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Pastor Eberhard

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 178-200)

in Goloenbel (Estland).

C s ist zunächst ein rein praktisches Bedürfniß, das mich veranlaßt hat, vorstehende Frage auszuwerfen und zu beantworten. Cs liegt ja dem Christen nichts näher, als die Frage: was wird aus meiner Seele, wenn ich sterbe? Wohin gelangt sie und welcher Zustand erwartet sie? O f t werden gerade solche Fragen an den Prediger gerichtet. Um aber dann eine feste und sichere Antwort geben zu können, muß man klar erkannt ha-ben, was die Schrift in dieser Beziehung lehrt. — Zur Zeit des herrschen»

den Rationalismus begnügte man sich freilich, solche Fragende mit mög-lichst vielen Beweisen für die Unsterblichkeit der Seele abzuspeisen und sprach vornehmlich von dem neuen, schönen Dasein, dem man entgegengehe. Das Wiedersehen unserer Lieben trat als Hauptmoment der Hoffnung in den Vordergrund, die Beziehung zu Gott und Christo dagegen in den Hinter»

gründ, wo sie nicht gänzlich übergangen wurde. Ueber solche vage Phan>

tasiegcbilde ist der natürlich hinaus, der auch nur die Elemente des Chri-stenthums kennen gelernt hat, der nicht auf dem schwankenden Grunde menschlicher Meinungen und Vernunftschlüsse, sondern auf dem unerfchütter-lich festen Grunde der heiligen Schrift steht. Daß nicht bloß unsere S e e l e nach dem Tode fortlebt, sondern auch der L e i b zu unvergänglicher Herr-lichkeit auferweckt weiden soll; daß wir in verklärter Leiblichkeil auf der neuen Erde i n dem neuen Jerusalem bei dem Herrn ewig leben werden:

darüber herrscht unter denen, die das Wort Gottes zur Norm ihres Glau.

bcns und Hoffens gemacht haben, kein Streit, weil die ganze Schrift des A . und N . Testaments auf dieses Endziel unseres Daseins hinweist, und uns mit klaren, unzweideutigen Worten darüber belehrt.

Was lehrt die heilige Schrift über dm Zustand der Seele ,c.

151.

Dagegen findet über den sogmannten Zwischenzustand der Seele zwischen dem Tode und der Auferstehung solche Einhelligkeit des Bekennt»

nisscs unter den schriftlundigen Christen nicht statt, weil hierüber in der Schrift die Belehrungen viel spärlicher und in einer Weise gegeben werden, daß Irrthum und Mißverstand leichter möglich sind. Namentlich ist es die Lehre vom Hades oder vom Todtenreiche, welche in neuerer Zeit die Gemüther der Gläubigen vielfach beschäftigt und oft auch beunruhigt.

Viele christliche Lehrer nämlich verweisen die Seelen aller Verstorbenen, der Gläubigen wie der Ungläubigen in den Hades, und wenn selbst Männer, wie H a r m s in Hermannoburg behaupten, daß nach der Schrift dieser Hades, in den wir A l l e ohne Ausnahme hingelangen, im Mittelpunkte der Erde liegt'), so ist es wohl erklärlich, daß solche Lehre manche Gemüther beimruhigt iind bekümmert. Widerstrebt sie doch in der That schon dem natürlichen und noch mehr dem christlichen Gefühl und Bewußtsein, das nach der innigsten Vereinigung mit dem Herrn sich sehnt. Wenn freilich jene Behauptung wirklich klare und unwidersprechliche Lehre der Schrift wäre, so müßten wir unser christliches Gefühl und Bewußtsein, das auch in seinen höchsten und heiligsten Momenten leicht dem Irrthum unterwor»

fcn ist, unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen. Aber nicht allein das, — wir müßten in diesen Stücken auch mit der Vergangenheit unserer evangelischen Kirche brechen. Denn nicht bloß Ichren unsere alten Kirchenlehrer, daß die Seelen der Gläubigen unmittelbar nach dem Tobe in den Himmel kommen^, auch unsere alten Kirchenlieder sprechen

einmü-1) Vgl.: „ D i e Lehre der h. S c h r i f t von den letzten D i n g e n " (abge«

druckt aus dem Hermannsb. Mssionsblatt). Ich gestehe, daß diese an sich kleine und unbedeutende Broschüre mir den ersten Anlaß zu den hier mitgetheilten Schrift-studien gegeben. Denn die dort so zuversichtlich als Schriftlehre ausgesprochene Behauptung, daß auch die Seelen der Gläubigen unter die Erde in den Hades gelangen, machte mich, eben weil sie die Behauptung eines anerlannt kirchlich«

gläubigen und innigst verehrten Mannes war, gewaltig stutzen, indem sie meiner bisherigen Anschauung und Lehrweise so völlig widersprach. Deshalb reizte sie mich, der Sache tiefer auf den Grund zu gehen, und genau in der Schrift zu for-schen „ob sich's also hielte." Das Resultat ist freilich, daß ich in meiner schon früher gewonnenen Schriftanschauung nur noch mehr bestärkt und befestigt wor«

den bin.

2) I o h . Gerhard: I»Ii» reo«pt»<:>il» (y»o »nim»« » eni-por« «ep»!»»««« ean»

8l«A»ntur) «eriptul» «uuinel»! <lun, Quorum unui» »nimkbu» piuruiu pr»«p»l2tvm vue»t>ii oosluin, »Iwruin »uim»ku» inipiurum äs»tin»tuin voe»^r inf«?»«». Nu»

ther selbst freilich schwankt noch i n seiner Meinung darüber. Einmal NMlnt. » 12»

1 7 2 Pastor Eberhard,

thig diese Hoffnung und Zuversicht aus. „ O wie selig seid ihr doch ihr Frommen, die ihr durch den Tod zu G o t t gekommen." „Herr nun laß in Frieden, lebenssatt und müde, deinen Diener fahren zu den Himmel-schaaren." „Gerne will ich sterben und den Himmel erben." Solche Lieder könnten wir — hätte jene Behauptung wirklich Recht — nicht mehr aus Herzensgrund singen, oder müßten sie bedeutend verändern. Ehe wir uns aber hiezu verstehen, lohnt es sich wohl genau zuzusehen, ob es denn wirk-lich so ausgemachte Schriftlehre ist, daß wir allzumal in den Hades und zwar unter die Erde kommen.

Daß der Tod, die gewaltsame Trennung der Seele von dem Leibe, nicht die ursprüngliche Ordnung Gottes, sondern Folge und Strafe der Sünde ist (Rom. 6, 23), — das weiß und bekennt jeder schriftgläubige Christ. M a g auch der Unglaube im Namen der Naturwissenschaft noch so viel dagegen einzuwenden haben: das kann den Christen nicht irre machen.

Er weiß, daß die Competenz der Naturwissenschaft nur für die gegenwär-tige.Ordnung der Dinge gilt, nicht aber auf den Urzustand des Menschen sich erstreckt. Ueber diesen kann uns nur die Offenbarung Gottes in der heil. Schrift belehren. Die Schrift aber sagt deutlich, daß der Tod dem Menschen nich^mMiMlich«tlestiuuut»ist, sondern als Strafe für seine Sünde ihm angedroht wird u n d , , W t i i t t , ( 1 M ° s . 2 ^ ? . Rom. 5, 12). Der Mensch als geschaffenes persönliches Wesen, hat nur in Gott sein Leben. Durch die Losreihung von Gott, dem einigen, ewigen Urquell des Lebens, mußte nothwendig die Negation des Lebens, d. h. der Tod zuerst in das Centrum seiner Persönlichkeit und von da in die Peripherie seiner ganzen Natur ein»

dringen, und diese verderbend, auflösend, zerstörend wirken. Wie diese Los»

leißung von Gott aber den Satan zum Urheber hat, so wird auch der Tod als nothwendige Folge der Sünde auf den Satan zurückgeführt. Der Tod ist das Machtgebiet des Argen (Hebr. 2. 1 4 ) . der deshalb ein Men-schenmörder von Anfang heißt (Ioh. 8, 44). Der Tod nun, als die Zeo den Ruheort der Frommen auch Scheol: „Die Schrift sagt, daß die Heiligen und Gerechten in ihr Scheolah gehen, da sie des allerangenehmsten und süßesten Frie-dens und Ruhe genießen." Dagegen heißt es im l l . Katechismus, unserer Ve-kenntnißschrift bei der ?. Bitte: „daß der Vater im H i m m e l . . . wenn unser Stündlein kommt, uns ein seliges Ende bescheer«, und mit Gnaden von diesem Jammerthal zu sich nehme i n den H i m m e l . "

Was lehrt die heilige Schrift über den Zustand der Seele «. 1 7 3 leißung der Gott gewollten Einheit des Leibes und der Seele, hat, da der Mensch als persönliches Wesen nicht aufhören kann zu bestehen, den T o -dcsziistand zum Gefolge. Dieser Todeszustand wird, lokal gefaßt, in der Schrift Scheol oder Hades genannt, d. h. Todtemeich oder Hölle (wie L u t h e r meist überseht).

Das Etymon des griechischen Wortes weist bekanntlich auf die heid-, Nische Mythologie zurück, indem H 3 ^ (--- « i ^ ? , der Unsichtbare) eigentlich l Bezeichnung des Pluto, als Gottes der Unterwelt, und dann weiter Be-, Zeichnung seiner Wohnung ist'). Das hebräische Wort ^ i X l t ^ wird von Manchen von ^ X A , fordern, abgeleitet, wonach es also der Ort wäre, der Alle zu sich fordert, nach Allen verlangt, vgl. Prov. 27. 3 0 : „die Hölle und der Abgrund werden nicht gesättigt." Für diese Ableitung spräche, wie Hengstenberg meint, daß es nie mit dem Artikel vorkommt, indem es eigentlich Infinitiv wäre. Indeß scheint doch solche abstracte Bezeichnung gegen die Analogie sonstiger Benennungen von derartigen Lokalitäten zu sprechen, die in der Sprache des Alterthums meist von sinnlichen Ramnan-schammgen hergenommen sind (wie 2 ' N l l ^ von z - ^ A hocy sein, ooeluln von xo^Xo?)^. Deshalb verdient wohl die andere Ableitung von ^ W / hohl sein (durch Erweichung des H? in 55) entschieden den Vorzug, so daß es also eigentlich Höhle, eingeschlossener Raum bedeutet, gerade wie auch unser deutsches Hölle —H"'hle von hohl herkommt'). Schon diese Elymolo-gie weiset auf einen unter der Erde befindlichen Ort, und als solcher wird der Hades allerdings im A. und N, Testament bezeichnet. Daß man in den Hades hinabsteigt ( I " p , x«-c«ß«lvLlv), daß derselbe als äußerster Ge-gensah dem Himmel entgegengestellt wird lHiol, 11, 8. Ps. 107. 26. 139.8.

Amos 9, 2. Matth. 11, 23), beruht auf der Vorstellung desselben als eines in der Tiefe liegenden Ortes, wie er denn auch deshalb zuweilen «ßuno?

--- die unergründliche Tiefe, der Abgrund genannt (Rom. 10, 7. Apok. 9, 1 . 1 1 . 11, 7 «.)*), oder dafür ^ X , " ! i ^ i ' l ^ N l ^ ^« x«i</««i« 1H5 ^ c ,

! . ? ? ^ : >

1) Daher s l ; <f3^v 3iÜ^,» (Act. 2, 27—31.).

2) Auch würde die Infinitivform nach Analogie anderer Wörter wohl eher das Geforderte als den Fordernden bedeuten.

3) Das Fehlen des Artikels rührt dann wohl daher, daß es ganz als Ilnnl. plopl. betrachtet wurde.

4) I n der Stelle des RVmerbriefs kommt «ßu-x»? jedenfalls in dem in-differenten Sinne gleich^H3i? vor; in der- APokal, scheint es mehr den Ort der unseligen Geister und Menschen, also doch eine Abtheilung des Hades zu bedeuten.

1 7 4 Pastor Eberhard.

(Ps. 63, 10), gesetzt wird. Diese Vorstellung möchte wohl auch der.Erzäh-lung von dem Untergang der Rotte Korah's (4Mos, !6, 32.33.) zu Gnmde liegen, wenn es heißt: „die Erde that ihren Mund auf, und verschlang sie... und fuhren hinunter lebendig in die Hölle (,-I^Xt^)» Das „sie fuhren lebendig hinunter in die Hölle" besagt freilich nicht, daß sie mit ihren Leibern in die Hölle »erseht seien, sondern soll das Plötzliche und Wunderbare des Vorgangs ausdrücken, daß sie nicht in natürlicher Weise durch allmäligen Uebcrgang der Krankheit aus dem Leben zum Tode gc-langten, sondern, daß sofort, wie ihre Leiber non d,r Erde verschlungen, so auch ihre Seelen in den Schcol versetzt wurden; doch deutet auch hier das Hinunterfahren an, daß sie unter die Erde gelangten. Eben so sagt nun auch Paüliis (Philipp. 2, 10), daß, wie die i^upavwl und die äm-^lol, so auch die x » i « x ^ " o i d. h. die Unterirdischen ihre Kniee einst beugen sol-len in dem Namen Jesu Christi; und Johannes hört Apok. 5, 13 alle Creator, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde (u?mx»i<u

^ c 7?i?) ist, Lob und Preis darbringen dem, der auf dem Throne ist.

Wenn nun in obigen Stellen der Hades offenbar als untcmdischer Ort dargestellt wird, so ist auffallend, daß dieselbe Vorstellung auch sonst im Alterthume vorherrscht und ebenso bei 3en Acgyptern, Griechen und Römern zu finden ist. Diese denken sich gleichfalls die Seelen der Ver-storbencn unter die Erde hinabsteigend. Woher rührt nun diese allgemeine Uebereinstimmung in der Anschauung des Alterthums? Auf einer Uroffen-barung, die durch Tradition sich bei den Völkern erhalten, oder auf einer natürlichen Schlußfolgerung des menschlichen Verstandes? Von einer den Menschen durch Gott hierüber gewordenen Uroffenbarung weiß die Schrift nichts. Sie berichtet nur, daß Gott der Herr den Menschen nach dem Sündenfall angekündigt: Staub bist du, und zum Staube wirst du zurück-kehre» si Mos. 3, 19). Wir sind daher auch durchaus nicht berechtigt, eine weitere Offenbarung hierüber vorauszusetzen. Es ist auch gar nicht abzu-sehen, wozu der Herr den Menschen eine besondere Offenbarung über die Ocrtlichkeit des Scheols gegeben, wenn Er es doch sonst für gut befunden, ihnen keine weiteren Belehrungen und Aufschlüsse über ihren unmittelbaren Zustand nach dem Tode zu ertheilen. Denn daß auch die Gläubigen des A. B . so gut wie gar nichts hierüber wußten, erhellt deutlich genug aus ihren Aeußerungen. Sie nennen den Scheol ein Land der Stille, der Finsterniß und des Dunkels (Ps. 115, 17. Hiob i I , 2 1 . 22.), da weder

Was lehrt die heilige Schrift über dm Zustand b« Seele »c. 1 7 5 Wech Kunst, Vernunft noch Weisheit ist lPied. 9, 10.), da man den Herrn nicht lobt, noch seine Wunder preist M 6. 6. 88, 1 1 — 1 2 . ) , einen Ort, der Alle in sich aufnimmt, dem Keiner entrinnen kann s i Mos. 3?..35.

Hiob 3.17—19. Ps, 89, 49,). Wenn dann in dichterischer Rede fies. 14, 9 ff.) im Scheol Gespräche und Handlungen ausgeführt werden, wie sie hier auf Erden Statt finden, so ist das natürlich eben so wenig eigentlich zu nehmen, wie wenn es z. B. (Ies. 53,12.) heißt, daß die Berge froh-locken und die Bäume in die Hände klatschen. Es ist nur poetische Ein-kleidung und Individualisirung des Gedankens, daß der König von Babel trotz aller seiner Macht und Herrlichkeit auch einst eine Beute des Todes werden und in den Scheol hinab muß. Jene andern Aussprüche aber über den Scheol enthalten nur eine reine Negation dessen, was auf der für die Menschen zum Leben und Wirken von Gott geschaffenen Erde geschieht, sind also nur weitere Ausführung der Wahrheit, daß der Mensch aus dem Lande der Lebendigen hinweggenommen und dem Tode verfallen ist. "Wohl hatten auch die Gläubigen des A. B, die Verheißung von dem Weibes-saamen, der einst der Schlange den Kopf zertreten und von dem Davids-söhne, der ein ewiges Reich auf Erden gründen werde. Aus diesen Ver-heißungen erwuchs ihnen die Hoffnung, daß auch sie an diesem Siege über die Macht der Finsterniß und als Volk Gottes an dem ewigen Reiche des Mes-sias einst Theil haben, also aus dem Tode erweckt weiden sollten. Dünk-lei oder Heller spricht sich solche Hoffnung in Stellen wie Ps. 17,15. Ps.

49. 15. 16. Ps. 73. 26. Ies. 26. 19. u. a. aus. und wird auch dem Pro-Pheten Daniel 12, 2. 13. ausdrücklich bestätigt'). Ueber den Zustand un-mittelbar nach dem Tode dagegen hatten sie keine besonderen Offenbarungen von Gott empfangen; daß ihre Seelen aber im Tode nicht vernichtet, son-dern bis zur Auferweckung aufbewahrt würden, das ergab sich ihnen aus der Hoffnung der Auferstehung von selbst; und da ihre Lieben nach dem Tode zur Erde bestattet wurden, so lag wegen der ganzen Beziehung der Seele zum Leibe nichts näher, als auch den Sepositionsort der Seele nach dem Tode in der Tiefe unter der Erde sich vorzustellen.

Gegen die Allgemeinheit dieser Vorstellung spricht keineswegs Pred.

1 2 , 7 : „zum Staube kehrt zurück der> Staub, wie er gewesen, und der 1) Vgl. die treffliche Ausführung hierüber in Hofmann's Schriftbeweis U.< 2. S. 460—477.

17kl Pastor Eberhard,

Geist kehrt zurück zu Gott, der ihn gegeben" — welche Stelle öfters als Beweis einer neuen, entwickelteren Erkenntniß von dem Zustande nach dem Tode ange-führt wird. Denn unter Geist s M " i ) ist hier nicht der persönliche Geist, die begeistete Seele zu verstehen, sondern die Lebenskraft, der Lebensodci», den Gott, wie Er ihn gegeben, im Tode wieder zurücknimmt, so daß der Leib in Staub zerfällt. Es ist nur in etwas veränderter Form derselbe Ausspruch, wie Ps. 104, 2 9 : „ D u nimmst weg ihren Odem ( 2 M 1 ) . so vergehen sie, und lehren zurück zu ihrem Staube." Obiger Vorstellung liegt »un eine doppelte Wahrheit zu Grunde: 1) daß der Mensch ein kör-perliches Wesen, und ein todter Mensch also, wie H o f m a n n s.a. a. O. I I . 1. S . 488.) treffend sagt, ein unterirdischer, ein x°n»x36vl°; 'st, weil ihm das, was ihm zu seiner Selbstbethätigung gedient hat und dienen mußte, erdwärts genommen ist; 2) daß der Todeszustand als Strafe und Folge der Sünde die tiefste Erniedrigung des Menschen, daß er, der nach Gottes BiN>'und zu ewigem Leben geschaffen ist, hierin dem V i r h gleich wird (Ps. 49, 15. Pred. 3, 19). so daß also das Hinabsteigen in die Tiefe ein anschauliches Sinnbild für den ßtatu» d u i n i l i l l t i o n i s des Menschen ist.

Wenn nun der Geist Gottes in der Schrift diese gangbare Volksvorstel»

lung um ihrer relativen Wahrheit und Berechtigung willen reeipirt hat, und sich dieser Ausdrucksweise bedient, so folgt daraus doch keinesweges, daß wirklich die Seelen nach dem Tode an einem Orte unter der Erde sich aufhalten, so wenig, wie daraus, daß Iosua im Glauben, also in der Kraft des heiligen Geistes sprach: „Sonne, stehe still zu Gibeon!" und wegen der Schriftangabe: „und die Sonne stand still" (Jos. 10, 12.13.) — gefolgert werden kann, daß die Sonne für gewöhnlich sich wirklich um die Erde be-wegt'). S o wenig wie die göttliche Heilsoffcnbarung in der Schrift sich dazu herbei lassen konnte, den Menschen besondere geographische und astro-nomische Kenntnisse beizubringen, ebenso wenig auch ihnen Mittheilungen über die Oertlichkeit des Scheols zu machen, weil solche rein topologische Notiz völlig irrelevant für unsere Hcilserkenntniß, vielleicht für unsere der-malige Erkenntnißstufe überhaupt noch unfaßlich wäre. Wenn insgemein unsere jetzigen Vorstellungen und Anschauungen von dem Jenseits, von den göttlichen

1) Daß ich wegen der Incongruenz des Ausdrucks: „die Sonn« stand still"

durchaus «icht die Wirklichkeit des dort berichteten Wunders leugne, braucht wohl nicht «rst bemerkt zu werben.

Was lehrt die hellige Schrift über den Zustand der Seele «. I ? ? und überirdischen Dingen keineswegs adäquate sind, wie die hohen Geister meinen, sondern höchst unvollkommene und kindische, wie Paulus <1 Eor.

13. 11.) sagt'), so mußte sich Gott, wollte er durch Menschen zu Mcn-schen verständlich reden, zu unserer menschlichen Anschauungsweise herab-lassen, und daher an die vorhandenen unvollkommenen Vorstellungen und Ausdrücke anknüpfen und sich anlehnen«). Deshalb bewegt sich die Sprache der Schrift fortwährend in Bildern, deshalb liebt sie es namentlich, geistige Zustände und Verhältnisse in örtlicher und räumlicher Anschauung darzu-stellen'). S o wird denn auch geistige Erhöhung und Erniedrigung durch örtliche Erhebung oder Vertiefung dargestellt; deshalb ist der Himmel oben und der Hades in der Tiefe.

Am scheinbarsten freilich könnte die wunderbare Erscheinung Samuels, wie sie dcm Saul bei der Zauberin zu Cnooi geworden ( 1 Sam. 2 8 , 7 — 2 1 ) als Beweis dafür beigebracht werden, daß der Schcol wirklich im cigent, lichen Sinne unter der Erde sich befinde. Natürlich ist diese Erscheinung-nicht ein Gaukelspiel des Weibes; denn Samuel redet Erscheinung-nicht durch Vermit-telung des Weibes, die vielmehr während des Gesprächs hinausgegangen war (V, 21.), sondern unmittelbar mit S a u l ; noch weniger ist das Ganze als Mythe zu fassen; denn wir haben es hier nicht mit heidnischer Mytho-logie, sondern mit dem Berichte der heiligen Schrift zu thun. Die ganze Netromantie des Weibes mag immerhin Gautelspiel und Betrug oder doch mit demselben stark verknüpft gewesen sein. Die Erscheinung Samuels aber war ein nicht durch des Weibes Zauberkünste, sondern durch Gottes Allmacht gewirkter wunderbarer Vorgang, der sich begab, ehe das Weib ihre Beschwörlmgskunst begann, und daher ihr selbst so unerwartet kam, daß sie darüber in Angst und Schrecken geräth. Nun aber bekennt das Weib: „ich sehe e l o k i i u (--- eine überirdische Erscheinung; wir würden sa-gen: einen Geist) heraufsteigen a u s s e i Erde." D a nun Samuel hier aus der Erde heraufsteigt, so scheint 'daraus nothwendig zu folgen, daß das

l> Z i n z e n b o r f ' s etwa« auf ^bie Spitze gestelltes Wort ist gewiß nicht ohne Wahrheit: „unsere gescheidtesten Begriffe, die wir uns von Gott und göttli-chen Dingen magöttli-chen, werden in der Ewigkeit Absurditäten und Scanbala sein."

2) Obgleich die sogen. Nccommodationstheorie gewiß mit Recht in Verruf gekommen ist, so ist solche Accommodation doch völlig unverfänglich, ja noth-wendig.

3) Ich erinnere nur beispielsweise an das i üv s l ; ikv xäXnnv io3 TKnoä?

(Ioh. i , ig.) und an 3c ianv i v LetH '«5 veoü ft P«t». 3, 22.).

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Pastor Eberhard,

Todtenreich sich wirklich unter der Erde befindet, Hiegegen ist jedoch zu erwidern, daß die ganze von Gott gewirkte Erscheinung des Todten ihren einzigen Zweck darin hatte, dem S a u l aus dem Munde dessen, nach dem er selbst verlangt hatte, seinen nahen Untergang und seines ganzen Hauses

Todtenreich sich wirklich unter der Erde befindet, Hiegegen ist jedoch zu erwidern, daß die ganze von Gott gewirkte Erscheinung des Todten ihren einzigen Zweck darin hatte, dem S a u l aus dem Munde dessen, nach dem er selbst verlangt hatte, seinen nahen Untergang und seines ganzen Hauses

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 178-200)