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3.2 Stoffwechsel 117

3.2.2 Bilanzuntersuchungen

Die Ende des 19. Jh., vor allem aber nach der Jahrhundertwende (1900) zunehmenden Bilanzversuche über Kalzium und Phosphor verfolgten primär das Ziel, den Bedarf beider Elemente insbesondere für laktierende Tiere zu erfassen, nachdem frühere Versuche vorrangig der Aufklärung der Osteomalazie gedient hatten (Tab. 18 und Tab. XI, Anhang).

Am Beginn stand BOUSSINGAULT (1851) mit seinen Versuchen an einer tragenden Kuh, dann folgten Versuche von HENNEBERG und STOHMANN (1859) über den Erhaltungsstoffwechsel bei ausgewachsenen Ochsen.

HART et al. (1909) kamen nach Bilanzversuchen bei laktierenden Kühen zu dem Schluß, daß der Stoffwechsel von Kalzium und Phosphor voneinander abhängig verläuft.

Einen entscheidenden Impuls für viele Bilanzversuche bei laktierenden Tieren gaben ANGERs (1898) Beobachtungen bei Kühen, die am Anfang der Laktation standen und trotz ausreichender Gehalte im Futter eine negative Ca-Bilanz aufwiesen. Dieser Befund wurde nachfolgend wiederholt bestätigt (Tab. 20).

Tabelle 20: Bilanzuntersuchungen bei laktierenden Wiederkäuern mit negativer Ca-Bilanz Jahr Autor Tierart und Laktation Untersuchungen und Beobachtungen 1898 ANGER Kühe in der Laktation

(ab der 22.

Laktationswoche)

neg. Bilanz bei unterschiedlichen Kraftfuttergaben

1909 HART et al. Kühe in der Laktation Versuch über 110 Tage, berechneter Ca-Verlust: ca. 10 g täglich

1911 FINGERLING Ziege in voller Laktation bei Ca- und P-armer Ernährung neg.

Bilanz, jedoch ohne Beeinträchtigung der Milchproduktion

1916 FORBES et al. 6 Holländische Kühe, Hochlaktation, über 20 kg/d Milchleistung

neg. Bilanz trotz Zufütterung von

Knochenmehl, Ca-Laktat und Ca-Chlorid 1921 HART et al. 5 Ziegen, laktierende

und trockenstehende

bei Haferstroh neg. Ca-Bilanz 1922b HART et al. Kühe mit einer

Milchleistung von 10-20 kg/d

neg. Ca-Bilanz bei normaler Fütterung (inkl. Timotheeheu)

1924 MONROE 8 Kühe, nach der Hochlaktation

neg. Ca- und P-Bilanz bei der

Verfütterung von proteinarmem Futter 1929 TURNER u.

HARTMAN

Kühe in Laktation neg. Bilanz, trotz täglicher Bewegung

Diese negativen Ca-Bilanzen, vor allem zu Beginn der Laktation, förderten weitere Untersuchungen, in denen durch Anreicherungen der Futtermittel mit Kalzium und Phosphor versucht wurde, die negativen in positive, oder wenigstens ausgeglichene Bilanzen zu verwandeln. So konnte FINGERLING (1911) bei einer Ziege in voller Laktation ein Gleichgewicht zwischen Ca- und P-Aufnahme und -abgabe durch Fütterung mit Heu, Sesamkuchen, Stärke und Kochsalz erzielen. Zudem fand er bei einer Ziege bei gleichbleibendem Futter und fortschreitender Laktation die Wandlung einer negativen Bilanz in eine positive. FORBES et al. (1916) gelang es dagegen nicht bei Kühen mit hoher Milchleistung, durch Zufuhr von Knochenmehl, Kalziumlaktat und Kalziumchlorid die negative Bilanz zu verändern. Daher zogen sie die Schlußfolgerung, daß die Tiere nicht in der Lage sind, die angebotenen Mineralstoffe ihrem Bedarf entsprechend auszunutzen.

Positive Ca-Bilanzen bei Kühen mit hoher Milchleistung erreichten die Forscher nur in Ausnahmefällen. HART et al. (1922a) beispielsweise versuchten dieses Ziel durch Zufütterung von Knochenmehl oder Ersatz des Thimotheeheus durch Luzernenheu zu erreichen. In beiden Fällen wurde die negative Bilanz allenfalls abgeschwächt. Kurz darauf gelang es HART et al. (1922b) jedoch, durch Verfütterung von grüner Luzerne bei einer Kuh mit einer täglichen Milchleistung von 20 kg eine positive Bilanz zu erzielen. Bei zwei Kühen, welche 39 bzw. 36 Tage nach dem Kalben eine Milchleistung von ca. 20 kg/d hatten, konnten MILLER et al. (1924) mit Hilfe von 150 g Knochenmehl ebenfalls ein positives Ergebnis erreichen.

Ungefähr zur gleichen Zeit wie HART et al.(1922b) berichteten auch FORBES et al. (1922) von einer positiven Ca-Bilanz bei Kühen im späten Laktationsstadium und bei Zufütterung von 60 g Kalziumphosphat und 60 g Kalziumkarbonat. Ähnliche Ergebnisse erzielten MILLER et al. (1925) bei ihren Untersuchungen an Kühen im zehnten Laktationsmonat mit einer täglichen Milchleistung von zehn Litern sowie MEIGS und TURNER (1925), die bei geringen Milchleistungen und Verfütterung hochwertiger Luzerne eine positive Bilanz erhielten, nicht jedoch bei Verfütterung minderwertiger Luzerne. Aus den verschiedenen, teils widersprüchlichen Ergebnissen ist abzuleiten, daß es um so schwieriger wurde bei Kühen eine positive Ca-Bilanz zu erzielen, je früher die Untersuchungen in der Laktationsperiode lagen und je höher die Leistung war.

Über eine negative Ca-Bilanz bei einer tragenden Kuh berichteten MEIGS et al. (1919). Für diesen schwer verständlichen Befund machten sie den Streß des Tieres während der Versuche verantwortlich.

MONROE (1924) vermutete als Ursache für eine geringe Ca-Resorption einen zu geringen Proteingehalt im Futter. Bei einem Bilanzversuch mit zwei Gruppen von Kühen, wobei die eine proteinarmes, die andere proteinreiches Futter zu fressen bekam, erzielte er eine positive Ca-Bilanz bei der Gruppe mit dem proteinreichen Futter (Kleeheu). In beiden Fällen war die P-Bilanz jedoch negativ.

LINTZEL (1931, S. 278) gelangte schließlich aufgrund der vorliegenden Untersuchungen zu dem Schluß, daß ein Ca- und P-Abbau aus dem Skelett zu Beginn der Laktation als physiologisch anzusehen ist, und daß dieses Defizit in der Trockenstehperiode ausgeglichen werden muß, da es sonst zu Schäden kommt.

Nach HENNEBERG und STOHMANN (1859) befaßten sich erst 70 Jahre später FORBES et al. (1929) mit dem Ca- und P- Stoffwechsel bei ausgewachsenen männlichen Tieren (Tab.

21).

Zusammenfassend liefert Tabelle 21 einen Überblick über die verschiedenen Versuchstiere und Motive der Ca- und P-Bilanzversuche.

Tabelle 21: Ca- und P-Bilanzversuche, Versuchstiere und Fragestellungen

Spezies Fragestellung Autoren

tragende Kühe Bedarf u.

Erhaltungsstoffwechsel

BOUSSINGAULT (1851), MEIGS et al.

(1919) laktierende Kühe Bedarf u.

Gesamtstoffwechsel

ANGER (1898), HART et al. (1909), FORBES et al. (1922), HART et al.

(1922a,b), MONROE (1924), MILLER et al. (1924), MEIGS u. TURNER (1925) laktierende Ziegen Einfluß von Ca- u.

P-armer Ernährung

HART et al. (1921)

laktierende Kühe Verwertung von Zulagen (Ca u./o. P)

FORBES et al. (1916, 1922), MILLER et al.

(1925/26a, b), ECKLES et al. (1926)

männliche Rinder HENNENBERG u. STOHMANN (1864),

DIAKOW (1913), FORBES et al. (1929)

Von den Interaktionen zwischen den Elementen Kalzium und Phosphor und der Verdauung organischer Futterbestandteile berichteten 1929 ZAYKOWSKY und LAGUTENKO sowie ZAYKOWSKY und PAWLOW. Sie konnten bei ihren Versuchen beobachten, daß durch Zugabe von Dikalziumphosphat die Verdaulichkeit der Nährstoffe geringgradig gesteigert wurde, Kalziumchlorid dagegen zeigte keine Wirkung und Kalziumkarbonat wirkte sich sogar negativ aus.

Den Einfluß einer Mg-Zugabe auf die Ca- und P-Retention untersuchten HAAG und PALMER (1928) sowie PALMER et al. (1928). Sie erkannten, daß Mg-Zulagen zu einem Verlust an Kalzium führen, wenn gleichzeitig der Gehalt in der Ration gering ist. Ist der P-Gehalt dagegen höher, reduziert sich der Ca-Verlust.