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Theorie und Profession

3.  Urheber von architektonischen Darstellungen

3.1  Höfischer Kontext

Wie Martin Warnke in seiner sozialhistorischen Studie zum Hofkünstler herausgearbeitet hat, war mit dem Amt des Kunstintendanten oder Hofbaumeisters die zentrale Koordinati-onsstelle aller baulichen und damit eng verbundenen Belange des fürstlichen Territoriums besetzt.211 Hierbei oblag es den Amtsträgern, Zeichnungen nicht nur zu bewerten, sondern auch anzufertigen oder zumindest anfertigen zu lassen, wie es die Erneuerung der Bestal-lung des Kunstintendanten Friedrich Sustris von 1587 am Münchner Hof deutlich macht:

hinfüran wie bisher Rechter und Obrister Paumaister haißen auch sein vnnd blei-ben. Dazu solle er alle Intentionen, disegna vnnd außtheilung machen vnnd alle Dinge bevelchen vnnd angeben. Dazu sollen Imme alle Maler, Scolptori, Stocca-tori wie auch annder Vertuosi vnnd Handwerchsleuth gehorsamb sein und Ir Jeder sein arbeit nach seinem bevelch, angeben und heißen verrichten und machen.212 Interessant ist, dass die zeichnerischen Fähigkeiten konkret benannt werden, wenn Sus-tris eben auch »alle Intentionen, disegna vnnd außtheilung« zu verfertigen habe. Werden mit »Intentionen« und »disegna« wohl eher allgemeine Anforderungen an Zeichnungen

und Rolle der Architekten im Bauwesen des 14. bis 16. Jahrhunderts, Darmstadt 2009. Die ähnliche Einschätzung für den italienischen Raum bei Hubertus Günther, Was ist Renaissance? Eine Charak-teristik der Architektur zu Beginn der Neuzeit, Darmstadt 2009, 84. Zu sogenannten »Malerarchi-tekten« im deutschsprachigen Raum vgl. zusammenfassend Hauffe, Architektur als selbständiger Bildgegenstand (wie Anm. 34), 55–61. Zur Unterscheidung von Baumeistern und Architekten vgl.

Arnold Bartetzky, Mißverständnisse, Manipulationen und Mythen. Anmerkungen zur Stellung des Baumeisters in der »Deutschen Renaissance«, in: Ders. (Hg.), Die Baumeister der »Deutschen Renais-sance«. Ein Mythos der Kunstgeschichte?, Beucha 2004, 256–266, hier 259–262.

210 Vgl. hierzu Kap. 8.1. Weitere Beispiele in Bartetzky, Mißverständnisse, Manipulationen und Mythen (wie Anm. 209), 263.

211 Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des modernen Künstlers, 2. Aufl., Köln 1996, 225.

212 Zit. nach Karl Feuchtmeyr, Lemma Friedrich Sustris, in: Ulrich Thieme/Felix Becker (Hg.), Allgemei-nes Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, 37 Bde., Bd. 32, Leipzig 1938, 306–314, hier 307. Vgl. auch Warnke, Hofkünstler (wie Anm. 211), 236.

3.1 Höfischer Kontext 53

jeglicher Art formuliert, so bezieht sich die »außtheilung« jedoch auf ein für das 16. Jahrhun-dert zentrales Entwurfsparadigma: bemaßte Grundrisse mit schlüssigen raumfunktionalen Gliederungen eines Baukörpers zu erstellen.213 Dass Sustris diesen fixierten Anforderungen, besonders einer regelgerechten Austeilung, wohl nicht immer gerecht wurde, verdeutlicht eine zehn Jahre zuvor erfolgte, bereits oben diskutierte Beschwerde des ihm unterstellten Baumeisters Georg Stern, der nach einer Zeichnung Sustris᾽ »nur von freÿer handt one alle gemachte austailung furgebildet, vnd nur auf ainer seiten anzesechen« den gewünschten Bau eben nicht umsetzen konnte.214 Anders formuliert, scheint der Kunstintendant durch-aus konzeptuelle Zeichnungen verfertigt zu haben, die mehr »Intentionen« und »disegna«

entsprechen konnten denn konzisen »außtheilung[en]«. Diese Arbeitsweise deckt sich durchaus mit den  Anforderungen einer verstärkt koordinierenden Stelle eines Hofbau-meisters. Hingegen oblag dem Baumeister – hier Georg Stern – die Umsetzung. Dass die ausführenden Baumeister durchaus theoretisch geschult waren und genaue Anforderungen an die Architekturzeichnungen hatten, verdeutlicht Sterns umfangreiche Stellungnahme zu der Zeichnung Sustris᾽, in der er eben jene mangelnde »austailung« kritisierte.

Auch für den in kursächsischen Diensten stehenden und zunächst als kurfürstlicher Werkzeugmacher und später als Kommandant des Zeughauses bestallten Paul Buchner ist,215 wie bei Friedrich Sustris, durchaus zu fragen, inwiefern er tatsächlich als Urheber von Architekturzeichnungen in Erscheinung trat. Ein Teil der ihm zugeschriebenen Darstellungen ist zwar signiert, dieses Signaturkürzel »pp m«216 sollte allerdings nicht immer mit der zeichnerischen Urheberschaft gleichgesetzt werden. Zudem ist Buchner als Zeugmeister für sehr heterogene Zeichnungen verantwortlich, die von aufwendig in Gold gehöhten Instrumenten eines Geschützaufsatzes, Darstellungen von Geschoss-flugbahnen (Abb. 11) oder bekrönenden Kupferfiguren bis hin zu dem auf Vermessun-gen beruhenden Stadtplan der Residenzstadt Dresden reichen.

Dass der von 1569 bis 1578 am kursächsischen Hof bestallte und ab 1571 zum »Obrister Artalarey Zeug und Bawmaister« ernannte aus Italien stammende Graf Rochus zu Lynar ebenso das Verfertigen von Zeichnungen und Modellen koordinierte,217 legt die Korrespondenz mit einem seiner weiteren Auftraggeber nahe. In einem Schreiben aus dem Jahr 1575 an Fürst Ernst Joachim von Anhalt den Ausbau dessen Dessauer Residenzschlosses betreffend heißt es lediglich: »bis auff das kunfftige iahr, die

viesi-213 Vgl. hierzu Kap. 7.1.

214 Georg Stern, Schreiben an Erbprinz Wilhelm von Bayern, 26.10.[1576], in: BayHStA, FS, 426a, fol.  329r–331r. Vgl. Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm.  99), Transkription 3.

215 Dessen verschiedene Bestallungen und Tätigkeitsbereiche bei Matthias Donath, Lemma Paul Buchner (Puchner) d.Ä., in: Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. (Hg.), Sächsische Biografie, [01.12.2006], URL: http://www.isgv.de/saebi/ (Zugriff vom 21.07.2014). Im Folgenden wird der Ein-fachheit halber Buchner als »Zeugmeister« benannt, wenngleich er eben auch Tischler und Schrau-benmacher, Baumeister und Festungsbaumeister war.

216 Möglicherweise aufzulösen als »Paul Puchner m[anus]«.

217 Zur konfliktreichen Tätigkeit Lynars am kursächsischen Hof vgl. Thomas Biller, Architektur und Politik des 16. Jahrhunderts in Sachsen und Brandenburg. Rochus Guerini Graf zu Lynar (1526–1596) – Leben und Werk, in: Der Bär von Berlin. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte Berlins 40 (1991), 7–38.

Zu den zahlreichen Entwürfen Lynars für Kurfürst August von Sachsen noch immer zusammenfas-send Richard Korn, Kriegsbaumeister Graf Rochus zu Linar. Sein Leben und Wirken. In der Haupt-sache nach archivalischen Quellen bearbeitet, Dresden 1905, bes. 59–64. Zu Lynar und dem Dessauer Schloss zusammenfassend (34).

rung wirdt zwische Selit vndt Sonnabendt fertig werrdnn vnd weis das E. fl. G. werden gnedignn gefallnn darann habenn«.218 Im Folgenden beschreibt Lynar dann, dass er

»Moster vnd proba« von Fenstern und Türen »dem Steinmetznn« in Auftrag gegeben habe219, die dieser »Meister« dann zusammen mit »des baus geschnitten viesirungn«

nach Dessau bringen würde, damit sich Ernst Joachim »besser darauf errichtenn« und

»zum bestenn mit deen leuthen handelnn« könne.220 Inwiefern Lynar hier tatsächlich als Urheber der »geschnitten viesirung« anzusehen ist, ist fragwürdig und lässt wie-derum darauf schließen, dass er zwar die Vorlage lieferte, nicht aber die tatsächliche Ausführung, vor allem des Holzmodells, übernahm. Explizit lässt sich dieses Proze-dere an einer Serie von elf idealen Festungsentwürfen belegen, die Lynar 1575 an Kur-fürst August schickte.221 Im Verlauf der hieraus entstehenden Korrespondenz zwischen Lynar und seinem Dienstherrn geht hervor, dass Lynar unter anderem neben einem Schreiber einen lothringischen Bauzeichner beschäftigte: »dieweil Ich [Lynar, S.F.] mitt dem abreisen selbst nicht so rein vmbzugehenn weis.«222 Thomas Biller und Hartwig Neumann, die hierauf erstmals hinwiesen, ergänzen diesen Befund um einen weite-ren aufschlussreichen Aspekt, dass nämlich ein gewisser Conrad Schwabe, zunächst als Zeugschreiber und dann als »Unterbaumeister« bestallt, während Lynars Tätigkeit für die Befestigung Spandaus in Berlin auch zum Verfertigen von »›Abrißen, Visirun-gen, Instrumenten oder dergleichen‹« verantwortlich war und darüber Stillschweigen zu bewahren hatte.223 Diese eher seltenen quellenkundlichen Einblicke in die

Produk-218 Graf Rochus Lynar, Schreiben an Joachim Ernst von Anhalt, 21.11.1575, in: LHASA, Abteilung Dessau, fol. 6r–7r, hier fol. 6r.

219 Graf Rochus Lynar, Schreiben an Joachim Ernst von Anhalt, 21.11.1575, in: LHASA, Abteilung Dessau, fol. 6r–7r, hier fol. 6r.

220 Graf Rochus Lynar, Schreiben an Joachim Ernst von Anhalt, 21.11.1575, in: LHASA, Abteilung Dessau, fol. 6r–7r, hier fol. 6v.

221 Korn, Kriegsbaumeister Graf Rochus (wie Anm.  217), 69. Biller, Architektur und Politik (wie Anm. 217), 15 gibt hingegen »fünfzehn Idealentwürfe« an und nennt weiter ein »umfassenderes ›Ver-zeichnis‹ über Fragen des Bauens und Eroberns von Festungen, der Artillerie und Kriegsführung«.

Das Schreiben konnte vom Verf. noch nicht eingesehen werden.

222 Zit. nach Korn, Kriegsbaumeister Graf Rochus (wie Anm. 217), 69.

223 Thomas Biller/Hartwig Neumann, Der »Lynarplan« und die Entstehung der Zitadelle Spandau im 16. Jahrhundert, Berlin 1981, 59, Permalink: http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:16-artdok-12635 (Zugriff vom 04.08.2014).

Abbildung 11: Paul Buchner, Schema von Geschossflug-bahnen, 1577.

3.1 Höfischer Kontext 55

tionsweisen von Architekturzeichnungen im 16. Jahrhundert belegen – was auch mehr als plausibel sein dürfte –, dass ausdrücklich auch Bauzeichner und Bauschreiber als technisch-administratives Personal durch die Inhaber der höheren Hofchargen ange-stellt wurden und für die Realisierung von Zeichnungen verantwortlich waren.224

Ein weiteres, jedoch exzeptionelles Beispiel zeichnerischer Produktion stellt hinge-gen das Konvolut des württembergischen Landesbaumeisters Heinrich Schickhardt dar, der als Ingenieur und Architekt nicht nur landesherrliche Bauprojekte zu entwerfen, zu begutachten und zu modifizieren hatte, sondern auch dezidiert Zeichnungskonvo-lute als Form- und Wissensspeicher ingenieurtechnischer wie architekturtheoretischer Belange anfertigte.225 Die Beherrschung des Mediums »Zeichnung« wird von Schick-hardt retrospektiv in seinem Inventarbuch besonders hervorgehoben, wenn er hierin unter der alphabetischen Auflistung der von ihm betrauten Bauprojekte jeweils einzeln vermerkt, dass den Bauausführungen eigenhändige Vermessungen und Zeichnungen vorausgingen.226

Im Kontext des Vermessungswesens qualifizierte sich besonders Wilhelm Dilich als Ingenieur und Festungsbauer. Der seit 1592 unter dem hessischen Landgrafen Moritz in Diensten stehende Wilhelm Dilich trat zunächst als Urheber von Werken zur hes-sischen Geschichte in Erscheinung und verband die historiographischen Studien mit dem Erstellen von Kartenwerken, bis er als »Geographus« und »Historicus« unter Moritz dem Gelehrten die Landtafeln hessischer Ämter zwischen Rhein und Weser anfertigte (Abb. 12).

Hierbei erstellte der Vermessungsingenieur nicht nur maßstabsgetreue Karten der oberhessischen Besitzungen, sondern auch aufwendige Ansichten von Burgen und Schlössern. In späterer Zeit trat Dilich, zum Obersten Zeugmeister ernannt, am

224 Vgl. zu dem Beispiel Lynar auch die Einschätzung bei Biller, Architektur und Politik (wie Anm. 217), 27 mit Anm. 16.

225 Hierzu jüngst Robert Kretzschmar/Regina Keyler, Vom Architekturbüro über das Archiv ins Internet.

Der Nachlass Heinrich Schickhardt, in: Ders. (Hg.), Leonardo da Vinci und Heinrich Schickhardt.

Zum Transfer technischen Wissens im vormodernen Europa, Stuttgart 2010, 90–116, hier 104.

226 Vgl. die Einträge des Kap. »Ohngevare Verzaichnus was mitt Gottes Gnediger hilff ich Heinrich Schickhardt innerhalb viertzig Jaren, In vnd auser halb lands Biß anno 1632. gebaut hab.« in Schick-hardt, INVENTARIVM (wie Anm. 101), fol. 169r–224r.

Abbildung 12: Wilhelm Dilich, Spezialtafel des Amtes Melsungen, 1616.

kursächsischen Hof als Urheber von Veduten, Vermessungen der Dresdner Festungs-anlagen bis hin zu Festungsbautraktaten in Erscheinung. Für diese sich im frühen 17. Jahrhundert häufenden aufwendigen Kartierungen landesherrlicher Territorien als Repräsentationsmedien qualifizierten sich insbesondere Vermessungsingenieure. So fertigte der Geometer und Mathematiker Jakob Ramminger für den württembergi-schen Herzog Friedrich wohl um 1600 ein auf Pergament gezeichnetes Seehbuch an, das zahlreiche landesherrliche Seen und Weiher in Württemberg kartographisch aufnimmt (Abb. 13).227 Ramminger bezeichnet sich selbst in der umfassenden lateinischen Vor-rede, in der er unter anderem auch sein Zeichenverfahren erläutert, mit »Agnomento Scriba«228 und weist sich damit interessanterweise eben nicht primär als Mathematiker und Geometer aus.

Mit Architekturzeichnungen waren neben Inhabern von hochrangigen leitenden Ämtern wie dem eines Kunstintendanten oder Landesbaumeisters aber auch rangnie-dere Personen am Hof betraut. Das schmale Traktat Grundriße einiger starcken FOR-TIFICATIONS Wercke, auff Spanischer bau Art (um 1575) des in Wolfenbüttel tätigen Hoftrompeters Georg Schaffner229, ist ein solches Beispiel (Abb. 14).

In seiner Handschrift mit Idealentwürfen zu einer Bastion in Grundrissen und Per-spektive samt erläuterndem Text – die auch Eingang in die Bibliothek Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel fand – exponiert sich Schaffner selbst als der im Text erwähnte und notwendig gebildete »Baumeister«,230 versieht alle Zeichnungen

promi-227 Jakob Ramminger, Seehbuch, darinnen alle Seeh und Weyher in dem löplichen Hertzogthumb Würtemberg, 1601, in: WLB, Cod.hist.fol.  261, Titelseite, o.S., Permalink: http://nbn-resolving.org/

urn:nbn:de:bsz:24-digibib-bsz3376926297 (Zugriff vom 21.07.2014).

228 Ders., Seehbuch (wie Anm. 227), Titelseite, o.S.

229 Georg Schaffner, Grundriße einiger starcken FORTIFICATIONS Wercke, auff Spanischer bau Art, um 1575, in: HAB, Cod. Guelf. 157 Extrav., Permalink: http://diglib.hab.de/?db=mss&list=ms&id=157-extrav&catalog=Butzmann (Zugriff vom 21.07.2014). Vgl. weiter den kurzen Eintrag in Schütte (Hg.), Architekt und Ingenieur (wie Anm. 178), 299 ohne weiteren Bezug zum Urheber und Inhalt der kurzen Schrift. Siehe den Text in Fitzner, Quellen zur Geschichte der Architekturzeichnung (wie Anm. 99), Transkription 4.

230 Im Wortlaut: »ain guten verstendigen wolbedachten forsehnlichen nach denckischen [?] Baumeister wissen schafft«. Schaffner, FORTIFICATIONS Wercke (wie Anm. 229), fol. 7v.

Abbildung 13: Jakob Ramminger, Seehbuch, Seite mit Seen um Stuttgart, Bernhausen und Bonlanden, um 1600.

3.1 Höfischer Kontext 57

nent mit dem Signaturkürzel »IS« und weist so auf seine Urheberschaft wie Invention hin. Schaffner war 1573 unter Herzog Julius als Hoftrompeter bestallt worden und trug den »Normaltitel«231 eines Kammerdieners, womit er zum »Gemeinen Hofgesinde«

zählte.232 Auch der seit 1558 in den Diensten der Herzöge von Braunschweig stehende niederländische Trompeter und Kammerdiener Ruprecht Lobri233 war für die Aufbe-wahrung von Modellen und Zeichnungen zuständig. Wie auch Schaffner verfasste er unter anderem eine Schrift, Architectura und Perspectiva Rubberti Lobbri, die zwar noch im Katalog des Liborius Otho der herzoglichen Bibliothek aufgeführt, jedoch nicht mehr überliefert ist.234 Inwiefern sich sowohl Schaffner als auch Lobri als Trompeter für bau- und ingenieurtechnische Aufgaben, besonders aber das Zeichnen, qualifizierten, muss offenbleiben. Die parallel zu den umfangreichen Vorplanungen und Ausführungen der Wolfenbütteler Festungsbauten verfertigten Zeichnungen Georg Schaffners sind aber auch in einer weiteren Hinsicht bemerkenswert: Denn Schaffner stellt sich, vermittelt durch seinen Traktat, als rangniederer »Trompetter« in eine Reihe von renommierten Architekten und Ingenieuren, die Herzog Julius als Berater in der Zeit von 1574 bis 1584 zum Ausbau der Festungswerke heranzog: Johann Pasqualini, Wilhelm de Raet, Daniel Specklin und eben auch Graf Rochus zu Lynar.235 Damit ließe sich die Urheberschaft von Zeichnungen (und auch Traktaten) dezidiert als Distinktionsmerkmal einer

Profes-231 Vgl. zum Status des Kammerdieners Warnke, Hofkünstler (wie Anm. 211), 148.

232 Siehe Martin Ruhnke, Beiträge zu einer Geschichte der deutschen Hofmusikkollegien im 16. Jahrhun-dert, Berlin 1963, 102, 132f.; zur Bestallung Schaffners 1573 als »Hof- und Feldtrompeter« und ab 1576 als Kammerdiener (38).

233 Lobri wurde 1569 zum Kammerdiener ernannt und sollte dem Trompeterdienst nicht mehr nachge-hen. Stattdessen, so Ruhnke nach der Bestallungsurkunde, »solle [Lobri, S.F.] jederzeit in der fürstli-chen Kammer und sonst treu und fleißig für das persönliche Wohl des Herzogs sorgen, das Gemach stets sauber und aufgeräumt halten sowie über alles, was er zu sehen und zu hören bekomme, schwei-gen. Ferner, was er an solle er das guten Künsten, wie Schnitzen, Drehen, Schreinern usw., beherrsche, nicht verheimlichen, sondern je nach Gelegenheit davon Gebrauch machen.« Siehe Ruhnke, Hofmu-sikkollegien im 16. Jahrhundert (wie Anm. 232), 28.

234 Siehe hierzu Barbara Uppenkamp, Das Pentagon von Wolfenbüttel. Der Ausbau der welfischen Resi-denz 1568–1626 zwischen Ideal und Wirklichkeit (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen, 229), Hannover 2005, 166f.; ebenso war Lobri als Baumeister tätig sowie zusammen mit Paul Francke und Wilhelm de Raet mit dem Abstecken der Wolfenbütteler Fes-tungswerke betraut (167).

235 Uppenkamp, Das Pentagon von Wolfenbüttel (wie Anm. 234), 167.

Abbildung 14: Georg Schaffner, FORTIFICATIONS Wercke, perspektivische Darstellung einer idealen Bastion, um 1575.

sionszugehörigkeit verstehen. Gleiches darf auch für den aus Dresden stammenden Ste-fan Bretschneider gelten, der sich als »Mahler, anSte-fangender architecTus« nach 1586 dem kursächsischen Hof empfiehlt. Neben einem in Aussicht gestellten umfassenden Archi-tekturtraktat, den Bretschneider auf Basis des von seinem Vater gesammelten Materials erstellen wollte, war es besonders die erlernte Beherrschung von Festungszeichnungen, die seine Befähigung als Architekt zum Ausdruck bringen sollte:

so Ich auch zum Theill zweÿerleÿ arth Liederrlich auffgerissen vor sieben Jahore, so woltt ich gern eine zur Proba durch die Geometria aus dem funffeckh durch die Simetria auffziehen, vnd in die PerspecTiua bringen, eine Pastey wohl auff zwantzi-gerley[?] Arth GedemonsTrirt mag werdens […].236

Neben den Hofmusikern konnten aber auch Hofdrechsler an den fürstlichen Höfen als Urheber von Architekturzeichnungen in Erscheinung treten. So fertigte der Hof-drechsler Jacob Zeller, der 1610 vom kaiserlichen Hof Rudolfs II. in Prag nach Dresden kam, unter anderem einen »Riß der Vestung Dreßden vff Pappier« an, der später Ein-gang in die Kunstkammer fand.237 Ebenso sind die Fürsten nicht nur als Auftraggeber und Adressaten von Architekturzeichnungen, sondern auch als Urheber zeichnerischer Darstellungen in Erscheinung getreten. Diese reichen von perspektivischen Schüler-zeichnungen über entwurfsbegleitende Darstellungen bis hin zu Vermessungen und Kartierungen, was jedoch im letzten Kapitel gesondert verhandelt wird.238