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Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen

III. Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter 109

7.1.2. Funktionszusammenhang

7.1.2.2. Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen

Dieser Abschnitt stellt journalistische Routinen der medialen Exzellenz-Debatte dar. Erstens wird die oftmals vorgenommene mediale Zuschreibung von (Miss-)Erfolgen der Universitäten im Exzellenzwettbewerb auf die Universitätspräsidenten und -rektoren als eine Form der Per-sonalisierung interpretiert. Zweitens wird die mediale Exzellenz-Debatte hinsichtlich der zum Einsatz kommenden journalistischen Stilformen charakterisiert. Und drittens liefert die Zahl der Titelgeschichten zur Exzellenzinitiative weitere Hinweise darauf, dass der Exzellenzinitia-tive von den Journalisten groÿe Relevanz beigemessen wird.

Mediale Attribution von ()Erfog der Universitäten Wem werden Erfolge und Miss-erfolge der Universitäten im Exzellenzwettbewerb zugeschrieben? Zur Beantwortung dieser Frage waren im Rahmen der Inhaltsanalyse entsprechende Kodierungen vorgenommen wor-den. Dabei wurde unterschieden zwischen der Attribution des Erfolgs bei der Antragstellung

7.1. Kontextbedingungen der medialen Exzellenz-Debatte und der Attribution des Misserfolgs bei der Antragstellung bzw. zwischen dem Autor der Erfolgsattribution und dem Autor der Misserfolgsattribution. Kodiert wurden nur solche Fälle, bei denen explizit Bezug auf das Abschneiden einer ganz bestimmten Universität genom-men worden war. Pauschalbewertungen wurden in der Analyse dagegen nicht berücksichtigt.

Die Ergebnisse werden im Folgenden gegliedert dargestellt und dann mit den Resultaten der Interviews kombiniert.

In knapp zwei Drittel aller Fälle wurde der Erfolg einer Universität bei der Exzellenzini-tiative dem Präsidenten/Rektor der jeweiligen Universität zugeschrieben (60,9 Prozent). Es folgen die Universität im Allgemeinen sowie eine politische Einussnahme (jeweils 14,5 Prozent). Der Antrag selbst sowie die an der Antragstellung beteiligten Wissenschaftler wurden eher selten genannt (je 4,3 Prozent). Der Anteil der Ausprägung Sonstige beträgt 1,4 Prozent.

Die Autoren der Erfolgsattribution sind meistens Journalisten (43,5 Prozent). Es folgen die Präsidenten/Rektoren (27,5 Prozent), Politiker (13 Prozent), geförderte Wissenschaftler (7,2 Prozent) sowie Sonstige (8,7 Prozent).

Dagegen wird der Misserfolg einer Universität im Exzellenzwettbewerb in knapp der Hälf-te der Fälle nicht mit einer Person, sondern mit UnstimmigkeiHälf-ten im Verfahren begründet (48,3 Prozent). Eine Attribution mit dem Präsidenten/Rektor einer Universität wird nur in knapp einem Drittel der Fälle vorgenommen (31,7 Prozent). Es folgen weniger promi-nent der Antrag selbst (11,7 Prozent) sowie die Universität im Allgemeinen (6,7 Prozent).

Die an der Antragstellung beteiligten Wissenschaftler werden nur selten in den Medien für den Misserfolg verantwortlich gemacht. Autoren der Misserfolgsattribution sind die Präsi-denten/Rektoren (48,3 Prozent) sowie Journalisten (46,7 Prozent). Der Anteil Sonstiger beträgt 1,7 Prozent.

Die Ergebnisse dokumentieren, dass der (Miss-)Erfolg der Universitäten bei der Exzel-lenzinitiative oftmals mit der Person des Rektors bzw. Präsidenten in Verbindung gebracht wird. Diese Attribution stimmt mit aktuellen Reformentwicklungen hinsichtlich der Gover-nance deutscher Universitäten überein, in deren Rahmen die Rolle der Universitätsleitungen gestärkt wurde (vgl. Kapitel 2). Den Journalisten bietet diese Erfolgsattribution die Möglich-keit, den abstrakten Wettbewerb zwischen den Universitäten an Personen fest zu machen.

Dabei handelt es sich um eine bewusste journalistische Arbeitsroutine:

Ja, das ist natürlich journalistisch zugespitzt, klar. Weil man das gerne auf Perso-nen zuspitzt. Das ist in der Politik nicht anders. Man schreibt ja nicht vom Erfolg der CDU, sondern von der Kanzlerin. Das sind journalistische Mechanismen, die aber in dem Fall (...) berechtigt sind, weil es tatsächlich um ein Konzept [Zukunfts-konzept, Anm. C.M.] geht. Es ging nicht nur darum: Was ist die Uni? Sondern es ging auch darum: Was will sie sein? Das muss man erstmal konsistent herstel-len. Und das ist ja eine gewisse Fiktion, die man da herstellt auf 30, 40 Seiten.

Das ist unser Konzept, so wollen wir werden. Das muss man erstmal aufschreiben.

Dafür muss man seine Uni irgendwie kennen. Man kann sich ja nicht irgendetwas ausdenken und das hat überhaupt gar keinen Unterbau (...) Das kriegen Gutach-ter ja auch mit. Die müssen das ja mitrepräsentieren, die Leute. Und man muss es dann verkaufen gegenüber den Gutachtern. Und da spielt der Präsident eine

unbedingte Rolle. Insofern bin ich ziemlich sicher, auch aus meiner Erfahrung als Journalist, dass gerade in solchen unglaublich schwierigen Institutionen, wie es ei-ne Universität nun mal ist, aber auch Schule, die Leute, die an der Spitze stehen, eine groÿe Rolle spielen. Nicht kurzfristig, aber langfristig können die doch durch Geld und administrative Entscheidungen relativ viel erreichen. Und hier ging es ja auch wirklich darum, eine gewisse performance abzugeben: Man musste das in-nerhalb eines bestimmten Zeitraums repräsentieren. Deshalb glaube ich, dass das eine gewisse Berechtigung hat. (Spiewak)

Tatsächlich bildet diese mediale Darstellung die Prozesse innerhalb der Universität aber nur zum Teil ab. Zum Beispiel beurteilt ein Universitätsrektor die journalistische Zuspitzung von Erfolg und Misserfolg wie folgt:

So richtig adäquat ist es meiner Meinung nach nicht. Es ist natürlich medienty-pisch. Auf der einen Seite kann man natürlich nicht abstreiten, dass man gerade in der dritten Linie [der Zukunftskonzepte, Anm. C.M.] die Hochschulleitung und na-türlich dann in der Auÿenvertretung den Rektor, der ja für die Auÿenvertretung zuständig ist, im Grunde schon als einen wichtigen Exponenten des Konzeptes sieht. Ich hatte den Eindruck, dass auch die Gutachter die Leitung in der Ver-antwortung sahen, solche Konzepte im Falle einer Bewilligung dann auch wirklich voranzutreiben. Insoweit ist es natürlich schon richtig. Auf der anderen Seite war es - jedenfalls bei uns - nicht so, dass man nun als Person im Grunde den Antrag geschrieben hat und vorgegeben hat, was zu tun sei und die anderen haben alle brav genickt. Sondern wir haben das von unten nach oben in der Universität mit sehr groÿen Gruppen aufgebaut und haben eben schon versucht, die Universität in die Konzeptionierung einzubinden. Aber natürlich steht dann da der Rektor, der alles vertritt. Das kann man gar nicht abstreiten. Deshalb ist die Zuspitzung auf den Rektor eine Vereinfachung. Sie trit die Komplexität der Sache nicht.

Aber dass man als Rektor schon für das Konzept stehen muss, kann man nicht abstreiten. (P2).

Die Journalisten sind sich der Ambivalenz der Zuspitzung von Erfolg und Misserfolg zumindest zum Teil durchaus auch bewusst:

Ja, die Beobachtung [einer Zuspitzung von Erfolg und Misserfolg auf die Person des Rektors bzw. Präsidenten, Anm. C.M.] ist so. Und ich glaube tatsächlich, dass das nicht wirklich adäquat ist, weil ein Präsident an den Universitäten ja nicht durchregieren kann. Aber nachdem die sich so aufplustern, wenn sie Erfolge einheimsen und dann ganz vorne in der Reihe stehen, habe ich wirklich überhaupt kein Problem damit, sie auch vorne zu zeigen, wenn sie Niederlagen einfahren.

(J9)

Einer der hochrangigen Mitglieder des Bewilligungsausschusses sieht die Fokussierung der Medien auf die Präsidenten und Rektoren der Universitäten aber mit Sorge:

[J]etzt läuft dieser Wettbewerb öentlich unter medialem Scheinwerferlicht. Das setzt indirekt die Präsidenten unter einen wahnsinnigen Druck nach innen. Auf

7.1. Kontextbedingungen der medialen Exzellenz-Debatte einmal sagen die Wissenschaftler: Wenn wir diesen medialen Wettbewerb nach auÿen nicht gewinnen, dann glauben wir, eine schwache Führung zu haben. (B2) Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die Zuspitzung von Erfolg und Misserfolg der Universitäten bei der Exzellenzinitiative auf die Personen der Präsidenten und Rektoren eine journalistische Darstellungsroutine in der medialen Berichterstattung darstellt.

Stilformen Für die Mehrzahl der medialen Beiträge über die Förderung von Spitzenfor-schung an deutschen Universitäten wählten die Journalisten die tatsachenbetonenden Stil-formen Nachricht und Bericht: Ihr Anteil am gesamten Berichterstattungsumfang beträgt knapp 60 Prozent (vgl. Abbildung 7.4). Dagegen ist immerhin ein Drittel aller Artikel mei-nungsbetont (Kommentar, Interview, Reportage): Jeder fünfte Beitrag ist ein journalistischer Kommentar oder ein externer Gastbeitrag (19,7 Prozent), jeder zehnte Beitrag ist ein Inter-view (elf Prozent). Allerdings ist der Anteil an Reportagen (1,2 Prozent) ebenso gering wie die Zahl der Features (vier Prozent).

Abbildung 7.4.: Häugkeit journalistischer Stilformen in der medialen Berichterstattung über die Förderung von Spitzenforschung an deutschen Universitäten

Diese Ergebnisse dokumentieren, dass die Förderung von Spitzenforschung an deutschen Universitäten durchaus Anlass für journalistische Reektion und Einordnung gab. Ob daraus auch eine diskursive Berichterstattung mit unterschiedlichen Meinungen resultierte, wird in Kapitel 7.2 bei der Darstellung der Ergebnisse zur Framing-Analyse geprüft.

Titelgeschichten Die Analysemedien berichteten in insgesamt 102 Artikeln auf ihren Titel-seiten über den Untersuchungsgegenstand (vgl. Tabelle 7.4). Am häugsten waren Beiträge über die Förderung von Spitzenforschung an deutschen Universitäten in der Frankfurter Allge-meinen Zeitung auf dem Titel zu nden: Dort erschien etwa ein Drittel aller Titelgeschichten über den Analysegegenstand (33). Es folgen Der Tagesspiegel (14 Titelgeschichten), Die Welt

(14 Titelgeschichten), die Süddeutsche Zeitung, die tageszeitung (beide 13 Titelgeschichten) sowie die Die Zeit (fünf Titelgeschichten).

Tabelle 7.4.: Anzahl der Artikel auf den Titelseiten der Analysemedien

Medium Gesamt

SZ 13

FAZ 33

Die Welt 14

die tageszeitung 13 Der Tagesspiegel 24

Die Zeit 5

P 102

Damit spiegelt die Zahl der Titelgeschichten zum einen die groÿe Bedeutung wider, wel-che der Exzellenzinitiative durch die Medien beigemessen wird. Zum anderen deutet dieses Ergebnis aber auch an, dass das Abschneiden der Universitäten als Indikator für ihre For-schungsperformanz wegen der zu unterstellenden groÿen Reichweite von Titelgeschichten ei-nem breiten Publikum zugänglich gemacht wurde. Wenn man aus der Literatur weiÿ, dass sich die Universitäten durch den in jüngerer Vergangenheit vollzogenen Ausbau von Referaten für Presse- und Öentlichkeitsarbeit ins rechte öentliche Licht rücken möchten, wird die durch die Exzellenzinitiative gegebene Anreizstruktur erkennbar.