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2. Allgemeiner Teil

2.2 Nicht-alkoholische Fettlebererkrankungen (NAFLD)

Definition

Bei den nicht-alkoholischen Fettlebererkrankungen (non alcoholic fatty liver diseases, NAFLD) handelt es sich um eine Gruppe von Lebererkrankungen, die die typischen Charakteristika von alkoholinduzierten hepatischen Schädigungen aufweisen, ohne dass ein Alkoholabusus vorliegt. Erstmalig wurde dieses Krankheitsbild 1962 beschrieben. 1980 prägten LUDWIG et al. den Begriff „Nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH)“. Es existieren aber auch synonyme Begriffe wie beispielsweise pseudoalkoholische Hepatitis, Fettleberhepatitis, diabetische Hepatitis etc. Diese Synonyme beziehen sich dabei meist auf die Ätiologie der Erkrankung (BLECHACZ u. STREMMEL 2003).

Die NAFLD reichen von einer blanden Steatosis zu Steatohepatitis, Fibrose und Zirrhose und können letztendlich auch zu Leberversagen oder hepatozellulärem Karzinom führen.

Die Nomenklatur ist allerdings schwierig. NAFLD/NASH sind „non“-Krankheiten. Das heißt sie definieren sich durch einen nicht bzw. mäßig vorhandenen Alkoholkonsum. Dabei werden viele andere Gründe für eine Fettleber zusammengefasst. Die Liste ist lang, eine kurze Übersicht gibt folgende Tabelle:

ALLGEMEINER TEIL

Tab. 3: Ursachen für eine Fettleber (mod. nach CASSIMAN u. JAEKEN 2008).

Toxische Ursachen Alkohol

Toxine wie z.B. Pestizide, Dimethylformamide Kokain

Pharmazeutika wie z.B. Kortikosteroide, Tamoxifen

Nutritive Ursachen Totale parenterale Ernährung

Hungern, Kachexie, schneller Gewichtsverlust Chirurgische Ursachen Bypass-Chirurgie z.B. bariatrische Chirurgie

Whipple-Prozedere Andere Ursachen

Mit Insulinresistenz Prader-Willi-Syndrom Lipodystrophie-Syndrome Insulinrezeptor-Defekte Ohne Insulinresistenz Infektiös: HCV, HBV, HDV

Endokrin: Schilddrüsenerkrankungen Entzündliche Darmerkrankungen Angeborene Stoffwechsel-

Erkrankungen

Gallensäuresynthese-Defekte

Kohlenhydraterkrankungen wie z.B. Galaktosämie Morbus Wilson

Zellweger-Syndrom

Nichts desto trotz bezieht sich der Begriff NAFLD/NASH in den meisten Fällen auf die nutritive Verfettung bzw. die Zufuhr von zu vielen Kalorien mit der Nahrung. Damit ist auch die Assoziation mit Adipositas gegeben.

ALLGEMEINER TEIL

Epidemiologie

Aus den epidemiologischen Zahlen bezüglich Obesitas lässt sich ableiten, dass die Prävalenz der NAFLD - in Analogie mit dem sog. „metabolischen Syndrom“ (Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen, Störungen des Zuckerstoffwechsels bis hin zum Diabetes sowie Bluthochdruck) - in den westlichen Industrieländern und ebenfalls in Asien zunehmend ist.

Dieses bestätigt sich ebenfalls auch in statistischen Untersuchungen. In Deutschland beträgt die Prävalenz bei 45- bis 55-jährigen Patienten mit einem BMI > 30 kg/m² circa 20 % und bei 55- 75-jährigen etwa 27 %. 75 % dieser adipösen Patienten haben eine Steatose der Leber.

Etwa 50 bis 80 % der Altersdiabetiker sind übergewichtig und bei jedem zweiten Typ-2-Diabetiker ist die Leber verfettet. Die Inzidenz der nicht-alkoholischen Fettleber liegt bei 2 % Neuerkrankungen pro Jahr. Die Prävalenz der NAFLD in der Bevölkerung wird auf 20 % geschätzt, die der Steatohepatitis auf 2 bis 3 %. Etwa 5 bis 10 % aller übergewichtigen Menschen und 20 % derjenigen mit Adipositas permagna sollen eine nicht-alkoholische Steatohepatitis aufweisen (DANCYGIER 2006).

Folgende Tabelle, aufgearbeitet von BELLENTANI et al. (2004) gibt Aufschluss über die Prävalenz von NAFLD und NASH in unterschiedlichen Ländern:

Tab. 4: Prävalenz von NASH/NAFLD in verschiedenen Ländern (mod. nach BELLENTANI et al. 2004).

Prävalenz (%) Studienpopulation, Screening-Methode,

Erstautor, Publikationsjahr Land Anzahl der

Untersuchten NAFLD NASH

Autopsy random series, liver biopsy, Hilden (1977) Sweden 503 24 ND Hospital series, liver biopsie, Hultcrantz (1986) Sweden 149 39 ND Outpatient series, ultrasound, Lonardo (1997) Italy 363 20 ND Hospital series, liver biopsy, Berasain (2000) Spain 1075 ND 16 Population Study, ultrasound, Bellentani (2000) Italy 257 16 ND Autopsy random series, liver biopsy, Ground (1982) USA 423 16 ND

Hospital series, liver biopsy, Lee (1989) USA 543 ND 9 Hospital series, liver biopsy, Probst (1995) USA 35 15 5

ALLGEMEINER TEIL

Hospital series, liver biopsy, Daniel (1999) USA 81 * 51 32 Autopsy series, liver biopsy, Wanless (1990) Canada 207 ** 29 6 Population study, ultrasound, Nomura (1988) Japan 2574 14 ND Hospital series, liver biopsy, Nonomura (1992) Japan 561 ND 1 Outpatient series, ultrasound, Omagari (2002) Japan 3432 9 *** ND Outpatient series, ultrasound, Araujo (1998) Brazil 217 + 33,5 ND Outpatient series, ultrasound and CT scan, El-Hassan

(1992)

Saudi Arabia

1425 10 ND

* Patienten mit nicht-alkoholischer und alkoholischer Fettleber, deswegen ist die Prävalenz relativ zur Fettleber

** Fettleibige Patienten

*** Die Autoren berichten von einer Prävalenz von der Fettleber von 21,8 % + weibliche, fettleibige Patientinnen

ND nicht untersucht

Schon Anfang der 90er Jahre ergaben Autopsiestudien von amerikanischen Erwachsenen, dass annähernd 20 % bzw. 3 % dieser Erwachsenen eine hepatische Steatose bzw. NASH hatten. Dabei stellt die Obesitas den größten Risikofaktor da. Schätzungsweise haben 70-80 % der Menschen mit Obesitas eine Fettleber und 15-30 % NASH (WANLESS u. LENTZ 1990, SANYAL 2002). Die Obesitas zeigt einen epidemischen Anstieg und es wird geschätzt, dass 50 % der Erwachsenen im Jahre 2025 darunter leiden werden. Wenn man die Prävalenz der NASH in Individuen mit Obesitas betrachtet, ist es demnach wahrscheinlich, dass 25 Millionen Amerikaner in den nächsten 20 Jahren NASH haben (LALL et al. 2008).

Mit zunehmender Urbanisation und Änderungen im Verhalten bezogen auf physische Inaktivität und hochkalorischer bzw. fettreicher Nahrung wird aber auch in der Asia-Pazifik-Region dieses Erkrankungsspektrum inklusive Diabetes Typ 2 zu einem Problem mit wachsender Bedeutung. In den letzten 20 Jahren war z.B. in einem Land wie Japan ein 3 – 20facher Anstieg (abhängig vom Alter) zu beobachten (FARRELL 2003). In einer Schätzung von ZIMMET et al. (2001) gehen diese davon aus, dass im Jahre 2020 100 Millionen Menschen mit einem Typ 2 Diabetes leben werden, 60 % davon in Asien.

ALLGEMEINER TEIL

Pathogenese

Der Triglyzeridgehalt der Leber reflektiert die Balance eines komplexen Prozesses, nämlich des In- und Output, der Synthese und des Abbaus von Fettsäuren. Dieses Gleichgewicht verschiebt sich bei Obesitas und Insulinresistenz hin zu einer Triglyzeridansammlung und Fettleber. Bei einem erhöhten Serumspiegel an freien Fettsäuren z.B. durch eine erhöhte Aufnahme von Nahrungsfetten oder bei einer Erschöpfung der Aufnahmekapazität der Adipozyten, lagert die Leber Fette ein. Hyperinsulinämie und geringgradige Entzündungserscheinungen stimulieren die De Novo-Lipogenese. Zusammen mit dem verringerten intrahepatischen Fettabbau kommt es zu einer Fettleber (LECLERCQ 2007).

Die blande Fettleber an sich ist benigne, und es tritt in den meisten Fällen keine Progression zu NASH auf. Für den Fall der Progression allerdings wird die „2-hit-Theorie“

vorgeschlagen. Als „first hit“ gilt dabei die Einlagerung von Fetten in die Leber. Die Hepatozyten sind dann für eine Schädigung durch eine zusätzliche Noxe („second hit“) empfänglicher. Für die darauf folgende Leberzellschädigung und Inflammation wird oxidativer Stress als direkte Folge der hepatischen Lipidakkumulation verantwortlich gemacht. Vieles spricht aber auch für eine Entwicklung einer Steatohepatitis unter dem Einfluss von proinflammatorischen Zytokinen wie z.B. TNF-α (KLUWE u. LOHSE 2005).

Zahlreiche Faktoren wie u.a. Insulinresistenz, Leberzellverfettung, Endotoxine, proinflammatorische Zytokine, oxidativer Stress, Alteration der Mitochondrien sowie genetische Faktoren triggern dann den Progress von einer „blanden“ Steatosis über eine Steatohepatitis bis hin zur Steatofibrose/-zirrhose (DANCYGIER 2006).

Eine Hyperinsulinämie führt zu einer verminderten Lipolyse und zu einer Erhöhung der Serumkonzentration der freien Fettsäuren. Diese werden von der Leber aufgenommen und treiben die Triglycerid-Produktion und somit die Verfettung der Leber voran (MCCULLOUGH 2006). Gleichzeitig vermindert die chronische Hyperinsulinämie die Synthese von Apolipoprotein B 100 und damit den VLDL-assoziierten Lipidtransport aus den Hepatozyten. Im Ergebnis führt die Hyperinsulinämie zu einer Zunahme der hepatischen Triglycerid-Synthese bei gleichzeitiger Hemmung der Triglyceridsekretion als VLDL. Freie Fettsäuren verstärken weiterhin in der Leber die Lipidperoxidation. Sie generieren hochreaktive Sauerstoffspezies (ROS), stimulieren die Expression von TNF-α, schädigen die

ALLGEMEINER TEIL

Vorgänge. Eine Schädigung der Mitochondrien führt zu einer gestörten ATP-Synthese und somit zu einer gestörten Energiehomöostase, was ebenfalls zur Leberschädigung beiträgt (DANCYGIER 2006).

Das Krankheitsgeschehen der NAFLD beginnt mit einer blanden Steatosis. Bei dieser kann zwischen mikrovesikulären und makrovesikulären Fettvakuolen unterschieden werden. Eine klinische Relevanz wird allerdings nur der makrovesikulären Verfettung zugewiesen (SELZNER et al. 2006). Von einer reinen Steatose aus kann ein progressiver Verlauf auftreten. Bei der sog. nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH) treten neben den Fettvakuolen auch Entzündungserscheinungen auf. Bei weiterer Progression der nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) tritt eine zunehmende Fibrose auf, die bis zur Zirrhose führen kann. Sowohl Obesitas als auch Diabetes sind signifikant assoziiert mit der Entwicklung des hepatozellulären Karzinoms (HCC) (SMEDILE u. BUGIANESI 2005).

Klinische Bedeutung

Die NAFLD steht in Zusammenhang mit dem sog. metabolischen Syndrom und gilt als dessen hepatische Manifestation. Das metabolische Syndrom (auch „Syndrom X“ genannt) umfasst eine Reihe von Stoffwechselstörungen wie Obesitas, Diabetes mellitus, Dyslipidämie, Arteriosklerose, Hypertension und Insulinresistenz als allgemeine Kennzeichen (TE SLIGTE et al. 2004).

Die klinische Bedeutung der NAFLD liegt vor allem in dem bislang nicht abschätzbaren Risiko, sich zu einer terminalen Lebererkrankung zu entwickeln. In Abhängigkeit von dem Patientenalter, der Aktivität der Steatohepatitis so wie einer eventuell bestehenden Leberfibrose bzw. –zirrhose liegt die 10-Jahres-Mortalität der NAFLD bei bis zu 25 % (FARRELL u. LARTER 2006). Darüber hinaus wird angenommen, dass viele Patienten mit einer sog. „kryptogenen“ Leberzirrhose im Endstadium der NAFLD verstorben sind.

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) ist die fünfthäufigste Neoplasie, der Haupttodesgrund bei humanen Patienten mit Leberzirrhose und der dritthäufigste Grund des Krebstodes in der Welt (LODATO et al. 2006). Der Hauptgrund für die Entwicklung des HCC sind Infektionen mit Hepatitis B oder C, Alkohol oder Aflatoxin B1 (QIAN u. FAN 2005). Aber auch Obesitas wird bei dieser Neoplasie immer wieder erwähnt und als Risikofaktor für das HCC gesehen,

ALLGEMEINER TEIL

obwohl eine schlüssige Verbindung von NAFLD zum HCC fehlt und auch unklar ist, ob ein HCC auch aus einer Fettleber in Abwesenheit von einer Zirrhose entstehen kann (CALDWELL et al. 2004, SMEDILE u. BUGIANESI 2005).

Letztendlich muss die hepatische Steatose als prämaligner Status gesehen und gewertet werden, da eine Progression über Steatohepatitis und Fibrose/Zirrhose zum HCC möglich ist und dieses Risiko nicht abgeschätzt werden kann.

Auch hinsichtlich der Transplantation von Lebern spielt die hohe Inzidenz von Fettlebern bzw. Fettlebererkrankungen bei potentiellen Spendern eine wachsende Bedeutung. In Anbetracht eines vorherrschenden Organmangels müssen immer mehr Organspender mit erweiterten Spenderkriterien für Transplantationen in Betracht gezogen werden. Bei diesen erweiterten Spenderkriterien handelt es sich z.B. um Organe, die geringgradige pathologische Veränderungen aufweisen. Dabei spielt die Steatosis der Leber eine bedeutende Rolle als erweitertes Spenderkriterium, da sie mit ihrer hohen Inzidenz häufig bei potentiellen Spendern anzutreffen ist. Die Transplantation von steatotischen Lebern (30-60 % Verfettung) führt allerdings zu einer erhöhten primären Nonfunktion des Transplantats und damit auch zu einer reduzierten Überlebenszeit des Empfängers. Spenderlebern mit einer Verfettung von über 60 % werden typischerweise nicht transplantiert. Untersuchungen zeigen eine Prozentzahl von 13-28 % verfettete Organe bei Spendern (cadaveric). Damit ist mehr als eine von vier Lebern nicht optimal zur Transplantation geeignet, was die ohnehin schon angespannte Situation bezüglich der Verfügbarkeit der Spenderorgane verschärft (PERKINS 2006).

Bei der Pharmakinetik ist zu beachten, dass eine Fettleber Bedeutung in der Elimination von Medikamenten haben kann, da die hepatische Clearance beeinträchtigt sein kann (CASATI u.

PUTZU 2005).

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