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Beiträge zur Dogmatik

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 40-43)

M i t besonderer Rücksicht auf die Dogmatik von Prof. D r . Thomasius.

Von

Prof. D r . L n t h a l d t .

E s ist nicht allzulange her, daß man dein Lutherthum unserer Tage die Fähigkeit zu umfassendm dogmatischen Produktionen abgesprochen hat. I n Wirklichkeit ist es so gekommen, daß gerade diese theologische Richtung in rascher Folge dogmatische Arbeiten zu Tage gefördert hat, mit welcher sich die dogmatischen Erzeugnisse der anderen Richtungen an Bedeutung schwer, lich messen können. Und auch das geringere Interesse, welches man im Ver-gleich zu früher, gegenwärtig dogmatischen Erzeugnissen und Fragen widmet, hat der Rührigkeit auf diesem Gebiete keinen Eintrag zu thun vermocht.

Vor allen Andern fordert S a r t o r i u s unser Gedächtniß, welcher un-her den Ersten Einer ein Restaurator lutun-heriscun-her Theologie geworden ist.

Seit er durch seine Schrift über das Unvermögen des freien Willens zur höhnen Sittlichkeit 1821 als Göttinger Privat-Docent in den Kampf d « Kirche eingetreten, hat er den Kampfplatz nicht eher verlassen, als bis ihn d« Tod ablief und ihm die Feder aus der Hand nahm. Nicht um

Fra-Anträge zur Dogmatil.

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gen bloß des Erkenntuißvennögens — das war die Ueberzeugung die ihn beseelte und die er zur Anerkennung brachte — handelt es sich bei dem Streit zwischen Rationalismus und Supranaturalismus; nicht um blos theo-retische Sähe bei den Fragen des Dogmas, sondem um ethische, um pral-tische im höchsten S i n n . Dies ist auch der Gedanke seines schönen Werkes von der heiligen Liebe, in welchem die Lehrbestimmtheit unserer Väter mit augustinischem Geiste und mit der Mystik der Victoriner sich verbindet, wenn ihm gleich die volle wissenschaftliche Strenge fehlt.

Weitere Kreise sind es, auf welche die Dogmatit des geistvollen Da-nen M ä r t e n sen ihre Wirksamkeit ausübt, welcher die lutherische Lehre nicht ohne Glück spekulativ zu durchdringen, mit den Elementen einer realistischen Anschauung zu bereichern und apologetisch zu vermitteln sucht — wenn er auch durch die Leichtigkeit, mit welcher er schwierige Probleme zu behandeln und darzustellen weiß, nicht selten die Schwierigkeit mehr überwnnden zu haben scheint und selbst auch glaubt, als wirklich überwindet, indem er sie mit einer geistreichen Wendung umgeht, statt sie in ihrer Tiefe zu fassen.

Entschiedener als er haben die neueren dogmatischen Werke von Tho-masius und Philipp! sich auf den Boden der orthodoxen Lehre unserer Kirche gestellt. A m entschiedensten P h i l i p p i , welcher als die vorderste Auf.

gäbe der gegenwärtigen Theologie den Gegensaß gegen den modernen Geist des Subjektivismus ansieht und betont, wie er, aus rationalistischen und Pietistischen Elementen mannigfaltig gemischt, Glaube und Theologie der Ge-genwart noch allzusehr beherrsche. Es ist die geschichtliche Kirchenlehre, wie sie in der Dogmatit des 17. Jahrhunderts ihre Ausbildung gefunden hat, worauf er zurückgeht und deren innere Vernunft zu erkennen und geltend zu machen, ihm eine bessere Erfüllung der Aufgabe eines Dogmatiters der Gegenwart scheint, als eignen Gedanken nachzujagen. Daß diese Reaktion eines kräftigen und energischen Geistes ihr gutes Recht habe, wird Niemand verneinen können, der die geistreiche Sucht unserer Tage kennt, wie sie be-sonders bei einzelnen Dogmatitern der sog. Bermitteluugstheologie herrscht.

Daß aber auch mit einer solchen Position leicht Verstimmung gegen die neuere Theologie überhaupt und' Ungerechtigkeit gegen einzelne Erscheinungen und Erkenntnisse derselben sich verbindet, davon liefert wie mir scheint Phi-lippi's Werk mehr als einen Beleg. M a n wird nicht sagen können, daß jenes die volle und allseitige Pflichterfüllung eines lutherischen Dogmatikers der Gegenwart sei. Hat doch auch Philipp! dem Einfluß moderner

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Prof. Dr. Luthardt,

tischcr Denkweise sich nicht zu entziehen vermocht. Wenn er als die Quelle der Dogmatik „die durch die Offenbarung erleuchtete V m n m f t des dogma»

tisirendcn Subjekts" ( I . 8 6 ) und als ihre» Zweck die EiUwickelung der

„gottgcgcbencn Idee" der christlichen Religion bezeichnet, so ist jenes eine Anerkennung des modernen dogmatischen Faktors des christlichen Bewußtseins, welche im Auedruck weiter geht als nöthig ist und richlig sein »lochte, da wir es doch, wenn mit dein Subjekt, so mit dem Glauben desselben zu thun haben; das andere aber umnt die „Idee der W cdcrherstellung der Gemeinschaft des Menschen mit Gott", wo richtiger die Thatsache derselben genannt wäre.

Während dieses Werk noch im Erscheinen begl-ffen ist. besitzen wir an der Dogmatik von T h o m a s i u s eine Arbeit, in welcher unsere Kirche den Ausdruck ihres eigensten Geistes wie kaum in einer andern der neueren Zeit, in Einklang mit den Erzeugnissen des Glaubcuolrbcns aus den besten Tagen unserer Ki>che und zugleich mit den wissenschaftlichen Forderungen der Gegenwart finden darf. V o n der Wlchvi'schcn Dogmalik unterscheidet sich diese dadurch, daß sie kirchliches Bekenntniß und orthodoxe Dogma ik des 17. Jahrhunderts schärfer auseinander haltend, die Forderung der Forlbil-düng des Dogmas bestimmter ins A»ge faßt, so zwar daß der dogmatische Fortschritt zugleich als ein'Postulat der geschichtlichen Entwickelung des Dogmas selbst sich rechtfertigen soll — wie denn die dadurch veranlaßten dogmen»

geschichtlichen Nachweisungen dieser Dogmatik einen besonderen Werth verleihen.

Nehmen wir hiczu das originale N e i l von H o f m a n n , welches allseitig anregend bereits auf die Dogmaük gewirkt hat, und die umfassend angelegte und reichhaltige Arbeit von K a h n i s , so zeigt das eine so vielseitige und gründ, l.che Thätigkeit auf dogmatischem Gebiet, daß damit unser Geschlecht das Recht selbstständiger Fortbildung der dogmatischen Erkenntniß genugsam lcgitimirt hat.

Das Folgende will einen geringen Beitrag zur Erfüllung dieses N l -Nlfes liefern, indem es die wichtigeren dogmalischen Lehren unter dem Gc>

sichteuunkt des Unterschiedes zwischen der alten und modernen Dogmntik un>

sercl Kiiche zu besprechen sucht, unter vorzugsweise»! Anschlich an Thomasius.

P r o l e g o m e n e n.

Die Prolegomencn haben, nachdem sie am Anfang ganz gefehlt, dann den Artikel von der Schrift aufgenommen, allmählig immer mehr sich

er-Beitrag« zur Dogmatil. ?«

weitert. I n der neueren Zeit hat eine rückläufige Bewegung begonnen.

Thomasius hat sich auf das engste Maß beschränkt und besonders die Lehre von der Schrift in die Dogmatik selbst «erwiesen — ein Verfahren dessen Richtigfeil je länger je mehr anerkannt wird, wenn man auch nicht, wie selbst Rothe in seiner bekannten Abhandlung „Zur Dogmatik". den M u i h hat, die thatsächlichen Consequenzen dieser Erkenntniß zu ziehen. D a nun aber die Rücksichtnahme auf die Lehre von der Schrift in der Einleitung nicht ganz umgangen werden kann — denn es muß die Bedeutung und Stcl»

lung der Schnft z»r Dogmatik erörtert und gerechtfertigt werden — so for>

dert die Frage ihre Beantwortung, in wie weit diese Lehre der Einleitung, in wie weit sie dem System selbst zuzuweisen sei. Einvcrständniß und Sicherheit ist hierüber, so v!el ich sehe, noch nicht vorhanden.

Ich werde alles Wesentliche der Einleitungsfragen berühren, wenn ich von dem Dreifachen handle: von der Aufgabe einer lutherischen Dogmatil in der Gegenwart, von ihrem Inhalt und von ihrer Form.

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 40-43)