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Schon relativ früh war das Phänomen der Aufgasung bei Wiederkäuern bekannt. So veröffentlichte beispielsweise RIEM (1775) eine ausführliche Abhandlung, über das

„Aufblähen des Rindes“. Auch RIBBE (1822, S. 77) beschrieb diese Erkrankung, bei der es seiner Ansicht nach zu einer Ansammlung kohlensaurer Dunstluft im Pansen, durch eine mangelhafte Absonderung von Magensaft, kommt. HERING (1858, S. 49-53) dagegen sah als Ursache die Gärung von Futtermitteln in Haube und Pansen, wobei es unterstützend durch die Wärme und die Feuchtigkeit in den Vormägen zu einer Entbindung von Gasen kommen soll.

Sie bestanden nach seinen Untersuchungen aus Kohlensäure, Kohlenoxydgas, Schwefelwasserstoffgas (bei grünem Futter), Wasserstoffgas und Kohlenstoffgas (bei dürrem Futter). Diese für die klinische Veterinärmedizin wichtigen Befunde sollen nachfolgend jedoch nicht vertieft werden.

TAPPEINER untersuchte 1883 als erster die physiologisch entstehenden Gase im Pansen.

Nach der Tötung der Versuchstiere band er sofort die einzelnen Magen-Darmabteilungen ab, damit die enthaltenen Gase nicht entweichen konnten. Dann wurden die Gase bei kleinen Wiederkäuern in Quecksilber bei großen in gesättigter Kochsalzlösung aufgefangen. Bei einem zweiten Verfahren überließ er die Gase der weiteren spontanen Nachgärung und fing die neu gebildeten Gase auf. Die chemische Analyse (mit der Bunsenschen Gasanalyse) ergab, wie auch in der Tabelle 8 ersichtlich, bei einheitlicher Heufütterung auffallend gleichartige Gasverhältnisse; stets bildet Kohlendioxid die größte Fraktion, gefolgt von Methan.

Tabelle 8: Pansengase der Wiederkäuer nach Heufütterung (in Prozent der gesamten Pansengasbildung) (TAPPEINER 1883)

Rind Ziege I Ziege II Schaflamm

(saugend u.

Heuaufnahme)

Co2 - - 64,8 45,16

CO2u. H2S 65,77 61,55 -

-O2 0,19 - 0,70 0,71

H 0,19 3,56 0,60 4,69

CH4 30,55 30,74 32,00 34,24

N 3,99 4,0 1,90 15,20

Zudem führte TAPPEINER (1884) weitere Untersuchungen durch, bei denen er nach Beimpfungen zellulosehaltiger Nährböden mit Pansen- und Darminhalt ebenfalls die entstandenen Gase sammelte. Da diese Gase mit denen aus dem Panseninhalt selbst weitestgehend übereinstimmten, schloß er, daß es im Pansen in erster Linie zu einer bakteriellen Vergärung von Zellulose kommt, wobei CO2, CH4 und H2 entstehe; Eiweiße, Fette und Stärke dagegen sollen an der Sumpfgasbildung nicht wesentlich beteiligt sein.

Ungefähr zur gleichen Zeit beschäftigte sich auch LUNGWITZ (1892) mit diesem Thema.

Für ihn galt es herauszufinden, ob bei den verschiedenen Tympanien immer dasselbe Gasgemenge im Pansen vorhanden ist und welchen Einfluß die Nahrung auf die Zusammensetzung hat. Er stellte fest, daß die Blähungen nicht auf einer krankhaften

Veränderung des Vormagens beruhen, sondern durch die Beschaffenheit der Futtermittel entstehen. Zu dieser Thematik führte er einen Versuch bei einem knapp ein Jahr altem Bullen durch, dem er über zwei Tage immer genau das gleiche Futter verabreichte. Nach der sechsten Mahlzeit gewann er mit Hilfe eines Trokars das Pansengas und analysierte es. Dieser Versuch wurde mit unterschiedlichen Futtermitteln durchgeführt. Die Versuchsergebnisse ergaben, daß sich das Gasgemisch stets aus Kohlendioxid, Methan, Stickstoff, Sauerstoff und Schwefelwasserstoff zusammensetzte. Das Kohlendioxid machte stets den größten Anteil aus, jedoch richtete sich seine Quantität nach der Fütterungsart und Fütterungsmenge. Nach dem Kohlendioxid nahm das Methan den nächst größeren Prozentsatz ein. Der Schwefelwasserstoff war seiner Ansicht nach ein Produkt der Eiweißzersetzung, während Stickstoff und Sauerstoff Bestandteile der atmosphärischen Luft waren, die mit dem Futter abgeschluckt wurden.

Ein Jahr später veröffentlichte er Untersuchungen, bei denen es primär um die Gase bei der chronischen Aufblähung ging. Er analysierte in drei Fällen die Gase tympanischer Tiere mittels Trokarierung und stellte fest, daß die Gase in dem chronisch aufgeblähten Pansen stets dieselben waren wie im gesunden mit dem Unterschied, daß das Sumpfgas bei der chronischen Tympanie die größte Menge ausmachte. Bei der akuten Aufblähung dagegen stellte stets das Kohlendioxid den größten Anteil dar. Er folgerte aus diesen Ergebnissen, daß bei einer längeren Verweildauer der Gase im Verdauungstrakt das Sumpfgas an Menge zunimmt.

Das Verhältnis von Kohlendioxid zu Methan bei unterschiedlicher Fütterung untersuchte 1926 KLEIN bei trokarierten Schafen. Eine feste Beziehung konnte er nicht feststellen, die Werte schwanken in der Regel zwischen 1,5-4:1; wurde ein Futter über längere Zeit verabreicht, spielte sich in der Regel ein Verhältnis von 2:1 ein.

Über die aus dem Pansen absorbierten und dann exhalierten Gase soll in diesem Zusammenhang nicht referiert werden. Ihre Bedeutung für den Energiestoffwechsel bei Wiederkäuern wurde vor allem im Rahmen der Respirationsversuche erkannt (s.

HENNEBERG 1870).

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Die Angaben von TAPPEINER (1883/1884) und LUNGWITZ (1892), sowie die Werte von KLEIN (1926) über die Qualität und Quantität der Gase im Pansen stimmen auch mit unseren heutigen Kenntnissen (BREVES u. LEONHARD-MAREK 2000, S.350) überein.

4 Psalter

(Blättermagen/Buchmagen/Omasum)

Aufgrund seiner typischen Inneneinrichtung wird der Psalter auch Blättermagen genannt.

Seine kutane Schleimhaut bildet zahlreiche unterschiedlich große, mondsichelförmige Schleimhautfalten, die vom Dach des kugeligen Organs in das Innere hervorspringen. Diese unverwechselbare Struktur gab schon früh Anlaß zu Spekulationen über die Funktion. So schrieb HALLER 1756 dem Psalter eine aufsaugende und zerreibende Wirkung zu.

Nach VINKs (1779, S. 48-49) Vorstellungen dagegen sollen die Gefäße des Psalters in großen Mengen Flüssigkeiten abgeben, die sich mit den Ingesta vermischen und anschließend zwischen den Blättern wieder ausgepreßt werden.

Aufgrund ihrer Untersuchungen gingen TIEDEMANN und GMELIN (1826, S. 318-320) davon aus, daß der Psalter die Futtermassen auspreßt und die in den ersten beiden Vormägen gelösten Stoffe resorbiert. Da der Inhalt sauer reagierte, glaubten sie, daß der Psalter eine saure Flüssigkeit absondert. Auch GURLT (1865, S. 158) vertrat die Meinung, daß der Psalter Flüssigkeiten sezerniert. Er hielt dieses für sinnvoll, da diese aufgrund der großen Oberfläche der Psalterblätter gut in den Futterbrei eingebracht werden könnten.

Zur Untersuchung der Psalterwirkung ließ HAUBNER (1837, S. 153-164) einem Schaf Blut verabreichen. Nach dessen Tötung stellte er fest, daß das Blut nicht zwischen die Psalterblätter eingedrungen, sondern durch die Psalterrinne gelaufen ist. Die auspressende Wirkung des Psalters bewies er durch die Flüssigkeitsdifferenz des Hauben- bzw.

Psalterinhaltes. Auch beobachtete er einen Unterschied in der mechanischen Beschaffenheit des Hauben- und des Psalterinhaltes, was ihn veranlaßte, eine chemische Reaktion eines besonderen Sekrets des Blättermagens anzunehmen, die zu einer weiteren Auflösung der Pflanzenbestandteile führe.

Auch ELLENBERGER (1881) beschäftigte sich eingehend mit der Funktion des Blättermagens. Er stützte sich dabei im wesentlichen auf Versuche HAUBNERs (1837), der den Psalterinhalt gesiebt und dabei festgestellt hatte, daß der zum Labmagen hin gerichtete Futterbrei viel feinere Partikel aufweist, als der zur Haube hin gerichtete. Er folgerte, daß der Psalter eine Art Zerkleinerungsmagen darstellt. Zudem soll neben der Zerkleinerung im Psalter auch ein Austrocknen stattfinden, wobei die in den Futtermassen enthaltenen Flüssigkeiten durch ein Auspressen in den Kammern zu einem Abfließen gezwungen werden.

Die Untersuchungen, bei denen er Psalterschleimhaut abpräparierte, mit Glycerin übergroß, dieses 24 Stunden einwirken ließ und dann mit dem Filtrat unterschiedliche Verdauungsversuche vornahm, ergaben im Gegensatz zur Labmagenschleimhaut keine positiven Ergebnisse, woraus ELLENBERGER (1881) folgerte, daß diese Schleimhaut kein verdauendes Sekret produziert.

Die Kontraktionsfähigkeit des Psalters untersuchte WESTER (1926, S. 19-21). Zwar war eine endoskopische Untersuchung nicht möglich, doch glaubte er eine von der Schlundrinne sich fortpflanzende Kontraktionswelle über den Psalter zu fühlen. Diese soll sich der rückläufigen Kontraktionswelle des Pansens anschließen. Nach dieser Kontraktion fühlte er ein plötzliches Erschlaffen des Omasums, wodurch seiner Ansicht nach die Ingesta in den Psalter gesogen werden. Mit Hilfe kleiner unbeschwerter Ballons zeichnete er die Psalterbewegung auf, welche sich als eine über den Psalter ausdehnende peristaltische Welle darstellt. Die Kontraktionen des Psalter-Vestibulums sollen die Futtermassen in die Psalterblätter

hineindrücken, während die dann folgenden peristaltischen Kontraktionen der Psalterblätter das Futter langsam in Richtung Labmagen schieben.

CZEPA und STIGLER (1925) konnten bei ihren röntgenologischen Untersuchungen keine Kontraktion des Psalters beobachten. Nach der Eingabe von Kontrastmittel und der röntgenologischen Untersuchung fanden sie heraus, daß die Flüssigkeit – nicht wie HAUBNER (1837) behauptete – nur die Psalterrinne entlang fließt, sondern auch zwischen den Psalternischen.

MANGOLD und KLEIN (1927) führten eine Reihe von Versuchen durch, bei denen sie den Psalter direkt und indirekt über Nerven reizten. Sie beobachteten eine langsam einsetzende und zunehmende, gleichmäßig die gesamte Oberfläche ergreifende tetanische Kontraktion.

Ein plötzliches Erschlaffen, wie WESTER (1926) es meint beobachtet zu haben, konnten sie nicht feststellen, vielmehr sahen sie nach der Kontraktion eine langsam auslaufende Dilatation.

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Schon HALLER (1756) und VINK (1779) lagen mit ihrer Vermutung einer Flüssigkeits-resorption im Omasum richtig, was HAUBNER (1837) schließlich mit seinen Versuchen beweisen konnte, denn wie wir heute wissen (HILL 1976, S. 158), dienen die Psalterblätter aufgrund ihrer großen Oberfläche der Resorption löslicher Stoffe.

Auch ELLENBERGERs (1881) Ergebnisse, daß im Omasum keine nennenswerten chemischen Verdauungsprozesse vorkommen, stimmten mit heutigen Erkenntnissen (HILL 1976, S. 158) überein.

Mit Hilfe von Dehnungsstreifen zusammen mit Druckmessungen unter röntgenologischer Kontrolle konnte die Motorik des Psalters später untersucht werden (HILL 1976, S. 139). Sie ergaben, daß die motorische Aktivität in drei Phasen zu unterteilen ist. In der ersten Phase, die zusammen mit der zweiten Phase der Haubenkontraktion eintritt, kommt es zu einer Erweiterung der Hauben-Psalteröffnung und des Psalterkanals, was einen Druckabfall zur Folge hat und damit zum Übertritt von Nahrung in den Psalterkanal führt. Somit entsteht während der Kontraktion des dorsalen Pansensackes ein Saugmechanismus. In der dann folgenden zweiten Phase setzt die Kontraktion des Psalterkanals ein, wobei der Inhalt in den Psalterkörper gepreßt wird. In der dritten Phase kommt es zu einer isometrischen Kontraktion des Psalterkörpers ohne Verkleinerung, lediglich mit einem Druckanstieg, wodurch die Ingesta in den Labmagen treten. Diese Kontraktionen beginnen haubenwärts und schreiten labmagenwärts fort. Durch die isometrische Kontraktion findet zwischen den Psalterblättern eine Trennung von festen und flüssigen Bestandteilen statt. WESTER (1926) hatte also mit seiner Theorie insofern recht, als daß sich die Kontraktion von der Haube zum Labmagen ausbreitet und die Ingesta aus der Haube in den Blättermagen gesogen werden. Die weiteren Einzelheiten, wie er sich den Vorgang ansonsten vorstellte, müssen heute allerdings als falsch angesehen werden. CZEPA und STIGLER (1925) waren aufgrund der röntgenologischen Betrachtungsweise nicht in der Lage, die isometrischen Kontraktionen und die Kontraktionen des Psalterkanals zu erkennen. Was jedoch MANGOLD und KLEIN (1927) richtig gelang, als sie tetanische Kontraktionen beschrieben.

ELLENBERGER (1881) vermutete aufgrund der Anatomie des Psalters und seiner Blätter, sowie des Psalterinhaltes, daß der Psalter ein Zerkleinerungsmagen sei, doch bis heute konnte kein Nachweis für eine Eigenbewegung der Psalterblätter erbracht werden (HILL 1976, S.

141).

5 Labmagen

Bis 1930 gab es wenige spezielle Untersuchungen über den Labmagen, da man aufgrund der Anatomie davon ausging, daß er weitgehend mit dem einhöhligen Magen anderer Säugetiere übereinstimmt und sich die Versuchsdurchführung an anderen Haussäugetieren einfacher darstellte. Da der Hund damals das typische Modelltier war, wurden an ihm die meisten experimentellen Untersuchungen vorgenommen. ALEXY (1998, S. 41-64) liefert eine ausführliche Dokumentation dieser Ergebnisse, weshalb in diesem Kapitel ausschließlich auf die speziellen Untersuchungen bei Wiederkäuern eingegangen werden soll.