• Keine Ergebnisse gefunden

1.1 Biosensorik

1.1.2 Nukleinsäurehybridisierung

Voraussetzung für ein Verständnis der Nukleinsäurehybridisierung ist die Kenntnis vom Aufbau des Trägers der genetischen Information. Watson und Crick haben die Struktur der DNA-Doppelhelix 1953 aufgelöst (Watson & Crick 1953). Zwei anti-parallel verlaufende DNA-Einzelstränge (S1 und S2) können aufgrund der Basenpaarung zwischen Adenin und Thymin bzw. zwischen Guanin und Cytosin (Watson-Crick-Basenpaarung) und der hydrophoben Basenstapelungswechselwirkung zur DNA-Doppelhelix (D) assemblieren.

Erhitzen eines Doppelstranges führt zum Aufbrechen der Doppelhelix und beide DNA-Einzelstränge werden getrennt (Denaturierung). Die Temperatur, bei der 50% der DNA im einzelsträngigen Zustand vorliegen, bezeichnet man als Schmelztemperatur Tm. Ein erneutes Abkühlen ermöglicht die erneute Ausbildung der komplementären Basenpaarung und somit die Bildung der doppelsträngigen DNA (dsDNA). Dieser Prozess wird als Hybridisierung bezeichnet. Die Hybridisierung hängt von einer Vielzahl von Parametern, wie Temperatur, Ionenstärke, pH-Wert und der Reaktionszeit

ab. Die Parameter der Nukleinsäurehybridisierung in Lösung wurden ausführlich untersucht (Cantor & Schimmel 1980). Es wurde gezeigt, dass die Hybridisierung von zwei DNA-Strängen in zwei Phasen abläuft. Im ersten Schritt kommt es zur Ausbildung doppelsträngiger Bereiche zwischen einigen Basen (nucleation). Hieran schließt sich eine sehr schnell verlaufende zweite Phase an, bei der der Rest des Doppelstranges gebildet wird (Wetmur & Davidson 1968). Je kürzer die Nukleinsäure-Stränge sind, desto früher kommt es zum Zusammenstoß und zur Ausbildung des Assoziationskomplexes.

1.1.2.1 Thermodynamische Aspekte der Nukleinsäurehybridisierung

Die thermodynamische Stabilität einer DNA-Doppelhelix wird in der Regel als die Schmelztemperatur angegeben. Diese ist abhängig von der Länge des Oligodesoxyribonukleotids (ODNs), der Sequenz und der Zusammensetzung des Lösungsmittels. Die Berechnung des Tm-Wertes von DNA-Doppelsträngen erfolgt mittels der so genannten nearest neighbour-Methode (Breslauer et al., 1986). Sie beruht auf der Beobachtung, dass die Schmelztemperatur nicht nur von der Basenzusammensetzung, sondern auch von der Sequenz des ODNs abhängt (SantaLucia, Jr. 1998). Dabei wird die Gibbssche freie Energie bei einer bestimmten Temperatur T anhand der Gleichung (2.1) bestimmt.

0 Ableitung aus der van‘t Hoff-Gleichung die in Gleichung (2.2) dargestellte Beziehung zwischen Schmelztemperatur Tm [°C] und den thermodynamischen Parametern ableiten (SantaLucia, Jr & Hicks 2004). Dabei bezeichnet R die allgemeine Gaskonstante (1,9872 kal/K×mol) und cT die DNA-Konzentration [mol].

15

Verschiedene Faktoren beeinflussen die Stabilität des DNA-Doppelstranges. Je höher der Gehalt an GC-Basenpaaren in einem Duplex ist, desto stabiler wird er. Grund dafür ist nicht nur die zusätzliche Wasserstoffbrücke pro GC-Basenpaarung, sondern auch die verbesserte Basenstapelung bei GC-Nachbarn (Protozanova et al., 2004). Auch die Art der Nukleinsäure hat einen Einfluss auf die Stabilität des Doppelstranges. Ist mindestens ein Assoziationspartner RNA, so erhöht sich die Stabilität des Nukleinsäure-Doppelstranges aufgrund des kompakteren Aufbaus der Helix (Sugimoto et al., 1995).

Dieser kommt durch geringere tilt-Winkel (Winkel der Längsachse des Basenpaars zur Senkrechtachse der Helix) der RNA zustande. Bei Nukleinsäure handelt es sich um einen Polyelektrolyten. Der Einfluss der Salzionenkonzentration auf die Ausbildung eines Duplexes besteht in der Abschirmung der negativen Ladungen des Phosphatrückgrates (Granot 1983). Das Verhalten eines ODNs wird durch die Fixierung an eine Oberfläche sterisch eingeschränkt. Die Konformation der auf einer Elektrode

immobilisierten DNA-Doppelhelix ist abhängig von der Stärke der Wechselwirkung zwischen Elektrodenoberfläche und dem DNA-Strang. Auf einer positiv-geladenen Oberfläche wurde bevorzugt eine asymmetrische nicht-helikale DNA-Doppelhelix-Konformation gefunden (Lemeshko et al., 2001).

Nach Anpassung der nearest neighbour-Methode durch die Verwendung einer Langmuir-Isotherme ist es möglich eine direkte Korrelation zwischen der freien Energie in Lösung und der Hybridisierungsintensität für immobilisierte DNA herzustellen (Weckx et al., 2007). Die optimale Hybridisierungstemperatur liegt für DNA/DNA-Duplexes 15 – 30°C, für RNA/DNA-DNA/DNA-Duplexes 10 – 15°C unterhalb des Schmelzpunktes (Nygaard & Hall 1964). Bei der Analyse von einzelnen Fehlbasenpaarungen ist eine stringente Wahl der Hybridisierungstemperatur entscheidend. Wallace et al. (1979) verwendeten DNA-Stränge mit einer Länge von 14 – 20 Basen und stellten einen um bis zu 5°C reduzierten Tm-Wert bei einer einzelnen Fehlbasenpaarung fest. Eine einzige Fehlbasenpaarung wirkt sich in kurzen Sequenzen stärker auf den Tm-Wert aus als in längeren Sequenzen, was zur Detektion von Einzelnukleotidpolymorphismen (single nucleotide polymorphisms, SNPs) genutzt werden kann (Kwok 2001).

1.1.2.2 Kinetik der Hybridisierung

In Lösung kann die DNA-Hybridisierung zweier DNA-Einzelstränge S1 und S2 zu einem Doppelstrang D als Reaktion zweiter Ordnung betrachtet werden.

Unter der Annahme, dass die beiden Einzelstränge S1 und S2 in gleicher Konzentration vorliegen und dass die Dissoziationskonstante koff wesentlich kleiner als die Assoziationskonstante kon ist, gilt nach Integration Gleichung (2.2).

t sich die Hybridisierungszeiten für zwei DNA-Einzelstränge in Lösung abschätzen. Bei Festphasen-gebundenen Sonden dagegen reduziert sich die Hybridisierungsrate um den Faktor fünf bis zehn. Bei einem Überschuß an Probe verläuft die Reaktion annähernd erster Ordnung (Young & Paul 1973). Die Gleichung (2.3) zeigt den Zusammenhang zwischen Hybridisierungszeit t1/2 [sek], zu der 50% Probe (Probenlänge L [bp] und Probenkonzentration c) mit immobilisierten Fängersonden reagiert haben (Meinkoth &

Wahl 1984; Wetmur & Davidson 1968).

Dabei bezeichnet N die Komplexität der Probe (N ≡ L für eine Probe ohne repetitive Sequenzen) und Kn die Reaktionskonstante (Kn = 3,5 x 105 für Na+-Konzentrationen im Bereich von 0,4 bis 1,0 M, pH 5,0 – 9,0 und einer Hybridisierungstemperatur von 25°C unter dem Tm).

Auf Grundlage experimenteller Daten zeigten Berechnungen der Hybridisierungsrate auf Oberflächen weiterhin, dass die Hybridisierungsgeschwindigkeit von der Diffusionsrate, der Immobilisierungsoberfläche und der Anzahl der Bindungsstellen abhängt (Ekins 1998; Hagan & Chakraborty 2004; Carletti et al., 2006; Batchelor-McAuley et al., 2009). Hier wird die Bedeutung der Miniaturisierung von Biosensoren ersichtlich, da ein kleineres Hybridisierungsvolumen die Diffusionsrate und kleinere Elektroden die Immobilisierungsfläche verringern, was Hybridisierungsbedingungen ähnlich denen in homogenen Lösungen schafft (Janasek et al., 2006). Schnellere Hybridisierungskinetiken können auch mit Dextransulfat oder Polyethylenglykol erzielt werden. Dieser Effekt beruht auf der Fähigkeit dieser Substanzen, Wasser zu binden, ohne aber gleichzeitig auch Makromoleküle eindringen zu lassen, was zu einer Erhöhung der effektiven Konzentration der Sonde und damit zur Beschleunigung der Hybridisierungsrate führt (Ku et al., 2004). Die sterische Freiheit immobilisierter DNA-Fänger muss gewährleistet sein, damit eine effiziente Hybridisierung stattfinden kann.

So konnte durch Modellierungsversuche gezeigt werden, dass bei zu hoher Fängerkonzentration das Zielmolekül nicht mehr vollständig an ein einziges immobilisiertes Fängermolekül binden kann, sondern gleichzeitig an mehrere Fängermoleküle bindet (Jayaraman et al., 2007).