• Keine Ergebnisse gefunden

Neymeyr bezweifelt im Anschluss an Hornschuh 134 , dass die „sikilische Biene“ des Clemens mit Pantainos identisch ist, weil der Schüler die in Ecl 56

Ausrichtung 77 und in ihren aus der Kritik an der Heterodoxie erwachsenden anthropologischen Entwürfen und den daraus resultierenden Vorstellungen von

U. Neymeyr bezweifelt im Anschluss an Hornschuh 134 , dass die „sikilische Biene“ des Clemens mit Pantainos identisch ist, weil der Schüler die in Ecl 56

132Vgl. Hieronymus, De vir ill 38: Clemens… Pantaeni… auditor post eius mortem

Alexandrinae ecclesiasticam scolam tenuit et kathchsewn magister fuit. (Ed. C.A. Bernoulli, 1895, Nachdruck 1968; 27).Vgl. auch Photius, cod. 118 ; die Nachrichten über Clemens sind zusammengestellt bei A.v. Harnack, Geschichte I/1 296ff.

133 GCS II 9,1-3: Sikelik¾ tù Ônti Ãn mšlitta profhtikoà te kaˆ ¢postolikoà leimînoj t¦ ¥nqh drepÒmenoj ¢k»ratÒn ti gnèsewj crÁma ta‹j tîn ¢krowmšnwn

™negšnnhse yuca‹j.

134U. Neymeyr, Christliche Lehrer, 42, mit Verweis auf M. Hornschuh, Die Anfänge des Christentums in Ägypten. Diss. Bonn 1959, 351ff. Hornschuh vertritt die Auffassung, dass Pantainos nicht der in Strom I 11 genannte, verehrteste Lehrer des Clemens sein kann und bietet dafür zwei Argumente: Zum einen versteht er ein in Ecl 56,2 aufgeführtes

Pantainoszitat als Hinweis auf Hebräischkenntnisse dieses Lehrers, die Clemens nicht habe, weshalb er Pantainos nicht verstehe, was gegen eine unmittelbare Lehrerschaft spreche (vgl.

353); zum anderen widerspräche die Angabe, Clemens habe diesen Lehrer “in Ägypten“

gefunden, der Kenntnis, dass Pantainos in Alexandrien gelebt habe, und für Alexandriner sei Ägypten Ausland. Beide Argumente sind nicht stichhaltig, weil sie den jeweiligen Kontext und die sprachlichen Eigenarten des Clemens ganz außer Acht lassen. So kommt es bei den Ausführungen zu Ecl 56,2 zu Fehlinterpretationen, etwa der, Pantainos habe bei seiner Ausführung „über den Tempusgebrauch bei den Propheten zur Vorsicht und Sorgfalt

gemahnt“ (353) - diese Mahnung findet sich im Zitat nicht -, Clemens dagegen verstehe es so, dass „man der Tempuswahl in den prophetischen und sonstigen Schriften des AT gar keine Bedeutung zuzuerkennen brauche“ (ebd.). Hier bedenkt Hornschuh nicht, dass jedenfalls für Clemens, - für Pantainos ist es nicht zu untersuchen, weil die Textgrundlage fehlt -, mit profeteia das ganze AT bezeichnet werden kann (vgl. z.B. Strom 1 11,2), und er bedenkt auch nicht, dass das Pantainoszitat nicht nur im Sinne einer grammatischen Aussage verstanden werden kann, sondern auch im Sinne einer exegetischen Anweisung. In diesem Falle hat Clemens den Pantainos ganz gut begriffen. Auch das zweite Argument fällt mit einem Blick auf den Kontext der Aussage: In Strom I 11 zählt Clemens diejenigen Regionen auf, die ihn zu seinen Lehrern brachten und aus denen seine Lehrer stammten. Was ihn bewogen hat, die Sache so darzustellen, bleibt im Dunkeln. Vielleicht wollte er unzähligen

aufgestellte exegetische Regel des Pantainos missverstehe. Betrachtet man aber das Rezeptionsverhalten des Clemens, dann sieht man, dass er seinen Vorlagen, auch den bedeutendsten wie Paulus, Philo und Platon keineswegs sklavisch folgt, sondern einen ganz selbständigen Umgang damit pflegt

135

, und dies nicht gegen ein Lehrer-Schüler-Verhältnis spricht.

Da Clemens zu Beginn des Gedankenganges über die Lehrer zwischen „Worten und seligen Männern“ differenziert, legt es sich im übrigen nahe, die

Vorstellung von Lehrerschaft bei Clemens nicht zu eng zu fassen

136

. An der vorliegenden Stelle beschreibt Clemens mit einem Motiv aus der Bukolik

137

die Pionierleistung des Lehrers: Der hat ein Florilegium alt- und neutestamentlicher Texte zusammengestellt

138

. Nicht nur das hier gebotene Bild

Lesern und Gelehrtengenerationen etwas zum Rätseln aufgeben. Dass in dieser Regionenliste keine Stadt auftaucht, ist nur logisch.

135 A. v. d. Hoek, Techniques 223-243, E. Osborn, Philo and Clement, 228-243 und B. Aland, Die Rezeption des neutestamentlichen Textes in den ersten Jahrhunderten. In: J.M. Sevrin, The New Testament in early Christianity. Leuven 1989, 1-38; hier 10; 2; 36, bieten

anschauliche Beispiele dafür, wie souverän Clemens mit dem ihm zur Verfügung stehenden Material umgeht. Clemens selbst sagt in Strom VII 1,4 im Blick auf den eventuell von seinen Lesern erhobenen Verdacht, er zitiere die Hl. Schrift nicht sorgfältig, man solle wissen, „dass alle unsere Worte aus der Heiligen Schrift Geist und Leben haben, und zwar in ihr wurzeln, aber nicht ihrem Wortlaut, sondern nur ihren Sinn wiederzugeben versprechen“ (BKV II 20, 9f); GCS III 2,18-21: k¨n ˜tero‹£ tisi tîn pollîn katafa…nhtai t¦ Øf' ¹mîn legÒmena tîn kuriakîn grafîn, „stšon Óti ™ke‹qen ¢napne‹ te kaˆ zÍ, kaˆ t¦j ¢form¦j ¢p' aÙtîn œconta tÕn noàn mÒnon, oÙ t¾n lšxin, parist©n ™paggšlletai. – Vgl. E. Osborn, Noetic exegesis, 120.

136BKV 17,60; GCS II 8,18-20: … tîn ™nargîn kaˆ ™myÚcwn ™ke…nwn, ïn kathxièqhn

™pakoàsai, lÒgwn te kaˆ ¢ndrîn makar…wn kaˆ tù Ônti ¢xiolÒgwn.

137Clemens’ Vorliebe für Motive und Bilder aus Bukolik, Landwirtschaft und Natur: Strom I 7; I 18; VI 118f; VII 91,4-5; Paid III 11,1.

138Florilegien, Zitatensammlungen von Dichtern und Denkern, waren in der Antike zahlreich und vielgestaltig und häufig rezipiert. Auch im Werk des Clemens lässt sich die Verwendung von Florilegien nachweisen, etwa in Prot 73ff (Thema: Wahrheit und Unwahrheit der

Dichter), oder in Strom IV 23-24 (Thema: Reichtum), in Strom V 105-133 (Thema: Wesen Gottes) und in Strom VI 5-24 (Thema: Plagiat); in Strom VI 15 weist er auf Florilegien bei den Griechen hin. Die frühesten christlichen Florilegien waren Sammlungen biblischer Textzitate. Das älteste erhaltene Florilegium dieser Art liegt in Cyprians Testimonia ad Quirinum (CSEL 3,1) vor. Es wird angenommen, dass dieses Werk nicht die erste christliche Testimoniensammlung war. Jüdische, vorchristliche Sammlungen sind bekannt und Reihen von antikultischen Zitaten bei Barn, Justin, Irenäus und Clemens legen die Existenz

christlicher Bibelflorilegien nahe. So spricht also einiges dafür, dass Clemens hier auf ein

vom Sammeleifer der Bienen lässt an die Entstehung eines Florilegiums denken

139

, sondern auch die verwendeten Begriffe t¦ ¥nqh (“auserlesene Stellen von Schriftstellern“) und Ð leimîn, die im antiken Literaturbetrieb zur Bezeichnung von Anthologien gebraucht werden

140

. Vielleicht hat Pantainos seine Textsammlung sogar mit Auslegungen versehen, wie sie bislang noch nicht existiert hatten. Clemens bezeichnet das Ergebnis als ein ¢k»ratÒn ti

gnèsewj crÁma, worin nicht nur zum Ausdruck kommt, dass sich Pantainos

mit seiner Arbeit auf unbearbeitetem Terrain bewegt hat

141

, sondern auch, dass dabei etwas für die Erkenntnis Brauchbares herausgekommen ist, etwas, was als Grundlage für die Durchdringung des christlichen Glaubens dienen kann

142

.

solches, von seinem Lehrer zusammengestelltes Werk anspielt. Zu Anthologien in der Antike und in frühchristlicher Zeit vgl. H. Chadwick (J. Engemann), Art. Florilegium. In: RAC 7, 1969, 1131-1160 sowie E. Degani, J.P. Schwind, Art. Anthologie. In: DNP 1, 1996, 734-738.

139Vgl. Seneca, ep. 84,2 An Lucilius: Er empfiehlt seinem Freund, beim Lesen die Bienen nachzuahmen, die viele Blüten saugen, um Honig zu gewinnen, und er solle seine

Lesenotizen, seine Lesefrüchte sorgfältig einordnen. (vgl. Chadwick, Florilegium 1139).

140 In dieser Bedeutung erscheint leimîn bei Plinius, Hist. Nat. Praef. 24 und bei Aulus Gellius, Noctes Atticae, Praef. 6 ; vgl. A. Méhat, Étude, 99, der die bei Aulus Gellius und Plinius verwendeten Begriffe für Florilegienliteratur auflistet. Darin taucht auch der Titel Stromateis auf.

141¢k»ratÒn bekommt in dem vorliegenden Bild einen eigenen Klang: üblicherweise bedeutet es unbeschädigt, unversehrt, unberührt, unausgebeutet. In Verbindung mit leimîn bedeutet es ungemäht. In dieser Verbindung kommt es in Paid II 70,2 vor, wo auch sichtbar wird, dass eine Anspielung auf Euripides, Hippolytos 73-77, vorliegt: Auch dort ist von der nicht beweideten und nicht abgemähten Wiese die Rede, und von der Biene, die sie

durchzieht. In Strom I 11 ist das Material dieses Zitates ganz in Clemens’ eigenem Gedankengang aufgegangen. Dass er hier aber auf das Euripideszitat zurückgreift, zeigt meiner Meinung, dass Clemens das ¢k»ratÒn bewusst einsetzt, um im Bild zu bleiben:

Pantainos hat kein „g’mähtes Wiesle“ vor sich (wie es in einer schwäbischen Redensart heißt), wo andere die Arbeit machten und er nur noch die Ernte nach Hause bringen muss;

gleichzeitig ist das, was er einbringt, eine ganz frische Ernte.

142 Wahre Gnosis hängt für Clemens unmittelbar mit dem christlichen Glauben zusammen, sie bedingen sich gegenseitig; vgl. z.B. Strom V 1,3f: „So gibt es denn weder die Erkenntnis ohne den Glauben noch den Glauben ohne Erkenntnis und ebensoweinig gibt es den Vater ohne den Sohn. Indem er nämlich Vater ist, muss er zugleich eines Sohnes Vater sein; der Sohn aber ist der wahre Lehrer über den Vater.Und damit einer dem Sohn glauben kann, muss er den Vater kennen, auf den auch der Sohn bezogen ist. Und andererseits wieder müssen wir, um den Vater kennenzulernen, dem Sohn glauben, weil der Sohn Gottes ihn lehrt.

Denn aus dem Glauben gelangt man zur Erkenntnis, durch den Sohn zeigt sich der Vater. Die Erkenntnis aber des Sohnes und des Vaters, die dem gnostischen, dem wirklich gnostischen Kanon entspricht, ist ein Wahrnehmen und Ergreifen der Wahrheit durch die Wahrheit“. Vgl.

BKV II 19,117; GCS II 326,8-16: ½dh d oÜte ¹ gnîsij ¥neu p…stewj oÜq' ¹ p…stij ¥neu gnèsewj, oÙ m¾n oÙd Ð pat¾r ¥neu uƒoà· ¤ma g¦r tù pat¾r uƒoà pat»r, uƒÕj d perˆ

Mit diesen Bemerkungen des Clemens stimmen die Notizen des Euseb zu

Pantainos überein: Er hätte „mündlich und schriftlich die Schätze der göttlichen Lehren ausgelegt“ (HE V 10,4)

143

und Clemens hätte in seinen Hypotyposen

„von ihm Schrifterklärungen und Überlieferungen angeführt“ (HE VI 13,2)

144

.

Liest man also Clemens mit Euseb zusammen, dann legt sich nahe, hinter der

„sikilischen Biene“ tatsächlich Pantainos zu sehen. Ob er aus Sizilien stammte, wie Stählin annahm

145

, ist allerdings fraglich. Sikelik¾ kann geographisch gemeint sein, aber auch metaphorisch, um Qualität und Überfluss zum Ausdruck zu bringen

146

. Schon in Platons Staat ist von „Syrakusischen Tischen … und der sikelischen Mannigfaltigkeit der Speisen“ die Rede

147

. Die Üppigkeit und

patrÕj ¢lhq¾j did£skaloj. kaˆ †na tij pisteÚsV tù uƒù, gnînai de‹ tÕn patšra prÕj Ön kaˆ Ð uƒÒj. aâq…j te †na tÕn patšra ™pignîmen, pisteàsai de‹ tù uƒù, Óti Ð toà qeoà uƒÕj did£skei· ™k p…stewj g¦r e„j gnîsin, di¦ uƒoà pat»r· gnîsij d uƒoà kaˆ patrÕj ¹ kat¦ tÕn kanÒna tÕn gnwstikÕn tÕn tù Ônti gnwstikÕn ™pibol¾ kaˆ di£lhy…j ™stin ¢lhqe…aj di¦ tÁj ¢lhqe…aj.

143 GCS N.F. 6/1 452,2-5: P£ntainoj ™pˆ pollo‹j katorqèmasi toà kat' 'Alex£ndreian teleutîn ¹ge‹tai didaskale…ou, zèsV fwnÍ kaˆ di¦ suggramm£twn toÝj tîn qe…wn dogm£twn qhsauroÝj ØpomnhmatizÒmenoj.

144 GCS N.F. 6/2 546,12-14: … „s£riqmo… te toÚtoij e„sˆn oƒ ™pigegrammšnoi

`Upotupèsewn aÙtoà lÒgoi, ™n oŒj Ñnomastˆ æj didask£lou toà Panta…nou mnhmoneÚei ™kdoc£j te aÙtoà grafîn kaˆ paradÒseij ™ktšqeitai· - Die

Beobachtungen unterstützen die Vermutung von A. v.d. Hoek, Catechetical School, 82f, von der Existenz einer christlichen Bibliothek bzw. eines Skriptoriums, welche auf den

Erkenntnissen basiert, dass nicht nur das philonische Schrifttum, sondern auch die

Paulusbriefe und andere frühe christliche Schriften sich bis ins Alexandrien des 2. Jht. n. Chr.

zurückverfolgen lassen: „It seems likely that such an enterprise of collating, editing and copying texts would have had links to a school or biblical scholarship, but whether such a scriptorium originated in Pantenus’s time or even earlier remains unclear”. Sie hat die Andeutung in Strom I 11 nicht wahrgenommen.

145Vgl. BKV 17, 19; Anm. 4; zuvor schon O. Bardenhewer, Geschichte II 38, der es für kaum anzweifelbar hält, „dass Klemens hier seinen Lehrer als einen geborenen Sizilianer

bezeichnen will“.

146Sikelischer Honig war in der Antike für seine Qualität bekannt; vgl. Olck, Art. Biene, In PW 3,1, 1897, 439.

147 Platon, Politeia 404 d: Surakos…an dš, ð f…le, tr£pezan kaˆ Sikelik¾n poi-

kil…an Ôyou, æj œoikaj, oÙk a„ne‹j, e‡per soi taàta doke‹ Ñrqîj œcein. Der Gedanke Platons begegnet bei Cicero, Tusc. 5, 35,100; und bei Zenobius 5,94; von „sikelischen Tischen“ spricht Lucian Demosthenis encomium 18, und Macrobius, sat. 7, 5, 24. Zenobius und Lucian stehen in zeitlicher Nähe zu Clemens, sie gehören ins 2. nachchristliche Jht. – Zu den Fundstellen vgl. A. Otto, Die Sprichwörter und sprichwörtlichen Redensarten der Römer.

1964, 321.

Reichhaltigkeit sizilianischer Mahlzeiten war also sprichwörtlich. Dies wie auch der metaphorische Kontext, in welchem die Redewendung auftaucht, spricht für ein metaphorisches Verständnis der „sikilischen Biene“. Dann hätte Clemens hier andeuten wollen, dass bei diesem gelehrten Sammler für die

Erkenntnishungrigen der Tisch besonders üppig gedeckt gewesen sei, und dann versteht man auch, dass er bei ihm zur Ruhe gekommen ist (anepausamhn).

Ob Pantainos zu den von Clemens erwähnten Presbyteroi zählte

148

, bleibt zweifelhaft. In Ecl 27,1 bemerkt er, diese hätten nur mündlich gelehrt

149

. Das Zeugnis des Euseb legt nahe, auch eine literarische Tätigkeit des Pantainos anzunehmen, die durch die vorliegende Andeutung des Clemens eher bestätigt als infrage gestellt wird. Allerdings lässt sich das Erbe des Pantainos

im überkommenen Werk des Clemens nicht mehr nachweisen. Hier empfindet man die Lücke, die durch den Verlust der Hypotyposen entstanden ist, als besonders schmerzlich.

Sicher ist, dass Clemens mit mündlichen wie schriftlichen Lehrformen vertraut ist, vielleicht sogar eine gewisse Konkurrenz zwischen beiden wahrnimmt und deshalb auch seine eigene Schriftstellerei rechtfertigt

150

. Sicher ist auch, dass die Frage der mündlichen oder schriftlichen Lehrformen mit der Frage nach den esoterischen und exoterischen Lehrinhalten in Beziehung steht, eine Frage,

148 Von Presbyteroi ist in Prot 113,1f; Strom II 67,4; Ecl. 11,1; 50,1-3 und in den Fragmenten die Rede; vgl. A. v.d. Hoek, How Alexandrian, 181 und Anm. 20 (192); zu den nicht

literarisch tätigen Presbytern zählen M. Hornschuh 350-366, U. Neymeyr 40f und J.

Ferguson, Introduction, 10, (Clement of Alexandria, Stromateis I-III, Washington 1991) den Pantainos; sie haben den Hinweis des Clemens auf die Pionierleistung dieses Lehrers nicht wahrgenommen. Ebenso hält A. v.d. Hoek, Catechetical School, 77 mit Anm. 94 Pantainos für einen der Presbyter und listet die Zeugnisse bei Euseb und Clemens auf. Aber diese

unterstützen die These nicht. An keiner Stelle lässt sich ein direkter Zusammenhang erkennen.

Zu den von Clemens erwähnten presbuteoi vgl. unten 152ff.

149 GCS III 144,26: OÙk œgrafon d oƒ presbÚteroi ... Vgl. Neymeyr, 40, der sich allzu sorglos der Auffassung Hornschuhs (359) anschließt, die alexandrinischen Presbyter seien

„,Schriftforscher und Bibeltheologen, Vertreter eines wissenschaftlichen, mit guten

philologischen Voraussetzungen gerüsteten Biblizismus gewesen’… die aber nicht literarisch tätig wurden“.

150 Strom I 1-10.

welche die Schriftstellerei des Clemens in den Stromateis stark bestimmt. Wie viel freilich und was Clemens der „sikilischen Biene“ verdankt, entzieht sich unserer Einsicht. Damit bleibt auch offen, wie die von Euseb erwähnte

Lehrnachfolge von Pantainos zu Clemens aufzufassen ist

151

.

Was also die geistigen Väter und literarischen Vorläufer des Clemens betrifft, so erhellen die Notizen des Euseb die Andeutungen bei Clemens oder vermögen eine Spur zu legen, der zu folgen sich lohnt. Euseb erweist sich in einer

Zusammenschau mit Clemens und mit dessen potentiellen Quellen als

zuverlässiger Berichterstatter, und wenn man Clemens und Euseb zusammen vernimmt, dann spricht mehr für eine literarische Wirksamkeit des Pantainos als dagegen und mehr dafür, dass er der allseits bekannte Lehrer des Clemens war als gegen eine direkte Lehrer-Schüler-Beziehung. Euseb berichtet nichts über Clemens und seine literarischen Kontakte zu Vorläufern oder Zeitgenossen, was im Widerspruch zu dem stünde, was Clemens selbst preisgibt.

151Euseb HE VI 6; P. Nautin, Pantène (Tome commémoratif du millenarie de al Bibliothèque patriarcale d’Alexandrie (Alexandrien 1953) 145-152; hier 145f bezweifelt eine direkte Nachfolge; Hornschuh, Das Leben des Origenes und die Entstehung der alexandrinischen Schule. In: ZKG 71 (1960) 1-25; 193-214; hier: 198-203 hält die Aussagen des Euseb über die Kirche von Alexandrien und ihren Schulbetrieb für weitgehend widersprüchlich und unzuverlässig, so auch die Angaben zum Lehrverhältnis zwischen Pantainos, Clemens und Origenes. Das kritische Bewusstsein, das Hornschuh seiner Quelle Euseb gegenüber entwickelt, lässt er allerdings gegenüber seinen eigenen Prämissen fehlen.

b) Clemens und sein Dienst in der Kirche von Alexandrien

Es wurde bereits erwähnt

152

, dass Euseb Clemens als einen vielseitig gebildeten, schreibenden und lehrenden Theologen darstellt, als Leiter des Unterrichts in Alexandrien (HE VI 6,1), und dass er ihn nur einmal in seinen Schriften als Presbyter, also als Kleriker, erscheinen lässt, nämlich im Zitat des Briefes von Bischof Alexander an die Gemeinde von Antiochien (HE VI 11,6).

Die Clemensforschung ist in der Frage, ob Clemens in Alexandrien als Presbyter oder Laie tätig war, unentschieden, schließt sich teils dem Bild vom Presbyter Clemens an, das sich im Laufe der Rezeptionsgeschichte verfestigt hat

153

, teils der Vorstellung von einem Lehrer, der als Laie, im christlichen Unterricht von Alexandrien engagiert war

154

.

Wenn Euseb den alexandrinischen Lehrer Clemens mit dem Presbyter Clemens im Dienst des Bischofs Alexander von Jerusalem gleichsetzt, zeigt er mit seiner Darstellung einen Statuswechsel im Leben des Alexandriners an und so, wie die Auskünfte bei ihm erscheinen, hatte dieser Statuswechsel mit dem Weggang von Alexandrien, also mit dem Ortswechsel, zu tun. E. Osborn

155

hat dafür eine einleuchtende Erklärung, die sich allerdings nur ganz indirekt durch Quellen

152Vgl. oben Abschnitt III 1.-2.

153Vgl. dazu Knauber, Patrologische Einschätzung, 289-308.

154 Als Presbyter sehen Clemens z. B. O. Bardenhewer, Geschichte, 16f; A. v. Harnack, Chronologie, 4; F. Quatember, Die christliche Lebenshaltung des Klemens von Alexandrien nach seinem Pädagogos. Wien 1946, 14ff. A. Méhat, Étude, 55; A. v.d. Hoek tendenziell im Aufsatz von 1997 (Catechetical School); – U. Neymeyr, 47ff; 92f, sieht Clemens als Prebyter des Bischofs Alexander, lässt aber seinen Status in Alexandrien offen; ebenso D. Wyrwa, Art.

Clemens, 152. - Den Laienstatus hat nachhaltig vertreten H. Koch, War Klemens von Alexandrien Priester? In: ZNTW 20 (1921) 43-38; in dieser Linie H. v. Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht, 1953, 216f; M. Hornschuh, Leben des Origenes, 199; M. Mees, Die frühe Christengemeinde von Alexandrien und die Theologie des Klemens von Alexandrien. In: Lat 50 (1984), 114-26; R. v.d. Broek, Christian ‚School’ of Alexandria in the 2. and 3. Century. In: J.W. Drijvers, A.A. MacDonald, Centers of Learning: Learning and Location in Pre-Modern Europe and the Near East. Leiden 1995, 39-47;42f. – Offen bleibt die Frage bei H. Drobner, Lehrbuch der Patrologie, 1994, 107; G.M. Bianci, Protrettico.

Introduzione, 1971, 19.

155E. Osborn, The Philosophy of Clement of Alexandria. New York 1954. Nachdruck 1978, 4.

absichern lässt: Der drohenden Verfolgung hätte sich Clemens durch Verlassen der Stadt entzogen, damit hätte er aber auch sein Vermögen verloren

156

und nach dem Ortswechsel wäre sein Lebensunterhalt dadurch sichergestellt worden, dass er in die Zahl der Kleriker

157

des Bischofs Alexander aufgenommen worden sei.

Osborn nimmt also die Nachricht des Euseb beim Wort und versucht, dadurch an einem Punkt etwas Licht in die dunkle Biographie des Clemens zu bringen.

Nach den bisherigen Beobachtungen zu Clemens’ theologischen Wurzeln, dürfte es sich lohnen, auch die Frage nach seiner Rolle und seinem Status in der Kirche von Alexandrien zu stellen: Was deutet er selbst an, und wie liest es sich in der Zusammenschau mit Eusebs Notizen?

Clemens äußert sich tatsächlich an einigen Stellen der Stromateis so, dass man geneigt ist, hinter allgemeinen Feststellungen ihn selbst und seinen Status in Alexandrien zu erkennen. So spricht sich im Konzept des ‚wahren

156 Zur Konfiskation von Vermögen im Rahmen von Christenverfolgungen: vgl. Euseb HE VI 2,13: „Da das große Vermögen des Vaters [d. Origenes] der kaiserlichen Schatzkammer zufiel, musste er [Origenes] mit seinen Angehörigen an den lebensnotwendigen Dingen

Mangel haben“ (Kraft 278); vgl. Cassius Dio, Römische Geschichte LXVII 14,2 [Epitome des Xiphilinos]: „…wegen Gottlosigkeit wurden auch viele andere, die jüdische Sitten

angenommen hatten, verurteilt, die einen zum Tode, die anderen zum Verlust ihres Besitzes;“

(P. Guyot, R. Klein, Das Frühe Christentum bis zum Ende der Verfolgungen, I: Die Christen im heidnischen Staat. Darmstadt 1993; 24f; Zitat des Melito von Sardes bei Euseb, HE IV 26,5 aus einer Schrift an Kaiser Marc Aurel: „Wie nie zuvor wird jetzt das Geschlecht der Gottesfürchtigen verfolgt und aufgrund neuer Gesetze überall in der Provinz Asia

herumgejagt. Denn schamlose Denunzianten und auf fremden Besitz versessene Leute nutzen die durch die Erlasse sich bietende Gelegenheit, um offen auf Raub auszugehen, und plündern Tag und Nacht Menschen aus, die nicht Unrechtes tun“; P. Guyot, R. Klein 46f. – Clemens selbst rechnet damit, dass der Gnostiker Opfer von Verfolgung werden kann, vgl. Strom IV 52,2f: „Für den Gnostiker wird also die letzte Entscheidung nicht durch das äußere Schicksal begündet sein, sondern von ihm selbst hängt es ab, ob er glücklich und selig und ein

königlicher Freund Gottes ist. (3) Und wenn man ihn seiner bürgerlichen Rechte beraubt, ihn verbannt, seine Güter einzieht und ihn zuletzt zum Tode veruteilt, so wird er sich doch nie von seiner inneren Freiheit und … von seiner Liebe zu Gott abbringen lassen…“ (k¨n ¢tim…v tij perib£llV toàton fugÍ te kaˆ dhmeÚsei kaˆ ™pˆ p©si qan£tJ, oÙk ¢pospasq»seta…

pote tÁj ™leuqer…aj kaˆ kuriwt£thj prÕj tÕn qeÕn ¢g£phj ...), BKV II 19, 41f; GCS II 272,15-17.

157Zur Unterhaltsberechtigung von Klerikern vgl. G. Schöllgen, Die Anfänge der

Professionalisierung des Klerus und das kirchliche Amt in der Syrischen Didaskalie, Münster 1998.

Gnostikers’

158

, das er durch alle Bücher der Stromateis hindurch

159

mit Konstanz entwickelt und ausgestaltet, ein persönliches Anliegen aus; er ist als Lehrer und Schriftsteller diesem Ideal verpflichtet und bringt es seiner Hörer- und

Leserschaft in vielfältiger Weise nahe.

158 Clemens hat nirgends in der Rezeptionsgeschichte das Epitheton o gnwstikoj erhalten. Es mag daran liegen, dass er sein Konzept vom wahren Gnostiker in Auseinandersetzung mit heterodoxen Gruppen, mit der „fälschlich so genannten Gnosis“ und den

„Pseudognostikern“ (vgl. Strom III 39,1; 110,3; II 52,5) entwickelt hat, und sein

Gegenbegriff vom „wahren Gnostiker“ nach dem Verschwinden dieser Gruppen obsolet wurde. Das trifft jedoch nicht für sein mit diesem Begriff verbundenes Konzept zu. Denn das Bild, das Clemens vom wahren Gnostiker zeichnet, stellt gar nichts anderes dar als einen überzeugten Christen, dessen Leben ganz von der Liebe zu Gott geprägt ist und der alle seine Fähigkeiten, die intellektuellen, die sittlichen und die materiellen in den Dienst für Gott und die Menschen stellt: der vollkommene Christ ist der wahre Gnostiker (vgl. Strom V 89,2).

Diese Gleichsetzung wird in der Schilderung des Gnostikers in Strom VII deutlich

ausgesprochen. Nach der Schilderung des gnostischen Lehrers und seines Einsatzes für die Kirche und die Schüler (VII 52f) fasst Clemens den Gedankengang in VII 54,2 zusammen:

„Dies ist, soweit es in Kürze möglich ist, eine Schilderung der Frömmigkeit des Christen.

Wenn er wirklich pflichtgetreu und in Übereinstimmung mit der richtigen Vernunft handelt, dann handelt er fromm und gerecht. Wenn sich dies aber so verhält, dann ist in der Tat der Gnostiker allein fromm und gerecht und gottesfürchtig. Der Christ ist also kein

Gottesleugner…“ (AÛth mn oân, æj ™n ™pidromÍ f£nai, ¹ toà Cristianoà qeosšbeia. e„

d¾ kaqhkÒntwj taàta poie‹ kaˆ kat¦ lÒgon tÕn ÑrqÒn, eÙsebîj poie‹ kaˆ dika…wj. e„

d taàta oÛtwj œcei, mÒnoj ¨n e‡h tù Ônti eÙseb»j te kaˆ d…kaioj kaˆ qeoseb¾j Ð gnwstikÒj. oÙk ¥ra ¥qeoj Ð CristianÒj...) BKV II 20,60; GCS III 40,11-15; vgl. auch Strom VII 1,1; 65,5.

159So bestimmt Clemens in Strom I, wer ein Gnostiker ist (I 44; 58,2), beschreibt in Strom II die Qualitäten des Gnostikers, sein Streben nach sittlicher Vollkommenheit mit dem Ziel, Gott ähnlich zu werden soweit als möglich (II 50,1; 52,3; 97,1; 103,4); in Buch IV wird diese Darstellung weitergeführt, jetzt im Rahmen der Diskussion um das Martyrium: Der Gnostiker sucht nach der Reinheit von Leib und Seele, erstrebt die Haltung der Affektlosigkeit und der inneren Freiheit ganz aus Liebe zu Gott (IV 9,1; 13,1; 52,2; 130,1-4; 162,1); in Buch V wird dargelegt, wie die alttestamentlichen Anweisungen für den Kult Israels das Wesen des wahren Gnostikers vorabbilden (V 26,1; 39,4; 57,2; 67,4; 74,4); in BuchVI zeichnet Clemens das Bild von der Schönheit und Erhabenheit des vollkommenen Gnostikers, seine Lebensführung und Frömmigkeit, seine vollkommene Bildung, seine in der Liebe Gottes ruhende Apatheia, seine Fähigkeit zur Deutung der Schrift und seine Fürsorge für die Mitmenschen. In seiner

Vollkommenheit ist er ein Abbild Gottes und dem göttlichen Heiland ähnlich (VI 1,1; 60,3;

70-77; 80-83; 100-105; 115,1; 136,3; 161; 168,4). Im Buch VII präsentiert Clemens noch einmal sein Bild vom wahren Gnostiker, jetzt in einer mehr apologetischen Form. Angesichts der Verdächtigungen und Anklagen von seiten der Griechen geht es darum zu zeigen, dass der Gnostiker wahrhaft fromm und gerecht ist, und dass er nichts anderes ist als ein

vollkommener, überzeugter Christ (VII 1,1; 77f13; 16-22; 38ff; 48-54; 60-70; 81f). Im Fortgang des Gesamtwerkes nimmt das Thema ,wahrer Gnostiker’ immer mehr Raum ein.

Auffällig ist, dass es im polemischen Buch III, das sich häuptsächlich mit heterodoxen Auffassungen über die Enthaltsamkeit auseinandersetzt, fast ganz ausgeklammert wird.

Anzumerken ist auch, dass im Prot das Konzept des wahren Gnostikers nicht auftaucht, und in Paid sich das Thema gerade nur ankündigt (I 1,1; 37,2; 39,1; 52; III 98,1).