, A und B). Da bei Umwandlung des Superoxids durch die SOD keine Reduktion von Cytochrom c, gemessen als Veränderung der optischen Dichte, stattfand, kann davon ausgegangen werden, dass die Reduktion wie erwartet durch Superoxid stattfand. Superoxid wurde wahrscheinlich durch die NADPH-Oxidase synthetisiert, da sich die Reduktion von Cytochrom c durch Zugabe von DPI hemmen ließ. DPI ist in 0,016 % DMSO gelöst. Diese DMSO-Konzentration hatte keinen signifikanten Einfluss auf die ROS-Bildung. Dies bestätigt also die Ergebnisse zur Erfassung der extrazellulären ROS-Bildung von RINALDI et al. (2007) und diente zur Absicherung der Methode.

Weiterhin wurde die Wirkung von fMLP auf die intrazelluläre ROS-Bildung durch bovine neutrophile Granulozyten untersucht. Es konnte kein ROS-induzierender Effekt für 100 oder 1000 nmol/l fMLP festgestellt werden. Die fehlende Wirkung von fMLP steht im Einklang mit bisherigen Untersuchungen, bei denen durch fMLP kein signifikanter Effekt auf die Phagozytose, ROS-Bildung oder Chemotaxis boviner PMN nachgewiesen wurde (CARROLL et al. 1982; BROWN u. ROTH 1991; DUCUSIN et al. 2001). Dass fMLP keine Wirkung auf bovine Granulozyten hat, könnte durch fehlende fMLP-Rezeptoren begründet sein. Solches wurde beim Schwein durch Fluoreszenz-markiertes fMLP nachgewiesen, wobei fMLP hier

113

keine Wirkung auf die Zellmorphologie, Depolarisierung, Chemotaxis und Adhärenz auslöst (FLETCHER et al. 1990).

TNF- und GM-CSF induzieren die ROS-Bildung

Für bovine neutrophile Granulozyten wurde gezeigt, dass die Zugabe von 20 ng/ml TNF-, besonders nach einer 30-minütigen Vorinkubation, zur vermehrten Bildung intrazellulärer ROS führt (Abbildung 10). Dieser Effekt tritt jedoch auch auf, wenn kein ROS-induzierender Stimulus (hier PMA) zugegeben wird. So kann nach EL-BENNA et al. (2016) nicht von einem Priming im engeren Sinne gesprochen werden. Möglicherweise liegt der Grund in einer zu hohen Konzentration von TNF-. Aufgrund der nicht weiter definierten Angabe in U/ml kann nicht auf die Konzentration der im humanen Feld verwendeten TNF--Lösungen geschlossen werden (MCCOLL et al. 1990; ELBIM et al. 1994; DEWAS et al. 2003). Eine weitere Möglichkeit wäre, dass die neutrophilen Granulozyten bereits „vorgeprimed“ wurden, beispielsweise durch die Ficoll-basierte Separation, durch LPS in Reagenzien oder Plastik oder durch Adhärenz (HASLETT et al. 1985; HURTADO-NEDELEC et al. 2014; EL-BENNA et al. 2016; MOSCA u. FORTE 2016). Es könnte sich dabei auch um eine speziesspezifische Besonderheit boviner neutrophiler Granulozyten handeln (YAFFE et al. 1999; EL-BENNA et al. 2016). Laut EL-BENNA et al. (2016) kann das Zellseparationsverfahren bereits zum Priming von PMN führen. Für die Bildung extrazellulärer reaktiver Sauerstoffspezies wurde die Separation mithilfe von Ficoll-basiertem Lymphozytenseparationsmedium (3.3.3) deshalb mit der Gewinnung von Gesamtleukozyten durch Vollblutlyse verglichen (Abbildung 18).

Dabei konnte für einzelne Zeitpunkte eine signifikant höhere Cytochrom c-Reduktion nach PMA-Stimulation an Ficoll-separierten PMN festgestellt werden. Die TNF--vermittelte Cytochrom c-Reduktion wiederum war zu einzelnen Zeitpunkten bei Gesamtleukozyten nach Vollblutlyse höher. Sollten die Granulozyten durch das Separationsverfahren bereits geprimed sein, wären konstante signifikante Unterschiede zumindest im gesamten Anstieg der ROS-Bildung zu erwarten. Dieses Ergebnis kann als Hinweis gedeutet werden, dass die Separationsmethode für weitere Untersuchungen zum Priming boviner neutrophiler Granulozyten genauer betrachtet werden muss. Für die Experimente im Rahmen dieser Arbeit wurde jedoch Wert auf die weitgehende Separation der Granulozyten von den übrigen Leukozytenpopulationen gelegt und daher mit der Ficoll-basierten Separation gearbeitet.

Weitere Möglichkeiten der Untersuchung neutrophiler Granulozyten auf ein Priming wären die

114

Verwendung von Vollblut und Hydroethidin, wobei Erythrozyten nach der Stimulation lysiert werden oder die Verwendung der Polymorphprep-Methode, bei der die Granulozyten in einem Zentrifugationsschritt sowohl von mononukleären Leukozyten als auch von Erythrozyten getrennt werden (HURTADO-NEDELEC et al. 2014).

Neben TNF- sind weitere Substanzen bekannt, die humane neutrophile Granulozyten primen.

Dazu gehören chemotaktisch aktive Substanzen, Zytokine und TLR-Agonisten (EL-BENNA et al. 2016). Von jenen wurden im Rahmen dieser Arbeit exemplarisch Zytokine (TNF-, IL-6), ein Wachstumsfaktor (GM-CSF), das Chemokin CXCL8 und LPS als bakterieller Zellwandbestandteil und TLR-Agonist ausgewählt. Es konnte gezeigt werden, dass GM-CSF, TNF-, und die Kombination aus TNF- und IL-6 die intrazelluläre ROS-Bildung neutrophiler Granulozyten verstärken, wohingegen IL-6 allein, CXCL8 und LPS die ROS-Bildung nicht signifikant beeinflussen (Abbildung 11). Die ROS-verstärkende Wirkung der PCBUS-Überstände kann daher nicht auf das enthaltene LPS oder CXCL8 zurückgeführt werden. Da kein TNF- sezerniert wurde, kann auch diese Hypothese ausgeschlossen werden.

In humanen neutrophilen Granulozyten führen GM-CSF, TNF- und CXCL8 zum Priming, das sich nach fMLP-Stimulation in einer verstärkten ROS-Bildung äußert (KHWAJA et al.

1992; DANIELS et al. 1994; ELBIM et al. 1994). Dabei beschrieben DANIELS et al. (1994), dass Priming dazu führt, dass vorher nicht ansprechbare PMN ansprechbar werden und nicht etwa eine bestehende Antwort gesteigert würde. IL-6 und IL-1 primen humane neutrophile Granulozyten nicht (ELBIM et al. 1994). IL-6 wurde hier dennoch untersucht, weil es im Gegensatz zu TNF- in PCBUS-Überständen nachweisbar war (Abbildung 6). Es wurde für bovine neutrophile Granulozyten gezeigt, dass IL-6 allein wie in humanen Granulozyten zu keiner Veränderung der ROS-Bildung, zusammen mit TNF- jedoch zu einer Steigerung führt (Abbildung 11). Ein Priming konnte also nicht für IL-6 allein, jedoch für die Kombination aus IL-6 und TNF- nachgewiesen werden.

Opsonisierte E. coli oder S. aureus verstärken die intrazelluläre ROS-Bildung

Ein weiterer Aspekt dieser Arbeit war die Untersuchung des Einflusses von E. coli und S. aureus auf die ROS-Bildung. Dabei zeigte sich, dass die intrazelluläre Bildung reaktiver Sauerstoffspezies durch hitzeinaktivierte, opsonisierte E. coli oder S. aureus allein signifikant verstärkt wurde. Außerdem konnte eine signifikante Steigerung der ROS-Bildung nach

115

gleichzeitiger Zugabe von TNF- und dem jeweiligen Bakterium beobachtet werden (Abbildung 12 und Abbildung 13). Eine Opsonisierung durch Poolserum führte dazu, dass die hitzeinaktivierten Bakterien von neutrophilen Granulozyten durch Fc-Rezeptoren und Komplementrezeptoren erkannt werden können (GASQUE 2004; Y. WANG u. JÖNSSON 2019). Die ROS-induzierende Wirkung mancher opsonisierter Bakterien ist sowohl für humane (BENDER et al. 1987; GORTER et al. 1987; MAY u. SPAGNUOLO 1987; CHAPPLE et al.

2013), als auch für bovine neutrophile Granulozyten bereits bekannt (CANNING et al. 1988;

STAKAUSKAS et al. 2005). Im Gegensatz zu den Untersuchungen von MAY u.

SPAGNUOLO (1987) an humanen PMN und opsonisierten Mycobacterium tuberculosis und von CANNING et al. (1988) an bovinen PMN und opsonisierten Brucella abortus und S. aureus konnte eine Veränderung der extrazellulären Bildung reaktiver Sauerstoffspezis anhand der Cytochrom c-Reduktion hier nicht nachgewiesen werden (Abbildung 19). Dies könnte in der vergleichsweise hohen Interassay-Varianz der Untersuchungsmethode begründet sein (RINALDI et al. 2007). Ein weiterer Einfluss kann dadurch entstanden sein, dass im Rahmen dieser Arbeit jedes Experiment an unterschiedlichen Tagen mit den Zellen unterschiedlicher Kühe durchgeführt wurde. Es können also nicht nur interindividuelle Unterschiede zwischen den Kühen relevant sein, sondern auch unterschiedliche Umweltbedingungen wie beispielsweise die Außentemperatur (ELVINGER et al. 1992;

LECCHI et al. 2016). Weitere Einflüsse können durch die Blutentnahmeprozedur entstanden sein. Stress bei der Blutentnahme kann zu einem erhöhten Cortisol-Gehalt im Blut führen und dieser wiederum die Funktionalität der PMN negativ beeinflussen (ALAM u. DOBSON 1986;

MURATA u. HIROSE 1991; BURTON et al. 1995; RINALDI et al. 2007). Obwohl jedes Tier auf die gleiche Art im Fressgitter und mittels Halfter fixiert wurde, reagierten die Kühe durchaus individuell unterschiedlich stark auf die Blutentnahme. Ein induzierender Effekt auf die intrazelluläre ROS-Bildung durch hitzeinaktivierte, opsonisierte E. coli an bovinen neutrophilen Granulozyten wurde im Rahmen dieser Arbeit erstmals nachgewiesen. Der durch STAKAUSKAS et al. (2005) nachgewiesene Effekt von S. aureus auf bovine PMN wurde dabei bestätigt. Durch Zugabe von E. coli oder S. aureus und/oder TNF- stiegen Forward- und Side-Scatter der Granulozyten signifikant an. Dies ist ein Hinweis auf Zunahme der Zellgröße und -komplexität (FLETCHER et al. 1990; N. C. JAIN et al. 1991). Auch eine Ko-Inkubation mit PCBUS-Überständen führte zu einem signifikant erhöhten side scatter der

116

neutrophilen Granulozyten. Neutrophile Granulozyten verändern ihre Zellform, wenn sie aus dem Blutstrom ins Gewebe auswandern, wobei ihre Form abflacht. Bei der Phagozytose werden schließlich Pseudopodien gebildet (ROBERTS u. HALLETT 2019). MCNEIL et al. (1985) beobachteten eine Zeitabhängigkeit in der Veränderung von forward und side scatter nach Stimulation mit fMLP in humanen neutrophilen Granulozyten. In Reaktion auf fMLP sank der side scatter demnach zunächst ab um darauffolgend anzusteigen, wohingegen der forward scatter kontinuierlich anstieg. Formveränderungen können bei humanen neutrophilen Granulozyten durch fMLP, das Komplementfragment C5a, CXCL8, LTB4 und PAF ausgelöst werden. Man unterscheidet zwischen Lamellipodien, sogenannten membrane ruffles, und Pseudopodien. Die Lamellipodien führen dabei zu einer kugelförmigen, die Pseudopodien zu einer polarisierten Morphologie (EHRENGRUBER et al. 1996). Ein gesteigerter side scatter kann auch hinweisend auf einen aktivierten Zustand der PMN sein, in dem innerhalb von Vakuolen ROS gebildet werden (KONO et al. 2018). Hier könnte also ein Zusammenhang zwischen dem im PCBUS-Überstand unter anderem enthaltenen CXCL8 und der Fähigkeit der PCBUS-Überstände, die ROS-Bildung anzuregen vorliegen.

Diese Arbeit lieferte somit Hinweise auf ein Priming boviner neutrophiler Granulozyten im Rahmen der intrazellulären ROS-Bildung durch GM-CSF und TNF- sowie unter dem Einfluss von E. coli und S. aureus. Die Untersuchung weiterer Zytokine, Chemokine und TLR-Agonisten könnten Inhalt zukünftiger Projekte sein. Worauf die Steigerung der ROS-Bildung durch PCBUS-Überstände im Einzelnen zurückzuführen ist, konnte nicht geklärt werden, da TNF- im Sekretom nicht nachweisbar und für bovines GM-CSF kein kommerzieller ELISA verfügbar war. Jedoch lässt die Tatsache, dass PCBUS-Überstände eine verstärkte Bildung intrazellulärer und extrazellulärer ROS auslösen, die Hypothese zu, dass diese Methode geeignet ist, eine proinflammatorische Entzündungsreaktion im Euter im Hinblick auf reaktive Sauerstoffspezies abzubilden und dass in den Gewebeschnitten Substanzen sezerniert werden, die bovine neutrophile Granulozyten primen.

117