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2. Emotionsregulation durch Klopftechniken – eine fMRT Studie

2.1. Methodische Überlegungen

Diese Studie ist die erste Studie von drei Studien, die das Klopfen mit Hilfe der fMRT untersucht. Sie soll im Sinne einer Pilotstudie evaluieren, wie die Auswirkungen des Klopfens am besten mit bildgebenden Methoden untersucht werden kann. Beim Planen der Studie spielten folgende Gedanken eine wichtige Rolle:

80 Die Klopftechniken werden im Alltag meist von einem erfahrenen Therapeuten durchgeführt.

Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass die Qualität der therapeutischen Beziehung zu den größten Wirkfaktoren von Psychotherapie zählt (Tschacher, Junghan, & Pfammatter, 2014). Wie kann also sichergestellt werden, dass bei einem Experiment wirklich die Wirkung des Klopfens untersucht wird? Kritiker der Klopftechniken weisen ferner darauf hin, dass schon das Wissen, dass auf

Akupunktur Punkte geklopft wird, einen Effekt auslösen könnte. Es stellte sich somit die Frage wie man eine mögliche emotionsregulierende Wirkung des Klopfens losgelöst vom Therapeuten Bias und dem Wissen über Akkupunkturpunkte untersuchen kann.

Wir entschieden uns nur die sensorische Stimulation, das heißt das Klopfen ohne die kognitive Umstrukturierung (Selbstbestätigungsaffirmation), zu untersuchen. Außerdem waren sowohl die studentischen Laieninstrukteure als auch die Probanden hinsichtlich der beabsichtigten Wirkung des Klopfens naiv: Die Instrukteure präsentierten das Klopfen als eine einfache Übung zwischen den fMRT Runs, während die Probanden sich die unangenehmsten Bilder aus dem ersten Run in Erinnerung riefen.

Beim Planen der Studie stellte sich zudem folgende Frage: Wie kann eine Technik, die Bewegung beinhaltet, mit dem fMRT Gerät untersucht werden, während gleichzeitig mit den Händen ein Schaltknopf für die Bewertung der Bilder bedient wird? Wie können Bewegungsartefakte vermieden werden? Hierfür erwies sich eine Beobachtung aus der direkten Anwendung der Klopftechniken als hilfreich: Musiker und Sportler, die das Klopfen bei Wettkampfs-/Auftrittsangst anwenden, beschränken sich oft in der Öffentlichkeit auf ein imaginiertes Klopfen. Sie berichten über eine ähnliche Wirkung (Bohne:, M. 2019).

Wenn nun kurz vor der Untersuchung im Scanner eine Klopfsitzung stattfindet, wäre die Erfahrung der Bewegung und Berührung noch frisch im Arbeitsgedächtnis abrufbar. Wäre dann durch ein imaginiertes Klopfen eine ähnliche neuronale Aktivierung möglich wie bei der realen Stimulation? Forschung zu imaginierter Berührung und imaginierter Bewegung unterstützen diese Hypothese, wie im folgenden Abschnitt 2.1.2 beschrieben.

2.1.2. Imaginierte Motorik und imaginierte Berührung

FMRT Studien und PET Studien der letzten 20 Jahre zu audiovisueller, motorischer und taktiler Imagination demonstrieren, dass imaginierte Sensorik teils ähnliche, teils identische Gehirnareale aktiviert (Lucas, Anderson, Bolling, Pelphrey, & Kaiser, 2015). Studien mit Profisportlern zeigen

81 beispielsweise, dass Bewegungsimagination zu einer verbesserten Ausführung der Bewegung

führt. Außerdem führt imaginiertes Training allein zwar zu schlechterer Leistung als echtes Training, jedoch zu besserer Leistung als kein Training (de Vries & Mulder, 2007; Feltz & Landers, 1983; Saimpont et al., 2013). Die vegetativen Reaktionen des Körpers sind nahezu identisch mit denen echter Bewegung (Collet, Di Rienzo, El Hoyek, & Guillot, 2013; Decety & Michel, 1989;

Decety et al., 1994a; Gerardin et al., 2000). Imaginierte Bewegung hat dementsprechend direkte Auswirkung auf die Muskelkraft: Imaginierte Bewegung reduzierte bei Probanden mit einem immobilisierten Handgelenk die in der Kontrollgruppe beobachtete Muskeldegeneration und die damit einhergehende Schwächung der Muskelkraft um 50% (Clark, Mahato, Nakazawa, Law, &

Thomas, 2014). Bei nicht immobilisierten Gelenken führte es in verschiedenen Muskelgruppen sogar zu einem Zuwachs an Muskelkraft von 13,5% und 35% (Ranganathan, Siemionow, Liu, Sahgal, & Yue, 2004). Dieses Phänomen wird auch in der Rehabilitation mit Schlaganfallpatienten genutzt (de Vries & Mulder, 2007).

Grund hierfür ist, dass echte und imaginierte Bewegung auf dieselben neuronalen Schaltkreise angewiesen zu sein scheinen: fMRT und PET Studien zu imaginierter und tatsächlicher Bewegung zeigten eine Überlappung der neuronalen Aktivierungsmuster in Gehirnarealen, die für die Planung und Kontrolle von Bewegung wichtig sind, wie dem parietalen Cortex, dem

Prämotorcortex, den Basalganglien und dem Cerebellum. Sie beschreiben eine Aktivierung fast identischer Areale, wobei durch das imaginierte Bewegen eine schwächere Aktivierung erfolgt (Decety & Michel, 1989; Decety et al., 1994b; Gerardin et al., 2000). Die meisten Studien beschreiben auch eine Aktivierung des primären Motorcortexes (Gerardin et al., 2000). Die ALE-Metaanalyse von Hétu et al. aus dem Jahr 2013, die 75 Neurowissenschaftliche Studien zu imaginierter Bewegung untersuchte zeigte speziell für imaginierte Hand-/Armbewegungen Aktivierungen im Gyrus frontalis inferior (bilaterale pars opercularis, linke pars triangularis), im Gyrus frontalis medius, im supplementären Motorcortex, im Gyrus precentralis, im cingulären Cortex, in der anterioren Insula, dem Lobus Parietalis superior, dem Precuneus, dem Lobus parietalis inferior, dem rechten Gyrus postcentralis sowie dem Cerebellum (Hetu et al., 2013).

Studien aus dem Bereich der imaginierten Berührung kommen zu ähnlichen Ergebnissen: In fMRT Studien, beispielsweise von Yoo et al. aus dem Jahr 2003 zeigte sich eine überlappende

Aktivierung der zu dem berührten Areal kontralateralen und teilweise bilateralen SI und SII (der primäre, sensorische Cortex, SI, liegt vor allem im Gyrus postcentralis, der sekundäre sensorische Cortex, SII, im parietalen Operculum). Ebenfalls zeigte sich eine Aktivierung des Gyrus

82 precentralis, des Lobus parietalis superior, linken Gyrus frontalis inferior, dlPFC sowie des

kontralateralen Thalamus. Eine verstärkte Aktivierung durch imaginierte Berührung zeigte sich beispielsweise im Bereich des Gyrus temporalis medius, des Lobus parietalis inferior, des Gyrus precentralis, des Gyrus frontalis inferior (Yoo, Freeman, McCarthy, & Jolesz, 2003). Eine

gemeinsame Aktivierung von SI und SII zeigte sich in Studien von Olivetti et al. aus dem Jahre 2009 und von Wise et al. aus dem Jahre 2016 (Olivetti Belardinelli et al., 2009; Wise, Frangos, &

Komisaruk, 2016). Insgesamt zeigte sich in einigen Studien eine schwächere Aktivierung der Areale durch die Imagination, jedoch wurden in SI und SII topologisch die gleichen Areale aktiviert, so dass sogar von einer somatotopischen Aktivierung durch Berührung auszugehen ist (Yoo et al., 2003).

Diese Ergebnisse konnten in einer Studie aus dem Jahre 2014 von Lucas et al. zu imaginierter Berührung von durch CT Fasern innervierter Haut wiederholt und vertieft werden: In ihrer fMRT Studie wurde untersucht, wie sich imaginierte und tatsächliche Berührung am Unterarm und an der Handfläche unterscheidet. Es konnten folgende Regionen identifiziert werden, die alleine durch die (imaginierte und nicht imaginierte) Stimulation von CT-Afferenzen innervierte Haut aktiviert wurden: die rechte Amygdala, die rechte anteriore Insula, der linke temporale Lappen, sowie der bilaterale, mittlere temporale Gyrus (Lucas, Anderson, Bolling, Pelphrey, & Kaiser, 2014b). Diese Daten weisen darauf hin, dass Regionen des limbischen und prälimbischen Systems nicht nur durch die tatsächliche Stimulation von CT Fasern aktiviert werden, sondern dass schon die imaginierte Stimulierung zur Aktivierung ausreicht.

Aufgrund der Ergebnisse dieser Studien kann davon ausgegangen werden, dass durch das imaginierte Klopfen zwar weniger stark aber doch insgesamt ähnliche Netzwerke wie bei dem tatsächlichen Klopfen aktiviert werden und somit Rückschlüsse auf die Wirkung des tatsächlichen Klopfens möglich sind.