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Die Form der Dogmatil

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 62-82)

l ) Die Aufgabe

3) Die Form der Dogmatil

Wie vollzieht sich die Entwickelung der Dogmatik?

Thomasius behandelt jede« einzelne Lehrstück unter dem dreifachen Gc-sichtspunkt der persönlichen Glaubensaussasse, des-Schriftbeweiscs u»d des kirchlichen Konsensus. Diese drei Faktoren also haben zusammenzuwirken zur Bildung des dogmatischen Systems. Darin stimmen wohl alle luthe-tischen Dogmatiter gegenwärtig überein '). Nicht so unfinglich ist es, wie

diese drei Faktoren verbunden oder vertheilt werden sollen.. Sonst pflegte man die Schrift an die Spitze zu stellen. Das war konsequent da, wo man außer diesem uuioum priuoipium ooFnasosiiäi kein anderes kannte;

und ist gerechtfertigt da, wo man sich zunächst geschichtlich oder historisch, kritisch zum Dogma verhält. S o läßt auch noch Marheineke auf die Schrift, lehre die Kirchenlehre und dann das dogmatische Resultat folgen. Aber in Wirklichkeit verhüll es sich doch nicht so, daß ich vor Allem meine Glau-benserkenntniß aus der Schrift schöpfe, sondern mein Glaube selbst entwickelt sich in mir zur Erkenntniß. Aber allerdings kommt es schon zur persönli-chen Glaubensaussage nicht ohne die Mitwirkung der beiden andern Fakto-ren. Denn nicht nur vermitteln mir Kirche und Schrift den Glauben über-Haupt, sondern sie vermitteln auch meinem Bewußtsein die Erkenntniß von dem mannigfaltigen Inhalt meines Glaubens. Denn wie, alles unmittel-bare Bewußtsein sich durch eine Wechselwirkung des Aeußern und Innern entwickelt, so wird auch der erst unvermittelte Glaubensbcsitz zur vermittcl-t m Glaubenserkennvermittcl-tniß durch den Diensvermittcl-t der Schrifvermittcl-t und der Kirche, die den Glauben selbst auch in mir erzeugt haben. Aber indem sie mir zur bewußten Erkenntniß dessen, was ich im Glauben besitze, verhelfen, fügen sie

1) Vtgl. auch Philippi l . 226.

Vnträg« zur Dogmatil.

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doch zu meinem Glauben nicht einen neuen Inhalt, sondern es ist der Glaubensinhalt selbst, den sie zur Entfaltung bringen, so daß ich ihn dann auszusagen vermag. I s t es aber mein Glaubensbewußtsein, das ich aussage, so kann ich dessen Aussage dann wohl unterscheiden von der Aus-sage der Schrift und der Lehre und Verkündigung der Kirche und damit vergleichen, und muß sie hieinit vergleichen, um mich dessen zu vergewissern, daß ich meinen Glauben richtig verstanden und dargelegt habe. Ob ich die Schliftlehre an zweiter Stelle darlege, wie Thomasius thut, oder an dritter, wie es Philipp, verlangt, wird ziemlich gleich sein. Ferner muß ich auf Grund der Schrift doch auch an der Kirchenlehre Kritik üben und werde demnach einen krilischen Abschluß auf die dreifache Darlegung derselben Lehre folgen zu lassen nicht umhin können. Das erscheint nun als die voll-endete Form, welche die dreifache Aussage nicht bloß äußerlich neben einan-der stellt, soneinan-dern so zu einem Gunzen zu verbindm weiß, daß dabei doch die drei zu Einem Strom sich vereinigenden Quellen unterscheidbar bleiben.

Welches aber auch das äußere Verfahren sei, wenn es nur sachlich sich durch die richtige Verbindung jener drei Faktoren vollzieht. Die Zusam»

menstimmung derselben dient zu ihrer gegenseitigen Bestätigung und macht mich meiner Glailbcnscmssage gewiß. Eine dreifache Schnur reißt nicht.

Hierüber habe ich mich in meinem Sendschreiben an Hofmann seiner Zeit des Weiteren ausgesprochen und darf wohl daran erinnern.

1, Der erste Faktor ist das persönliche M a u b e n s b e w u ß t s e i n : hieran hat das dogmatische System lemen Ausgangspunkt; denn wenn dasselbe doch das Heil der Gottesgemeinschaft in Christo darzustellen hat.

so fragt es sich zuvörderst, wo der Dogmatiter dasselbe findet. W o fände er es näher, als in ihm selbst, in seinem Christenglauben. Das ist aller-dings ein subjektiver Ausgangspunkt, Aber er hat einen objektiven Inhalt.

Dem persönlichen Glauben diesen mitwirkenden Antheil an der Bildung der Glaubensertenntniß zuzuweisen, ist zu allen Zeiten in der Kirche thatsächlich geübt worden, obgleich es erst in neuerer Zeit zu wissenschaftlicher Erkennt-niß und Anerkennung gekommen ist. Denn es hat z. B . Nthanasius wider Arius nicht bloß aus der Schrift, sondern auch aus dem Wesen des christlichen Glaubens argumentitt, wenn er etwa darauf hinweist, daß wir Bater und Sohn in Einem Glaubmsakt zusammenfassen, sie also auch beide in der Einheit des göttlichen Wesens, auf welches sich der Glaubensakt bezieht, zusammengefaßt werden müssen. Oder wenn man sich durch die

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Prof. Di, Lutharbt,

tigung der Exegese solcher Stellen, aus denen man Dogmen bewiesen, nicht an dm Dogmen selbst hat irre machen lassen — was zeigt das Anderes, als daß die Schrift nicht der einzige Faktor für Dogmenausbildung ist, son-dem ihr das Glaubensbewußtsein zur Seite steht? Dieß zu erkennen und geltend zu machen ist Aufgabe der neuen Theologie, wo sie jene suprana-turalistische Methode eines Stoir überwindet, welche nur aus der Schrift eine biblische Lehre zusammenstellt, da es sich doch vor Allem um inner»

lichen Besitz und innerliche Gewißheit dessen handelt, was die Dogmatit darstellt.

Ehe man die Subjektivität dieses Verfahrens etwa tadelt, soll man den sittlichen Ernst, der ihm zu Grunde liegt, anerkennnen. Denn die Voraus-setzung jenes Satzes ist die Forderung, daß dem Dogmatikcr sein Gegen-stand nicht äußerlich sein dürfe, sondern seine Doamatik ein Bekenntniß, die Bildung eines dogmatischen Systems eine theologische Bekenntnihthat zu sein habe. Es ist aber nicht ein bloß individuelles Bekenntniß was er ablegt, soll es wenigstens nicht sein, sondern den allgemeinen Christenglau-ben soll er aussagen und so zwar, daß seine Darstellung in allen Christ-gläubigen wiederklinge, wenn sie sich nur selber recht versteh«. Und nicht etwas Einzelnes, sondern das ganze Christenthum ist es, was sein Glaube in sich schließt, was also zur einheitlichen und vollständigen Darlegung tom-inen soll. Und nicht etwas Ungewisses, sondern die innerlichste Gewißheit ist sein Glaube. I s t die Doamatik Darstellung des Glaubens, so partici-pirt sie auch, so weit sie das wirklich und richtig ist, an dessen Gewißheit.

Aber worauf ruht die Gewißheit des Hcilsglaubens? Nicht auf äu-heier Autorität, auch nicht auf der der Schrift, Daö ist ein Irrthum der supranaturalen Methode; denn worauf ruhte dann die Gewißheit der Schrift?

Etwa auf ihrev Inspiration? Das wäre allerdings gegenwärtig ein doppelt unsicheres Fundament des Glaubens. Aber nicht bloß gegenwärtig. Denn ich werde nicht erst des Schriftuispriings und von da aus erst des Schrift-inhalts gewiß, sondern umgekehrt. Ich glaube nicht an Christum, um der Schrift willen, sondern der Schrift um Christi willen. Allerdings, bin ich von Christo aus der Schrift gewiß gewurden, so wird nur die Schrift Au-torität für das einzelne Moment des Glaubens und Stütze auf dem Wege des Glanbenelebens. Aber der Heilsglaube selbst ruht nicht auf äußerer Autorität, sondern auf der Gewißheit der innerlichen Ueberführung. Daß aber diese innere Selbstbezeugung der durch das Wort sich nur

vermitteln-Beiträge zur Dogmatik. u "

den und aneignenden Wahrheit eine vom Geist Gottes in uns gewirkte sei, das bezeugt uns das Gewisse», welches das letzte Tribunal ist, an welches appellirt werden kann. Auf ihm ruht schließlich alle Gewißheit. Und durch dasselbe wird auch der geschichtliche InHall des Evangeliums aus einer hi-storischen Wahrheit zu einer moralischen — und so die Forderung erfüllt, welche Reimarus und Lessing an eine Welt-Religion stellten.

2. D i e heilige S c h r i f t wird von unsem» Bekenntniß die einzige Norm und die lauterste Quelle aller christlichen Lehre genannt. Damit ist die Bedeutung dieses zweiten Faktors des dogmatischen Systems bezeichnet.

I n diesen» Sinne hat die Einleitung zur Dogmatik von der Schrift zu han-dein. Aber die Prolcgomenen der alten Dogmatik enthalten die vollstän»

dige Lehre von der Schrift. Und die Macht dieser Tradition reicht noch in die Behandlung der Doamatik in der Gegenwart herein. Denn obgleich z. B . Rothe anerkennt, daß dir Lehre von der Inspiration der Dogmatik selbst angehöre, wagt er doch nicht die Vibliologie aus der Einleitung in das System zu verweisen. Und Philipp, handelt die Lehre von der Schrift in ihrem ganzen Umfange in den Prolegomenen seiner Dogmatik ab. Aber müßte dann nicht ebenso etwa die Lrhre von der Rechtfertigung als das matcrilllc Prinzip oder etwa die von der Versöhnung als die constiiutive Fundamentallehie, wie sie Philippi bezeichnet den Prolcgomenen zugewiesen werden? oder die Lehre von der Kirche als dem dritten Faktor der Dogma-tik? Thomasius hat jenen Brauch verlassen und handelt von der Schrift und ihrer Inspiration im Zusammenhange mit der Lehre von der Kirche I I I , 1, 393 ff, Uud das wird das Richtige sein.

Jederzeit hat die Kirche an der Schrift das für sie normative W o « Gottes zu besitzen geglaubt. Nur ist es der Kirche seit der Reformation mit einer Klarheit wie früher nicht zum Bewußtsein gekommen, was sie da-mit besitze. I n dieser Bedeutung der Schrift für die Kirche überhaupt ist denn auch ihre Prinzipale Bedeutung für die Dogmati! begründet. Worauf beruht nun jene normative Bedeutung? Unsere Alten antworten: auf der Inspiration. Das wäre kaum richtig, wenn die Schrift ein Buch wirtlich«!

Lehrsähe und Lebensvorschriften wäre — denn dann mühte doch auch erst gewiß sein, daß dieselben so inspirirt wären, wie sie nicht für ihre Zeit bloß, son-dern auch für die unsere nöthig und passend sind; wie sollte es vollends ausreichen, da die Schrift ihrer wirklichen Beschaffenheit nach nicht eine

69 Piof.vl. Luthalbt.

solche Gesetzsammlung der Lehre und des Lebens, sondern durchaus geschicht-lichen Charakter an sich trägt.

Die Schrift hat zunächst zeitgeschichtlichen Charakter und A r t ' ) ; denn sie besteht aus lauter einzelnen Büchern, welche zunächst für ihre Zeit ge-schrieben dein religiösen Bedürfniß ihrer Gegenwart und nächsten Umgebung dienen wollten, unter den speziellen Verhältnissen, durch welche sie je und je hervorgerufen werden. Das hindert aber die Kirche nicht in ihr das ka-nonische Wort Gottes zu sehen, also nicht bloß ein inspirirtcs. Kanonisch ist mehr. Die Lauterkeit und Untrüglichkeit ihrer Verkündigung macht sie noch nicht kanonisch. Eine Schrift kann die Wahrheit verkündigen und doch nicht kanonisch sein; eine Schrift kann inspirirt sein und doch bestimmt, nur ihrer Zeit und nicht der Zeit der Kirche zu dienen. Es hat gar manche inspirirte Schriften gegeben in der Zeit des N. wie des N. Testaments, die wir nicht in unserem Kanon haben. Was macht gerade diese Schriften zu kanonischen?

Die heilige Schrift ist die Urkunde von der göttlichen Offenbarung.

Das ist beides: ihre Wirklichkeit und ihre Bedeutung. AIs Offenbarung«-Urkunde ist sie kanonisch für die Kirche. Die Kirche ist das Resultat und Produkt der Offenbarung, Denn auf die Offenbarungszeit folgte die Kir-chenzeit und nicht bloß folgte diese auf jene, sondern sie ist auch aus jener hervorgegangen. I n jener liegen die Wurzem dieser. Daraus ergiebt sich für die Kirche die Aufgabe immer wieder in diese ihre grundlegende Ver-gllngenheit sich zu versenken, um aus dieser heraus neu zu werden, aus ihrer jeweiligen Gegenwart in diesen ihren göttlichen Grund zurückzukehren um aus ihm neu sich zu erbauen. Die Offenbarung ist, weil der Grund darum auch die Norm der Kirche, nach welcher alle Gegenwart sich immer zu be-stimmen hat. I n ihr allein wird sie die richtige göttliche Weisung in allen möglichen Lagen und Fragen stets finden. Nicht eine Summe von Lehren und Vorschriften wäre geeignet ihr zur Weisung zu dienen, so daß im ein-zelnen Falle nur diese Sammlung von Lehren und Vorschriften wie ein Gesetzbuch brauchte aufgeschlagen zu werden um den nöthigen Rath dar-aus zu erholen. Denn keine Sammlung wird dar-ausreichen für die unendliche Möglichkeit der verschiedenartigsten Situationen, Auch würde dadurch aus der 1) Vigl. zu dem Folgenben meine Abh. über den Organismus der neutest.

Schriften. Sächsisches Kirchen- und Schulbl. 1861. p. 88. 40.

Veiträge zu« Dogmatil.

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fteien Kirche eine gesetzlich gebundene. N u l der gottgeordnete Gang und zugleich der unendliche Reichthum der Offenbaiungsgeschichte leistet ihr je-ncn Dienst der Weisung und Leitung. Aus ihr aber will dann die Ant-Wort durch Versenkung in dieselbe, durch die Geistesarbeit des Denkens und Forschen« in Christo erholt sein. Was aber von der Kirche gilt, das gilt auch von der Dogmatik. i n welcher die Heilserkenntniß zu fortschreitendem Ausdruck kommen soll. Die Offenbarung ist auch für die Dogmatik Quelle und Norm der Erkenntniß.

Damit aber die Offenbarung dazu dienen könne, ist ein vollständiger und authentischer Bericht von der Offenbarung, eine Offenbarungsurtunde nöthig: und das jist die Schrift. Sie ist die Urkunde der Offenbarung, welche in Heilsgeschichte (inanitestÄtio) »nd im Zusammenhang damit in Heilswahrhelt ( i i i u m i l l a t i o ) besteht. Ale solche ist sie zeitgeschicht-lich — den einzelnen Stadien der Offenbarungsgeschichte entstammend und zunächst angehörig — und zugleich kanonisch; denn eben weil sie jenes ist, ist sie geeignet der Kirche den Dienst zu leisten, den sie ihr leisten soll und dessen diese bedarf, ihr nämlich die gcsammte Offenbarung zu veigegenwär-tigen, daß dieselbe ihr zur steten Norm ihres Erkennen« uud Verhaltens in der offenbarungslosen Zeit der Kirchengeschichte dienen kann. Dazu ge hört dann aber das Doppelte: daß sie vollständige Offenbarungskunde sei, in welcher alle wesentlichen Seiten und Stufen der Offenbarung, nach Ge-schichte und Erkenntniß des Heils, zur Darstellung kommen, und daß sie authentische Offenbarungsurkunde sei, i n welcher jene zur richtigen Darstellung kommen — nämlich aus demselben Geiste heraus, der die Offenbarung selbst wirkte und in ihr waltete, d. h. inspirirt. Ist sie das. dann ist sie geeig-net das Wort Gottes für die Kirche zu sein. Und das weist dann iln auch ihre prinzipielle Stellung für eine kirchliche Dogmatik an.

Ein solches Wort Gottes an der Schrift zu haben hat die Kirche zu allen Zeiten geglaubt. Der Kirche wohnte stets die gute Zuversicht zur Schrift ein, daß keine Frage je i n ihr aufkommen werde, worauf ihr die Schrift nicht die nöthige und richtige Antwort geben, kein Bedürfniß ihr je entstehen, welches sie nicht werde aus der Schrift genügend und richtig be-friedigen können, wenn sie nur die rechte Arbeit des Fragens und Forschen«

in ihr sich nicht erspare. Diese Zuversicht ist nicht in allen Zeiten und Theilen der Kirche gleich lebendig und klar und gleichmäßig zu praktischer Bedeutung gekommen, aber gefehlt hat sie der Kirche nie und nirgends. Sie

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Prof. Di. Luthardt,

ist, der Kirche durch denselben Geist gewirkt, der die Schrif! selbst erzeugt hat und in der Kirche lebt. Wenn diese auch von einzelnen Theilen der Schrift etwa nicht weiß, wic sie dieselben verwerthen soll, so hat sie doch auch zu diesen solchen Glauben gehabt. Und keine kritische Forschung der-mag die Christenheit in ihrem Glauben an die Schrift irre zu machen.

Vielmehr dürfen wir sagen, daß diese Zuversicht zur Schrift eher zunimmt als abnimmt. Denn sie bestätigt sich auch der Christenheit auf dem Wege fortschreitender thatsächlicher Erfahrung. Es genügt an die Erfahrung zu erinnern, welche die Kirche in der Zeit der Reformation an einem Römer-und Galaterbrief gemacht. Nie könnte der Kirche seitdem die Sicherheit des Bewußtseins, daß sie hieran kanonische Schriften besitze, je erschüttert werden, es möchte die Kritik dagegen einwenden, was sie wolle. W i r wer»

den sagen dürfen, daß wir des Hebräerbriefes jetzt viel gewisser sind, daß wir im Ganzen und Großen zum Briefe Iakobi weit nicht mehr so bedenk-lich stehen, als dieß in der Zeit der Reformation der Fall war. Die Er-fahrung, welche die Kirche seitdem von und an diesen Schriften gemacht, ist gewachsen und hat den Glauben zu ihnen bestätigt und sichrer gemacht.

Und so wird gewiß auch noch eine Zeit kommen, i n welcher die Kirche auch vom letzten Buche der heiligen Schrift, der Offenbarung Iohannis oder viel-mehr Jesu Christi, erfahren wird, was sie an diesem Buche Hube und alle Zweifel, von welchen sich jetzt noch so Manche irren lassen, weiden vor der Macht solcher thatsächlichen Erfahrung verstummen.

Dieser Glaube der Kirche nun gilt der ganzen kanonischen Schrift — nicht weiter aber auch nicht weniger. Denn wenn auch die afrikanischen Synoden und ihnen folgend die römische Kirche auf Augustins Nu-torität hin die alttcstamcntlichen Apokryphen zu dem vorher schon abge-schlossenen und von Christo und den Aposteln bestätigten Kanon hinzufügten, so haben sie damit die Gränzen ihres Berufs und ihrer Berechtigung über-schritten. Denn den alttestamentlichen Kanon festzustellen und abzuschließen war Sache der israelitischen Gottesgemeinde und nicht der Christenheit aus den Heiden. W a s Wunder wenn sie dann darin irrte? Und zwar hat das Urtheil der alten Kirche über manche neutestamentliche Schriften eine Zeitlang geschwankt. Aber schließlich hat es sich doch festgestellt und jene bezweifelten Schriften i n der Kanon aufgenommen. Seitdem gelten auch sie für kanonisch und die Kirche hat guten Glauben zu ihnen. Sollten wir annehmen dürfen, daß, wenn der Kanon für den Bestund der Kirche

noth-Beiträge zm Dogmatil. " "

wendig war — wie keine Frage —"nicht Gottes Leitung ihr diesen Kanon daneichte, sondem menschlicher Irrthum ihn Meßte — und zwar der Irrthum nicht eines Theils der Kirche, sondern der Gesammtkirche. der doch der Geist der Wahrheit verheißen ist und seine Weisung gewiß da nicht fehlen wird, wo es sich um absolut nothwendige Lebensbedingungen der Kirche handelt?

M a n hat eine bei unsern altem Dogmatikern heimische Cinthei-lung der neutestamentlichen Schriften in protokanonische, deutcrokanonische und apokryphische Schriften in jüngster Zeit wieder erneuert. >) Aller-dings sagt Chemnitz in seinem N x . oou, ^ r i ä . I p. 92 — und Philipp!

hat daran erinnert — die Kirche könne nicht nus Falschem Wahres und aus Ungewissem Gewisses machen. Aber da handelt es sich um das kirch-liche Zeugniß über die Verfasser der Schriften, Allerdings setzen Andere wie z. B . Haffenreffcr 2) Autor und Autorität der Schriften in Kausalzu-sammenhang und reden von apokryphischen Schriften des N. Ts, im Sinne einer geringeren dogmatischen Autorität, Aber schon Gerhard beschränkt die Frage nur auf den A u t o r ' ) , macht also aus der dogmatischen eine historische und je weiter herab um so mehr tritt die Bedeutung jener Unterscheidung zwischen den kanonischen Schriften des N. Ts. zurück. Bei Quensteot hat sie vollends alle Bedeutung verloren und ist auf den Werth einer bloßen historischen Notiz zusammengeschrumpft. <) Allerdings besteht ein Zusam-menhang zwischen der historischen und dogmatischen Frage. Denn da die Kanonicität die Inspiration z»r Norausschung hat, diese aber wieder die Zugehörigkeit der einzelnen Schrift zur Offenbarungszeit und zum Offenba-rungskreis, so ist dadurch ein Band zwischen jenen beiden Fragen geknüpft.«) Aber das ist nicht ohne Weiteres eine Abhängigkeit der Autorität einer Schrift vom Autor, denn ob Barnabas oder Lukas oder Paulus der Verfasser des Hebiäerbriefs ist, ändert nichts an seinem Werth. Wer geschrieben habe

— sagt Luther von der Epistel an die Hebräer — ist unbewußt, da liegt auch nichts an«). Sollte die Autorität vom Autor abhängen, was sollte

1) Vrgl. Philippi kirchl. Glaubenslehre I, 118 ff. Kahms die luther. Dog-matil I, 245 f. 681.

2) I.««i e»p. äe »nipt. p. 204 et. <3«ib»,rä I°oi »ä c«U», I I , p. 185.

3) I °. 186

4) 8?«t. 1685. I p. 235.

5) Vrgl. Landerer in Herzogs Realencycl. V I I . 301.

6) Vigl. Eberle Luthers Glaubensrichtung S . ö l ff. Anm. Nn> mein Send-schreiben an D i . Hofmann S. 855 f.

6 4 P«f. Dr. Luthardt,

dann über so viele alttestnmcntliche Schriften geurtheilt werden, deren 35er.

fass« wir nicht kennen? S o hat also die späte« lutherische Dogmatik jene beiden Seiten der Frage mit Recht immer mehr auseinander gehalten.

fass« wir nicht kennen? S o hat also die späte« lutherische Dogmatik jene beiden Seiten der Frage mit Recht immer mehr auseinander gehalten.

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 62-82)