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Die Beziehung zwischen Ornament und Textilie zeigt sich in Brochs Die Schlafwandler auch am Kleidungsverhalten der weiblichen Figuren. Hier spiegeln sich ähnliche Themen wie im männlichen Kleidungsverhalten. Wenn Ruzena und Joachim sich für den sexuellen Akt entkleiden, verweist Ruzenas Ausruf „Mach das auf“ (44) nicht nur auf die Uniformkleidung des Pasenow, sondern auch auf die in Ruzenas Kleid eingenähte weibliche Uniform und setzt so die weibliche Korsage und die militärische Uniform in einen Dialog. Das Entkleiden der Korsage wirkt auch als ein „Gib weg das“ (44), als ein Akt des Ablegens und Befreiens. Ruzenas Kleid fungiert als weibliche Uniform, denn das hölzern-kantige Gepräge der militärischen Uniform überträgt Broch metaphorisch auf den aus Knochen und Fleisch bestehenden weiblichen Rumpf. Vor allem die Korsage und deren „Haften, die ihre Taille am Rücken“ (44) verschließen, engen den weiblichen Körper ein. Ruzenas empirisches Ich bleibt unter der Korsage in einem weiteren „Miedergehäuse“

(303) gefangen. Die Beschreibung ihres Körpers als eine Verteilung von „Fischbeine[n]“ (303) erinnert an die Form des traditionell in Walknochen gefassten Korsetts. Das Brechen dieser Fischbeine bebildert dabei auch einen gewalttätigen Akt von Joachim gegen Ruzenas Körper.130

Wenn Ruzena sich als femme fatale über das Korsett definiert, so tut es Elisabeth als femme fragile über die Spitze. Der geschlechtliche Verkehr mit der Figur der Elisabeth zeigt sich als Konfrontation mit einer auf dem Bett aufgebahrten Leiche und Nippesfigur, deren „Hand von

130 Diese Vergleiche zieht auch Ester Saletta, S. 317.

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einer Spitzenkrause am Gelenk eingefangen“ ist (Esch oder die Anarchie 174). Die Spitze wird zum Symbol des Geschlechtsverkehrs mit der imaginierten femme fragile. Dabei wird deutlich, dass auch die Spitze das eigentliche Ich der femme fragile einfängt und verdeckt. Einen Schutz kann die Spitze hingegen nicht bieten. Wenn die Spitze mit der Figur der Ruzena assoziiert wird, kann sie Ruzena in der Rolle einer fingierten Hausfrau keinen wirklichen Schutz bieten.

Der ornamental verzierte Proviantkorb von Joachim und Elisabeth wird zum Symbol „des ersten ehelichen Mahls“ (172) und einer als Monogramm stilisierten ehelichen Übereinkunft:

Ein kleines Wunder an Eleganz, das man ebenso auf der Reise wie auf der Jagd benützen konnte; die Elfenbeingriffe der Messer und Gabeln waren mit ornamentalen Jagdszenen geziert, die sich in den Ziselierungen der Metallteile fortsetzten und selbst der Spirituskocher war davon nicht verschont geblieben; zwischen den Ornamenten aber konnte man auf jedem Stücke die verschlungenen Wappen Elisabeths und Joachims erkennen (Pasenow oder die Romantik 172).

Das ornamentale Monogramm erinnert an die verschlungenen Arme von Elisabeth und Joachim und ihr aufgesetztes und distanziertes Eheleben, für welches der elegante und geschmückte Proviantkorb einsteht. Die Ironie der Ehe mit der wächsernen und durch Spitze verzierten Nippesfigur Elisabeth wird am Ornament des Proviantkorbs verdeutlicht, denn

„nichtsdestoweniger hatten sie nach etwa achtzehn Monaten ihr erstes Kind. Es geschah eben. Wie sich dies zugetragen hat, muß nicht erzählt werden“ (179). Es ist genau diese Übereinkunft zwischen dem mit Epauletten versehenen Joachim in militärischer Uniform und der femme fragile Elisabeth in pompöser Kleidung, welche „nach dem gelieferten Materialien zum Charakteraufbau“

(179) verschwiegen bleibt.

Als eine Mischfigur mit Nuancen der femme fatale tritt Mutter Hentjen auf der Reise nach St. Goar in ihrem braunseidenen Reisekleid auf, welches Esch mit den leicht grauen Sommerkleidern jünger Mädchen vergleicht. Eschs Objektivierung von Mutter Hentjen stilisiert sie zu einer Art Kleidungsaccessoire:

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Es war Zeit zum Zuge, und die Willenlose gehorchte seiner Aufforderung. Abwärts-steigend stützte sie sich schwer auf seinen Arm, und er trug den dünnen rosa Sonnenschirm geschultert: Weste und Rock baumelten daran. Ihr das Gehen zu erleichtern, öffnete er zwei Haften an ihrer hochgeschlossenen Taille, und Mutter Hentjen ließ es geschehen, stieß ihn auch nicht von sich, wenn Wanderer ihnen entgegenkamen; sie sah sie nicht. Ihr braunseidener Rock strich im Staub der Landstraße, und als Esch am Bahnhof sie auf eine Bank setzte und sie verließ, um seinen Durst zu stillen, saß sie wunsch- und hilflos da, wartend, daß er zurückkomme. [...] Kurz entschlossen schob er ihren Hut zurück, der mitsamt der Frisur nach hinten rutschend, ihr das Aussehen einer Betrunkenen verlieh. Die Seide ihres Kleides roch staubig und erhitzt; nur manchmal merkte man noch den feinen Lavendelduft, der noch in den Falten geblieben war (Esch oder die Anarchie 282).

Mutter Hentjen wird gleich einem dekorativen Objekt geschildert, das von Esch komplett abhängig ist und welches er gleich einem Kleidungsstück auf der Bank zurücklässt. Das Bild der wartenden Mutter Hentjen kombiniert Reise, Entfremdung und Objektivierung. Als „hagerer Ritter“ (415), bestückt mit dem „dünnen rosa Sonnenschirm“ (282), befreit er sie vom Ornament, indem er ihr symbolisch „zwei Haften an der Taille“ (282) öffnet. Mutter Hentjen pendelt in ihrer latenten Sexualität zwischen dem Mütterlichen und dem Femininen. Broch alterniert im Text zwischen der Bezeichnung ‚Mutter Hentjen‘ und ‚Frau Hentjen‘. Am Beispiel der Kleidung schildert Broch zwei Phasen dieser Figur: Die erste Phase schildert eine mütterliche Sexualität, die durch eine steife, unerotische äußerliche Schale zum Ausdruck kommt.

Sie war noch in morgendlicher Arbeitskleidung, hatte eine große blaue Kattunschürze dem Rocke vorgebunden, und auch das abendliche Mieder hatte sie noch nicht angelegt, so daß ihre Brüste wie zwei Säcke in der breitkarierten Barchentbluse lagen. Nur die Frisur saß als steifer und korrekter Zuckerhut über dem blassen, ausdrucksarmen Gesicht, dessen Alter man nicht anzugeben vermochte. Aber alle wußten, dass Frau Gertrud Hentjen sechsundreißig Jahre zählte und seit langer, langer Zeit – man hatte es erst kürzlich nachgerechnet, daß es sicherlich vierzehn Jahre sein mussten – Witwe nach dem Herrn Hentjen war, dessen gelbverblaßte Photographie zwischen dem Gewerbeschein und einer Mondlandschaft, alle drei in schönen, schwarzen, goldverzierten Rahmen, oberhalb des Eiffelturms prangte (Esch oder die Arnachie 185).

In der zweiten Phase bricht Esch die Starrheit der Erscheinung der Mutter Hentjen auf. Am Anfang von Esch oder die Anarchie wird die Haarfrisur der Mutter Hentjen mit einem steifen Zuckerhut

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verglichen. So ist es „[...] die blonde Frisur, die wie ein kleiner steifer Zuckerhut auf dem runden, schweren Schädel saß [...]” (185), die sie auszeichnet. Auf der Reise nach St. Goar streift Esch Mutter Hentjens Haar jedoch so zurück, dass ihre Frisur ihr das Aussehen einer Betrunkenen verleiht (282). Mutter Hentjen distanziert sich von der Erscheinung einer veralteten Witwe in rigider, unerotischer Kleidung ohne Korsett. Eschs Akt des Öffnens ihrer starren Verschalung an den „zwei Haften“ (282) ist beides ein Triumph über das Ornamentale und das Eröffnen ihres sexuellen Potentials.

In Esch oder die Anarchie erscheint die femme fatale Ilona als eine Mischform zwischen der Kokotte und der Schauspielerin. Halbnackt in ihrem nur leicht bekleidenden Kostüm führt Teltscher an ihr seine Schaustücke vor und evoziert dabei Reminiszenzen an Felix Saltens Wurstelprater (Saletta 137).131 Als Accessoire und Ornament der Tribüne wirkt Ilona als ein Objekt männlicher Begierde, das stets an Tanz und Musik gebunden bleibt. Als Schauobjekt und Handelsware übernimmt Ilonas Haut die textilen Qualitäten eines feinen international gehandelten Stoffes:

Also streichelte sie die Hände Ilonas und lobte deren Weiße, streifte ihr auch den Ärmel zurück und sagte, dass das Fräulein eine feine Haut habe, Balthasar möge sich überzeugen.

Balthasar legte die haarige Tatze darauf. Teltscher lachte und sagte, dass alle Ungarinnen eine Haut wie Seide hätten, worauf Erna, die auch nicht ohne Haut herumlief, erwiderte, dass es bloß auf die Pflege der Haut ankäme, und sie wasche ihr Gesicht täglich mit Milch.

Gewiß, sagte Gernerth, sie habe eine prachtvolle, geradezu eine internationale Haut (Esch oder die Anarchie 209).

131 Teltscher referiert über Ilona als ein tierisches Wesen, das für seine Schaustücke und die Schaulust der Zuschauer dressiert worden ist: „Teltscher lachte und sagte, dass alle Ungarinnen eine Haut wie Seide hätten“ (210). An diesem Punkt lassen sich auch wieder Nuancen zu Wedekinds Lulu erkennen, wenn Lulus animalistische Schönheit für das männliche Begehren ausgestellt wird und es wie folgt heißt: „Mit heißer Wollust und mit kaltem Grauen/die unbeseelte Kreatur zu schauen/ Gebändigt durch das menschliche Genie/ Hereinspaziert die Vorstellung beginnt!“; vgl. Frank Wedekind, Der Erdgeist. Tragödie in vier Aufzügen (Berlin Hofenburg, 2015), S. 7.

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Ilona ist Teil einer Inszenierung; sie wird begafft und behandelt wie ein für die Aufführung dressierter Käfer. In den Augen von Esch macht sie eine Wandlung von der schimmernden Schönheit eines Käfers auf der Tribüne zu einer Kreatur mit einem „aufgedunsenen Gesicht“ (224) und „schweren Tränensäcken, die voll Sommersprossen waren“ (209) durch, sobald sie die Tribüne verlässt. Der Wandel in Ilonas Erscheinung ist wiederum durch den Blick des Mannes bedingt. Erinnernd an das Bildnis von Nymphe und Satyre von Jean Antoine Watteau wird Ilona in ihrer Übereinkunft mit Korn wie folgt beschrieben:

Da sah er Ilona; sie ließ den vollen weißen Arm, der noch immer keine Messerwunden aufwies, über die Bettkante hängen, in ihrem etwas aufgedunsenen Gesicht lagen die schweren Tränensäcke, und sie schlief (Esch oder die Anarchie 224).

Ilona repräsentiert für Esch dessen gespaltene Subjektivität und ambivalente Wahrnehmung des exotisch Anderen. Dieser Blick des Mannes wird auch dann deutlich, wenn Erna Ilonas Erscheinung für Balthasar und aus einer männlichen Sicht beschreibt:

Also streichelte sie die Hände Ilonas und lobte deren Weiße, streifte ihr auch den Ärmel zurück und sagte, dass das Fräulein eine feine Haut habe, Balthasar möge sich überzeugen.

Balthasar legte die haarige Tatze darauf. Teltscher lachte und sagte, dass alle Ungarinnen eine Haut wie Seide hätten, worauf Erna, die auch nicht ohne Haut herumlief, erwiderte, dass es bloß auf die Pflege der Haut ankäme, und sie wasche ihr Gesicht täglich mit Milch.

Gewiß sagte Gernerth, sie habe eine prachtvolle, geradezu eine internationale Haut (Esch oder die Anarchie 209–210).

Gernerth beschreibt die anzügliche Haut von Ilona als eine von textiler Qualität. Dieser Fakt wird auch von Teltscher bestätigt, wenn er bemerkt, „dass alle Ungarinnen eine Haut wie Seide hätten“

(210). Die Wahl der Kleidung ergibt sich sowohl bei der böhmischen Animierdame Ruzena als auch bei der ungarischen Schaustellerin Ilona durch die momentane Rollenerwartung und die damit einhergehende sexuelle Fantasie des männlichen Beobachters Esch, der in diesem Fall durch ein Poster der Hapag Loyd und projizierte Imaginationen, den Messerwurf und das Frauenwrestling nach Amerika zu exportieren, von Fantasien heimgesucht wird. Innerhalb sexuell

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vordefinierter Kleidungsparameter ist es Frauen überlassen, sich selbst zu inszenieren. Als Muse inspiriert Ilona die männlichen Fantasien nur indirekt und übernimmt keine aktive oder eigenständige Funktion, sondern bleibt stets in einer passiven Haltung.

Im dritten Teil der Schlafwandler-Trilogie stellt Broch am Stilbegriff der Neuen Sachlichkeit noch einmal zur Schau, dass Nacktheit ohne Ornament nicht mehr erotisch wirkt.

Broch beschreibt die Zeit von Anti-Erotik, Tod und Hölle als eine Zeit, die einen Stil produziert, der kein Ornament mehr tragen kann. An Hanna Wendling illustriert Broch diese Erscheinungsform einer nichtornamentierten Weiblichkeit. Hanna erscheint entweder bekleidet oder nackt und setzt sich sowohl von der bekleideten femme fragile als auch von der halbnackten femme fatale ab. Sie lebt nur für die Mode. Sowohl ihr Vorname als auch ihr Nachnahme verweisen auf Wiener Modegeschäfte zur Zeit des fin de siècle (Broch, Teesdorfer Tagebuch 217). Wie bereits McGaughey hervorhebt (McGaughey 60), liest Hanna die Zeitschriften The Studio, Interior Decoration, German Art and Decoration und English Period Furniture und verbindet im Dialog ihre erotische Auffassung der Ehe mit Design- und Stil-Problemen und den Debatten zur Ornamentik:

[…] vielleicht sah jeder von ihnen ein anderes Firmament, sie beide verschlossen wie ihre Augen, ein jeder in seiner Einsamkeit, und dennoch vereint in dem Wiederkennen der Körper, die zum endlichen Kusse sich fügten, […] lasziv in der Deutlichkeit des Geschlechts, dennoch keusch in dem Schmerz nie endendwollender Fremdheit, die von keiner Zärtlichkeit mehr aufgehoben werden kann (Huguenau oder die Sachlichkeit 522).

Bar, unerotisch und narzisstisch stellt Broch diese Frau als einen Typus vor, der jeglicher ethischer und künstlerischer Impulse beraubt bleibt. An die Tradition Weiningers anknüpfend, werden Frauen komplett degradiert und reduziert zu einem leeren Ornament, das völlig von dem Blick des Mannes abhängig ist. Broch zeigt die ungeschmückte Weiblichkeit durch Hanna, die bei ihm entweder ganz angezogen oder nackt erscheint. Nie erscheint sie nur durch ein Ornament bestückt

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und damit den männlichen Blick anlockend. Auch erscheint sie nie halbnackt, was sie von der femme fatale und der stets komplett bekleideten femme fragile unterscheidet. Hanna ist, wie McGaughey hervorhebt, ein Produkt des Jugendstils und erscheint ohne Accessoire oder Korsett (Broch, Die Schlafwandler 60–61). Für Broch bleibt sie schließlich nur ein Produkt ihrer Zeit und eine „Unbekleidete Goya“ (Huguenau oder die Sachlichkeit 522), an welcher die verschiedenen kunsthistorischen Etappen ablaufen. Als Zeichen für eine funktionale Kleidung dient ihr kurzer Rock, der nur bis zu ihren Knöcheln reicht. Das entkleidete Bein ist nicht nur Thema in Lou Salomes und Ernst von Wolzogens Texten, sondern auch in den Artikeln von Allesch, die die Inspiration für Hanna war. Praktische und funktionale Kleidung war gefragter als traditionell repräsentative. Der weibliche Sport wurde bekannter: Reiten, Fahrradfahren und später Autofahren forderten mehr Flexibilität in der weiblichen Mode. Im Sinne von Loos spiegelt Hanna die Funktionalität und die Abwesenheit des Ornamentes im modischen Erscheinungsbild der Frau wider.

Zwar schildert Broch in Die Schlafwandler am Kleidungsverhalten seiner Figuren einen epochalen Zerfallsprozess, jedoch ist das Thema damit noch lange nicht erschöpft. Es gibt zahlreiche Hinweise auf die Textilwirtschaft. Aufgrund seines Berufes als Spinner und Weber ist ihm die Verbindung zwischen Textgewebe und Textilgewebe so vertraut, dass er das Motiv der Kleidung nicht nur im Zusammenhang mit einem epochalen Wertezerfall sieht, sondern auch mit dem Akt des Schreibens in Verbindung setzt. In einem Brief an Abraham Sonne beschreibt Broch, wie er sein Gedicht „Dantes Schatten“ in unmittelbarer Verbindung zum Wiener Textilviertel und dessen Textilisten sieht (Broch, Essayistische 175). Durch die Metapher des Webens setzt Broch in seinem Brief an Sonne alles Literarische und Dichterische in den Bezug zu Kleidung und Entfremdung (Lützeler, Sonne 148).

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Am Kleidungsverhalten der Gesellschaft demonstriert Broch in Die Schlafwandler nicht nur historische Etappen eines epochalen Zerfallsprozesses, sondern auch den Unterschied zwischen Dekoration und Ornament. Dekoration meint ein attachiertes Nichts, das sich nicht dem Funktionswert eines Stilkonzeptes unterordnet. Das Ornament hingegen ist als Differential einer Stilfunktion notwendig. Kunst kann ohne Ornamentik nicht bestehen, da das Ornament als eine Synopsis für den Stil einer ganzen Epoche steht. Diese Disposition zum Ornament zeigt sich nicht nur in der Architektur, im Tanz, im Kampf und in der Musik, sondern auch in der Mode. Die Darstellung der Mode in Brochs Die Schlafwandler untermauert seinen Versuch, den Zerfall einer Gesellschaft zu zeigen, die an alten Wertekategorien festhält. Broch bezieht sich auf Riegl, Semper und Worringer und formiert einen ganz eigenen Stildiskurs, in welchem sich ein in der Mode stattfindender Zerfallsprozess spiegelt. Kleidung dient in Die Schlafwandler nicht nur als ein Motiv, sondern dekodiert den Erzählkorpus in seinen historischen, sozialen und genderspezifischen Auffächerungen. Uniforme Kleidungsformen werden zivilen Kleidungsformen entgegengestellt und dokumentieren einen gesellschaftlichen Zerfallsprozess im Zuge der zunehmenden Deuniformisierung und Demokratisierung. Das weibliche Kleidungsverhalten zeigt Brochs Haltung zu verschiedenen Frauentypen und deren Rollenerwartung in der Gesellschaft. Umbrüche und Erwartungen am Kleidungsverhalten unterschiedlicher Frauentypen werden anhand der weiblichen Mode geschildert. Broch setzt die historischen Entwicklungsmomente in der männlichen und weiblichen Mode als Kenner der Industrie bewusst ein, um einen epochalen Zerfallsprozess zu illustrieren. Durch die Mode fügt sich Brochs Identität als Textil- und Textschaffender zu einem Ganzen zusammen. Sein Leben als Schreibender und Textilfabrikant verbindet damit zwei unterschiedliche Schaffenswelten in einem Dialog miteinander.

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