Buch I fungiert als theologische Grundlegung und stellt die universale göttliche Pädagogik dar; Clemens argumentiert hier in Auseinandersetzung mit
Leitung 80 und parallel dazu weltliche Herrschaft. Ihnen gegenüber steht das
II. Gemeindeleben
1. Eintritt in die Gemeinde: Vor und nach der Taufe
Zwar ist der Paidagogos im Blick auf die Taufe geschrieben
88, nämlich als Handbuch und Ratgeber für Taufbewerber, Katecheten und getaufte Christen, aber Clemens bietet wenig konkrete Infomationen über den Initiationsprozess, der zur Aufnahme in die Kirche führte. Seine Andeutungen sind derart offen und derart eng in die Kontexte verwoben, dass man sich fragen muss, ob sie
tatsächlich Niederschlag einer gelebten Praxis oder allein dem Thema oder den Zitaten und ihren Deutungen geschuldet sind
89.
85Vgl. Strom IV 13,3; 15,1; IV 54,4: Motivation des Gnostikers zur Tugend ist nicht Furcht oder Hoffnung auf Lohn, sondern Liebe; Strom IV 112f: Liebe zu Gott; Strom V 97,1:
Gottesliebe und Menschenliebe; Strom IV 28,4: der Gnostiker als Freund Gottes.
86Vgl. Strom IV 106,6; in seiner apostolischen Haltung: Strom IV 74,1-4; VI 106,1; durch das, was einen Gnostiker auszeichnet: Strom II 46,1; 77,5f.
87Zum Motiv der Nachahmung vgl. Strom II 97,1; VI 115,1.
88S. oben 102ff.
89A. Benoit, C. Munier, Die Taufe in der Alten Kirche. Berlin, Frankfurt usw. 1994, bieten in ihrer Textsammlung keine, die Taufvorbereitung betreffenden Zitate des Clemens. Die großzügige Einleitung sagt allgemein, die Einrichtung und Organisation des Katechumenats hätte sich ab Mitte des 2. Jhts. herausgebildet (vgl. XXVI); im Abschnitt über Clemens wird das Katechument nicht erwähnt.
Die Frage nach dem Sitz im Leben des Protreptikos
90erbrachte den Befund, dass diese Schrift hauptsächlich an Christen gerichtet war, die die innere Bekehrung bereits in ersten Schritten vollzogen hatten, bereits christlich
unterwiesen waren (Prot 96) und die nun vor dem Schritt in die Verbindlichkeit, nämlich die offizielle Eintragung in die Liste der Taufbewerber, standen
91.
In Strom II 96,1f macht Clemens eine Bemerkung, die auf die Dauer des Initiationsprozesses gedeutet werden kann:
„Das Gesetz gestattet aber nicht, die Frucht von noch unentwickelten Bäumen zu pfücken, sondern erst nach dem Ablauf von drei Jahren im vierten Jahr, wenn der Baum vollständig entwickelt ist, um dann die Erstlingsfrüchte Gott zu
opfern. Diese Art der Baumpflege ist aber wohl ein Vorbild für die
Unterweisung, und lehrt, dass man die wilden Schösslinge der Sünden und das unnütze Unkraut der Gedanken wegschlagen muss, bis das Reis des Glaubens voll entwickelt und fest verwurzelt ist. (2) Denn im vierten Jahr wird, da für eine fest verwurzelte Unterweisung auch Zeit nötig ist, die Vierzahl der Tugenden Gott dargebracht, da dann die dritte Entwicklungsstufe bereits in die vierte, vom Herrn eingenommene Stellung übergeht“
92.
Der Text ist, wenn man ihn als Hinweis auf die Taufvorbereitung verstehen will, nicht ganz eindeutig. Clemens sieht eine insgesamt vierjährige
9093ff.
91Vgl. Prot 82; vgl. die Angaben zur Taufe bei Justin, 1Apol 61 und in TradAp 15ff; in der Kirchenordnung wird die Anmeldung zum Taufunterricht beschrieben, von einer
Einschreibung ist nicht die Rede; Justin fasst sich allgemeiner, bei ihm haben sich die Taufanwärter von der Wahrheit überzeugen lassen, sie glauben und versprechen ein dem Glauben gemäßes Leben zu führen. – Clemens fordert sie in Prot 95f auf, keine Skrupel vor der Reaktion der Mitbürger zu haben; diese nahmen also diesen Schritt wenigstens am Verhalten der Katechumenen wahr.
92 BKV 220; GCS II 165,5-14: tÒn te karpÕn oÙk ™´ dršpesqai ¢telÁ ™x ¢telîn, ¢ll¦
met¦ triet…an œtei tet£rtJ kaqierèsonta t¾n ¢parc¾n tù qeù met¦ tÕ telewqÁnai tÕ dšndron [Philo, De virt 156-159]. e‡h d' ¨n oátoj Ð tÁj gewrg…aj tÚpoj didaskal…aj trÒpoj, did£skwn de‹n t¦j parafÚseij tîn ¡martiîn ™pikÒptein kaˆ t¦j
sunanaqalloÚsaj tù gon…mJ karpù mata…aj tÁj ™nno…aj pÒaj, œst' ¨n teleiwqÍ kaˆ bšbaion gšnhtai tÕ œrnoj tÁj p…stewj. tù [te] g¦r tet£rtJ œtei, ™peˆ kaˆ crÒnou cre…a tù kathcoumšnJ beba…wj, ¹ tetr¦j tîn ¢retîn kaqieroàtai tù qeù, tÁj tr…thj ½dh monÁj sunaptoÚshj ™pˆ t¾n toà kur…ou tet£rthn ØpÒstasin. – Clemens benützt in dieser Argumentation Philo ausgiebig für seine eigene Deutung mosaischer Gebote. Hier spielt er auf die Unterweisung in der Gemeinde an, und die Deutung des Bildes zeigt, dass es um Einweisung in den Glauben geht.
Vorbereitungszeit, wobei im vierten die Taufe erfolgt. Der Gedankengang nimmt eine Erklärung auf zu Dtn 20,19f, die Philo in De virtutibus 156ff ausführt, und versteht unter den vollentwickelten Früchten die vier
Kardinaltugenden, die der Mensch nach drei Jahren Gott darbringen kann. D.h.
für Clemens braucht der Taufbewerber drei Jahre
93, um eine christliche
Lebenshaltung zu entwickeln und einzuüben. Der Übergang in die „vom Herrn eingenommene Stellung“ meint dann die Taufe, die den Menschen in das
Kindschaftsverhältnis zu Gott bringt
94, zum Sohn und zur Tochter Gottes macht.
Über die Taufe selbst
95erfährt man, dass sie „Wiedergeburt“, „Bad“ und
„Erlösung“ genannt wird (Prot 94), dass sie eine „Besiegelung“ (Prot 120,1) und eine „Erleuchtung“(Paid I 26) ist; sie wird als Adoptionsakt vorgestellt (Paid I 25f), der einen vollständigen Statuswechsel des Menschen mit sich bringt (Paid I 26), nämlich Befreiung von Sünde und ihrer Ursache (Paid I 29f) durch Erziehung und Aufnahme in die Fürsorge des göttlichen Lehrers (Paid III 101,3) und Unsterblichkeit (Paid I 26).
Vom Taufakt selbst deutet Clemens in Prot 116,4 an, dass er ein Eintauchen ins Wasser sei und mit Dankgebeten verbunden sei. Dass die in Prot 120,1 erwähnte Besiegelung auch zum Ritus gehörte, und dass hinter der in Paid I 83f
genannten Salbung (vgl. Traditio Apostolica 21) und dem Anlegen des Kleides
93An anderen Stellen, in Strom I 173 und VI 114,3ff wird die dritte Stufe der Entwicklung als die der Kindschaft betrachtet; danach wäre das dritte Jahr bereits postbaptismale
Unterweisung und eine Phase der Vervollkommnung; vgl. dazu auch Strom VII 40,4. Da Clemens aber eine dynamische Vorstellung vom Hineinwachsen in den Glauben hat, darf man hier keine klaren punktuellen Angaben erwarten. Die Vorliebe des Clemens für eine
dreistufige Entwicklung zeigt sich jedenfalls auch in Strom VI 131, wo er die Ausbildung an der Heiligen Schrift ebenfalls mit drei Schritten beschreibt: Zuerst kommt das Lesen,
Buchstabe für Buchstabe: das Erfassen des buchstäblichen Sinnes der Schrift; dann, bei Glaubensfortschritt erfolgt das skandierende Lesen der Schrift, d.h. das gnostische
Verständnis der Schrift; zuletzt die Begegnung mit der ungeschriebenen Lehre des Herrn, welche die Apostel überliefert haben: Verinnerlichung des geistlichen Schriftsinnes, geistige Auslegung.
94Vgl. unten 305ff.
95Zum Taufverständnis vgl. W. Völker, Wahrer Gnostiker, 147-153.