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Pathogenese der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie bei Ziegen

5. DISKUSSION

5.3. Pathogenese der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie bei Ziegen

Von 17 Ziegen des IRQ/IRQ-Genotyps (Wildtyp) wurden 16 Tiere bis zum Ende des in dieser Arbeit abgehandelten Versuchtszeitraumes seziert und umfangreich untersucht. Bereits nach 12 Monaten p. i. gelang der Nachweis erster PrPSc -Ablagerungen in einer Nervenzelle des Ganglion coeliacum einer klinisch unauffälligen Ziege (Freyse, 2012). Bei einer weiteren klinisch unauffälligen Ziege (ZG 39) waren PrPSc-Ablagerungen nach 25 Monate p. i. ebenfalls ausschließlich im Ganglion coeliacum nachweisbar. Die proteinbiochemische Untersuchung der Hirnstammproben beider Tiere und die immunhistochmische Untersuchung der Obexregion erbrachten keinen positiven PrPSc-Befund. Die Untersuchungen von Gewebeproben weiterer Ziegen diese PrP-Genotyps ergaben für vier klinisch erkrankte Ziegen (24 bis 25 Monate p. i.) histopathologische Veränderungen in den Ganglia coeliaca, im Rückenmark auf Höhe des siebten Thorakalsegmentes (Th 7) und im Hirnstamm (Obexregion). In diesen Geweben wurden zum Teil hochgradige PrPSc-Ablagerungen detektiert. Ferner war PrPSc im Enterischen Nervensystem

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(ENS) und im darmassoziierten lymphatischen Gewebe (GALT) des Ileums, des ileozäkalem Eingangs und des Rektums detektierbar.

Von den 12 Ziegen des Genotyps IQQ/IRQ wurden 11 Tiere bislang seziert und umfangreich untersucht. Der erste Nachweis von PrPSc bei Ziegen dieses PrP-Genotyps gelang ebenfalls 12 Monate p. i. im lymphatischen Gewebe des ileozäkalen Eingangs bei einer klinisch unauffälligen Ziege (Freyse, 2012). Die histologischen Untersuchungen weiterer Ziegen ergaben für drei klinisch erkrankte Tiere (33 bis 36 Monate p. i.) vergleichbare histopathologische Veränderungen in den Ganglia coeliaca, im Rückenmark (Th 7) und im Hirnstamm (Obex), wie sie auch bei Ziegen des IRQ/IRQ-Genotyps (Wildtyp) vorlagen. Weiterhin zeigten sich zum Teil hochgradige PrPSc-Ablagerungen in den Gewebeproben von Darm, Ganglion coeliacum, Rückenmark und Gehirn, wie sie sich auch bei Ziegen des IRQ/IRQ-Genotyps fanden. Der PrPSc-Nachweis im lymphatischen Gewebe der Tonsillen, der Lnn. retropharyngeales mediales und Lnn. jejunales blieb dagegen bei allen Ziegen negativ. Auf Grund des hohen Hämosiderinanteils in den Milzproben war immunhistochemisch eine sicherere Abgrenzung zum PrPSc nicht möglich. Die Milzproben wurden daher nicht beurteilt. Ein Einfluss des PrP-Genotyps auf die histopathologischen Veränderungen und die Verteilung der PrPSc-Ablagerungen in den untersuchten Geweben der Ziegen des IRQ/IRQ- und IQQ/IRQ-Genotyps wurde nicht festgestellt.

Bis zur Fertigstellung dieser Arbeit konnten bei keiner der neun bislang sezierten Ziegen des IRK/IRQ-Genotyps histopathologische Veränderungen oder PrPSc -Ablagerungen detektiert werden, was auf eine zumindest partielle Resistenz gegenüber dem Erreger und damit auf die Rolle des PrP-Genotyps für das Resistenzgeschehen hindeutet.

Der frühe Nachweis von PrPSc im lymphatischen Gewebe des ileozäkalen Eingangs einer klinisch unauffälligen Ziege (ZG 22, IQQ/IRQ-Genotyp, 12 Monate p. i.) nach oraler Aufnahme des erregerhaltigen Inokulats weist darauf hin, dass offenbar die Darmmukosa die Eintrittspforte für den BSE-Erreger bildet, wie es für Scrapie-infizierte Schafe (Press et al., 2004; Ryder et al., 2009) und für BSE-Scrapie-infizierte Rinder

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(Hoffmann et al., 2011) angenommen wird. Nach der Ausbreitung im darmassoziierten lymphatischen Gewebe und im ENS in der frühen Phase der Pathogenese gelangt der Erreger wahrscheinlich über nervale Strukturen bis zum Ganglion coeliacum, worauf die Detektion von PrPSc im Ganglion zweier klinisch unauffälliger Ziegen (ZG 24, 12 Monate p. i. und ZG 39, 24 Monate p. i.) hindeutet.

Von dort aus weiter zum Rückenmark. Der Nachweis des Erregers gelang im Rückenmark und im Gehirn in einer späteren Phase der Pathogenese bei allen klinisch erkrankten Ziegen.

Das lymphatische Gewebe scheint dagegen mit Ausnahme des darmassoziierten lymphatischen Gewebes bei der Ausbreitung des Erregers im Tierkörper zunächst keine große Rolle zu spielen, da weder in der Tonsille noch in den untersuchten Lymphknoten PrPSc detektiert wurde. Einzig der Erregernachweis mittels Maus-Bioassay in einer Milzprobe eines hochgradig BSE-erkrankten Tieres lässt eine sehr späte Erregervermehrung in lymphatischen Organen vermuten. In einer ähnlichen Studie wurde PrPSc immunhistochemisch bei oral mit bovinen BSE-Erregern infizierten Ziegen (Erstpassage) im Mesenteriallymphknoten und in der Milz eines klinisch erkrankten Tieres des IRQ/IRQ-Genotyps detektiert (Lantier et al., 2010). Die Daten von Lantier et al. und die eigenen sprechen dafür, dass durchaus eine begrenzte Ausbreitung des BSE-Erregers im lymphatischen Gewebe der Ziege erfolgen kann.

Die derzeitigen Befunde der Studie sprechen für die Ähnlichkeit der BSE-Pathogenese beim Rind und der Ziegen. Auch beim Rind beschränkt sich die Erregerausbreitung im Wesentlichen auf neuronale Gewebe und weniger auf die lymphatischen Gewebe (Wells et al., 1994; Wells et al., 1998; Terry et al., 2003;

Buschmann und Groschup, 2005; Wells et al., 2005; Hoffmann et al., 2007;

Hoffmann et al., 2011; Freyse et al., 2012; Kaatz et al., 2012).

Damit unterscheidet sich die Erregerverteilung und Ausbreitung bei den Ziegen generell von der bei BSE- und Scrapie-Infektionen hochempfänglicher (PrP-Wildtyp) Schafe, bei denen das lymphatische Gewebe umfänglich in die Erregerausbreitung involviert ist (Foster et al., 1996; Schreuder et al., 1998; van Keulen et al., 2002;

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Bellworthy et al., 2005b; Langeveld et al., 2006; Reckzeh et al., 2007; van Keulen et al., 2008; Gonzalez et al., 2009; Freyse, 2012).

Die Obexregion im Hirnstamm ist auf Grund der dort frühzeitig auftretenden PrPSc -Ablagerungen und der leichten Zugänglichkeit dieser Hirnregion die Zielregion für die im Rahmen des TSE-Überwachungsprogramms vorgeschriebenen Untersuchungen.

Diese umfassen neben der Schnelltestuntersuchung auch histologische Bestätigungsuntersuchungen. Wells et al. konnten zeigen, dass bei BSE-infizierten Rindern im Obex in den Kerngebieten des Tractus spinalis nervi trigemini, im Tractus solitarius und im dorsalen Vaguskern (DMNV) schon sehr früh der Nachweis von histopathologischen Veränderungen und PrPSc-Ablagerungen möglich ist (Wells et al., 1987; Wells et al., 1998). Gemäß dem Handbuch der O.I.E. (Anonym, 2010) erfolgte die Untersuchung der Obexregion bei den Ziegen aus der BSE-Pathogenesestudie an insgesamt sechs Kerngebieten. Bei vier erkrankten Ziegen des IRQ/IRQ-Genotyps (Freyse, 2012) und drei erkrankten Ziegen des IQQ/IRQ-Genotyps konnten in allen Kerngebieten der Obexregion unterschiedlich stark ausgeprägt histopathologische Veränderungen und PrPSc-Ablagerungen nachge-wiesen werden. Selbst Ziegen mit einer weniger ausgeprägten Klinik nachge-wiesen in diesen für die Diagnostik präferierten Kerngebieten Veränderungen und PrPSc -Ablagerungen auf. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Grad der histopathologischen Alterationen und dem Grad der PrPSc-Ablagerungen konnte weder für Ziegen des IRQ/IRQ-, noch für Ziegen des IQQ/IRQ-Genotyps festgestellt werden. Unsere Befunde bestätigen, dass die für die BSE-Diagnostik bei Rindern laut Handbuch der O.I.E. berücksichtigten Kerngebiete auch für die histopathologische und immunhistochemische Befunderhebung beim Vorliegen einer BSE-Infektion bei der Ziege essenziell sind.

5.4. Differenzierung der BSE-Infektion bei Ziegen von Scrapie mittels FLI-Test