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Zur Geographie Palästinas

Im Dokument Theologie und Kirche, (Seite 130-150)

zahlen müsse

2) Zur Geographie Palästinas

Von

Aail v. Nannm.

Schon seit Jahren wurde unsere Aufmerksamkeit durch Bin'ckhardt, B u -ckingham, P o r t e r und andere Reisende auf das Land im Nordosten, Osten, und Südosten uon Trachonitis und Batanäa gelenkt, auf sein Gebirge und die Unzahl seiner uralten verlassenen Städte.

Aber erst in den Jahren 185? »nd 58 ward unsere Wißbegierde befriedigt, da jenes geheimnißvolle Ostland durch den Engländer G r a h a m und den Preußischen Consul in Damascus, D r . Wetzstein bereist wurde.

Die Berichte beider Reisenden stimmen überein; ich will im Folgenden den bei weitem ausführlicheren Wetzsteins zu Grunde legen ' ) .

Wetzstein hatte mit unsäglichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die zu bereisenden Gegenden waren ganz menschenleer und erschrecklich. Aber trotz aller Hindernisse leistete er unglaubliches. Nur 44 Tage dauerte die Reise;

der Reichthum der von ihm beobachteten geognostischen und historischen Thatsachen l,cße sich schon aus der Stärke seines Tagebuchs abnehmen, es

befaßt 880 Seiten; er gedenkt es für den Druck zu bearbeiten. Eine

ge-1) Dieser Bericht findet sich in der Zeitschrift für allgemeine Erdkunde von Neumann Bd. V I I . 1859 S. 109 ff. unter der Aufschrift: „Reise in den beiden Trachonen und um das Haurim-Gebirge im Frühling 1858. Bericht des Preußi-schen Consuls Ol. I . G. Wetzstein in Damascus, an das Ministerium der aus-wärtigen Angelegenheiten." Hiezu eine Karte von Kiepert.

Zur Geographie Palästinas. 1 2 5 nauere Anzeige der so bedeutenden Entdeckungen muß daher auf das Er-scheinen des Buches verspätt werden. Ich will im Folgenden nur einige vereinzelte vorläufige Bemerkungen mittheilen, welche ich beim Lesen des Berichtes machte.

Die Thatsachen, welche W . berichtet, sind ganz eigenthümlich und vielfach von anderweitigen geognostische» und historischen Erfahrungen ab--weichend. Das vom Verf. untersuchte Saft, ist „ein leeres, nacktes Ge-birge, ohne eineu Tropfen Wasser, ohne Vegetation, wo kein Mensch exi-stiren kann." Seine Formation, sagt N . , „hat etwas höllisches, sein Anblick erfüllt mit Grauen." Es ist circa.? Stunden lang und ebenso breit, über seiner schwarzen wüsten Lavafiäche erheben sich eine Menge Vulkantegel, Umgränzt ist das S a f t von der Harm, einer weiten welligten Ebene, die mit Basaltstücken gedeckt ist, welche uon 5 Pfd. bis 5 Centn« wiegen.

Niemals, sagt W . , liegt ein Stein über dem andern, wiewohl sie „dicht neben einander geschlichtet." Dic Steinsaat ist nur auf der Oberfläche, un-m i t t e l b a r unter ihr findet sich Huun-mus.

Unsere jetzt geltende geologische Theorie wird schwerlich austeichen, um die Geschichte des S a f t und der Harra einigermaßen begreiflich zu machen.

Nur einiges will ich berühren. Sollen wir die „oberflächliche Stein-saat" der weit verbreiteten Harra für Auswürfe uon Vulkanen halten?

„ E s erstreckt sich eine Harm gewöhnlich zwei bis drei starke T a g e r e i -sen weit." Hat man irgend etwas Aehnliches bei entschieden vulkanischen Ausbrüchen beobachtet?

Der Verf. sagt: „Der Koran spricht uon einem ungläubigen Volle der Vorzeit, welches Gott durch einen Stcinregen von der Erde vertilgt hat.

Eine solche Darstellung genügt dem einfachen Volke, da durch sie der Um-stand erklärt wird, daß sie nicht Felsen bilden, sondern wie vom Himmel geregnet in losen Klumpen die Ebene Tagereisen w e i t bedecken." ')

Ich möchte mich fast der Ansicht des einfachen Volkes anschließen.

Einmal, so sind unzählige Steinregen entschieden constatirt, große und kleine.

Von welchem Umfange sie möglicher Weise sein können, wissen wir nicht.

Zweitens erinnere ich daran, daß der Mineralog M o h s längst schon auf die große Aehnlichkeit des Basalts mit den Meteorsteinen aufmerksam machte.

1) Die unbegreiflichen Inschriften vieler dieser Steine der Wüste mögen Sprach- und Geschichtsforscher enträthseln.

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Karl v. Räumer,

Durch die genauen Untersuchungen von G. Rose ward dieß bestätigt, da er die Bestandtheile des Basalts mit denen der Meteorsteine übereinstimmend fand. — Unwillkührlich werden wir durch jene Vermuthung, daß ein Stein-regen vom Himmel auf die Harra gefallen, an Sodom und Gomona erin»

nert, auf welche der Herr Schwefel und Feuer regnen ließ und die Städte und die ganze Gegend umkehrte. D a entstand das todte Meer an der Stelle, wo früher das Thal Siddim, das „wasserreich als ein Garten des Herrn war."

Wie ungeheuer mußte die Katastrophe sein, durch welche das große todte Meer entstand, das durch seine tiefliegende Spiegelfläche, den chemi-schen Gehalt seines Wassers und seine Feindschaft gegen alles Lebendige, gegen Thiere und Pflanzen, einzig auf der Erde, und ein furchtbares M o . nument der göttlichen Sträfgerechtigkeit ist.

Ist die Haira ein ähnliches Monument?

Sodom und Gomorra sind vernichtet und verschwunden, kein Gebein ihrer Bewohner ward gefunden. Aber ein Beduine erzählte an Wetzstein:

in Huberrije, einem Orte der Harra, feien allenthalben in die schwarzen Steine Menschenknochen eingewachsen. Alle anwesenden Beduinen, auch zwei Drusen aus des Verfassers Begleitung bezeugten dieß einstimmig. ' )

A n das Gesagte will ich einige geographische Bemerkungen anschließen.

1) Der Verf. erwähnt^) den O r t I j ü n der östlich von Bosra, nördlich von Salchat liegt. „ I n der Bibel, sagt er, wird einigemal I M als noidpalllstinische Stadt erwähnt. Sollte bei einer dieser Stellen an unsere Stadt gedacht werden können, so müßte man dem W o r t e . . . . seine arabische Bedeutung: „Quellen" lassen — wegen der vielen Quellen dieses basanischen I j u n . " — A n ein basanisches I j o n kann aber nicht gedacht werdm, da I j o n in der Bibel n u r als Stadt Naphthalis mit andern Städten dieses Stammes, namentlich mit Dan und Abel Beth Maecha gmannt wird.

2) Herr W e h st ein glaubt»): Die ostjordanischen Israeliten seien in der Nachbarschaft der Beduinen vollkommene Nomaden geworden und

1) Diese Angabe muh freilich erst durch Naturforscher bestätigt werdm, doch ist dieselbe nicht ohne weiteres zu verwerfen.

2) S. 186.

3) S. »70.

Zur Geograph« Palästinas. 1 2 7 hätten daher leine Städte zu festen Wohnsitzen gehabt. „ S o wird es er-klärlich, sagt er, daß die Wegführung der drei transjordanischen Stämme durch Phul den König von Assur ( 1 . Chron, 5, 26,) anscheinlich so leicht gewesen ist. Denn während er in Galiläa eine Anzahl fester (?) Plätze zu erobern hatte, scheint er in P e r ä a nach 2. Kön. 15,29. ' ) nur bei Ab6l (Aböl in Erbed) Widerstand gefunden zu haben, einem Platze, der wegen seiner ungemein starken Lage am südlichen Ufer des Icrmük selbst als Ruine noch der Zufluchtsort des Landes werden konnte."

I n der citirten Stelle 2, Kön. 15, 29. werden Kedes, Hazor, Abel Beth Maecha bekanntlich Städte Naphthalis als Orte genannt, deren Ne-wohner Thiglath - Pilesser nach Assyrien geführt. Daß diese Orte „feste"

Plätze waren, sagt die Bibel nicht. Unbegreiflich ist es aber, wie der Verf, einen dieser Orte Naphthalis, nämlich Abel Beth Maecha, herausreißen und ohne weiteres mit dem ostjordanischen Aböl am Iarmuck identificiren konnte!

I n der Bibel kommen viele Orte des Namens Abel vor, sie haben Beinamen, um sie z» unterscheiden, so: Abel Keramim, Abel Sittim, Abel Mizraim, Abila I ^ s a u i a « . Auch das ostjoidanische Abila am Iarmut hatte einen Beinamen, das Onainastioon nennt es ^,bi1»

„olvllfspn: xllXnu^iv^" ( v w i kertilis)^). Dagegen wird das Abel Na-phthalis wiederholt als Abel Beth Maecha mit andern Orten jenes Stam-mes, mit Dan, I j o n «. aufgeführt. Es ist daher an keine Verwechslung mit dem ostjoidanischen ^.dila v i u i kortili« irgend zu denken.

3) Wetzsteins') Reisegefährte Muhammed Esfendi bemerkte, da ei von der Citadelle Nosras einige 30 Ortschaften erblickte, dieselben seim wahrscheinlich von Israeliten erbaut. Der Verf. ist nicht der Meinung, er schreibt: „Bei dem Glänze, womit die mnhamedanische Legende die Salo-nionische Regierung umgeben hat, wäre es unmöglich gewesen, dem sonst sehr verständigen Manne zu beweisen, daß der jüdäische Staat die Eigen-schuften, Peräa blühend zu machen, zu keiner Zeit besessen hat. Einer langen und tiefen Ruhe hat er sich niemals erfreut, weil ihm die

Bedin-1) Nicht Pfuhl, sondern Thiglath-Pilesser.

2) Das 0n°». unterscheidet ganz unzweideutig dies Abel vmi tertiU, von 3) Wetzstein S. »71 ff.

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Karl v. Räumer,

gung dazu, eine dauernd starke Regierung fehlte, und diese konnte nicht geschaffen werden, da die ismaelitischen (?) Stammimterschiede, die sich niemals verwischten, ewige Zwietracht nährten und das Ganze schwächten.

Desgleichen gestattete dem Volk der Widerwille gegen allen Zwang und ein starker Hang zur Ungebundmhcit, den es g l e i c h f a l l s mit den stammver-wandten Ismaeliten gemein hatte, keine absolute Unterwerfung unter ein strenges Regiment, Dabei scheint, troh der Idee des gelobten Landes, die Liebe zur Scholle bei ihnen niemals so stark gewesen zu sein, wie sie bei einem Volke sein muß, das in dem Glauben an die Unverlierbarkeit des heimathlichen Bodens diesen mit Städten und Dörfern bedeckt. Die Natur des Beduinen scheine» sie aus ihrem Nomadenleben in Aegypten und der syrischen Wüste mit nach Palästina gebracht zu haben und durch die ganze Geschichte des Volkes bis auf die Gegenwart herab zieht sich gleichsam als der charakteristische rothe Faden jenes Motto aller Stämme der syrischen Wüste, welches der Oberscheich der Hsenne im Jahre 1836 den Drohungen Ibrahim Paschas gegenüber im Divan der Stadt Hamü, aussprach: Drohe nicht dem, der, wenn er sein Zelt niederwirft, wandert."

Ich gestehe daß ich vom jüdischen Volke eine Ansicht habe, welche der des Verf. diametral entgegengesetzt ist.

Er leugnet daß die ostjordanischen Israeliten Städte gebaut. Ich verweise ihn an 4, Mos. 32, 34—3?., wo berichtet wird, daß der Stamm Gad 8 Städte gebaut, Rüben 6 Städte, diese Städte werden mit Namen genannt'). — Soll ich an die olarigsiiua urds Orieuti» an Jerusalem erinnern, die so oft zerstört und immer wieder aufgebaut wurde, an den salomonischen und an den zweiten Tempel, an diese berühmtesten Bauwerke der alten Welt?

Die vom Verf. irrig behauptete Abneigung der Israeliten gegen das Bauen von Städten soll nur darin ihren Grund haben, daß die Israeliten

„die Natur der Beduinen aus ihrem Nomadenleben in Aegypten und der syrischen Wüste mit nach Palästina gebracht."

M i t dem im Pentateuch gegebenen Bericht, voni Zuge der Israeliten stimmt dieß durchaus nicht. Statt des wilden, herumschweifenden, über-müthigen und sehr genügsamen Lebens der kriegslustigen Beduinen, sind die

1) Ob von den genannten Orten vielleicht einige nur wiederhergestellt wor-den sind? Aber auch die Wiederherstellung verlangt bauen und Liebe zu festen Wohnfitzen.

Zur Geographie Palästinas. 1 2 9 Israeliten auf dem Zuge immer unzufrieden, murren fort und fort, sehnen sich zurück nach den Fleischtöpfen Aegyptens, fürchten sich vor den Feinden, wiewohl sie so oft die wunderbare Hülfe ihres Gottes erfahren.

Die Natur des auserwählten Volkes ist, mit einem Worte so wenig beduinenartig, daß sie vielmehr das v o l l e G e g e n t h e i l ist.

Ohne festen Wohnsitz, ohne rechtlich gesicherten Besitz, trieben und treiben sich in den weiten Wüsten jene vereinzelten, zerstreuten arabischen Reiterstämme herum, kämpfend und raubend und erobernd ohne Gränzen.

I n den zwei Jahrhunderten nach Muhammed eroberten sie sich die Länder von den Pyrenäen, Afrika hindurch bis zum Indus.

Wie ganz entgegengesetzt diesen Beduinen sind die Israeliten! Seit-dem sie das kleine verheißene Land eingenommen und unter ihre Stämme vertheilt, Jerusalem der Mittelpunkt für Gottesdienst und Regierung gcwor-den war, seitdem zeigten sie eine solche Vaterlandsliebe, wie kein Volk der Erde — und zeigen sie bis auf den heutigen Tag.

Wie tritt uns diese Liebe im alten Testament entgegen, besonders in der herrlichen Zeit Davids und Salomos! Jerusalem ist der Centralpnnkt jener Liebe, die Stadt zu der die Stämme des Herrn hinaufgehen sollen.

„Wünschet Jerusalem Glück, heißt es Ps. 122,6. Es müsse wohl-gehen denen die dich lieben. Es müsse Friede sein inwendig in deinen Mauern und Glück in deinen Pallästen." — Damals wohnte der Israelit im ruhigen Besitz „unter seinem Weinstock und Feigenbaum ohne Scheu."

Als aber später die entsetzlichen Zeiten des EMs einbrachen, uer-breiteten sich die Israeliten nicht als siegreiche Eroberer über weite Länder, sondern als besiegte, gewaltsam fortgeführte Gefangene. D a fühlten sie das tiefste Heimweh nach dem Vatcrlandc und maaßlosen Schmerz über die untergegangene Herrlichkeit desselben. Wie ergreifend sind nicht die Klage-lieber Icremiü, wie herzzerreißend sind die Iammerklagen der Juden unserer Zeit.

Wegen des Tempels der zerstört,

Wegen der Mauern die niedergerissen sind, Wegen unserer Majestät, die dahin ist, Da sitzen wir einsam und weinen

Eile, eile Zions Erlöser

Ach wende dich gnädig zu Jerusalem Tröste die trauern über Jerusalem.

So klagen die gegenwärtigen Juden in Jerusalem, wohin viele aus fernen Landen wallfahrten, um da zu sterben und in heiliger Erde begraben

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1 2 ^ H. N. Hansen,

zu werden, — I n Indien muß an einigen Orte» der Israelit, wenn er ein neues Haus baut, einen kleinen Theil desselben, als Sinnbild der Zer>

störung unvollendet lassen, wohin dann folgende Worte geschrieben werden:

„Zum Andenken an die Zerstörung,"

Ueber die ganze Crde zerstreut halten die Israeliten die Hoffnung fest in der letzten Zeit wieder nach dem heiligen Lande und nach Jerusalem zurückzukehren, wie die Propheten es verheißen.

Dreitausend Jahre sind verflossen, seit Israel Kanaan in Besitz nahm.

Kein Volk der Erde hat eine solche unzerstörbare Existenz, eine so leiden-schaftliche, ausdauernde „ L i e b e zur S c h o l l e " bewiesen und beweist sie noch, wie die Israeliten, Als sie an den Wassern Babels saßen und weineten sprachen sie: Vergesse ich dein Jerusalem, so werde meiner Rechte vergessen M , 13?.). S o sprechen sie heute noch in allen Ländern, in die sie zerstreut worden sind ' ) .

3) Aus dem heiligen Lande. Von K o n s t a n t i n Tischendorf. Nebst fünf Abbildungen in Holzschnitt und einer lithographirten Tafel.

Leipzig: F. A . Brockhaus 1862.

Angezeigt von H. N. Hansen, Pastor in Wintershausen.

Vorstehende höchst interessante Schrift von dem bekannten Reisenden und unermüdlichen Forscher nach Handschriften der heil, Schrift, Professor T i -schendorf in Leipzig referirt auf 375 Seiten über die Geschichte seines wichtigen Bibelfundes im S t . Kathannenkloster am Berge Sinai den 4.

Februar 1859, so wie über seinen Aufenthalt zu Jerusalem und seine weiteren Reisen im Morgenlande, D a die berühmte Sinaischrift in der gelehrten und ungelehrten Welt, in Zeitungen und Zeitschriften bereits viel von sich reden gemacht hat und da sie voraussichtlich für die nähere Erforschung des heil. Textes auf lange hinaus und vielleicht für alle Zeiten von der allergrößten Bedeutung sein wird, so dürfte es namentlich von besonderem I n

-1) Es ist nicht entfernt meine Absicht eine genügende Charalteristil des jü-dischen Volles zu geben. Nur die seltsame Ansicht Wetzsteins, das, die Israeliten Beduinen-Natur gehabt und leine Liebe zum Äaterlande, nur diese wollte ich zu-rückweisen.

Konstantin Tischendorf: Aus dem heiligen Lande. 1 3 1 teresse sein, aus urkundliger Quelle den Hergang bei der Auffindung dieser so merkwürdigen alten Handschrift zu erfahren und auf die große Wichtigkeit derselben durch den berühmten Finder selbst aufmerksam gemacht zu werden.

Auch manche Partieen des sehr gut geschriebenen Reiseberichts sind so an-ziehend, daß wir denselben mit höchstem Interesse gefolgt sind. Begleiten wir deshalb Herrn Prof. Tischend orf auf dieser seiner zwar mühseligen, aber auch so erfolgreichen Wanderung, um nach und nach mit ihm zu er-leben, was zuletzt fast wie ein Wunder vor seinen erstaunten Blicken dasteht.

Es war in der Frühe des 9. Januar 1859, als Tischendorf, gc-trieben von seiner nnermüdlichen Forschungslust und einer geheimnißvollen innern Ahnung, Wien verließ, um über Trieft und Korfu zunächst nach Alezaudrien und dann nach Kairo sich z» begeben. Er beschreibt uns zuerst seine Wahrnehmungen bis zu diesem vorläufigen Reiseziel. Innerhalb 8 Tagen wurde er aus der Temperatur des nordischen Jänner in die des deutschen Wonnemonds versetzt. Am Morgen des 16. Januar warf der Lloyddampfcr K a l k u t t a , auf dem der Reisende von Trieft aus befördert wurde, im ersehnten Hafen von Alczandrien die Anker, Es war Sonn»

t°3; die in Festkleidern den großen stattlichen europäischen Platz durch-wandelnden Franken und die ringsum auf den glatten Dächern der Eon-sulargebäude von Thürmchen hcrabflatternden Nationalflaggen bezeugten es;

bald hörte man sogar die Glocken der griechischen und englischen Kirche:

eine festliche Ueberraschung, wenn man es weiß, daß der mohamedanische Fanatismus so viele Jahrhunderte lang diese christliche Lnltusäiißeruug aufs Strengste verpönt hatte. Auch sonst offenbarte sich der ihm entgegentretende Fortschritt der europäischen Sitt?, der in Alexandrien während zweier Jahr-zehnde gethan worden. Auf dem Platz vor dem großen von einem Wür-temberger gehaltenen H ü w i ä'Oi'isnt überraschte nichts so sehr, als die fünfzig in der Mitte haltenden europäischen Kutschen und Droschken, groß»

tentheils mit schwarzen oder braunen Kutschern versehen,- während 15 Jahre früher eine solche Equipage zu den seltenen Bestandtheilen eines Consular-luzus gehörte. Von Alczandrien aus machte der Reisende einen Ritt nach der P o m p e j u s s ä u l e , „welche an Höhe und Stärke nur durch die präch»

tige, aus finnischem, rothem Granit gefertigte Alczandcrsäule vor dem Win-tcrpalast zu St. Petersburg übcrtroffen w i r d " ; dann einen Besuch bei den N a d e l n der K l e o p a t r a und bei den K a t a k o m b e n , diesen untcrirdi-schen Galerien von Felsengräbern einer großen Vergangenheit. — Bon

1 3 2 H. N. Hansen.

Alcxandrien ging es am 18. Januar bei einer Hitze von fast 2 0 ° R. auf der neu gebauten Eisenbahn bis K a i r o weiter, „Fünfzehn Jahre früher, sagt der Verf,, legte ich denselben Weg auf einer bescheidenen Nilbarke zu-rück; bei sehr günstigem Winde hatte ich am Abende des vierten Tages das Ziel erreicht, 1853 brauchte ich mit dem Dampfschiffe bei niederm Was-serstande 2 4 — 3 0 Stunden, Jetzt würde der Dampfwagen in fünf Stun-den zu demselben Ziele führen, nähme der Aufenthalt unterwegs, weil man in Aegypten die Zeit nicht ängstlich nach dem Zeiger der Uhr bemißt, nicht noch einige Stunden in Anspruch." Gegen 5 Uhr des Abends war die Stadt mit den zahllosen schlanken Minarets erreicht. Zwischen Stadt und Wüste begränzt dm Blick der weißliche M o k a t t a m , der da, wo er die Stadt beherrscht, die Citadelle sammt der Alabasternwschee Mohamed Ali's trägt; unfern von seinem Fuße ragen aus der großen Todtenstadt die run-den, turbanähnlichen Thürme der K h a l i f e n g r ä b e r hervor. Bei seinem Aufenthalt in Kairo gönnte sich der eifrige Forscher keinen Ausflug in eine seiner lockenden Nachbarschaften, sondern bereitete sich eifrigst auf seine Reise nach dem Sinai vor. Vor allem stand ihm der Sinai mit seinem Kloster, trotz des frühern zweimaligen Besuchs, wie ein Ziel vor Augen, das ihm

winkte, das ihn rief.

I n der Frühe des 23. Januar trat er nun diese Wanderung an, zuerst auf der Wüsteneisenbahn nach S u e z , das man auf den Flügeln der Loco'mlltivc nunmehr in fünf bis sechs Stunden erreicht, von da unter der sicheren Leitung eines Beduinenschachs auf dem Kameel, dem Schiff der Wüste, vollends bis an den S i n a i . Die ausführliche Erzählung von die-ser beschwerlichen, aber durch den Vorgang vor mehr als drei Jahrtausenden so merkwürdigen und folgenschweren Wanderung durch die Wüste, wobei der Verf. fortwährend vergleichend auf den Wanderzug der Kinder Israel Rücksicht nimmt, muß an den betreffenden Stellen des Buches selbst Seite 2 3 — 7 1 nachgelesen werden. Nur Eins fühlen wir uns gedrungen der Wichtigkeit der Sache wegen hervorzuheben, nämlich die Uebereinstimmung mit der Strauß'schen Ansicht über den Ort der Gesetzgebung. Auch Tischendorf spricht sich für die Echtheit des traditionellen Sinai aus, unter Zurückweisung der durch Lepsius vertretenen Hypothese, daß dem S e r v a l der Mosaische Ruhm zugehöre, und findet dieses Resultat durch das Studium der Oertlichkeiten und des Schrifttextes bestätigt, S . 108.

Nach der zum Theil sehr mühseligen Wanderung durch das schroffe

Konstantin Tischendorf: Aus dem heiligen Lande, 1 3 3 Felsengebirge der Sinaihalbinsel war der Reisende endlich am Fuße des Sinai selbst angelangt. Eine freundliche Aufnahme in das von griechischen Mönchen bewohnte Katharinenkloster bereitete demselben namentlich die ihn

Konstantin Tischendorf: Aus dem heiligen Lande, 1 3 3 Felsengebirge der Sinaihalbinsel war der Reisende endlich am Fuße des Sinai selbst angelangt. Eine freundliche Aufnahme in das von griechischen Mönchen bewohnte Katharinenkloster bereitete demselben namentlich die ihn

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