• Keine Ergebnisse gefunden

3.3 Außenpolitische Debatten der 1990er Jahre

3.3.6 Ostpolitik

Die demokratischen Veränderungen von 1989 bildeten die Grundlage für den Anfang der Ostpolitik als eines neuen Bereichs der polnischen Außenpolitik (Fedorowicz 2004: 15). Die bisherige starke Orientierung auf Moskau wurde deutlich geschwächt, während die Beziehungen zur Ukraine und anderen östlichen Nachbarn, die bis dahin fast ausschließlich für die Pariser Emigrationskreise von Interesse gewesen und vor allem in der Kultura56 diskutiert worden waren, allmählich Eingang in die polnischen außenpolitischen Debatten fanden.

55 Polen erhielt im Rahmen des Programms Foreign Military Financing als erstes Land militärische Unterstützung seitens der USA; 1994 wurde die militärische Zusammenarbeit vertraglich geregelt;

1998 gewährten die Vereinigten Staaten Polen ein Darlehen in Höhe von 100 Millionen USD für die Vorbereitung der polnischen Armee auf den NATO-Beitritt (ausführlich vgl. Stachura 2002: 137).

56 Die Redaktion der „Kultura“ setzte sich seit dem Beginn ihrer Arbeit im Jahr 1948 insbesondere für den polnisch-ukrainischen Dialog ein. Sowohl der Chefredakteur Jerzy Giedroyć als auch der „politi-sche Denker“ der Zeitschrift, Juliusz Mieroszewski, teilten in den Zeiten der 2. Republik mit Marschall Piłsudski die Idee einer Föderation Polens mit den östlichen Nachbarn. Nach dem Krieg wurden in den Pariser Emigrationskreisen die Grundlagen für eine polnisch-ukrainische Versöhnung und die

Die neue polnische Ostpolitik – die so genannte „zweigleisige“ Ostpolitik – entstand bereits zu Beginn des Jahres 1990. Diese vom damaligen Außenminister Krzysztof Skubiszewski entwickelte Konzeption setzte auf Kontinuität in den veränderten Beziehungen zur Sowjetunion und die gleichzeitige Entwicklung von Beziehungen zu den benachbarten Sowjetrepubliken (Fedorowicz 2004: 28-29; Burant 1996: 86). Ziel war es, eine Politik zu gestalten, die „ohne Moskau zu provozieren, den benach-barten Republiken zu verstehen gab, dass Polen ihre Unabhängigkeit in den beste-henden Grenzen befürwortet und sie als gleichberechtigte Partner behandelt“

(Hatschikjan 1999: 23).

Wegen seiner eher vorsichtigen Haltung in Fragen der Beziehungen Polens zum Osten wurde Krzysztof Skubiszewski in Polen häufig mangelnde Entschiedenheit vorgeworfen (Fedorowicz 2004: 24). Kritik übten auch einige westliche Entschei-dungsträger, die argumentierten, diese Politik schwäche die Position Gorbatschows (Gerhardt 2003: 105). Wenige Jahre später genoss die „zweigleisige“ Ostpolitik Polens als eine Grundlage für die „relativ ausgewogene polnische Linie über alle Re-gierungswechsel hinweg“ (Hatschikjan 1999: 23) allerdings immer größere Anerken-nung.

3.3.6.1 Die Beziehungen zu Russland

Die Neugestaltung der Beziehungen Polens zu Russland begann bereits vor dem Zerfall der Sowjetunion. In den Jahren 1989/1990 ging es neben dem Abschied vom

„Big Brother“ um den Anfang eines Dialogs. Offiziell begannen die Beziehungen Polens zur Russischen Föderativen Sowjetrepublik mit einem Besuch von Außenmi-nister Skubiszewski in Moskau, in dessen Verlauf am 16. Oktober 1990 eine Erklä-rung über Freundschaft und gute nachbarschaftliche Zusammenarbeit unterschrie-ben wurde. Diese stellte einen der ersten Bestandteile der „zweigleisigen“ Ostpolitik Polens dar (Fedorowicz 2003: 17). Von Anfang an war das polnisch-russische Ver-hältnis von einer gewissen Asymmetrie gekennzeichnet: War Russland für Polen der wichtigste Nachbar im Osten, spielte Polen – ähnlich wie andere Staaten Mitteleuro-pas – für Russland in dieser Zeit kaum eine Rolle (ebd.; Ciosek 2000: 47).

Eine deutliche Veränderung erfolgte in den bilateralen Beziehungen erst, als Polen offen seine Absicht bekundete, der NATO beizutreten. Dies rief auf der russischen Seite Widerstand hervor, der unter anderem in dem im November 1993 veröffentlich-ten Bericht „Perspektiven der NATO-Erweiterung und die Interessen Russlands“ zum

Ausdruck kam. Ziel dieses Papiers war es, die negative Haltung Russlands gegen-über der Aufnahme der mittel- und osteuropäischen Länder in die NATO zu vermit-teln. Seine überwiegend an den Westen gerichtete Argumentation betonte die Gefah-ren, mit denen eine derartige NATO-Erweiterung verbunden wäre. Demnach würde sie das Bedrohungsgefühl in Russland steigern und dadurch zu einer Aktivierung nationalistischer Kräfte sowie zu einer wachsenden Unzufriedenheit in der Armee beitragen. Des Weiteren würde sich die Aufnahme neuer Mitglieder in die Atlantische Allianz negativ auf die europäische Sicherheit auswirken. Neben der Isolierung Russ-lands seien daher das Ende des Gleichgewichts in Europa, das Eskalieren lokaler Konflikte sowie eine Wiederbelebung des deutschen Revisionismus zu befürchten (Menkiszak 2001: 187-188; Stadtmüller 2003: 36).

Das von den Vereinigten Staaten initiierte Angebot, die mittel- und osteuropäischen Staaten mit Hilfe des Programms „Partnerschaft für den Frieden“ an die NATO her-anzuführen, wurde in Moskau zunächst positiv aufgenommen, weil man darin an-fänglich eine Alternative zur Erweiterung sah57 (Menkiszak 2001: 190). Schnell wur-den die USA allerdings von Russland beschuldigt, taktisch zu agieren, um Zeit für eine Expansion in Richtung Osten zu gewinnen (Stadtmüller 2003: 36). Erst eine in-dividuelle Lösung für die Einbeziehung Russlands in Form eines Sonderstatus er-möglichte in dieser Frage einen Kompromiss (ebd.: 36-37).

Die absolute Eindeutigkeit der russischen Haltung gegenüber der NATO-Erweiterung lässt sich auf ein vom Realismus geprägtes Denken über internationale Beziehungen im Allgemeinen zurückführen. In seinem Rahmen ist das Gleichgewicht der Mächte und nicht ihre Zusammenarbeit die Grundlage für die nationale Sicherheit; die Staatsmacht wird individuell und nicht kollektiv gebildet, und die internationalen Be-ziehungen sind ein Nullspiel (Stadtmüller 2003: 39). Die Dominanz solcher Denk-strukturen im russischen Diskurs erklärt die eindeutige und entschiedene Position, die Russland in der Frage der NATO-Erweiterung einnahm, so dass sich die polni-sche Außenpolitik auch nach dem 1999 erfolgten Beitritt Polens mit dem Dilemma konfrontiert sah, einerseits die Beziehungen zu Russland normalisieren zu müssen und sich anderseits gleichzeitig für die langfristige Fortsetzung der NATO-Erweiterung auf Litauen und die Ukraine einzusetzen (ebd.: 57).

Wie bereits im Zusammenhang mit dem Mitteleuropa-Diskurs gezeigt wurde, kommt Russland in den polnischen außenpolitischen Debatten die Funktion eines „konstitu-tiven Anderen“ zu, das im Laufe der Jahre Wandlungen unterliegt. In der ersten Zeit nach dem Zerfall der Sowjetunion kristallisierte sich heraus, dass das heutige Russ-land im polnischen Diskurs den Platz des alten Imperiums einnimmt, wodurch eine historische Kontinuität hergestellt wird: Vom zaristischen Russland über die Sowjet-union bis zur Gegenwart stellt der russische Staat eine der wichtigsten Bedrohungen für den Erhalt der polnischen Staatlichkeit dar. Im Laufe der 1990er Jahre kann je-doch eine Evolution in der diskursiven Konstruktion dieser Bedrohung beobachtet werden, die im Rahmen der empirischen Studie genauer untersucht werden soll:

Ging es direkt nach der Wende um die imperialen Bestrebungen der Sowjetunion in Mittel- und Osteuropa, so stehen in den ersten Jahren nach ihrem Zerfall eher die Befürchtungen in Bezug auf die politische und gesellschaftliche Stabilität im post-sowjetischen Raum im Mittelpunkt der Diskussionen.

3.3.6.2 Die Beziehungen zur Ukraine

Anfang 1990 wurde das ukrainische Streben nach Unabhängigkeit in Polen aufgrund der bereits erwähnten Politik der Zweigleisigkeit zwar vorsichtig, aber mit großer Sympathie aufgenommen (Menkiszak/ Piotrowski 2002: 220). Die Vorsicht, die so-wohl die Regierung als auch der Staatspräsident an den Tag legten, ist u. a. auf die instabile Situation in der Sowjetunion zurückzuführen, wo die baltischen Staaten durch ihre Unabhängigkeitserklärungen mit Moskau in Konflikt gerieten (Fedorowicz 2004: 29).

In den Beziehungen Polens zur Ukraine können nach Fedorowicz (2004) in den 1990er Jahren vier Phasen unterschieden werden: Die erste umfasst den Zeitraum zwischen den polnischen Parlamentswahlen vom 4. Juni 1989 und der Unabhängig-keitserklärung der Ukraine am 24. August 1991. In diesen ersten Jahren ging es überwiegend um die Gestaltung des bilateralen Verhältnisses, die parallel zur Neu-formulierung der polnischen Außenpolitik und zur Ausarbeitung erster Konzeptionen für die neue Ostpolitik (vor allem der o. g. Formel der „Zweigleisigkeit“ von Außenmi-nister Skubiszewski) verlief.

Die zweite Phase im polnisch-ukrainischen Verhältnis nach der Wende beginnt mit der ukrainischen Unabhängigkeitserklärung, die in Polen zwar mit einer gewissen

Überraschung, aber auch mit Interesse und Freude aufgenommen wurde. Sie ist durch den Aufbau und die Intensivierung der politischen und wirtschaftlichen Bezie-hungen gekennzeichnet. Bereits zwei Tage nach der Unabhängigkeitserklärung, am 26. August 1991, betonte der Außenminister Skubiszewski in einer Erklärung den

„wohlwollenden Standpunkt Polens“ und kündigte eine schnelle Aufnahme konsulari-scher Beziehungen an. Wenige Tage später meldete sich das Parlament zu Wort und brachte in zwei Beschlüssen von Sejm und Senat die Freude über die ukraini-sche Unabhängigkeitserklärung zum Ausdruck (Fedorowicz 2004: 68-69). Die offi-zielle Anerkennung der Unabhängigkeit erfolgte am 2. Dezember 1991 und somit einen Tag nach dem ukrainischen Referendum, als die polnische Regierung als erste in der Welt die Ukraine als einen unabhängigen Staat anerkannte und über die Auf-nahme diplomatischer Beziehungen entschied (ebd.: 72). Einen Höhepunkt dieser Phase stellte der Polenbesuch des ukrainischen Präsidenten Leonid Krawtschuk dar, während dessen das Abkommen über gute Nachbarschaft, freundliche Beziehungen und Zusammenarbeit unterschrieben wurde. In der Folge dieses Besuchs, der im Mai 1992 stattfand und eine der ersten Auslandsreisen Krawtschuks war, nahmen die politische Zusammenarbeit und die Kontakte zwischen den Regierungen zu, und die polnische Premierministerin Suchocka sprach am 31. August 1993 sogar von einer

„strategischen Partnerschaft“ der beiden Länder. Ihre im Warschauer Zentrum für Östliche Studien gehaltene Rede zu diesem Thema fiel allerdings auf die letzten Tage ihrer Regierungsarbeit, denn bereits im September 1993 fanden die nächsten Parlamentswahlen statt, in deren Folge die Regierung Suchocka von einer post-kommunistischen Koalition abgelöst wurde (ebd.: 116).

Mit dem Regierungswechsel des Jahres 1993 begann eine neue Phase in den polnisch-ukrainischen Beziehungen, die bis zu den Präsidentschaftswahlen von 1995 andauerte und von einer gewissen Stagnation gekennzeichnet war. Bereits im März 1994 war in politischen Erklärungen statt von „strategischer Partnerschaft“ nur noch von einer „engen Partnerschaft“ die Rede. Ein wichtiger Grund für diesen Stim-mungswechsel war sicherlich der zunehmende Stellenwert der polnischen NATO-Aspirationen und die hierdurch hervorgerufene ukrainische Beunruhigung um die zu-künftige Bedeutung der Ostpolitik in der polnischen Außenpolitik.

Die Ende 1995 in Polen abgehaltenen Präsidentschaftswahlen, die nach Fedorowicz die vierte Phase der polnisch-ukrainischen Beziehungen der 1990er Jahre

einläute-Außenpolitik aus: Entgegen vieler Vermutungen bekundete der neue Präsident Alek-sander Kwaśniewski bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit Interesse am östli-chen Nachbarstaat und plädierte für die Bindung einer demokratisöstli-chen und sich wirt-schaftlich gut entwickelnden Ukraine an Europa (Kwaśniewski 1997). Parallel zu der aus den Bemühungen des polnischen Präsidenten resultierenden Verstärkung der bilateralen Zusammenarbeit nahm das internationale und vor allem das europäische Interesse gegenüber der Ukraine zu, was beispielsweise in einer gemeinsamen Erklärung der EU-Mitgliedstaaten zum Thema Ukraine vom Mai 1996 zum Ausdruck kam.

Insgesamt weist die Entwicklung der Beziehungen Polens zur Ukraine in den Jahren 1990-1999 eine Kontinuität der Ziele und ihrer Realisierung auf. Trotz eines schwie-rigen Beginns der Versöhnungsarbeit zwischen den beiden Gesellschaften, die auf-grund fest verankerter historischer Belastungen wie z. B. des Konflikts um den Fried-hof der „Lemberger jungen Adler“ (polnisch: Cmentarz Orląt Lwowskich)58 zum Teil sehr langwierig war, ist es im Laufe dieses Jahrzehnts gelungen, das Konzept einer

„strategischen Partnerschaft“ in der politischen Zusammenarbeit auch diskursiv durchzusetzen. Im Mittelpunkt der Diskussionen des Jahres 1999 standen daher eher praktische Fragen wie die Einführung einer Visumspflicht für ukrainische Bürger bei der Einreise nach Polen, die sicherlich die wichtigste Folge des damals in Vorbe-reitung befindlichen EU-Beitritts Polens für die polnisch-ukrainischen Beziehungen darstellte.

3.3.6.3 Die Beziehungen zu Belarus

Die Aufnahme der offiziellen polnisch-belarussischen Beziehungen verlief nicht ohne Schwierigkeiten. Nachdem der Versuch, während des Besuchs Skubiszewskis im Jahr 1990 eine Erklärung über die bilateralen Beziehungen der beiden Länder zu unterzeichnen, aufgrund diplomatischer Missverständnisse gescheitert war, gelang es erst ein Jahr später, ein solches Dokument zu verabschieden.

58 Die Frage des Wiederaufbaus dieses Lemberger Friedhofs für im polnisch-ukrainischen (1918/1919) und im polnisch-sowjetischen (1920) Krieg gefallene polnische Soldaten war noch lange Jahre nach der Wende sehr umstritten (Fedorowicz 2004: 206-210). Erst 2005 wurde der restaurierte Friedhof, der Teil des Lytschakiwski-Friedhofs ist, von beiden Staatspräsidenten eingeweiht (vgl. hier-zu ausführlicher Bedrychowska 2005).

Zu einem Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit kam es am 23. Juni 1993, nachdem Polen im Dezember 1992 die belarussische Un-abhängigkeit anerkannt hatte (Menkiszak/ Piotrowski 2002: 224). Diese schnelle Verbesserung des bilateralen Verhältnisses war u. a. dadurch möglich, dass es zu dieser Zeit praktisch keine Kontroverse in Bezug auf Minderheitsfragen gab59.

Wesentliche Meinungsunterschiede zwischen Polen und Belarus entstanden jedoch Anfang 1994, nachdem sich das offiziell neutrale Belarus dem Abkommen über die kollektive Verteidigung der GUS-Staaten angeschlossen und vehement die Osterwei-terungspläne der NATO kritisiert hatte. Zusammen mit der innenpolitischen Krise, dem Sieg Alexander Lukaschenkas bei den Präsidentschaftswahlen des Jahres 1994 sowie der zunehmenden Abhängigkeit Belarus’ von Russland führten diese Verände-rungen zu einer Verunsicherung der polnischen Seite, einer „Abkühlung“ im bilatera-len Verhältnis und einer Beschränkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit (ebd.:

228-229).

3.3.6.4 Die Beziehungen zu Litauen

Anfang der 1990er Jahre wurden die Beziehungen zu Litauen, das sich am 11. März 1990 für unabhängig erklärte, von Minderheitsfragen belastet. Die Spannungen resultierten vor allem aus dem zunehmenden Misstrauen der litauischen Entschei-dungsträger gegenüber der polnischen Minderheit60, deren Vertreter im Konflikt um die litauische Unabhängigkeit die Sowjetunion unterstützt hatten (Menkiszak/ Piot-rowski 2002: 246). Auch wenn es den Regierungen 1992 gelang, die ersten bilatera-len Abkommen abzuschließen, blieb das Verhältnis aufgrund von Konflikten um die Geschichte sowie um die aktuelle Lage der polnischen Minderheit in Litauen ange-spannt (Burant 1996: 97, Menkiszak/ Piotrowski 2002: 247). Erst nach den in beiden Ländern abgehaltenen Parlamentswahlen von 1993 konnten die Arbeiten zur

59 Als mögliche Erklärung kann an dieser Stelle angeführt werden, dass die polnische Minderheit in Belarus nur rund 4% der Gesamtbevölkerung darstellte und im Unterschied zu Litauen die polnischen Organisationen in Belarus die Unabhängigkeitsbestrebungen von Anfang an unterstützten (ausführli-cher vgl. Burant 1996: 88-89). Andere Autoren (Menkiszak/ Piotrowski 2002: 224, Palmowski 1994:

149) betonen allerdings, dass es durchaus Spannungen in diesem Bereich gab, die mit der Arbeit polnischer katholischer Priester in Belarus zusammenhingen: Während Minsk ihnen „Politisierung“

vorwarf, habe Warschau bestehende Hindernisse beim Praktizieren des katholischen Glaubens und beim Benutzen der polnischen Sprache kritisiert.

60 Die polnische Minderheit in Litauen umfasst ungefähr 270.000 Menschen, d.h. 7% der

Gesamtbe-Vorbereitung eines umfassenden Nachbarschaftsvertrages aufgenommen werden.

Trotz Protesten auf beiden Seiten wurde dieser am 26. April 1994 während des Be-suchs Lech Wałęsas in Vilnius unterschrieben (Menkiszak/ Piotrowski 2002: 247;

Widacki 1998: 153).

Der Nachbarschaftsvertrag markiert eine Zäsur im polnisch-litauischen Verhältnis.

Durch ihn wurden die Beziehungen zu Litauen zu einem integralen Bestandteil der Position Warschaus gegenüber den baltischen Staaten insgesamt, die seitdem nicht mehr von ethnischen und historischen Faktoren bestimmt wurde, sondern vielmehr vom Bestreben Polens, eine aktive Rolle innerhalb Mittel- und Osteuropas zu spie-len. Wirtschaftlich kam diese Politik bereits 1994 in der polnischen Unterstützung für den Beitritt des Baltikums zur CEFTA zum Ausdruck (Menkiszak/ Piotrowski 2002:

247). Einen anderen wichtigen Bereich der Zusammenarbeit bildeten in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre die Sicherheitsfragen: Nach seinem Beitritt zur NATO setzte sich Polen für eine Politik der „offenen Türen“ und für die Aufnahme der baltischen Staaten in die Allianz ein (ebd.: 245-246).