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Buch I fungiert als theologische Grundlegung und stellt die universale göttliche Pädagogik dar; Clemens argumentiert hier in Auseinandersetzung mit

Leitung 80 und parallel dazu weltliche Herrschaft. Ihnen gegenüber steht das

II. Gemeindeleben

2. Buße

der Unvergänglichkeit Elemente der Taufliturgie stehen könnten, lässt sich nur vermuten.

Die Neugetauften, womöglich auch schon die Katechumenen, werden nhpioi genannt

96

. Diesen Ehrentitel

97

verteidigt Clemens energisch gegen

Fehldeutungen von heterodoxer Seite, wo der Titel abwertend als Bezeichnung für Anfänger im Glauben, die mit Anfangslehren gespeist werden, also für Unverständige und Uneingeweihte, verwendet wird (Paid I 19f; 25). Clemens macht sich einige Mühe, diese Meinung zu widerlegen und darzustellen, dass Milch eine vollwertige Nahrung ist und von der Substanz nicht anders als Fleisch (Paid I 35; 38-52). Er hebt hervor, dass mit der Taufe die vollständige Erleuchtung gewährt wird und damit die Erkenntnis Gottes (Paid I 25,1), wobei er an anderer Stelle sehr wohl unterscheidet zwischen einer angelegten

Vollkommenheit und ihrer schrittweisen Entfaltung (Strom IV 150).

tut das nicht so entschieden, wie er es vom Hirt des Hermas kennt

100

, aber die Hinweise, dass es in Alexandrien eine Bußmöglichkeit nach der Taufe gibt, sind deutlich genug

101

. Allerdings scheint diese Praxis noch nicht ganz

selbstverständlich zu sein, denn in Strom II 69,2f deutet sich eine leise Kritik an Hirten an, die sich nicht um die Verletzten und Verirrten der Herde kümmern

102

. Dass er sich dabei der Worte aus Ez 34,4.6 bedient, spricht nicht gegen diese Annahme; er zitiert dieses Schriftwort nicht ohne Grund und der Kontext hätte dieses Zitat nicht erzwungen.

Ein weiteres Argument für die Entwicklung einer kirchlicher Bußpraxis in Alexandrien ist das Ende von qds. Clemens erzählt in Kapitel 42 vom Bemühen des Apostels Johannes um einen der christlichen Gemeinde durch Verbrechen verlorengegangenen Menschen, wie er ihm nachgeht und wieder in die Kirche zurückholt.

Gerade in dieser Erzählung schildert Clemens deutliche Elemente

seelsorgerlichen Handelns. Es geht um Begleitung im Prozess der Umkehr und Sündenvergebung, die er in qds 42 als Aufgabe des Bischofs betrachtet. Er kritisiert dort eine bischöfliche Sorge, die einseitig auf die Betreuung von Neubekehrten und Taufbewerbern fixiert ist und die Getauften mit ihren Gefährdungen und Nöten aus dem Blick verliert. Einem Bischof, der seinen

100Vgl. z.B.Hirt des Hermas vis III 7,6; mand IV 3,6f; sim IX 1-3; vgl. Strom II 69,2f; II 56-59. 101 Vgl. zur zweiten Buße: qds 8,2; 39f; Strom I 171f; IV 154,3; VI 109; 104; W. Völker, Wahrer Gnostiker, 147-153; v.d. Hoek, Catechetical School, 61ff; 65ff.

102 Vgl. BKV II 201: „…da er nämlich wünschte, dass wir durch die Hirten auf den rechten Weg gebracht würden, machte er einigen Vorwürfe, wie ich meine, durch Worte des Ezechiel:

‚Das Schwachgewordene habt ihr nicht gestärkt’[Ez 34,4]… ‚Denn groß ist beim Vater die Freude über einen einzigen Sünder, der gerettet wurde’ [Lk 15,7], sagt der Herr.“ (GCS II 149,29-150,7: p£lin Ð kÚrioj de…knusin ¥ntikruj ... prÕj tîn poimšnwn ™panorqoàsqai boulÒmenoj ¹m©j, di¦ 'Iezeki¾l a„tièmenoj aÙtîn, omai, tin¦j ™f' oŒj oÙk ™t»rhsan t¦j ™ntol£j· «tÕ ºsqenhkÕj oÙk ™niscÚsate« kaˆ t¦ ˜xÁj ›wj «kaˆ oÙk Ãn Ð ™pizhtîn oÙd Ð ¢postršfwn·« «meg£lh g¦r car¦ par¦ tù patrˆ ˜nÕj ¡martwloà swqšntoj,« Ð kÚriÒj fhsi.)

seelsorgerlichen Dienst derart reduziert, setzt er als beispielhaften Seelsorger den Apostel Johannes entgegen, von dem er erzählt (42,2-4):

Er pflegte auch "... wenn er gebeten wurde, in die Nachbargebiete der Heiden zu gehen, wo er teils Bischöfe einsetzte, teils ganze Kirchen zusammenbrachte, teils zu einem Amt bestimmte einen von denen, die vom Geist bezeichnet waren

103

. So kam er auch in eine der nicht weit entfernten Städte... und als er dort im übrigen den Brüdern Erquickung bot, richtete er den Blick auf den über alles

eingesetzten Bischof und sagte, wobei er einen jungen Mann anschaute, der einen stattlichen Körper und eine hübsche äußere Erscheinung und ein

leidenschaftliches Gemüt hatte: 'Diesen (Jüngling) vertraue ich mit allem Ernst dir an vor Zeugen, nämlich der Kirche und Christus'. Und als der Bischof sich einverstanden erklärte und alles versprach, wiederholte er noch einmal mit Nachdruck (laut) dasselbe und wies noch einmal auf die Zeugen hin. Dann kehrte er nach Ephesos zurück; der Presbyter (ehrwürdige Alte) aber nahm den ihm anvertrauten jungen Mann in sein Haus auf und zog ihn auf, hielt ihn in Zucht, hegte und pflegte ihn und taufte ihn zuletzt. Und danach ließ er es fehlen an weiterer Sorge (epimeleia) und Wachsamkeit in der Überzeugung, dass das Siegel des Herrn das vollkommene Schutzmittel für ihn sei"

104

.

103 Vgl. SKV 1, 59; vgl. – GCS III 188,3-18. - Stählins Edition und seine Übersetzungen sind wertvolle Arbeitsinstrumente. Gleichwohl bedarf die Übersetzung der gelegentlich der Revision. Stählin übersetzt: Johannes ging "in die benachbarten Gegenden des Heidenlandes, um an dem einen Ort Bischöfe einzusetzen, anderswo ganzen Gemeinden ihre Ordnung zu geben oder für ein kirchliches Amt einen von denen zu bestimmen, die vom Geist als tauglich dafür bezeichnet waren". Das griechische opou men... opou de... opou de...

gibt diese dezidierte Aussage, dass an einem Ort mehrere Bischöfe eingesetzt worden seien, nicht her. Der weitere Kontext dieser Episode zeigt, dass Klemens in einer Gemeinde einen Bischof annimmt, "der über alle eingesetzt ist" - Stählin unterschlägt hier die Bemerkung

"über alle". Es mag auch an solchen Übersetzungsunschärfen liegen, wenn z.B. H.v.

Campenhausen, Kirchliches Amt und geistliche Vollmacht in den ersten drei

Jahrhunderten, Tübingen 1953, 231 dem Klemens bescheinigt, er kenne "im Grunde kein in diesem Sinne [nämlich einer "vorgefundenen und übergreifenden Vollmacht"] berufenes 'Amt'." Die vorliegende Stelle scheint dem eher zu widersprechen. Die einzige Unschärfe, die man hier wahrnehmen kann, ist die, dass er nicht zwischen Episkopos und Presbyter

unterscheidet, womit er an sehr alte Vorstellungen anknüpfen würde (1Clem 21,6; 44,1.4.5;

54,2; 57,1; Polyc ep 5,3; Hermas vis 2.2.6; 2.4.2f; 3.1.8; Did 15.1). Abgesehen davon

nennt er aber auch die Ämterreihe Episkopos, Presbyter, Diakon (vgl. Paid III 97,2; Strom VI 107,2-3), so dass man an der vorliegenden Stelle auch fragen kann, ob er presbuteroj nicht zu neaniskoj in Kontrast setzt. - Im übrigen macht auch der Schluss dieses Satzes bei Stählin ("für ein kirchliches Amt einen von denen zu bestimmen, die vom heiligen Geist als tauglich dafür bezeichnet waren" - Ópou d klÁron ›na gš tina klhrèswn tîn ØpÕ toà

pneÚmatoj shmainomšnwn) den Eindruck eines besonderen charismatischen Vorgangs.

Klemens sagt hier aber nur, dass der Apostel einen von den Getauften für ein Amt bestimmte.

104 Vgl. SKV 160; GCS III, 188, 3-18.

Der junge Mann entwickelt sich nun in eine Richtung, die nicht christlichem Lebenswandel entspricht: Er wird kriminell (42,5-7). Als Johannes einige Zeit später wieder in dieselbe Gemeinde kommt, fordert er vom Bischof das

anvertraute Gut zurück: "... 'Den Jüngling... und die Seele des Bruders'..."

(42,9)

.

Unter Tränen erklärt der Bischof den jungen Mann für tot: "... 'Gott ist er gestorben... er ist ein schlechter und verworfener Mensch, ein Räuber

geworden; die Kirche hat er verlassen'..." (ebd.). Johannes ist voll Schmerz über diesen Verlust, den er durch die Nachlässigkeit des Bischofs verursacht sieht:

„Da habe ich ja einen trefflichen Wächter für die Seele des Bruders

zurückgelassen!". Und dann macht sich auf die Suche nach dem jungen Mann.

"Als (dieser) aber beim Näherkommen den Johannes erkannte, wandte er sich, von Scham ergriffen, zur Flucht. Johannes aber dachte nicht an sein hohes Alter, sondern setzte ihm mit aller Kraft nach, indem er rief: 'Warum fliehst du, mein Sohn, vor mir, deinem eigenen Vater, vor dem, der unbewaffnet, vor dem, der ein Greis ist? Habe Mitleid mit mir, mein Sohn, fürchte dich nicht. Du hast noch Hoffnungen auf das Leben. Ich selbst will Christus über dich Rechenschaft geben. Wenn es nötig ist, will ich gern den Tod erleiden, den du verdient hast, wie der Herr den Tod für uns erlitt. Für dich will ich mein eigenes Leben ( yuch ) hingeben. Bleib stehen! Fasse Vertrauen! Christus hat mich gesandt'.

Als der Jüngling dies hörte, blieb er zuerst stehen und blickte zur Erde; dann warf er seine Waffen weg; dann begann er zu zittern und bitterlich zu weinen.

Als aber der Greis nun herankam, umarmte er ihn, verteidigte sich, so gut er konnte, durch sein Wehklagen und wurde durch die Tränen, die er vergoss, ein zweites Mal getauft. Dabei verbarg er nur seine rechte Hand. Johannes aber verbürgte sich selbst und versicherte unter Eid, dass er für ihn Vergebung durch den Heiland erlangt habe. Er drang mit Bitten in ihn und fiel vor ihm auf die Knie nieder. Darauf küsste er die rechte Hand in der Überzeugung, dass sie durch die Umkehr gereinigt sei, und führte ihn zur Kirche zurück. Mit vielen Gebeten bat er ihn los, durch anhaltendes Fasten unterstützte er ihn im Kampf, durch mannigfaltige fesselnde Worte bezauberte er seinen Sinn und ging, wie erzählt wird, nicht eher fort, als bis er ihm die Leitung der Kirche anvertraut und damit ein leuchtendes Beispiel wahrer Sinnesänderung und einen deutlichen Beweis der Wiedergeburt gegeben hatte, ein Siegeszeichen der sichtbaren

Auferstehung" (42,12-15)

105

.

Diese kurze Erzählung, die Clemens als Tradition einführt, denn er verweist

105 SKV 1, 61f; GCS III 189,25-190,19.

darauf, dass er sie erzählt bekommen habe

106

, zeichnet zwei Personen in seelsorgerlicher Verantwortung, den Apostel Johannes und den Bischof einer Gemeinde in Kleinasien. Der Apostel überträgt die Obhut für den jungen

Menschen auf den Ortsbischofs. Dessen Fürsorge besteht nun darin, dass er den jungen Mann in sein Haus, d.h. in seine Familie aufnimmt, ihn aufzieht und erzieht und ihn dann zur Taufe führt. Mit der Taufe ist für den Bischof dieser intensive Fürsorgedienst abgeschlossen, er betrachtet den jungen Menschen als für sich selbst verantwortlich und sieht ihn dazu durch das Taufsakrament befähigt. Als dieser den in ihn gesetzten Erwartungen nicht gerecht wird und versagt, erklärt ihn der Bischof für tot: "Jener ist gestorben... Gott ist er gestorben... er ist ein schlechter und verworfener Mensch... die Kirche hat er verlassen" (42,9). Die Reaktion des Bischofs auf das Scheitern ist Trauer und Resignation.

Johannes kritisiert diese Haltung, die meint, das empfangene Sakrament ersetze die seelsorgerliche Begleitung und der Verlust der Taufgnade sei nicht

umkehrbar: "Da habe ich ja einen trefflichen Wächter für die Seele unseres Bruders zurückgelassen!" (42,10)

107

.

Johannes wird als Beispiel eines nachgehenden und begleitenden Seelsorgers gezeichnet: Er sucht den jungen Mann auf. Er setzt ihm nach, als dieser ihm

106 Zweimal deutet Clemens an, dass diese Geschichte im Umlauf war: 42,1: "... so höre eine Erzählung, die nicht ein Mythos sondern ein wahrer Bericht ist (logoj), der über den Apostel Johannes überliefert ist und für die Erinnerung aufbewahrt ist!" (BKV II 7,59) und 42,15: Johannes "ging, wie erzählt wird, nicht eher fort, als bis er ihm die Leitung der Kirche anvertraut" hatte (aaO. 62). Gleichwohl ist Klemens der erste, der diese Erzählung

literarisch bezeugt; spätere Autoren rezipieren ihn, bzw. Eusebius, der ihn wörtlich zitiert (vgl. Kirchengeschichte III 23,6-19). Zur Rezeptionsgeschichte vgl. A.v. Harnack, Geschichte der Altchristlichen Literatur bis Eusebius. Teil 1,1: Überlieferung. Leipzig 2 (1958) 316.

107 Man kann sich fragen, ob hier bereits eine leise Kritik am Verhalten kirchlicher Amtsträger zu vernehmen ist. Eine Generation später findet Origenes deutliche Worte für Missstände im Klerus von Alexandrien (vgl. z.B. HomGen 16,5; HomNum 22,4 und Comm MT XI 15; XVI 8; 22. (Weitere Beobachtungen hierzu bei Campenhausen 278). Die

wenigen Äußerungen zum Klerus bei Klemens gehen nicht über das hier Gebotene hinaus.

entkommen will. Er spricht ihn an und zwar nicht, indem er ihm Vorwürfe macht und ihm seine Vergehen vorhält, sondern indem er ihm Mut macht:

"... fürchte dich nicht! Du hast noch Hoffnungen auf das Leben. Ich selbst will Christus über dich Rechenschaft geben. Wenn es nötig ist, will ich gern den Tod erleiden, den du verdient has , wie der Herr den Tod für uns erlitt. Für dich will ich mein eigenes Leben

108

hingeben"(42,15).

Der Apostel ist bereit, für diesen jungen Menschen Leib und Seele einzusetzen.

Und dieser radikale Einsatz für den anderen wirkt entwaffnend: Die Waffen fallen wie die Maske der Selbstsicherheit: Der junge Mann verliert die Fassung, er redet über sein Verhalten. Allerdings vermag er nicht, voll und ganz für sein Handeln einzustehen: "Allein die rechte Hand verbarg er dabei" (42,14). Diese rechte Hand, in der Antike Symbol für menschliches Handeln

109

, betrachtet er als so unrein, dass er sie verbergen will

110

. Aber das Bemühen des Apostels um die Wiedergewinnung des jungen Mannes macht auch vor diesem Äußersten nicht halt: Der Kuss auf die Rechte signalisiert, dass nichts von der Vergebung ausgeschlossen ist. So führt er ihn in die Kirche zurück und leitet auch den kirchlichen Versöhnungsprozess ein

111

: Er fleht für seine Loslassung, er fastet mit ihm, er bewirkt durch seine Worte einen Sinneswandel und erreicht auf diese Weise nicht nur, dass der Mann in der Kirche wieder seinen Platz hat, sondern dass ihm die Leitung der Kirche anvertraut wird.

Ohne diese Erzählung all zu sehr pressen zu wollen, wird hier ein

seelsorgerliches Handeln, das sich in der Vorbereitung und der Spendung des

108 Vgl. Jo 15,13: "Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben (yuch) einsetzt für seine Freunde." Indem Johannes hier sein Leben für den jungen Mann einsetzen will, erweist er sich als getreuer Jünger Christi.

109 Vgl. dazu L. Kötsche, Art. Hand II (ikonographisch). In: RAC 13, Stuttgart 1986, 403- 482.

110 Dass es hier um Unreinheit geht, ist der Reaktion des Johannes zu entnehmen: "Darauf küsste er die rechte Hand selbst in der Überzeugung, dass sie durch die Umkehr gereinigt sei"

(42,15). Johannes Chrysostomus, der diese Erzählung auch kennt, betrachtet sie als blutbesudelt (vgl. Ad Theodorum lapsum I, 17. PG 47, 305).

111 Zur Bußpraxis in der Kirche bis Ende des 3. Jhts. vgl. K.S. Frank, Lehrbuch der Geschichte der Alten Kirche. Paderborn 1996, 125-128.

Taufsakraments erschöpft, das dem Menschen zwar in die Kirche hineinhilft, ihn dann aber allein lässt, und ihn im Falle seines Scheiterns resigniert sich selbst überlässt, explizit durch die Bemerkung des Apostels und implizit durch dessen eigenes seelsorgerliches Handeln kritisiert.

Für den Apostel und damit für Klemens ist die Ausübung der Bußdisziplin nach der Taufe Seelsorge an den Heillosen, den Gescheiterten und zu Fall

Gekommenen, grundgelegt durch die "zuverlässige Hoffnung auf Rettung"

(42,1)

112

; diese aber wird durch die Liebestat des Gottessohnes erwirkt, und zu solcher Liebestat gegenüber dem Bruder, der Schwester, ist jeder Christ

verpflichtet

113

. - Solche Seelsorge ist freilich nicht nur für Gescheiterte und in Not Geratene notwendig, sondern für alle, die an den Wendepunkten ihres Lebens den Kampf nicht aufgeben wollen

114

.

112 So wendet sich Clemens zu Beginn des Abschnittes 42 an seine lesenden oder hörenden Adressaten: "Damit du aber, wenn du so in Wahrheit deinen Sinn geändert hast, der getrosten Zuversicht seiest, dass dir zuverlässige Hoffnung auf Rettung bleibt, so höre eine Erzählung...

über den Apostel Johannes..." (42,1). Und Johannes selbst spricht den jungen Mann an: "Du hast noch Hoffnungen auf das Leben" (42,13), und er versichert ihm "unter Eid, dass er für ihn Vergebung erlangt habe durch den Heiland" (42,15).

113 Vgl. 37,4-5: "Worin besteht diese Liebe und wie groß ist sie? Für jeden einzelnen von uns hat er sein Leben hingegeben, das so viel wert ist wie das Weltall insgesamt. Solche Liebe füreinander fordert er auch von uns. Wenn wir aber unser Leben unseren Brüdern schuldig sind und wir eine solche Verpflichtung dem Heiland gegenüber auf uns genommen haben, sollten wir da noch die Dinge dieser Welt, die armselig, unserem wahren Wesen fremd und vergänglich sind, aufspeichern und abschließen?" (GCS III 181; vgl. SKV 1, 53). - Hier spricht Clemens zwar die Pflicht seines reichen Publikums zur materiellen Fürsorge für die Armen an, aber darin erschöpft sich die Fürsorgepflicht nicht, wie das Beispiel des Apostels Johannes zeigt: Der setzt sein Leben ein, um den jungen Mann zur Umkehr zu bewegen, um ihn wieder für Christus zu gewinnen (vgl. 42,13). Auch an anderen Stellen äußert sich Clemens in dem Sinne, dass derjenige, der dazu befähigt ist, sich um die Seelen anderer zu sorgen hat: vgl. z.B. Strom VII 3,1-5.

114 Vgl. 40,3: Clemens sieht, dass sich menschliches Leben ständig weiterentwickelt und deshalb gefährdet bleibt: Auch wer in seinem Leben bislang recht gehandelt hat, läuft immer noch Gefahr, in die Irre zu gehen; doch auch der, der vom rechten Weg abgeirrt ist, kann durch einen Sinneswandel seinen Irrtum tilgen. Es kommt darauf an, dass man „am entscheidenden Wendepunkt (katastrofh) des Lebensdramas die Teilnahme am Kampf“

nicht aufgibt (vgl. BKV II 7,57; GCS II 186).

Auf dem Hintergrund der Intention von qds, nämlich reichen Zeitgenossen den Zugang zum Heil zu eröffnen oder die Hoffnung auf das Heil zu bewahren

115

und ihnen das mittels einer Auslegung von Mk 10,17-31 nahezubringen, also jenes Evangelientextes, der am radikalsten zum Besitzverzicht auffordert, wäre der Schluss dieses Schriftchens völlig unangebracht, wenn Christen, die diesem Gebot Christi nicht nachkommen konnten oder sich versündigt hatten, keine Hoffnung auf Rettung mehr haben könnten. Dass der Bischof den Sünder in qds 42,9 für „gestorben“ erklärt, wirft ein Licht auf die kritische Bemerkung in Strom II 69,2f. Am Beispiel der Erzählung, wie der Apostel Johannes einem in Sünde geratenen Menschen nachgeht, wird deutlich gemacht, dass eine harte Haltung den Sündern gegenüber nicht dem apostolischen Auftrag entspricht, der für Clemens darin besteht, für die Rettung der Nächsten zu sorgen.