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1. Theoretischer Teil

1.3. Emotion und Emotionsregulation

1.3.2 Neuroanatomische Grundlagen

Im Jahr 1991 wurden die ersten Ergebnisse von fMRT Studien veröffentlicht. Welche Bereiche des Gehirns an emotionalen Prozessen beteiligt sind, ist seitdem intensiv erforscht worden. Im folgenden Abschnitt soll die grobe Funktion von Arealen, die sich als entscheidend für die Emotionsgenerierung und Regulation herausgestellt haben, erläutert werden. Die meisten Areale, wie Amygdala, Insula, die einzelnen Lappen und Gyri sind paarig, das heißt es gibt sie in jeder Gehirnhälfte. Aus Gründen der Vereinfachung soll von Ihnen im Singular gesprochen werden.

Die Amygdala ist wichtig für die Wahrnehmung und das Entdecken von emotionalen/erregenden Stimuli, sowohl positiven wie negativen, wobei sie besonders sensibel auf bedrohliche und

40 angsterregende Stimuli reagiert. Die Amygdala liegt in den medialen Temporallappen und besteht aus unterschiedlichen Nuklei (Swanson & Petrovich, 1998). Der laterale (LA) und anteriore

basolaterale (BL) Nucleus bilden zusammen den basolateralen Komplex (BLA). Verschiedene Gehirnareale projizieren zu dem BLA. Hier konvergieren vereinfacht gesagt Informationen über relevante Stimuli/Ereignisse. Außerdem werden hier starke emotionale Erinnerungen gespeichert.

Läsionen führen demnach zu Störungen in der Generierung von Angsterinnerungen. Der zentrale Nukleus der Amygdala (CeA) projiziert hingegen zu verschiedensten Gehirnarealen und ist wichtig für die Initiierung von physiologischen, behavioralen und emotionalen Reaktionen auf einen

Stimulus/Ereignis (Moustafa et al., 2013b). Die Amygdala ist sehr stark mit unterschiedlichen Bereichen des Gehirns vernetzt: Es existieren Afferenzen vom Stammhirn und Hypothalamus, Hippocampus sowie vom Thalamus und sekundären sensorischen Cortices und der Insula, die sensorische Informationen an den BLA übermitteln (Moustafa et al., 2013a). Die Amygdala erhält dadurch Informationen aller Sinnesmodalitäten. Diese sensorischen Informationen konvergieren zunächst im Thalamus und erreichen die Amygdala dann auf zwei Wegen, die Joseph LeDoux als

„high road“ und „low road“ beschrieben hat: Eine direkte Verbindung, die „low road“, auf der schnell, aber ungenau sensorische Informationen den BLA erreichen: Hier geschieht eine erste Einordung, ob ein Reiz eine mögliche Gefahr darstellt oder nicht. Präzisere Informationen werden über die „high road“ vom Thalamus zunächst zu den primären sensorischen Cortices und von dort zu sekundären sensorischen Cortices weitergeleitet. Zuletzt erreichen sie, akkurater und mit

Informationen des deklarativen Gedächtnisses angereichert, den BLA der Amygdala. Projektionen vom lateralen Nukleus führen dann direkt und auf indirektem Weg über eine Gruppe inhibierender Neurone, den interkalierten Zellen, zum CeA.

Von dem CeA werden klassische Gefahrenreaktionen wie beispielsweise das Einfrieren (freezing) durch Projektionen zum PAG, dem autonomen Nervensystem und den motorischen Zentren des Gehirns eingeleitet. Auch aktiviert der CeA das Erregungszentrum des ZNS, über das durch

Freisetzung von Neurotransmittern (Serotonin, Dopamin, Acetylcholin, Noradrenalin und anderen) eine allgemeine Erregung ausgelöst wird. Durch die so gesteigerte Wachsamkeit werden weitere potentielle Gefahren leichter erkannt. Dies ist ein Mechanismus, der auch in der Pathologie von Angsterkrankungen eine Rolle spielt. Unter anderem werden durch die allgemeine, vom CeA ausgelöste Erregung des Gehirns auch Neurotransmitter freigesetzt, die wiederum die Aktivität der Amygdala steigern. Projektionen vom CeA zum Nukleus accumbens des Nervus Vagus helfen die

41 Balance wiederherzustellen, wenn die Gefahr vorüber ist. Läsionen im CeA führen dazu, dass diese klassischen Gefahrenreaktionen unterbunden werden (LeDoux, 2015).

Die Insula ist ein im Sulcus lateralis cerebri verdeckt liegender Teil der Großhirnrinde. Der Insula wird eine wichtige Rolle in der Interozeption, der Assoziation von dem körperlichen Ausdruck einer Emotion mit der bewussten Erfahrung einer Emotion, zugeschrieben. Oder um auf William James Theorie Bezug zu nehmen: Hat man Angst, weil man fühlt wie man zittert, dann ist die Insula der Ort, der diese Wahrnehmung ermöglicht. Ist die bewusste Wahrnehmung der durch Stimuli induzierten körperlichen Reaktionen zentraler Teil einer Emotion, so ist es vor allem die Insula, die dies

ermöglicht. Anatomisch unterteilt sich die Insula in einen anterioren Teil und einen posterioren Teil.

Die bilaterale anteriore Insula zeigte sich in Studien bei dem Gefühl von Empathie, Mitgefühl, Intuition aktiviert, die rechte anteriore Insula bei negativen Emotionen, besonders Ekel (Gu, Hof, Friston, & Fan, 2013a). Die posteriore Insula ist vor allem für die Wahrnehmung sensorischer Information wichtig. Man spricht somit von einem posterior zu anterior Gradienten, da physische Information der Interozeption in der posterioren Insula und emotional-kognitive Information in der anterioren Insula prozessiert werden (Stephani, Fernandez-Baca Vaca, Maciunas, Koubeissi, &

Lüders, 2011).

Der Hippocampus liegt am inneren Rand des Temporallappens und hat eine wichtige Rolle in der Formierung von Gedächtnis und Erinnerung. Er ist an der Speicherung und dem Abruf von räumlicher und episodischer Erfahrung beteiligt sowie an der Erschaffung eines episodischen und

autobiographischen Gedächtnisses (Moscovitch et al., 2005). Auch werden kontextuelle

Informationen, wie Informationen über den Ort, an dem ein emotionales oder traumatisches Ereignis stattfand, im Hippocampus gespeichert, so dass oft schon das erneute Betreten dieses Ortes

Emotionen hervorruft (Miller, Rodriguez, Bokung, & McClure, 2014; Moustafa et al., 2013a).

In den medialen Bereichen der frontalen Lappen liegen der ventromedialepräfrontale Cortex (vmPFC) und der anteriore cinguläre Cortex (vACC), deren Grenzen und deren Aufgaben in der Literatur oft nicht klar getrennt, beziehungsweise definiert werden. Gross et al. identifizieren den vACC wie folgt: Der vACC entspricht den Brodman Arealen 24a, 24b, 24c, 25, 32 und 33, diese werden in anderen Artikeln eindeutig dem vmPFC zugesprochen. Aus diesem Grund soll in dieser Arbeit die Bezeichung vACC/vmPFC verwendet werden, mit der die Region gemeint ist, die den oben genannten Brodman Arealen des vACC entspricht. Der vACC/vmPFC hat Verbindungen mit zentralen Bereichen der Emotionsprozessierung wie Amygdala, PAG und Hypothalamus sowie mit dorsalen und

42 lateralen frontalen Arealen, die besonders für explizite Emotionsregulation wichtig sind (Etkin, Egner,

& Kalisch, 2011a). Im vACC/vmPFC werden die Einschätzung der Gefährlichkeit/möglicher

Belohnungen der Stimuli durch Striatum und Amygdala mit Informationen anderer Bereiche wie dem Stammhirn, präfrontalen Regionen sowie dem Lobulus temporalis medius, der semantische und historische Informationen zu früheren Begegnungen mit dem Stimulus enthält, integriert. Der vACC/vmPFC soll dabei evaluieren, welcher Wert ein Stimulus für einen Menschen hat.

Der vACC/vmPFC hat ferner eine tragende Rolle in der Emotionsregulation. In Metaanalysen wurden positive Emotionen, die negativen Einfluss negativer Emotionen regulieren können, mit einer

Aktivierung von vACC/vmPFC assoziiert (Etkin, Egner, & Kalisch, 2011b).

Der dorsale anteriore cinguläre Cortex (dACC) ist hingegen vor allem bei dem Abrufen und

Ausführen von negativen Emotionen aktiv. So sind eine erhöhte Sensitivität für negative Emotionen wie Ekel und Ablehnung mit erhöhter Aktivität vom dmPFC/dACC assoziiert. Unsicherheit und Unentschlossenheit, die ihrerseits zu Angst und emotionalem Konflikt führen können, führen ebenso zu einer erhöhten Aktivierung von dmPFC/dACC (Etkin et al., 2011a).

Der Hypothalamus liegt unter dem Thalamus im Zwischenhirn. Er ist weit vernetzt, insbesondere mit dem Hirnstamm, der Amygdala und Strukturen des autonomen Nervensystems. Über das

Infundibulum, dem Hypophysenstil, ist der Hypothalamus mit der Hypophyse verbunden, deren Hinterlappen teilweise noch dem Hypothalamus zugeordnet wird. Er bildet eine Reihe von Neurohormonen, die ihrerseits Hormone der Hypophyse inhibieren oder stimulieren. Auf diesem Weg reguliert der Hypothalamus vegetative Funktionen des Körpers. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die sogenannte HPA- Achse, die den Regelkreis von Hypothalamus, Hypophyse und Nebennierenrinde beschreibt, an dessen Ende die Ausschüttung von Cortisol über die

Nebennierenrinde steht. Über das Corticotropin-releasing Hormon (CRH) beeinflusst der

Hypothalamus hierbei zunächst die Sekretion von dem Adrenocorticotropen Hormon (ACTH) in der Hypophyse, das wiederum in der Nebennierenrinde die Bildung von Cortisol anregt. Cortisol ist bekannt als ein physiologischer Biomarker für Stress und regelt Mediatoren im Immunsystem, Entzündungsmediatoren und Neurotransmitter. Ein hoher Cortisolspiegel korreliert mit einem supprimierten Immunsystem, Entzündung und einer niedrigen Herzvariabilität und ist mit einer Überaktivität des Sympathikus assoziiert (Lutgendorf, Logan, Costanzo, & Lubaroff, 2004; Stalder, Evans, Hucklebridge, & Clow, 2011). Durch Entspannung reguliert sich das Cortisol gegenläufig (Cruess, Antoni, Kumar, & Schneiderman, 2000; Lutgendorf et al., 2004). Daher wird in Studien die

43 Messung von Cortisol im Speichel zunehmend als objektiver Marker für die Effektivität von

Psychotherapie genutzt (Hellhammer, Wust, & Kudielka, 2009).

Das PeriaquaeduktaleGrau (PAG) liegt in der grauen Substanz im Mittelhirn. Es moduliert über dorsale und laterale Bereiche die klassischen Gefahrenreaktionen wie Freezing, Immobilität, Weglaufen, Herzrasen, Blutdruckanstieg, erhöhten Muskeltonus (LeDoux, 2015).

Dorsolaterale, ventrolaterale und anteriore Regionen des präfrontalen Cortex (PFC), Regionen des dorsomedialen präfrontalen Cortex sowie des posterioren parietalen Cortex sind als Bereiche kognitiver Kontrolle bekannt. Diese Bereiche des Gehirns sind involviert in kognitive Prozesse wie dem Arbeitsgedächtnis, dem abstrakten Argumentieren, der Problemlösung, dem Formulieren und Ausführen von längerfristigen Zielen, dem Organisieren, Planen sowie der Aufmerksamkeit. Joseph LeDoux hebt die Rolle des Arbeitsgedächtnisses in der Emotionsgenerierung hervor. Die

verschiedenen unbewussten nicht-existentiell-emotionalen „Zutaten“ einer Emotion können – so LeDoux - erst durch das Arbeitsgedächtnis, welches es ermöglicht die Zutaten als Einheit

wahrzunehmender und sie dadurch als Erfahrung zu erleben zu einer Emotion werden (LeDoux, 2015). Modelle kognitiver Emotionsregulation gehen davon aus, dass stärkere Aktivierung präfrontaler Regionen, die mit kognitiver Kontrolle assoziiert sind, die Zentren der

Emotionsgenerierung auf direktem oder indirektem Weg modulieren (Ochsner, Silvers, & Buhle, 2012a). Ist das Ziel der Emotionsregulation eine Verringerung negativer Emotionen, so bedeutet dies vor allem eine Modulierung der Amygdala (Ochsner et al., 2012a). Aber auch die Aktivität von PAG, dACC und Insula werden von einigen kognitiven Emotionsregulationstechniken beeinflusst (Etkin, Buchel, & Gross, 2015).