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Die finanziellen Werte der Zeichnung – ein Exkurs

Theorie und Profession

3.  Urheber von architektonischen Darstellungen

3.3  Die finanziellen Werte der Zeichnung – ein Exkurs

Im Rahmen der Urheberschaft von Architekturzeichnungen ist die Frage nach den finanziellen Werten zeichnerischer Produktion aufschlussreich, bezeugen doch diese auch deren Stellenwert. Sofern Zeugmeister, Ingenieure oder Stadtbaumeister bestallt waren, ist das Zeichnen Teil der Ausübung des jeweiligen Amtes und wird nicht geson-dert entlohnt. Jedoch können, dies zeigt das im Folgenden darzulegende Beispiel Heinrich Schickhardts, für besondere Architekturvisualisierungen oder freie Aufträge Sonderzahlungen erfolgen. Zudem greifen bei der Nichterfüllung der dienstlichen Aufträge bisweilen auch drakonische Maßnahmen, wie etwa die Inhaftierung des hes-sischen Geometers und Zeichners Wilhelm Dilich, der für die von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel in Auftrag gegebenen Zeichnungen der hessischen Landtafeln und Schlösser aus Sicht des Landgrafen nicht nur zu viele Kosten verursachte, sondern auch zu viel Zeit benötigte.274

270 Vgl. Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99),Transkription 4.

271 Daniel Specklin, Codex Mathematicus, um 1575, in: WLB, Cod.Math. 2° 4, Permalink: http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:24-digibib-bsz3668691590 (Zugriff vom 21.07.2014). Zit. nach Petra Witte, Edition und Untersuchungen zur Handschrift Stuttgart, Cod.Math. 2° 4. Eine autographische Vorstudie von Daniel Speckle zu seiner »Architectura von Vestungen«, Typoskript in der WLB, Uni-versität Salzburg 1982.

272 Zit. nach Witte, Edition und Untersuchungen (wie Anm. 271), fol. 38v/78.

273 Zu den Tischlern und Schreinern Günter Irmscher, Kölner Architektur- und Säulenbücher um 1600 (Sigurd Greven-Studien, 2), Bonn 1999; zu den Hafnern Rosemarie Franz, Der Kachelofen. Entste-hung und kunstgeschichtliche Entwicklung vom Mittelalter bis zum Ausgang des Klassizismus (For-schungen und Berichte des Instituts für Kunstgeschichte der Universität Graz, 1), Graz 1969.

274 Ingrid Baumgärtner, Wilhelm Dilich und die Landtafeln hessischer Ämter, in: Dies./Martina Ster-cken/Axel Halle (Hg.), Wilhelm Dilich. Landtafeln Hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser

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Zurück zu Heinrich Schickhardt. Für einen einfachen orthogonalen Plansatz bestehend aus Grundriss, Aufriss und Schnitt zu einem bürgerlichen Wohnhaus erhielt der würt-tembergische Landesbaumeister im Durchschnitt dreizehn Gulden.275 Hervorzuheben ist, dass Schickhardt als Zahlungsmittel offenkundig vergoldete oder silberne Pokale, Becher und Kannen bevorzugte (Abb. 20, 21, 22).

Sicher nicht ganz ohne Stolz auf seinen wirtschaftlichen Erfolg als entwerfender Archi-tekt dürfte er daher auch sein Inventarbuch geführt haben, indem er vollständig Rechen-schaft über seine Tätigkeiten und auch seine Einnahmen für Architekturzeichnungen

1607–1625 (Schriften der Universitätsbibliothek Kassel, Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel, 10), Kassel 2011, 9–36, hier 20f., Permalink: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:he bis:34-2012020340469 (Zugriff vom 16.12.2014).

275 Eine detaillierte Auflistung und Analyse des Inventarbuches von Heinrich Schickhardt mit den ver-merkten Architekturzeichnungen findet sich in Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeich-nung (wie Anm. 99), Transkription 5.

Abbildung 20: Heinrich Schickhardt, Inventarbuch, Deckelpokal als ›Zahlungsmittel‹

für Architekturzeichnungen ( Ausschnitt), 1619.

Abbildung 21: Heinrich Schickhardt, Inventarbuch, Pokal als › Zahlungsmittel‹

für Architekturzeichnungen ( Ausschnitt), 1613.

Abbildung 22: Heinrich Schickhardt, Inventarbuch, Becher als ›Zahlungsmittel‹

für Architekturzeichnungen ( Ausschnitt), 1615.

ablegte. Die als Gegenwert für seine Zeichnungen erhaltenen Pokale, Becher, Kannen und Ringe276 erfasste er sogar zeichnerisch und vermerkte in der beigefügten Erläute-rung den Auftraggeber der Zeichnung, den dargestellten Gegenstand und die ungefähre Anzahl der »Abriße«.277 Wurden die grundständigen Entwürfe für bürgerliche Wohn-häuser noch mit dreizehn Gulden bezahlt, erhielt er 1591 für das in »grund legen« der Landesfestung Hohentwiel, also die Vermessung des Areals samt aller Gebäude und der zeichnerischen Darstellung im Grundriss, von Herzog Ludwig mit 65 Gulden das Fünf-fache eines Plansatzes für ein Wohnhaus (Abb. 23, 24, vgl. Abb. 55).278

Hervorzuheben ist, dass sich diese Summe aus 50 Gulden »an gelt« und zusätzlich

»ein Seiden Rupfn Klaid« im Wert von 15 Gulden zusammensetzte.279 Folglich wurde auch hier nicht nur Geld für die Vermessung der Festung Hohentwiel ausgezahlt, son-dern eine Gabe des Herzogs inkludiert.

Ähnliche Beobachtungen zu den Werten der Architekturzeichnung lassen sich für den ausgebildeten Nürnberger Steinmetzen Hans Bien machen, der, wie bereits kurz erwähnt, allein von der Produktion von Architekturzeichnungen, Vermessungen und

276 Auch Albrecht Altdorfer (um 1480–1538), Maler und Stadtbaumeister in Regensburg, besaß eine kleine Sammlung von Bechern und Pokalen. Inwiefern diese als Gaben und/oder Zahlungsmittel dienten, ist jedoch nicht bekannt. Hierzu Benno Jakobus Walde, Albrecht Altdorfer in Regensburg. Testament und Nachlassinventar als Quellen zu Besitz und Hausrat des Künstlers, in: Andreas Tacke/Franz Irsig-ler (Hg.), Der KünstIrsig-ler in der Gesellschaft. Einführungen zur KünstIrsig-lersozialgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2011, 262–286, hier 274, 281f.

277 Vgl. hierzu Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99), Transkription 5.

278 Vgl. hierzu Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99), Transkription 5.

279 Vgl. hierzu Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99), Transkription 5.

Abbildung 23: Heinrich Schickhardt, Festung Hohentwiel, Grundriss, 1591.

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kartographischen Aufnahmen seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte.280 Die Wert-schätzung seiner Zeichnungen kommt zum Ausdruck, wenn man sich vor Augen hält, dass er allein für die Kopie eines – allerdings durchaus anspruchsvolleren – Satzes von Zeichnungen der Deutschordenskommende 1625 vom Rat der Stadt Nürnberg umge-rechnet 54 Gulden erhielt (vgl. Abb. 19), was immerhin dem doppelten Monatslohn des am zweithöchsten bezahlten Kriegsingenieurs der Reichsstadt entsprach.281 Dieser kursorische Vergleich macht auch deutlich, dass Hans Bien als professioneller Zeich-ner vorrangig eine Entlohnung in Gulden erhielt, hingegen Heinrich Schickhardt für besonders aufwendige zeichnerische Darstellungen von seinem Landesherrn oder für freie Aufträge zusätzlich in Form von Gaben (Pokale, Becher, Kannen und Ringen) entlohnt wurde, die, so lässt sich vermuten, auch die Wertschätzung des Auftragge-bers gegenüber der Architekturzeichnung respektive dem Entwurf zu verdeutlichen scheinen.282

280 Vgl. hierzu Fleischmann (Hg.), Der Nürnberger Zeichner (wie Anm. 257).

281 Vgl. hierzu Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm.  99), Transkrip-tion 5 sowie die Gehälter der Kriegsingenieure bei Fleischmann (Hg.), Der Nürnberger Zeichner (wie Anm. 257), 173.

282 Für den Hinweis auf die Gaben- und Geschenkkultur danke ich Claudie Paye (München/Köln).

Abbildung 24: Heinrich Schickhardt, Festung Hohentwiel, Steilaufsicht, 1591.