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Inhaltliche Struktur des Elite-Diskurses

III. Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter 109

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte

7.2.1. Prolog: Der Elite-Diskurs

7.2.1.1. Inhaltliche Struktur des Elite-Diskurses

Der Elite-Diskurs setzt am 3. Januar 2004 mit dem zitierten Artikel von Zylka (2004) in der Berliner Zeitung ein und endet am 29. März 2004 mit einer vorläugen Einigung von Bund und Ländern über ein Forschungsförderprogramm für deutsche Universitäten, dessen Ausgestaltung bereits Ähnlichkeiten mit den späteren drei Förderlinien der Exzellenzinitia-tive aufweist7. Zwar dauerte es dann noch mehr als ein Jahr bis zum nalen Beschluss der Exzellenzinitiative. Aber der öentliche Diskurs nahm in der Folge eine neue Wendung, indem er primär die parteipolitischen Aushandlungsprozesse thematisierte. Während des knapp drei Monate dauernden Elite-Diskurses erschienen in den Analysemedien 275 Artikel, in denen über den Analysegegenstand berichtetet wurde.

Themen im Elite-Diskurs Der Vorschlag zur Etablierung einer oder mehrerer Elite- bzw.

Spitzenuniversitäten in Deutschland dominierte den Diskurs in den ersten drei Monaten des gesamten Untersuchungszeitraums. Die zugehörige Variablenausprägung fasst jene Vor-schläge zusammen, die aus dem initialen Vorschlag der Bundes-SPD zur Förderung einer Elite-Universität nach US-amerikanischen Vorbild hervorgegangen sind. Diese im Debatten-verlauf modizierte Initiative wurde in etwa zwei Dritteln (62,2 %) aller Artikel inhaltlich thematisiert. Nachdem ursprünglich nur eine Elite-Universität nach US-amerikanischen Vor-bild in Deutschland gegründet werden sollte, waren es zwischenzeitlich einige wenige. Später wurde der Elite-Begri durch die Vokabel der Spitzen-Universität ersetzt. Damit einher ging auch eine zunehmende Abkehr von der ursprünglichen Idee einer deutschen Elite-Universität nach US-amerikanischen Vorbild hin zur Förderung von Strukturentwicklungsprozessen wie sie letztlich auch die Förderlinie Zukunftskonzepte der Exzellenzinitiative adressiert. Die Proble-matik des Begris der Elite-Universität für den Gebrauch im öentlichen Diskurs war bereits in Kapitel 7.1.4 diskutiert worden. Der Vorschlag zur Etablierung einer oder mehrer

Elite-7Die Berichterstattung über diese Einigung ab dem 30. März 2004 wurde der im folgenden Abschnitt be-schriebenen Exzellenz-Debatte zugeordnet.

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte bzw. Spitzenuniversitäten nach US-amerikanischen Vorbild mittels eines Casting-Konzepts machte aus journalistischer Perspektive zunächst eine Begrisklärung erforderlich:

Ich war kurz davor an der Columbia University [Mitglied der Ivy-League US-amerikanischer Elite-Universitäten, Anm.] und habe mir die angeschaut. Und hab mir dann gesagt: Was ist denn das? Was ist ein deutsches Harvard? Wie weit sind alle deutschen Unis? Ein Wettbewerb - da war die Frage in der Berichterstattung:

Was heiÿt das überhaupt? Was bedeutet das? (J1)

Als exemplarische Antwort auf diese Fragen, welche die frühe Berichterstattung über den Analysegegenstand prägten, kann eine Infograk aus der ZEIT gelten, welche das vom BMBF vorgeschlagene Casting-Konzept unter dem Titel Wer ist die schönste im ganzen Land zu einem Schönheitswettbewerb der deutschen Universitäten zuspitzte - und dabei auch nicht ganz frei von Satire blieb: So nden sich als Indikatoren für die Leistungsfähigkeit der vor-gestellten Universitäten neben Publikationen, eingeworbenen Drittmitteln u.ä. auch weniger ernst gemeinte Kennziern wie zum Beispiel das beste Uni-T-Shirt oder der vom Playboy ermittelte gröÿte Sex-Appeal (vgl. Abbildung 7.8).

Bei der vorgenommenen Inhaltsanalyse war die mediale Konstruktion von universitärer Elite mit einer eigenen Variable erfasst worden. Zwar gibt es auch an dieser Stelle wieder das Problem, dass das Abschneiden in Rankings als Performanzindikator nicht in der Analyse berücksichtigt worden war. Aber die Valenz der erfassten Kennziern dokumentiert bereits eine mediale Konstruktion universitärer Elite, welche mit den späteren Zukunftskonzepten bei der Exzellenzinitiative nur zum Teil übereinstimmt. Als Maÿstab galten die von der SPD ursprünglich herangezogenen privaten Elite-Universitäten in den USA.

Demnach stellt ein hohes Maÿ an Autonomie das wichtigste Merkmal einer Elite-Universität dar (34,7 Prozent, 77 von insgesamt 222 Nennungen). Das bedeutet zum Beispiel, dass Elite-Universitäten sich ihre Studierenden selbst aussuchen können (davon 58,5 Prozent). Darüber hinaus kennzeichnet Elite-Universitäten, dass sie vergleichsweise hohe Studiengebühren erhe-ben (17,1 Prozent). Es folgen als weitere Eigenschaften eine hohe Forschungsperformanz sowie Konkurrenzfähigkeit im Werben um herausragendes wissenschaftliches Personal (je 10,4 Pro-zent). Ebenfalls von Bedeutung ist eine günstige Betreuungsrelation für die Studierenden (8,1 Prozent) sowie die Reputation der Universität (7,2 Prozent). Dagegen wurden eine leistungs-orientierte Mittelvergabe (fünf Prozent), die Governance der Universitäten (4,5 Prozent) sowie eine Corporate Identity (2,7 Prozent) als weniger bedeutsam eingestuft.

Entsprechend wurde die Leistungsperformanz des deutschen Universitätssystems im inter-nationalen Vergleich während des Elite-Diskurses intensiv diskutiert: Knapp die Hälfte aller Artikel (45,1 Prozent) thematisierten diesen Aspekt. Die genannten Elite-Kriterien waren der Bewertungsmaÿstab. Ein drittes Thema, welches während des Elite-Diskurses auf mediale Re-sonanz stieÿ, war der Dualismus in der Wissenschaftspolitik zwischen Bund und Ländern, der in 7,6 Prozent aller Artikel diskutiert wurde.

Abbildung 7.8.: Berichterstattung in der ZEIT (2004, S. 27) über die Initiative der SPD zur Etablierung einer oder mehrerer Elite- bzw. Spitzenuniversitäten nach US-amerikanischen Vorbild in Deutschland

7.2. Mediales Framing der Exzellenz-Debatte Damit ist nicht der politische Streit um Elite- bzw. Spitzenuniversität(en) oder ein Exzellenz-Netzwerk gemeint, sondern vielmehr die Strukturen der Forschungsförderung in Deutschland:

Dass zum Beispiel die Länderhoheit über die Universitäten im Kontext des Elite-Diskurses politisches Koniktpotenzial barg, weil die Länder dem Bund Einuss an den Universitäten verweigerten. Dagegen erscheint es etwas überraschend, dass der gesamtgesellschaftliche Kon-text von Wissen / Wissenschaft in der Berichterstattung relativ schwach ausgeprägt war: Die Zentralität von Wissen(schaft) in der modernen Gesellschaft wurde nur in 9,1 Prozent der kodierten Artikel thematisiert, obwohl die SPD ihre Initiative ja nicht zuletzt mit Blick auf das Innovationspotenzial von Wissenschaft gestartet hatte.

Nutzen- und Schaden-Nennungen im Elite-Diskurs Entsprechend gering erscheint auch die Häugkeit eines gesamtgesellschaftlichen Nutzens von Wissen(schaft), welcher in nur 6,9 Prozent aller Artikel diskutiert wurde. Immerhin in knapp einem Fünftel der Artikel war eine Stärkung des deutschen Universitätssystems in Folge der Etablierung einer oder mehrerer Elite- bzw. Spitzenuniversitäten nach US-amerikanischen Vorbild in Deutschland diskutiert worden. In etwa zwei Dritteln aller Fälle (68,8 Prozent) wurde dieser Nutzen weiter konkretisiert, indem die Herausbildung international sichtbarer Spitzen im deutschen Uni-versitätssystem hervorgehoben wurde.

Auf gröÿere Resonanz stieÿen während des Elite-Diskurses zwei Schaden-Beschreibungen, welche in jeweils etwas mehr als zwei Dritteln (34,9 Prozent) aller Artikel kodiert wurden: Zum einen wurden die Dezite des deutschen Wissenschaftssystems im internationalen Vergleich beschrieben. Zum anderen wurden Dezite der Initiative zur Etablierung einer oder mehrerer Elite- bzw. Spitzenuniversitäten in Deutschland nach US-amerikanischen Vorbild diskutiert.

Forderungen im Elite-Diskurs Darüber hinaus waren während des medialen Elite-Diskurses insgesamt vier Forderungen prominent in den Medien vertreten: wissenschaftspolitische Maÿ-nahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Universitäten (30,2 Prozent), Wettbewerb als wissenschaftspolitisches Steuerungsinstrument, Etablierung einer oder meh-rere Elite- bzw. Spitzenuniversitäten in Deutschland nach US-amerikanischen Vorbild (je 25,1 Prozent) sowie Etablierung eines Exzellenz-Netzwerks (20 Prozent). Dabei dient die Variable wissenschaftspolitische Maÿnahmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Uni-versitäten als Oberbegri für ein ganzes Bündel an Maÿnahmen: Die wichtigste Forderung war die Gewährung von mehr Autonomie für die Universitäten durch die Wissenschaftspo-litik: Diese Konkretisierung hat einen Anteil von etwa drei Vierteln (75,9 Prozent) an dieser speziellen Forderung. Es folgen eine Stärkung der Breitenforschung (11,6 Prozent), Anreize gegen die Versäulung des deutschen Wissenschaftssystems sowie Anreize zur Dierenzierung innerhalb des deutschen Universitätssystems (je 7,2 Prozent).

Im nachfolgenden Unterunterabschnitt werden nun die Ergebnisse der Framing-Analyse beschrieben. Dadurch werden die Strukturen der Berichterstattung im medialen Elite-Diskurs sichtbar gemacht.