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Inhaltliche Struktur der Exzellenz-Debatte

III. Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter 109

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte

7.2.2. Die Exzellenz-Debatte

7.2.2.1. Inhaltliche Struktur der Exzellenz-Debatte

Der deskriptive Überblick über die inhaltliche Struktur der medialen Exzellenz-Debatte orien-tiert sich - wie schon im Elite-Diskurs - an den kodierten Frame-Elementen Thema, Nutzen, Schaden und Forderung. Die Ergebnisse werden im Folgenden gegliedert dargestellt.

Themen der Exzellenz-Debatte Insgesamt wurden 1918 Themen-Beschreibungen kodiert.

Wichtigstes Thema der medialen Exzellenz-Debatte ist die Exzellenzinitiative von Bund und Ländern, welche in knapp einem Drittel der Artikel kodiert wurde (31 Prozent). Unterthemen davon waren die systemischen Eekte der Exzellenzinitiative (41,8 Prozent dieses Themas), die Eekte für geförderte Universitäten (26,2 Prozent), die Ausgestaltung der Exzellenzi-nitiative (25,4 Prozent) sowie die Finanzierung der ExzellenziExzellenzi-nitiative (1,5 Prozent) und das Verfahren der Exzellenzinitiative (0,6 Prozent). Der Anteil nicht weiter konkretisierter Themen betrug 4,5 Prozent.

Zweitwichtigstes Thema ist der Wettbewerb um Förderung von Spitzenforschung an deut-schen Universitäten, welcher in knapp einem Viertel aller Artikel kodiert wurde (24,3 Pro-zent). Die Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nach Bekanntgabe der För-derentscheidungen zur zweiten Programmphase der Exzellenzinitiative macht dieses Thema besonders anschaulich: Am 27. Juni 2012 illustrierte sie zwei Gastbeiträge von Autoren je einer Verlierer- und Gewinner-Universität, indem sie den Exzellenzwettbewerb zwischen den Insti-tutionen mit einem Pferderennwettbewerb verglich (vgl. Abbildung 7.9). Die Bildunterschrift imitiert einen aufgeregten Rennreporter: Köln! Köln schlieÿt auf! Köln überholt Freiburg und Göttingen! Köln Kopf an Kopf mit Bremen!!! Und Dresden! Und Berlin! Und München! Und

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte Aachen! Und Heidelberg! Lauter Kopf-an-Kopf-Duelle heute beim Gelehrtengalopp (Frank-furter Allgemeine Zeitung, 2012, N5).

Diese Veranschaulichung steht in der Tradition der von der ZEIT gewählten Analogie zu einem Schönheitswettbewerb zwischen den Universitäten (vgl. Kapitel 7.2.1.1). Sie berück-sichtigt aber auch die Dynamik des Wettbewerbs: Da die Universität Köln ein Zukunftskon-zept einwerben konnte und die Universitäten Freiburg und Göttingen keine Förderung für eine Fortsetzung ihrer Zukunftskonzepte erhielten, überholte Köln in der medialen Logik die beiden anderen Universitäten.

Unterthemen des Themas Wettbewerb um die Förderung von Spitzenforschung an deut-schen Universiäten waren die Wettbewerbseekte (davon 45,8 Prozent), die Wettbewerbs-fairness (30,8 Prozent), das Wettbewerbsverfahren (14,3 Prozent), die Wettbewerbskrite-rien (5,4 Prozent) sowie die Wettbewerbsregeln (1,1 Prozent). Der Anteil nicht weiter spe-zizierter Themen betrug in diesem Fall 2,6 Prozent. Dass über die Wettbewerbskriterien und die Wettbewerbsregeln in der medialen Exzellenz-Debatte vergleichsweise wenig berich-tet wird, stimmt mit der Wahrnehmung der befragten Mitglieder des Bewilligungsausschusses überein - und stöÿt dort auf (Selbst-)Kritik:

[W]as ist passiert bei der Exzellenzinitiative? Man hat sozusagen einen Wettbe-werb gestartet, der im Scheinwerferlicht der Öentlichkeit stattndet. Und daran letztlich systematisch leidet, dass man die Kriterien, die eigentlich innerwissen-schaftlich klar sind, aber fachspezisch auch unterschiedlich sind, dass man im Scheinwerferlicht der Öentlichkeit überhaupt keine Chance hat, den Menschen drauÿen auf der Straÿe klar zu machen, wie das eigentlich abläuft. Ich glaube, dass das nicht geklappt hat. Und es ist wohl eine unlösbare Aufgabe, das zu ver-suchen. Das heiÿt: Was ist passiert? Wie immer bei der Kommunikation rein in die Öentlichkeit: Es wird vereinfacht. Ich meine, wir wissen genau, was passiert ist:

Letztlich ist der ganze Wettbewerb reduziert worden - das ist jetzt etwas Schwarz-Weiÿ gemalt - der ist im wesentlichen reduziert worden auf die Frage: Wer kriegt denn dieses Prädikat Zukunftskonzept? Und das ist sehr, sehr bedauerlich, weil das im Grunde den Regeln völlig zuwider läuft, nach denen wissenschaftlicher Wett-bewerb abläuft. Da ging es ja auch nicht mehr um Inhalte. Also, warum haben die da jetzt gewonnen? Was haben die gut oder schlecht gemacht? Das nden Sie hier und da in der Berichterstattung. Aber das ist eher ein Randthema. (B2)

Abbildung 7.9.: Nach Bekanntgabe der Förderentscheidungen 2012 wählte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (2012, N5) zur Illustration von zwei Gastbeiträgen ei-ne Analogie zwischen Universitäten im Exzellenzwettbewerb und Jockeys im Pferderennen

Ein Ursache für dieses Dezit dürfte der blackbox-Charakter des Entscheidungsverfahrens sein. Eine adäquate Berichterstattung ist unter diesem Umständen kaum zu leisten, weil sich die berichtenden Journalisten nur ein eingeschränktes Bild machen konnten. Darüber hinaus wurden als Themen etwas weniger prominent diskutiert: die Leistungsperformanz des deut-schen Wissenschaftssystems im internationalen Vergleich (13,7 Prozent), ein Bund-Länder-Dualismus in der Wissenschaftspolitik (12,4 Prozent), Nachhaltigkeit der Förderung von Spitzenforschung (neun Prozent) sowie die mit der Exzellenzinitiative angeregte Dieren-zierung des Universitätssystems (7,1 Prozent). Die detaillierten Charakterisierungen zu die-sen Themen erfolgen im jeweiligen Frame-spezischen Rahmen in den Kapiteln 7.2.2.2 und 7.2.2.3.

Nutzen-Beschreibungen in der Exzellenz-Debatte Wichtigster beschriebener Nutzen in der medialen Exzellenz-Debatte ist die Stärkung geförderter Universitäten, welche in knapp einem Drittel aller Artikel angesprochen wird (30,6 Prozent). Konkretisiert wird dieser Nutzen durch die Aussicht auf zusätzliche Drittmittel (davon 26,2 Prozent), einen Reputationsge-winn und eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im weltweiten Wettbewerb um Spitzen-forscher (je 24,2 Prozent). Weitere Konkretisierungen des Nutzens sind Kooperationen mit auÿeruniversitären Forschungsinstituten (14,3 Prozent), Kooperationen mit der Wirtschaft (3,6 Prozent) sowie Kooperationen mit internationalen Universitäten (1,4 Prozent). Keine Konkretisierung des Nutzens wurde in 5,7 Prozent der Fälle vorgenommen.

Zweithäugster Nutzen ist der Nutzen des Wettbewerbprinzips zur Identikation von Ex-zellenz, welcher in knapp einem Viertel aller Artikel angesprochen wird (23,4 Prozent). Damit

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte ist in 41,6 Prozent der Fälle die Mobilisierung deutscher Universitäten gemeint. Darüber hinaus werden als Konkretisierungen die Prolbildungen deutscher Universitäten (29,4 Pro-zent), die Akzeptanz der Förderentscheidungen (9,8 ProPro-zent), die Sichtbarmachung von Leistungsunterschieden (7,9 Prozent), die Fairness der Förderentscheidungen (sieben Pro-zent) sowie die Ingangsetzung einer Leistungsspirale im deutschen Universitätssystem ge-nannt.

Dritthäugster Nutzen ist die Stärkung des Universitätssystems, welche in 22,5 Prozent der in diesem Frame gerahmten Artikel genannt wird. In knapp der Hälfte der Artikel wird die Herausbildung von international sichtbaren Spitzen im deutschen Universitätssystem als Konkretisierung dieses Nutzens genannt (44,9 Prozent). Der Anreiz wider der Versäulung des deutschen Wissenschaftssystems wird in etwa einem Fünftel der Artikel genannt (19 Prozent). Es folgen die Abkehr vom Egalitätsprinzip deutscher Universitäten (17,6 Prozent) sowie die Steigerung weltweiter Aufmerksamkeit für das deutsche Universitätssystem (10,2 Prozent).

Darüber hinaus wurden als Nutzen etwas weniger prominent diskutiert: die Nachhaltigkeit der Förderung von Spitzenforschung (12,9 Prozent) und die Stärkung forschungsorientierter Lehre (5,3 Prozent).

Schaden-Beschreibungen in der Exzellenz-Debatte Wichtigster beschriebener Schaden sind die Dezite des deutschen Universitätssystems, welche in etwa einem Fünftel aller Artikel angesprochen werden (21,9 Prozent). In mehr als der Hälfte der Artikel wird dieser Schaden in Form von einer Unternanzierung deutscher Universitäten präzisiert (53,7 Prozent). Es folgen die fehlende Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten im Vergleich zu auÿeruni-versitären Forschungseinrichtungen (13,1 Prozent), mangelnde Attraktivität für internatio-nale Spitzenforscher (8,4 Prozent), fehlende international sichtbarer Spitzen im deutschen Universitätssystem (8,4 Prozent) sowie zu wenig Autonomie (7,9 Prozent).

Zweithäugster Schaden sind die strukturellen Schäden für das deutsche Universitätssys-tem mit einem Anteil 16,6 Prozent. Dieser Schaden bezieht sich zuvorderst auf die Herausbil-dung einer Zwei-Klassengesellschaft im deutschen Universitätssystem (davon 41,4 Prozent).

In etwa einem Viertel der Fälle wurde die Herausbildung regionaler Disparitäten beklagt (24,1 Prozent). Darüber hinaus wird ein Matthäus-Eekt im deutschen Universitätssystem beklagt (9,9 Prozent). Es folgen eine Schwächung der Geistes- und Sozialwissenschaften (9,3 Prozent), das Sterben kleiner Fächer (7,4 Prozent) sowie ein Niveauverlust in der Breite (6,2 Prozent).

Zudem wurden als Schäden beschrieben: Fragilität der Förderentscheidungen (15,4 Pro-zent)9, eine Behinderung der Fortentwicklung des Wissenschaftsstandorts Deutschland (11,1 Prozent), die Aussparung der Lehre bei der Exzellenzinitiative (Leere; 9,1 Prozent), die zeitliche Befristung der Förderung von Spitzenforschung an deutschen Universitäten (7,2 Prozent) sowie negative Auswirkungen der Exzellenzförderung auf die Governance der Uni-versitäten (4,4 Prozent).

9vgl. dazu ausführlich Kapitel 8.2.1

Forderungen in der Exzellenz-Debatte Wichtigste Forderung während der Exzellenz-Debatte war die Auösung des Bund-Länder-Dualismus in der Wissenschaftspo-litik, welche in etwa einem Viertel aller Artikel formuliert worden war (23,9 Prozent). Da-von war wiederum die Handlungsempfehlung einer Aufhebung des Kooperationsverbots Da-von Bund und Ländern am prominentesten (51,8 Prozent). Es folgt eine Aufgabe der Blockade der unionsgeführten Länder, welche in der Aushandlungsphase zur Exzellenzinitiative iden-tiziert worden war (40,8 Prozent). Empfohlen wurde zudem im Allgemeinen ein verstärktes Bundesengagement bei der Förderung universitärer Spitzenforschung (3,7 Prozent). Keine konkrete Handlungsempfehlung wurde bei dieser Variable in 1,8 Prozent der Fälle gegeben.

Es folgen als Forderungen die Etablierung von Bundesuniversitäten (16,9 Prozent), die Verstetigung der Förderung von Spitzenforschung (11,8 Prozent), wissenschaftspolitische Maÿnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten (je 11,6 Pro-zent) sowie - vor Unterzeichnung der Exzellenzvereinbarung - der Beschluss der Exzellenzver-einbarung (11,3 Prozent). Ebenfalls prominent vorgetragen wurden Maÿnahmen zur Stär-kung der universitären Lehre (9,4 Prozent)10. Auch eine Modikation des Entscheidungs-verfahrens der Exzellenzinitiative wurde gefordert (7,5 Prozent).

Fazit Die deskriptive Beschreibung lieferte erste Eindrücke über die inhaltlichen Schwer-punkte der medialen Exzellenz-Debatte. Per Clusteranalyse wurden die genannten und wei-tere Variablen zu Frames verdichtet. Die Ergebnisse der Framing-Analyse werden in 7.2.2.2 und 7.2.2.3 detailliert beschrieben.