• Keine Ergebnisse gefunden

III. Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter 109

7.1.4. Normenzusammenhang

In Weischenbergs Zwiebel-Modell bilden die Normen und ethischen Standards, welche den Journalismus umschlieÿen, die äuÿere Schale. Speziell für den wissenschaftspolitischen Jour-nalismus lassen sich entsprechende Normen aus den Empfehlungen der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, auf die bereits im ersten Kapitel Bezug genommen worden war und die speziell das Verhältnis der Wissenschaft zur Öentlichkeit und den Medien adres-sieren, ableiten. In diesen Empfehlungen werden die Medien ebenso zum Verzicht auf Über-treibungen in der Wissenschaftskommunikation aufgefordert wie die Wissenschaft selbst.

Dagegen war die Wissenschaftskommunikation im Fall der Exzellenzinitiative durch eine übertreibende Exzellenz-Rhetorik gekennzeichnet, die Kritik hervorgerufen hat (vgl. Kapi-tel 2). Das gilt aber zunächst für die Wissenschaft selbst. Die TU München (2015) verleiht sich auf ihrer Website selbst den Titel einer Exzellenzuniversität und geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie betont, eine derjenigen Universitäten zu sein, die bereits in der Förderrunde zur ersten Programmphase erfolgreich war und bis heute gefördert wird (eine der drei ersten

Exzellenz-Universitäten Deutschlands). Damit erzeugt sie eine weitere Unterscheidungsdi-mension, welche soagr noch über das label exzellent hinausgeht.

Neben dem Begri der Exzellenz-Universität bezieht sich im öentlichen Diskurs auch der inozielle Titel der Elite-Universität auf Universitäten mit gefördertem Zukunftskonzept5. Dieser Begri geht zurück auf die Initiative der SPD, die 2004 die Etablierung einer Elite-Universität nach US-amerikanischen Vorbild vorschlug. Aus der sich daran anschlieÿenden Debatte ging in einem wissenschaftspolitischen Aushandlungsprozess schlieÿlich die Exzellen-zinitiative von Bund und Ländern hervor6. Zwar war die Idee einer deutschen Elite-Universität nach US-amerikanischem Vorbild in der Wissenschaftspolitik schnell wieder vom Tisch. Aber in den Medien hält sich diese Bezeichnung bis heute. Die wissenschaftlichen und politischen Mitglieder des Bewilligungsausschusses bedauern gleichermaÿen, dass der Gebrauch dieses inoziellen Titels durch die Medien die mit den Zukunftskonzepten verbundene Zielsetzung im öentlichen Diskurs verzerre. Ein von einem hochrangigen Mitglied des Bewilligungsaus-schusses vorgenommener Vergleich der dritten Förderlinie mit den US-amerikanischen Elite-Universitäten veranschaulicht die konzeptionelle Diskrepanz und weist damit auf ein Dezit der Wissenschaftskommunikation bei der Exzellenzinitiative hin:

[E]in Punkt war nicht erfolgreich: Diesen Hype da rauszuholen [...] Die DFG ver-gibt keine Etiketten, keine Orden, keine Ehrenzeichen. Dieser Titel Elite-Universität:

Da wurde ja explizit immer drüber geschrieben, dass die Universität jetzt den Elite-Titel bekommen hat. Es ist jetzt eine Elite-Uni. Aber doch nicht mit der För-derung, um die es da ging! [...] [A]llein der fundraising-Etat der Elite-Universitäten in den USA [macht] so viel aus jährlich wie das, was ein Cluster bekommt innerhalb der Exzellenzinitiative. Insofern muss man aus meiner Sicht da viel bescheidener sein und sich anschauen, was in den Papieren steht, dass nämlich elf Universitäten mit ihren Zukunftskonzepten die Möglichkeit bekommen, ihre Strukturentwick-lung voranzutreiben. Und neue Dinge auszuprobieren. (B3)

Dass es keinen adäquaten Begri für die Zukunftskonzepte im medialen Diskurs gab, nimmt ein politisches Mitglied des Bewilligungsausschusses, das selbst an der Aushandlung der Ex-zellenzvereinbarung beteiligt war, sogar zum Anlass für oene Selbstkritik:

Man [die Medien, Anm.] benötigte eine grige Bezeichnung und wir haben den Fehler gemacht, dass wir uns keine Bezeichnung dafür überlegt haben - so wie Exzellenzcluster oder Graduiertenschule. Da gab es einen Begri und der war auch transportierbar. Die Zielrichtung der dritten Förderlinie ist (...) bis heute im öentlichen Bewusstsein nicht vorhanden. (B8)

Nun lässt sich sicherlich darüber streiten, wie eingänglich Bezeichnungen wie Exzellenzclus-ter im öentlichen Diskurs tatsächlich sind. Denn die Gespräche mit den für Wissenschafts-politik zuständigen Redakteuren der Analysemedien machten deutlich, dass auch die Be-zeichnungen Graduiertenschulen und Exzellenzcluster nach Ansicht der Journalisten noch

5vgl. dazu ausführlich Kapitel 7.3

6vgl. dazu ausführlich Kapitel 7.2.1

7.1. Kontextbedingungen der medialen Exzellenz-Debatte einer weiteren Erklärung bedurften, um den Rezipienten die ihnen zu Grunde liegenden Kon-zepte zu vermitteln. Und handelt es sich nicht auch bei einem Begri wie Exzellenz um ein Modewort? Einerseits dokumentieren die oben genannten PR-Aktivitäten der geförder-ten Universitägeförder-ten den übertreibenden Gebrauch dieses Begris durch die Wissenschaft selbst, sodass der Journalismus - anders als vielfach unterstellt (z.B. Münch, 2009) - kaum als allei-nige treibende Kraft bei der Etablierung der Exzellenz-Rhetorik herhalten kann. Andererseits machten die Gespräche mit den Mitgliedern des Bewilligungsausschusses deutlich, dass der Exzellenz-Begri womöglich mehr Substanz beinhaltet als vielfach angenommen. Ein hoch-rangiges Mitglied dieses Gremiums bringt es wie folgt auf den Punkt:

Exzellente Forschung ist Forschung, die neue Wege geht, die eine signikante Frage stellt, die das Fach verändert und eben nicht me too ist. Ein Bild macht das anschaulich: Im Jahr 1802 hat Jeerson eine Expedition zum Pazik geschickt, um einen Landweg zum Pazik zu beschreiben, der bis dahin nicht gefunden war. Denn es bestand die Gefahr, dass Kalifornien spanisch würde bzw. unabhängig. Dann ist es gelungen, diesen Weg zu nden - unter ziemlich schwierigen Umständen.

30 Jahre später wurde in Kalifornien Gold entdeckt. Und ein Jahr später sind zehntausend Goldgräber auf dem Weg, den Lewis und Clark entdeckt hatten, über die Rocky Mountains nach Kalifornien gekommen. Und wenn ich Review-Committees habe, sage ich immer: Ist das hier Lewis and Clark? Oder ist das Gold Rush? (B5)

Dass der Exzellenz-Begri zum Beispiel in den vom Wissenschaftsrat veröentlichten Per-spektiven des deutschen Wissenschaftssystems auÿer in den Eigennamen Exzellenzinitiative sowie Exzellenzcluster nicht mehr zur Charakterisierung von Spitzenforschung gebraucht wird, sondern stattdessen das Wort herausragend Verwendung ndet, ist eben auf seinen inatio-nären Gebrauch zurückzuführen. Umso überraschender erscheint es deshalb, dass die Begrie Elite- und Exzellenz-Universität bei den Journalisten selbst auf Kritik stoÿen:

Ich hoe, dass ich das nicht allzu oft gemacht habe [das Elite-Label zu benutzen, Anm.], weil ich (...) insbesondere auch die Zukunftskonzepte - also wenn man von ganz wenigen Ausnahmen absieht - für ausgesprochen wolkig halte. Also ich habe mich schon viel drüber lustig gemacht über Zukunftskonzepte, insbesondere bei der FU. Also die FU war für mich ein Beispiel dafür, wie Trivialitäten, die alle von sich behaupten, in irgendwelche Strukturprojektionen gegossen werden: Wir sind international, wir sind vernetzt, wir gucken in die Zukunft, wir sind innovativ, wir ziehen allen an einem Strang. Und gesagt wird: Das ist die Zukunft! Das streift meiner Ansicht nach gelegentlich auch die unfreiwillige Komik. (J8)

Die Kritik gilt auch für den Exzellenz-Begri:

Diese Labels oder dieses wording, das da stattgefunden hat, das ist grauenvoll.

Wir haben es auch. All diese Begrie: innovativ, systemimmanent, implementieren - all diese Schlagworte, die dann nichts mehr heiÿen und die nur noch ein Signal setzen. Eben auch Exzellenz. Das ist auch so ein Wort, das dann nicht deniert ist. Also: schlecht! (J9)

Gleichzeitig liefert dieses Zitat aber auch einen Hinweis darauf, weshalb der Exzellenz-Begri (und auch der Elite-Begri) in der medialen Berichterstattung so präsent ist. Denn seine Signalwirkung weist auf die bereits in Kapitel 7.1.2 beschriebenen Nachrichtenwert hin.