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vorgenommenen exemplarischen Analysen und versuchen die Verhandlung von Archi-tektur als vorrangig zeichnerischen Prozess der Produktion, Distribution und Kommu-nikation durch Bildlichkeit zu verstehen. Die in Anschlag gebrachten und besonders für die Architekturgeschichte sicherlich ungewöhnlichen Termini einer Bild- und Medienwissenschaft sind bewusst gewählt und explizit nicht als bloße Modernismen zu verstehen. Vielmehr ermöglichen sie neben der Präzisierung in der Rede über Architekturzeichnungen auch als Tertium comparationis eine Verständigung und Anschlussfähigkeit in der Rede über Architekturgeschichte und Bildwissenschaften.

Diese Anschlussfähigkeit erscheint dringend notwendig, damit die aktuell geführten Debatten um die Entwurfskultur nicht nur auf Ebene ihrer Fachdiskurse – hier der Bildwissenschaften und Architektur- und Kunstgeschichte  – verhandelt werden,85 sondern Eingang in grundlegende Fragen von Entwurf und Bildlichkeit finden können, die wichtiger Bestandteil historisch-kultureller Bedeutungsstiftung sind. Dabei belasse ich den methodisch-theoretischen Part, der zwar eine Grundlage der einzelnen Ana-lysen bildet, jedoch werden die Fallbeispiele vor allem vor der Folie der historischen Überlieferung und Bedeutungszuweisung diskutiert.

1.3 Aufbau und Gliederung

Da die Mehrzahl der hier zu untersuchenden Architekturzeichnungen aus histori-schen Gründen nicht in graphihistori-schen Sammlungen, sondern hauptsächlich in Archi-ven überliefert ist, lassen sie sich in Bezug zu entsprechenden Bauakten setzen, womit zugleich die Aufarbeitung der Zeichnungen durch die ergänzenden Schriftquellen möglich ist. Da bisherige Recherchen und die Auswertung einschlägiger Überliefe-rungszusammenhänge und Bestandssituationen weit mehr als 8.000  Architektur-zeichnungen des deutschsprachigen Raums zu Tage brachten,86 kann hier nur eine auf funktional-semantischen und geographischen Kategorien beruhende Auswahl von relevanten Zeichnungen als Untersuchungskorpus herangezogen werden. Der dieser Arbeit zugrunde gelegte Korpus an Architekturzeichnungen, gedruckten und nicht gedruckten Quellen zur Theorie der Architekturzeichnung versucht dennoch mög-lichst viele Gebiete des mittel- und süddeutschen Raums einzubeziehen, um einerseits belastbare Aussagen treffen zu können und andererseits Diversifikation der Archi-tekturzeichnung als Regelfall aufzuzeigen. Neben Objekten aus dem niederhessischen und oberhessischen Raum sowie aus Württemberg und Bayern werden, vor allem wegen der sehr guten Überlieferungssituation, Objekte des kursächsischen Raums

85 In jüngster Zeit werden v.a. aus Perspektive einer Architekturwissenschaft Fragen des Entwerfens gestellt, die allerdings stärker historisch rückgebunden werden sollten. So bei Sabine Ammon/Eva Maria Froschauer, Zur Einleitung: Wissenschaft Entwerfen. Perspektiven einer reflexiven Entwurfsforschung, in: Dies. (Hg.), Wissenschaft Entwerfen (wie Anm. 67), 15–45. Eine die Frühe Neuzeit und Moderne verbindende Lesart aus kunsthistorischer Perspektive in Monika Melters/Martin Wagner (Hg.), Die Quadratur des Raumes. Bildmedien der Architektur in Neuzeit und Moderne (ZOOM. Perspektiven der Moderne, 3), im Druck.

86 Architektur- und Ingenieurzeichnungen (wie Anm. 7). Bis dato sind fast 4.000 Zeichnungen nachge-wiesen. Ein weiterer noch zu erschließender Bestand von rund 4.000 Zeichnungen konnte während der Projektlaufzeit verifiziert werden.

wie auch der Reichsstadt Nürnberg exemplarisch untersucht. Architekturzeichnungen des norddeutschen Raums sind offenbar aus historischen Gründen hingegen verhält-nismäßig wenig überliefert.87

Die Arbeit gliedert sich in drei Kernbereiche, die die heterogenen Architekturzeich-nungen unterschiedlicher Akteure und Funktionszusammenhänge hinsichtlich ihrer Theorie, Visualität sowie Funktionskontexte und Bedeutungen in einem breiten Quer-schnitt strukturieren. Die Auswahl des Korpus korreliert dabei stets mit der Gesamtüber-lieferung. Im Fokus stehen hierbei Architekturzeichnungen profaner und militärischer Bauaufgaben des höfischen und reichsstädtischen Umfelds. Zeichnungen des Sakralbaus werden weitestgehend aus methodisch-inhaltlichen Gründen nicht berücksichtigt, da sie in ihrer Gattungsspezifik nur adäquat im Kontext der Bauhüttentradition und der Auseinandersetzung mit gotischen Risszeichnungen zu situieren sind.88

Der erste Teil, »Theorie und Profession«, widmet sich den Überlegungen zu zeitge-nössischen Theorien der Architekturzeichnung, den damit verbundenen Professions-fragen der Urheber von Zeichnungen sowie den Räumen der Architekturzeichnungen in Kanzleien, Kunstkammern und Hofbibliotheken und der Produktion und Vermitt-lung in den Lateinschulen und Ritterakademien. So sollen die VerhandVermitt-lungsräume von Theoriebildung und Theorietransfer durch die Urheber wie auch die Orte der Aufbewahrung und Sammlung von Architekturzeichnungen als dynamisches Gefüge beschrieben werden. Im zweiten Teil, »Dispositive und Entwurfstechniken«, gilt es einzelne Aspekte der Medialität von Entwurfsverfahren und Entwurfsstrategien aus historischer Perspektive analytisch zu beschreiben und darauf aufbauend eine Ter-minologie der Darstellungsdispositive zu entwickeln. Zudem sollen die in auffäl-liger Weise zu beobachtenden intermedialen Bezüge zwischen zweidimensionaler Zeichnung und dreidimensionalem Architekturmodell herausgestellt werden und das Verhältnis von Zeichnung und erläuternden Auf- und Beitexten näher charak-terisiert werden. Der dritte Hauptteil, »Funktionen und Semantiken«, diskutiert die Zeichnungen in exemplarischen qualifizierenden Studien hinsichtlich ihrer »histori-schen Bedeutungsaufladungen«.89 Als systematisierendes Element ist hier eine Glie-derung der Darstellungen nach einzelnen funktionalen und semantischen Kontexten zugrunde gelegt, die die »Repräsentation landesherrlicher Architektur«, die »Zeich-nung als Rechtsdokument« bis hin zu den »Linien der Dilettanten  – der Fürst als Architekt« hinsichtlich verschiedener Verhandlungsräume von Architektur durch

87 Eine singuläre Sammlung stellen indes die Zeichnungen von G.E. Piloot zum Schweriner Schloss aus der ersten Hälfte des 17. Jh.s dar. Hierzu Ralf Weingart, Vom Wendenwall zur Barockresidenz, in: Kor-nelia von Berswordt-Wallrabe (Hg.), Schloss Schwerin. Inszenierte Geschichte in Mecklenburg, Alten-burg 2008, 8–56, hier 34–40.

88 Zu erwähnen ist, dass die Zusammenschau beider Zeichnungsgattungen (profan wie sakral) ein viel-versprechendes Vorhaben ist, denn vor allem die mittelalterlichen Zeichnungen sind ein tradierter Gegenstand der Forschung. Vgl. besonders Johann Josef Böker, Architektur der Gotik. Bestandskata-log der weltgrößten Sammlung an gotischen Baurissen (Legat Franz Jäger) im Kupferstichkabinett der Akademie der Bildenden Künste Wien, mit einem Anhang über die mittelalterlichen Bauzeichnungen im Wien-Museum Karlsplatz, Salzburg 2005. Zu den Zeichentechniken Melanie Holcomb/Lisa Bessette (Hg.), Pen and Parchment. Drawing in the Middle Ages (Ausstellungskatalog: New York, Metropolitan Museum of Art, 02.06–23.08.2009), New Haven 2009.

89 Hoppe, Stil als Dünne oder Dichte Beschreibung (wie Anm. 13), 84.

1.3 Aufbau und Gliederung 21

die Zeichnung gleichberechtigt in den Blick nimmt.90 Es gilt, auf unterschiedliche Gebrauchsweisen von architektonischen Darstellungen zu fokussieren, die sowohl klassische Definitionen der Architekturzeichnung als Kommunikationsmittel im Bau-prozess und für Gutachten abdecken als auch die Auseinandersetzung mit Architektur im Medium der Zeichnung durch fürstliche Auftraggeber bis hin zur Architektur-zeichnung als Form- und Wissensspeicher reflektieren. Das Hauptkapitel »Funktionen und Semantiken« gründet bewusst auf exemplarischen Fallstudien, um die Objekte erstmals aus ihren historischen Entwurfskontexten heraus zu analysieren. Damit wird auch eine Grundlage für weitere quantifizierende Studien geschaffen. Die Zuordnung der exemplarischen Studien unter ein Themenfeld wird versuchsweise vorgeschlagen und ist insofern nicht als obligatorisch zu verstehen, als einzelne Zeichnungen immer auch Bezugspunkte zu anderen Themen- und Funktionsfeldern aufweisen können.

Die hier aufgezeigte und vollzogene Differenzierung ist von der Hypothese abgeleitet, dass die Funktion und Bildlichkeit der Architekturzeichnung in ihren Kontexten ver-änderlich ist und zu je spezifischen Visualisierungen von Architektur führt.

90 Kap. 11 fällt vergleichsweise umfangreich aus. Diese Gewichtung ist dem Umstand geschuldet, dass gerade die Quellenlage für den fürstlichen Unterricht und die fürstliche Zeichenpraxis als sehr gut zu charakterisieren ist und vielfältige Einblicke in Theorie und Praxis der Architekturzeichnung ermög-licht; somit sind hier, gegenüber der eingereichten Fassung, weitere Beobachtungen ergänzt.

Teil 2