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2 Schrifttum

2.6 Molekularbiologische Typisierung

2.6.2 Multilocus Sequenz Typing (MLST)

MLST ist ein modernes Verfahren, welches auf der direkten Sequenzierung von mehreren Gen-Abschnitten basiert. Die sequenzierten Gen-Abschnitte sollten möglichst über das gesamte Genom hinweg verteilt vorliegen. Das minimiert die Anfälligkeit der Methode auf Rekombinationsvorgänge. Aufgrund der großen Entfernung zwischen zwei Genen sind in der Regel nur einzelne Gene von einem Rekombinationsereignis betroffen. Für die MLST-Analyse werden speziell solche Gene ausgewählt, die hoch konserviert sind aber dennoch ausreichend Variationen aufweisen, um ein hohes Diskriminierungspotenzial zu erzielen. Die Translations-produkte solcher Gene sind in der Regel für grundlegende Stoffwechselvorgänge in der Bakterienzelle verantwortlich und werden aus diesem Grund auch als Haushaltsgene oder Housekeeping-Gene bezeichnet. Sowohl die Anzahl an betrachteten Houskeeping-Genen als auch die ausgewählten Gene selbst können je nach gewähltem MLST-Schema variieren. Ursprünglich wurde die MLST-Methode an Neisseria meningitidis entwickelt (MAIDEN et al. 1998) und in der Folge in leicht abgewandelter Form auch erfolgreich bei Streptococcus pneumoniae (ENRIGHT u.

SPRATT 1998) und Staphylococcus aureus (ENRIGHT et al. 2000) angewendet.

DINGLE et al. (2001) wählten für Campylobacter spp. die folgenden 7 Housekeeping-Gene für ein MLST-Schema aus: aspA (Aspartat Ammonium Lyase), glnA (Glutamin Synthetase), gltA (Citrat Synthetase), glyA (Serin Hydroxy

Methyltransferase), pgm (Phosphoglycerat Mutase), tkt (Transketolase) und uncA (ATP Synthase).

Abbildung 1 gibt Auskunft über die Lage und Länge der Housekeeping-Gene im Gesamtgenom des C. jejuni-Referenzstammes (NCTC 11168).

tkt

Transketolase (Cj1645) Start 1569190 bp Ende 1571088 bp

gltA

Citrat Synthase (Cj1682c) Start: 1603983 bp Ende: 1605251 bp

aspA

Aspartat Ammonium Lyase (Cj0087) Start: 96074 bp

Ende: 97480 bp

uncA

ATP Synthase (Cj0105) Start: 111488 bp Ende: 112993 bp

glyA

Serin Hydroxymethyltransferase (Cj0402) Start: 367219 bp

Ende: 368463 bp

pgm

Phosphoglycerat Mutase (Cj0434) Start: 402285 bp

Ende: 403763 bp

glnA

Glutamin Synthetase (Cj0699c) Start: 656901 bp

Ende: 658331 bp

C.jejunispp. jejuniNCTC 11168 1641481 bp

1

Abbildung 1: Kartierung der sequenzierten Housekeeping-Gene auf dem Chromosom von C. jejuni (NCTC 11168).

Der NCTC-Stamm besitzt die NCBI-Zugangsnummer NC_002163 und insgesamt 1641481 bp. Für jedes Housekeeping-Gen ist in Klammern die NCBI-Zugangsnummer, sowie Start und Ende im Bezug auf das Gesamtgenom von C. jejuni (NCTC 11168) dargestellt. Die Nukleotidposition 1 ist durch einen senkrechten Strich im Inneren des Kreises gekennzeichnet.

Das Verfahren umfasst die Amplifikation von ca. 500 bis 700 bp langen Housekeeping-Gen-Abschnitten in getrennten Ansätzen mittels Polymerase-Chain-Reaction (PCR) nach Isolation der bakteriellen DNA. Das Mitte der 1980er Jahre publizierte PCR-Verfahren (SAIKI et al. 1985) wird eingesetzt, um in-vitro gezielt DNA-Abschnitte zu vervielfältigen. Dazu wird zunächst die Doppelstrangstruktur der DNA bei 95°C aufgelöst, sodass die DNA einzelsträngig vorliegt (Denaturierung). Im zweiten Schritt binden kurze Oligonukleotid-Primer bei einer Primer-spezifischen Temperatur an komplementäre Sequenzabschnitte direkt vor bzw. hinter der zu vervielfältigenden Zielsequenz (Annealing). Ausgehend von den angelagerten Primern wird die einzelsträngige DNA von einer DNA-Polymerase bei einer Temperatur von 72°C abgelesen und aus freien Desoxyribonukleinsäuren ein Tochterstrang neu synthetisiert (Elongation). Jeder Zyklus bestehend aus Denaturierung, Annealing und Elongation führt zu einer Verdopplung der Zielsequenz. Der Zyklus wird ca. 35 Mal wiederholt, sodass das die Zielsequenz danach theoretisch 68 Billionen-fach vorliegt. Die Temperatur-Zeit-Steuerung erfolgt voll-automatisch mittels Thermocycler.

Die amplifizierten Housekeeping-Gen-Abschnitte werden nach einem Reinigungsschritt in die Dye-Terminaton-Cycle-Sequencing (DTCS) – Reaktion eingesetzt, in der die verschiedenen Basen mit spezifischen Fluoreszenzfarbstoffen markiert werden, um dann schließlich die Basensequenz der Housekeeping-Gen-Abschnitte ermitteln zu können. Jedem Genlocus wird je nach Sequenz des jeweiligen Housekeeping-Gen-Abschnittes eine Allelnummer zugeordnet, wobei identische Sequenzen eines Gens immer dieselbe Nummer erhalten. Dabei spielt es für die Vergabe der Allelnummern keine Rolle, ob eine oder mehrere Nukleotide in einer Gen-Sequenz abweichen. Ein typisiertes Isolat erhält auf diese Weise also für jedes der 7 Housekeeping-Gene eine Allelnummer. Die Kombination der Allelnummern bestimmt dann den Sequenztyp (ST) eines Isolats. Die Vergabe der Allelnummern und die Zuordnung zu Sequenztypen kann über Onlinedatenbanken wie pubMLST (JOLLEY et al. 2004) erfolgen. Dadurch ist ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit gewährleistet. Die MLST-Methode hat ein hohes diskriminatorisches

Potenzial, ist aber gleichzeitig für die Durchführung langfristiger epidemiologischer Untersuchungen geeignet. Zudem ist sie sehr gut reproduzierbar und die Ergebnisse sind beispielsweise über pubMLST unkompliziert und international zwischen Laboren austauschbar und vergleichbar (MAIDEN et al. 1998; ENRIGHT u. SPRATT 1999).

Die Anwendung der MLST-Methode bei Campylobacter spp. setzt sich aufgrund der Vorteile gegenüber anderer Methoden immer stärker durch. Anhand von MLST-Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass C. jejuni eine schwach klonale Populationsstruktur aufweist und dass horizontaler Gentransfer einen entscheidenden Einfluss bei evolutionären Prozessen hat (DINGLE et al. 2001;

SCHOULS et al. 2003). Auch bei Untersuchungen zur Epidemiologie von Campylobacter-Infektionen wird die MLST-Methode erfolgreich eingesetzt. So konnte in Untersuchungen von OGDEN et al. (2007) gezeigt werden, dass in einigen Fällen Campylobacter-Isolate aus der Trinkwasserversorgung von Geflügelställen denselben ST aufwiesen wie Campylobacter-Isolate, die von Kloaken-Tupferproben der eingestallten Hühner gewonnen wurden. OGDEN et al. (2007) schreiben somit dem Trinkwasser eine mögliche Bedeutung bei der Campylobacter-Infektion von Geflügel zu. Bei der Betrachtung von Verbreitungswegen von Campylobacter spp. in der Lebensmittelkette unter Berücksichtigung der Herden-Prävalenz konnten ALLEN et al. (2007) mittels MLST-Analyse der isolierten Campylobacter spp. zeigen, dass die von einer Campylobacter-positiven Geflügelherde eingebrachten STs durch den Schlachtprozess auch auf Tiere nachfolgender Herden übertragen werden können.

SAILS et al. (2003b) konnten bei der Typisierung von Campylobacter, die im Rahmen unterschiedlicher Campylobacter-Ausbrüche beim Menschen isoliert wurden innerhalb der Ausbrüche ein zur PFGE vergleichbares diskriminatorisches Potenzial ermitteln und unterstreichen somit die Bedeutung der MLST-Methode für epidemiologische Fragestellungen.