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Notationssysteme – Texte und Signaturen

Dispositive und Entwurfstechniken

6.  Entwurfstechniken und zeichnerisches Wissen

6.3  Notationssysteme – Texte und Signaturen

Für die Architekturzeichnungen sind Bezeichnungen und Maßangaben ein Regel- und kein Sonderfall. Berechnungen, erläuternde Kommentare, Titel oder in Legenden aufgeschlüsselte Zahlen unterliegen dabei den operativen Anforderungen der jewei-ligen Zeichnung und sind demnach primär funktional bedingt. Es bietet sich an, die Notationssysteme der Architekturzeichnung hier im Rückgriff auf den in der Lite-raturwissenschaft geprägten Terminus der »Paratexte« zu definieren,483 insofern die

482 Dieser Befund deckt sich auch mit den Ergebnissen für die Niederlande. Siehe Gerritsen, Zeventiende-eeuwse architectuurtekeningen (wie Anm. 22), 229.

483 Dazu Gérard Genette, Paratexte. Das Buch vom Beiwerk des Buches, Frankfurt a.M. 1989.

Abbildung 56: Simon Hoffmann, Burg Stollberg, Grundriss der mittelalterlichen Ringburg mit schwarzer Lavierung, 1615.

Abbildung 57: Simon Hoffmann, Burg Stollberg, Grundriss des ersten Umbauentwurfes der mit-telalterlichen Ringburg ohne Lavierung, 1615.

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dargestellten Architekturen durch spezifische und unterscheidbare Texte strukturiert werden. Graphisch abstrakte orthogonale Darstellungsmodi wie Grundriss und Schnitt weisen öfter Kommentare auf als perspektivische Ansichten, die qua ihrer Bildhaftigkeit gelesen werden können. Besonders dichte Texturen von Schrift und Zahl finden sich in den Raumfunktionszeichnungen oder Systemskizzen,484 die Bezeichnungen nicht nur zur Lokalisierung und Definition von Räumen verwenden, sondern auch baufunk-tionale Angaben zu unterschiedlichen Fenstertypen oder zur Anzahl der benötigten Treppenstufen enthalten. Sofern Zeichnungen im Kontext administrativer Vorgänge in den Reichsstädten aufbewahrt wurden, finden sich auf den Blättern oftmals zahlreiche sekundäre Auf- und Beischriften, Ordnungsziffern, oder aber auch fingierte Titel wie Zuweisungen zu einem Urheber (vgl. Abb. 137). Hierbei ist des Weiteren zu unterschei-den, ob die Bezeichnungen auf dem Blatt vom Urheber selbst stammen, also intentional zur Wissensvermittlung mitkonzipiert sind, oder ob es sich um sekundäre Kommentare handelt, in denen etwa während eines Entwurfsprozesses vorzunehmende Korrekturen oder Ergänzungen angemerkt wurden. Neben zwangsläufig auch kontingenten persönli-chen Notaten auf einer Zeichnung, die auch durch die Wiederverwendung von Blättern bedingt sein können,485 sind es jedoch vorrangig die in Form von Titeln, Signaturen und Notaten gestalteten Bezeichnungen, die das Dargestellte in einer systematisierenden Ordnung erläutern und damit Bestandteil der Bildlichkeit von Zeichnungen sind.

Titel finden sich in der Regel auf sogenannten Präsentationszeichnungen. So sind die Zeichnungen Paul Buchners zum Dresdner Stallhof wie auch der Dresdner Stadt-plan mit mehr oder weniger ausführlichen Titeln versehen (Abb. 60).

484 Siehe hierzu ausführlich Kap. 7.1.

485 Etwa bei den Zeichnungen von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel. Vgl. hierzu Kap. 11.2.

Abbildung 58: Simon Hoffmann, Burg Stoll-berg, Grundriss des dritten Umbau ent-wurfes der mittelalterlichen Ringburg ohne Lavierung, 1615.

Abbildung 59: Anonymus, Schloss Sankt Johannis in Nürnberg, Grundriss des Souterrains mit Bestand in Rot und Änderungen in Blau, 1649.

Abbildung 60: Paul Buchner, großer Pergamentplan der Stadt Dresden, 1591.

Diese sind zudem, wie auch alle weiteren Bezeichnungen, durch einen Schreiber in Kanzleischrift ausgeführt. Der kurze kalligraphisch gestaltete Titel des Dresdner Per-gamentplans, »Grundtriß des ganzen Plazes der Churfurstlichen Vhestunng Dreßdenn Mit vleiß gemessen Wie alle Cassumaten Berge Pasteien und Streich währen sambt allen Gebeuden in grundt liegenn«, gibt sowohl Auskunft über den Darstellungsmo-dus, die dargestellten Objekte als auch den zentralen Hinweis, dass den im Plan ver-zeichneten fortifikatorischen wie städtischen Bauten eine Vermessung vorausgegangen

6.3 Notationssysteme 133

ist. Das Augenmerk legt die Betitelung explizit auf die Fortifikation, indem detailliert auf »alle Cassumaten Berge Pasteien und Streich währen« abgehoben wird. Angaben zum Urheber wie zum zugrunde gelegten Maßstab werden als technische und sekun-däre Informationen an gesonderter Stelle und in kleinerer Schrift notiert. Ein weiterer, im gleichen Maßstab gezeichneter Plan der Dresdner Befestigung von Paul Buchner ergänzt die klassifizierende und lokalisierende Betitelung »Grundt Riess der Vhestung Dresden« um erläuternde Aspekte, die die Zeichnung hinsichtlich ihrer Funktion in der Vermittlung der adäquaten Bestreichung konkretisieren (Abb. 61): »wie diese Zeitt die gantze Circumferentia mit dem grossen geschütz kan vorstrichen werden«. Auch hier sind Titel, Bezeichnungen und weitere Notate in Kanzleischrift ausgeführt sowie unterhalb des Maßstabs die Signatur Buchners verzeichnet.

Derartigen sachfunktionalen Kontexten, die in den Titeln explizit gemacht wer-den, lassen sich andere Strategien gegenüberstellen, die die Lesart des Dargestellten als repräsentative Objekte einer Erinnerungskultur vorstrukturieren. Programma-tisch lässt sich dies anhand der von Hans Bien gefertigten Zeichnungen von Herren-sitzen des Nürnberger Patriziats ausmachen (Abb. 62).486 So ist eine Steilaufsicht des Kraftshofs der Familie Kreß mit »Herensiz zu Krafftshoff der Kressenstain genant von Friedrich Kressen A°.1291. gebaut worden« betitelt. Folgt in der Betitelung zunächst eine rein faktische Lokalisierung und Benennung, so wird im Weiteren auf die

His-486 Fleischmann (Hg.), Der Nürnberger Zeichner (wie Anm. 257), bes. 147–153.

Abbildung 61: Paul Buchner, Plan der Befestigungsanlage Dresdens, um 1589.

Abbildung 62: Hans Bien, Herrensitz Kraftshof, Steilaufsicht, um 1629.

torizität und Anciennität des Herrensitzes durch seinen Gründer abgehoben. Der Titel übernimmt einerseits eine konventionelle Lokalisierungsfunktion, andererseits eine Memorialfunktion, indem die in der Zeichnung nicht sichtbare Geschichtlichkeit ebenso wie die nicht mehr vorhandene mittelalterliche Baustruktur in das Medium der Schrift transponiert wird. Gleiches gilt für den Titel der Zeichnung zur Georgskirche des Kreßschen Herrensitzes (Abb. 63).

Auch hier folgt nach der Verortung ein genealogischer Bezug, der die Altehrwür-digkeit des ersten Stifters hervorhebt: »Die Kirchen zu Krafftshof ist von hern Fried-rich Kressen dem Eltern gestifftet und A°. 1315 in St. Georgen Ehr geweyhet worden.«

Die Titel der als Serie angelegten Zeichnungen entfalten somit eine Narration, die die Historizität der repräsentierten Ortsspezifik in ihrer Bedeutungshaftigkeit überhaupt erst semantisieren; der repräsentative Anspruch wird zwar auch durch den verwen-deten Darstellungsmodus der Steilaufsicht deutlich, die einen holistischen Überblick über den Herrensitz ermöglicht, dennoch erfolgt die historische Semantisierung der visualisierten Architekturen eben erst durch die Betitelung. Eine analoge Besitz- und Memorialfunktion erfüllt auch die Betitelung der Zeichnung des Vorschickungshauses der Familie Kreß am Obstmarkt in Nürnberg (Abb. 64).

Wiederum in Kanzleischrift und über der dargestellten Architektur fixiert, lautet der umfassende Titel:

Aigentliche abriß des alt kressischen hauß am Obsmarck wie es vorn uf der seiden am otenberg vnd hinten im Gartten A°. 1630. gesehen hat neben daran stöst dieser zeit herrn Karl Schl[?]elfeldes vnd vorn am Eck an Melmack Jeremias Merdemans Seel: haüsser vnd haben durch Gottes hülf nachvolgende Kressen von A°. 1370 bis dato obgedachte Behaussung continue aigentümlich besessen Gott l[?]nger sie vor alln vnglück erhalten.

Fokussieren die Titel Eigentumsverhältnisse und Anciennität der Kreßschen Patrizier-familie, so sind Angaben zum Darstellungsmodus, zu Gebäudefunktionen (aber auch

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der Lage) oder des Maßstabs hierbei eben nicht von Belang. Titel und Zeichnung heben auf eine Semantisierung der repräsentierten Architektur ab. Anders verhält es sich bei den von Johann Carl im Auftrag des Nürnberger Rats angefertigten Zeichnungen zum Umbau der Rotschmieddrechslermühlen, welche Grundrisse wie perspektivische Ansichten umfassen.487 Die explizit funktionale Aspekte verhandelnden Titel folgen dem Schema: Angabe des Darstellungsmodus, Objektbenennung, Lokalisierung und eine je spezifische weitere Konkretisierung oder Beschreibung (Abb. 65).

487 Vgl. Broda (Hg.), Dreiecks-Verhältnisse (wie Anm. 258), 156–161.

Abbildung 63: Hans Bien, Georgskirche des Herren-sitzes Kraftshof, Steilaufsicht, 1620.

Abbildung 64: Hans Bien, Vorschickungshaus der Familie Kreß in Nürnberg, perspektivische Darstellung, 1630.

Die Titel erläutern bautechnologische Aspekte und versichern den Adressa-ten zugleich der Einhaltung spezifischer zeichnerischer Standards –  vor allem des Darstellungsmodus – womit die Titelfunktion hier informierenden und beglaubigen-den Charakter erhält. Gleiches gilt für ein Projekt eines Observatoriums, mit welchem Johann Carl 1637 betraut war, die ›Präsentationszeichnung‹ trägt wiederum den umfas-senden Titel: »No.  i Abriß Eines Observatory. Oder. Geometrischer Auffzug dießes Gebäues daran beide Seiten, des gübels und neben wandt angedeütet wie solchs ver-büegt uns verfalt werden solle von holtzwerckh uff zuerichten.«488 Wiederum werden Objekt, Bildgebungsverfahren und die daraus ableitbaren visuellen Erkenntnisse wie Materialien explizit gemacht.

Textliche Informationen beziehen sich nicht nur auf die kongruente Darstellung von gezeichneter Architektur und Betextung, sondern stellen die gezeichneten Architektu-ren auch in ihArchitektu-ren außerbildlichen Bezügen dar, die jenseits des begArchitektu-renzten Zeichenblat-tes liegen und so zwangsläufig der Sichtbarkeit entzogen sind. Hierbei sind vorrangig topographische und ortsspezifische Angaben von Relevanz, da vor allem Zeichnungen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts oftmals nicht genordet sind.489 Die Lesbarkeit georeferenzieller Angaben beruht damit auf der Kenntnis der lokalen Gegebenheiten und eröffnet dem zeitgenössischen Produzenten und Rezipienten zudem die Möglich-keit, die Architektur in einer imaginierten Topographie zu situieren (Abb. 66).

Solche Angaben können so nicht nur faktisch die Ausrichtung der Himmelsrich-tungen definieren, sondern lassen imaginierte Blickachsen entstehen, womit dezi-diert Raumbezüge jenseits der Blattgrenze evoziert werden. Sicherlich ist hierbei von

488 StAN, A 4/I Nr. 100. Vgl. auch den zugehörigen Plansatz StAN, B 1/II 1886, Bl. 2.

489 Eine interessante Ausnahme stellen Zeichnungen im Kontext administrativer Vorgänge aus den soge-nannten Waldämter-Akten der Reichsstadt Nürnberg dar, die oftmals mittels eines Stempels genordet wurden. Hierzu Daniel Burger, Die Überlieferung der Nürnberger Waldämter, in: Hebert May/Markus Rodenberg (Hg.), Der Reichswald. Holz für Nürnberg und seine Dörfer (Ausstellungskatalog: Bad Windsheim, Fränkisches Freilandmuseum, 30.03.–11.08.2013), Bad Windsheim/Lauf an der Pegnitz 2013, 40–49, hier 45.

Abbildung 65: Johann Carl, Rotschmieddrechslermühlen in Nürnberg, perspektivische Darstellung, um 1640.

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unterschiedlichen Qualitäten der Raumbezüge zu sprechen. So setzt etwa die Angabe

»gegen den Hoff« einen Schlossgrundriss in Bezug zu seiner direkten mikroräumlichen baulichen Struktur, verweist aber zugleich abstrakt auch auf dessen Ausrichtung. Hin-gegen wird durch Bezeichnungen, die auf einen markanten Punkt bezogen sind, neben der abstrakten geographischen Ausrichtung ein komplexerer Raumbezug greifbar, indem eine relationale Beziehung hergestellt wird, die Raum durchmessen und durch-blicken lässt. Dies zeigt sich in einer Zeichnung für einen unbekannten Schlossbau aus der Graphischen Sammlung in Dessau besonders deutlich, da die Angaben mit Blick zum »Frauentor« und zur »Schlossmauer« in Stuben mit Erkern notiert sind. Folglich erhält die in der orthogonalen Zeichnung angelegte Ausblicksfunktion erst durch die Bezeichnung eine semantische Qualität und entgrenzt zugleich das Zeichenblatt.490 Topographische und ortsspezifische Referenzen fungieren so nicht nur als notwendige räumliche Ausrichtungen und Lokalisierungen, sondern können demzufolge außer-bildliche blickaktive Potentiale entfalten.

Die oftmals auf Raumfunktionszeichnungen notierten Angaben über Raumdimen-sionen und -funktionen, Materialien und Kosten dienen dezidiert funktionalen Aspek-ten. Hierbei handelt es sich um Notate, die oftmals als Signifikant auf dem Signifikat selbst vermerkt sind. Die graphische Vermittlung bautechnischer Standardlösungen wie Tür- und Fensteröffnungen oder auch Runderker wird durch zusätzliche textliche Bezeichnungen der Objekte ergänzt und lesbar gemacht. So enthalten solche Pläne

490 Anonymus, unbekannter Schlossbau, Dachgeschoss, [erste Hälfte des 16. Jh.s], in: AGD, o. Inv.-Nr. Zur Bedeutung des polyfokalen Blicks bes. Stephan Hoppe, Blickregie, in: Werner Paravicini/Jan Hirsch-biegel/Jörg Wettlaufer (Hg.), Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Bilder und Begriffe, Teilbd. 1: Begriffe (Residenzenforschung, 15), Ostfildern 2005, 449–453. Eine detaillierte Einzelstudie zu Blickregien am Wittelsbacher Hof in Andreas Dahlem, The Wittelsbach Court in Munich. History and Authority in the Visual Arts (1460–1508), Glasgow 2009, 213–223, Permalink: http://theses.gla.

ac.uk/892/1/2009dahlemphd_edited.pdf (Zugriff vom 22.07.2014).

Abbildung 66: Anonymus, unbekannter Schlossbau, Grundriss und Raumfunktionszeichnung mit topographischen Lokalisierungen »Gegen der stadt« und »Gegen dem hoff«, erste Hälfte des 16. Jahrhunderts.

etwa Stückzahlen zu den Türen und Fenstern, wenn im Uhrzeigersinn, beginnend im Keller, die Türen bis zum ersten Obergeschoss aufsteigend durchnummeriert sind.491

Abschließend gilt es die Signaturen als eigene Paratexte zu bestimmen, wobei sig-nierte und datierte Architekturzeichnungen aber eine Ausnahme darstellen. Den Urhebern von Architekturzeichnungen sind jeweils unterschiedliche Signaturtypen zu eigen, die in der Regel auf der Blattvorderseite und unterhalb der Zeichnung vermerkt sind. Grundsätzlich sind hierbei Kürzel von umfassenden Signaturen zu unterscheiden, die neben dem Namen auch Professions- respektive Amtsbezeichnungen beinhalten können. Allgemeine Aussagen lassen sich hiervon nur schwer ableiten, da die jewei-lige Signatur durch den Funktionskontext der Zeichnung maßgeblich mitbestimmt ist.

Die mit reichsstädtischen Ämtern betrauten Nürnberger Ingenieure Johann Carl und Andreas Albrecht verwendeten bei den von der Kommune beauftragten Entwürfen und Gutachten nicht immer ein Signatursystem bestehend aus Amtsbezeichnung und Namen. So signierte Carl mit »Johann Carll Zeugmeister und Ingenieur« (Abb. 67, 68).

Hingegen Albrecht mit »Abgemessen durch Herrn Andreas Albrecht« (Abb. 69).492 Die Verknüpfung von Name und Professionsbezeichnung ist ein gängiger Signatur-typus und lässt sich auch bei den zahlreichen Schriftwechseln der Zeugmeister und Oberbaumeister am kursächsischen Hof nachweisen. Der hingegen als professionel-ler Architekturzeichner tätige ausgebildete Steinmetz Hans Bien weist seine begehrten Darstellungen ebenso mit einer Professionsbezeichnung aus: »Hanß Bien. Steinmetz.«

(Abb. 70), wobei Bien eine auffällig ästhetisierte Rahmung seiner Signatur auf einem Schriftband mit darüber befindlichem koloriertem Maßstab und Kompass vornimmt.

Hier fungiert die Signatur dezidiert als Beleg der Urheberschaft an der Zeichnung und nicht an einer entworfenen Architektur. Gleiches gilt für die kalligraphisch ausgear-beitete Signatur des Bauschreibers Heinrich Höer, die prominent neben die Schloss-ansichten gesetzt ist (Abb. 71). Die von Höer gezeichneten bestehenden Architekturen werden so auf dem großzügigen Blattrand mit Objektname und Urheber beglaubigend dokumentiert.493

Bei dem kursächsischen Zeugmeister Paul Buchner lassen sich auf den ihm zuge-schriebenen Darstellungen verschiedene Signatursysteme ausmachen. Einerseits die vollständige Namensnennung und Amtsbezeichnung als »Paul Puchner Hausszeug-meister.«, andererseits das Kürzel »pp m« (Abb. 72, 73, 74). Die vollständige Signatur in Kanzleischrift, vermutlich durch einen sekundären Urheber ausgeführt, ist zudem um eine Datierung ergänzt und nur auf repräsentativen Schaustücken nachgewiesen.

Hingegen findet sich das Kürzel auf stärker operativen Zeichnungen wieder. Dass das Kürzel »pp m« (Paul Puchner m[anus?]) vor allem auch als eine Signatur im Sinne der Approbation zu lesen ist, verdeutlichen zwei Entwurfszeichnungen für das Jagd-schloss Zabeltitz (vgl. Abb. 88, 89): eine raumfunktionale Skizze sowie eine hierauf aufbauende maßgetreue Reinzeichnung mit wenigen Veränderungen. Auffallend ist, dass beide Darstellungen unterschiedliche graphische Systeme von Linienzügen und

491 So bei einer Serie von Grundrissen für einen unbekannten Schlossbau: Anonymus, unbekannter Schlossbau, [erste Hälfte des 16. Jh.s], in: AGD, ZII 882, 883.

492 Johann Carl signiert mit dieser auch Schriftstücke, wie die Berechnung eines Proportionalinstru-ments. Siehe diese beigelegt in: Anonymus, Gründtlicher Unterricht (wie Anm. 173).

493 Vgl. hierzu ausführlich Kap. 8.1.

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Abbildung 67: Johann Carl, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 64.

Abbildung 68: Johann Carl, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 16.

Abbildung 69: Andreas Albrecht, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 17.

Abbildung 70: Hans Bien, Signatur, Ausschnitt aus einer Zeichnung der Deutschordenskommende in Nürnberg, 1625.

Abbildung 71: Heinrich Höer, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 116.

Abbildung 72: Paul Buchner, Signatur,

Aus-schnitt aus Abbildung 11. Abbildung 73: Paul Buchner, Signatur, Aus-schnitt aus Abbildung 59.

Abbildung 74: Paul Buchner, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 89.

Abbildung 75: Georg Schaffner, Signatur, Ausschnitt aus Abbil-dung 14.

Abbildung 76: Daniel Specklin, Signatur, Ausschnitt aus Abbil-dung 142.

Abbildung 77: Georg Jacob Wolff, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 193.

Abbildung 78: Georg Jacob Wolff, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 177.

Abbildung 79: Georg Jacob Wolff, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 189.

6.3 Notationssysteme 141

Abbildung 80: Paulus Speck, Signatur, Ausschnitt aus der Zeichnung einer Gewölbeaustragung für die Zwickauer Mari-enkirche, um 1535.

Abbildung 81: Paulus Speck, Signatur, Ausschnitt aus der Zeichnung eines Grundrisses der Pleißenburg, 1554.

Abbildung 82:

Heinrich Schickhardt, Signatur, Ausschnitt aus einer Zeichnung seines Wohnhauses in Stuttgart, 1613ff.

Abbildung 83: Landgraf Moritz, Signatur, Ausschnitt aus Abbildung 223.

Handschriften aufweisen. Hierbei ist festzuhalten, dass die Bezeichnungen der raum-funktionalen Skizze nicht aus der Hand Buchners stammen können, die auf der Rein-zeichnung, die zudem mit dem Kürzel »pp m« unterhalb des Maßstabes signiert ist, hingegen schon. Zu betonen ist weiterhin, dass die Linien der Architektur in anderer Tinte gezogen sind als die schriftlichen Ergänzungen samt Signatur und Maßstab der Reinzeichnung. Folglich könnten der hier mit der Signatur als geprüft gekennzeich-nete Maßstab sowie die verbindlich eingetragenen Raummaße als Approbation des Zeugmeisters gelesen werden. Die Signatur »pp m« findet sich in auffälliger Weise auch bei den großen Dresdner Stadtplänen direkt unterhalb der Maßstäbe, womit auch hier offenkundig die Maßhaltigkeit beglaubigt wird.

Hingegen verwendet der Hoftrompeter Georg Schaffner sein Kürzel »IS«, promi-nent in allen seinen Zeichnungen gesetzt, als Nachweis seiner Invention und Konzep-tion einer BasKonzep-tion nach »Spanischer bau Art« (Abb. 75) und eben nicht im Sinne einer eingehaltenen Maßhaltigkeit. Eine wiederum andere Konnotation des Singnaturkürzels lässt sich bei Daniel Specklin festmachen. Innerhalb seines Codex Mathematicus neh-men Darstellungen von Festungsbauten eine zentrale Arguneh-mentationsrolle ein, wobei die Zeichnungen im ersten Teil keine Signaturen Specklins aufweisen und sich der Festungsingenieur zugleich für seine Darstellungen entschuldigt: »vnnd solchs gannz kurtz auß dem grundt perspectius, so gutt als ichs kann, dan ich kein moler bin, habs auch nit gelertt. […] Es württ aber ein verstendiger moller noch diesem visierungen mich wol verstann«.494 Im zweiten Teil, der eine Übersetzung von Francesco di Marchis Della architettura militare enthält, werden die kopierten Festungszeichnungen di Mar-chis jedoch mittels der Ligatur »DS:« signiert (Abb. 76). Dass sich Specklin hier ledig-lich als Kopist ausweist und auf die Übernahme der Vorlagen anspielt oder vielmehr von einer Aneignung der Vorlagen und damit auch dem Ausweis seiner zeichnerischen Fähigkeit auszugehen ist,495 ist nicht auszuschließen. Eine übliche Praxis ist die Signie-rung von Zeichnungen innerhalb handschriftlicher Übertragungen und Übersetzun-gen jedoch nicht, wie es das Beispiel der Übersetzung von Girolamo Cataneos Nuovo Ragionamento de fabricare le fortezze (1571) durch Johannes Rüger deutlich macht.496

Für die Bezeugung der eigenhändigen künstlerischen Urheberschaft greift der aus Nürnberg stammende Steinmetz Georg Jacob Wolff auf verschiedene Kürzel zurück.

So werden seine Inventionen von Portalen, Ehrenpforten und Fassaden entweder mittels Vollsignaturen in der gezeichneten Architektur selbst notiert, »Georg. Jacob.

Wolff.« (Abb.  77), oder verschiedene Abkürzungsformen gewählt: »G.I.W. V. NB.«,

»G.I.W.1.6.2.2«, »G.I.W.« (Abb. 78), wobei die Variante mit Steinmetzzeichen zugleich die Urheberschaft qua Profession darzustellen versucht. Gleichsam scheint der topo-graphische Zusatz »von Nürnberg« den Inventor besonders herauszustellen (Abb. 79).

Die Verwendung des Steinmetzzeichens bei Wolff ist für die erste Hälfte des 17. Jahr-hunderts ungewöhnlich und findet sich so nur bei den Signaturen des im sächsischen Raum tätigen Baumeisters Paul Speck hundert Jahre zuvor (Abb.  80), wobei Speck

494 Zit. nach Witte, Edition und Untersuchungen (wie Anm. 271), fol. 38v/78.

495 Die Zeichnungen sind mittels Durchstechungen kopiert.

496 Vgl. hierzu Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99), Transkription 1.

6.4 Ordnungen des Räumlichen 143

sowohl komplexe Gewölbeaustragungen als auch perspektivische Darstellungen von Brunnen (Abb. 81) in gleicher Weise signiert und beglaubigt.

Auch der württembergische Landesbaumeister Heinrich Schickhardt verwendet sein Namenskürzel als Signatur. Interessanterweise findet dieses aber nicht auf seinen zahlreichen Zeichnungen als Landesbaumeister,497 sondern nur in seinem Inventar-buch Verwendung. Hier fungiert innerhalb des per se als umfassender Nachweis seiner Besitzungen angelegten Buches die Ligatur »hS« als weiterer rechtlicher Beleg seines Grund- und Immobilienbesitzes, wenn sie prominent auf den gezeichneten Architektu-ren und Ländereien als beglaubigendes Symbol notiert wird (Abb. 82). Eine Besitz und Entwurf beglaubigende Funktion kann auch in den Signaturkürzeln des Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel ausgemacht werden. Die zahlreichen eigenhändigen Archi-tekturzeichnungen seiner vorrangig niederhessischen Besitzungen sind fast durch-gängig signiert (Abb. 83). Hierbei wird auf verschiedene Kürzel zurückgegriffen, die der Urheber von seinen Motti herleitet und damit den Zeichnungen nicht nur Eigen-händigkeit zuschreibt, sondern weitreichende Bedeutungszuweisungen vornimmt. So lässt sich etwa die in den letzten Lebensjahren des Landgrafen verwendete Abbreviatur

»1628 M.M.M. M.L.Z.H.« als »1628 Mauriti Memento Mori Meine Lust zum Höchsten«

auflösen.498

Folglich sind Signaturen auf Architekturzeichnungen hinsichtlich ihrer Bedeu-tungen immer im Kontext der jeweiligen Funktion der Zeichnung zu betrachten. So können sie ebenso die Urheberschaft am architektonischen Entwurf markieren wie die Urheberschaft an der zeichnerischen Darstellung im Sinne einer Invention reklamie-ren. Zudem ist die Signatur als Chiffre möglicher Approbation zu prüfen, die damit

Folglich sind Signaturen auf Architekturzeichnungen hinsichtlich ihrer Bedeu-tungen immer im Kontext der jeweiligen Funktion der Zeichnung zu betrachten. So können sie ebenso die Urheberschaft am architektonischen Entwurf markieren wie die Urheberschaft an der zeichnerischen Darstellung im Sinne einer Invention reklamie-ren. Zudem ist die Signatur als Chiffre möglicher Approbation zu prüfen, die damit