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2 L ITERATURÜBERSICHT

2.3 Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)

2.3.2 MRSA ST398

Der Typ MRSA ST398 zeichnet sich dadurch aus, dass seine DNA mittels der Pulsfeldgelelektrophorese, unter Verwendung des Enzyms SmaI nicht typisiert werden kann.

Unter Verwendung anderer Enzyme kann man MRSA ST398 jedoch auch mittels der PFGE typisieren (siehe Kapitel 2.2.5.2.3). MRSA-Isolate vom Typ ST398 besitzen ein Restriktionsmodifikationsenzym, das die Zielsequenz des Enzyms SmaI methyliert (BENS et al. 2006) und werden daher häufig als NT-MRSA (non-typeable MRSA) bezeichnet (TENHAGEN et al. 2008). Mittels einer speziellen Nachweismethode, der Multi-Locus-Sequenz-Typisierung (MLST), kann dieser Stamm hingegen typisiert werden. Mit dem klonalen Komplex CC398 sind verschiedene spa-Typen assoziiert. Die spa-Typisierung ist für eine Aussage zur möglichen Herkunft der Isolate von großer Bedeutung.

Tier

MRSA ST398 wurde vor allem bei Nutztieren nachgewiesen. Der erste Nachweis gelang beim Schwein (WITTE et al. 2003; VOSS et al. 2005; MEEMKEN et al. 2008).

Landwirtschaftliche Nutztiere werden als mögliches Reservoir für MRSA ST398 angenommen (EFSA 2009). MRSA ST398 wurde auch bei Personen gefunden, die mit Nutztieren Kontakt haben, also Landwirten, Tierärzten und Schlachthofmitarbeitern (MEEMKEN et al. 2008). Diese Personen sind als Risikogruppe für die Besiedlung und

Lebensmittelkette, d. h. vom Nutztier im Stall bishin zum Lebensmittel im Einzelhandel, auch in Deutschland nachgewiesen (RKI 2009). Beim Tier ist MRSA ST398 überwiegend ein symptomloser Schleimhautbesiedler mit einer hohen Prävalenz (beim Schwein bis zu 100 %) (MEEMKEN et al. 2009).

BLAHA et al. (2008) konnten durch die Untersuchung von S. aureus-Isolaten aus den Jahren 2004 bis 2007 MRSA-Stämme mit den spa-Typen, die mit MRSA ST398 assoziiert sind, auch in klinischen Isolaten vom Schwein nachweisen. MRSA-bedingte Infektionen stellen beim Schwein jedoch seltene Ausnahmen dar (WIELER et al. 2008). HUBER et al. (2009) gelang der Nachweis von MRSA ST398 aus einer Mastitismilchprobe aus der Schweiz. Es sind keine Studien zum MRSA-Vorkommen in klinischen Isolaten vom Geflügel bekannt.

MRSA ST398 ist aber nicht nur beim Nutztier von großem Interesse, dieser Typ kommt auch in Tierkliniken vor. WITTE et al. (2007) berichteten über NT-MRSA bei Pferden aus verschiedenen Infektlokalisationen und als Kolonisationskeim. Auch VAN DUIJKEREN et al. (2010) gelang bei Pferden der Nachweis von Infektionen mit MRSA (spa-Typ t011 und t12123), die zum MLST-ST398 gehören (siehe Kapitel 2.3.4). Aufgrund des gehäuften Nachweises von MRSA ST398 bei verschiedenen Tierarten wies CUNY (2009) auf dessen wenig ausgeprägte Wirtsspezifität hin und unterstrich die Pathopotenz von MRSA ST398.

Mensch

Es gibt vereinzelt Berichte über MRSA-ST398-bedingte Infektionen beim Menschen (VAN BELKUM et al. 2008). Der erste Nachweis von laMRSA ST398 beim Menschen wurde 2003 in den Niederlanden erbracht (EFSA 2009). Dort wurde in den letzten Jahren ein starker Anstieg der laMRSA-Isolate, die zur klonalen Linie ST398 gehören, beobachtet. Diese Beobachtung wurde generell in Staaten gemacht, die eine niedrige MRSA-Prävalenz im Humanbereich haben. Dort sind MRSA-Stämme der klonalen Linie ST398 die vorrangig nachgewiesenen Stämme (EFSA 2009). HUIJSDENS et al. (2009) untersuchten laMRSA-Isolate vom Menschen aus dem Zeitraum von 2003 bis 2009 (alle laMRSA-Isolate aus der nationalen MRSA-Datenbank), um Aussagen zu den molekularen Eigenschaften machen zu können. Es konnten 51 verschiedene spa-Typen nachgewiesen werden, die alle miteinander verwandt sind und zu der klonalen Linie ST398 gehören. Am häufigsten wurden die spa-Typen t011 und t108 nachgewiesen. Die steigende Nachweishäufigkeit von laMRSA ST398 bei Menschen zeigt dessen hohe Bedeutung (DENIS et al. 2009).

Laut einer Studie von CUNY et al. (2009) kam es in fünf Fällen (4,3 %) zu einer Transmission der klonalen Linie ST398 aus dem Kreis der Exponierten (Exposition zur Schweinemast) in das nichtexponierte familiäre Umfeld.

Die Übertragung von NT-MRSA durch beruflich mit Nutztieren befasste Personen auf andere Menschen ist somit möglich, scheint aber von untergeordneter Bedeutung zu sein. VAN DEN BROEK et al. (2008) konnten nachweisen, dass nur 2 % der untersuchten Personen aus dem Umfeld MRSA-positiver Schweinebestände, die keinen direkten Kontakt zu den Schweinen hatten (z. B. Familienmitglieder), MRSA-positiv waren. Im Vergleich dazu waren 29 % der regelmäßig mit Schweinen arbeitenden Personen MRSA-positiv.

So können kolonisierte Landwirte oder andere Personen, die in Regionen mit einer hohen Dichte von Schweinebetrieben bzw. einer hohen Anzahl von landwirtschaftlichen Nutztieren leben, als Eintragsquelle von laMRSA in die „community“ fungieren (EFSA 2009; VAN DEN BROEK et al. 2009).

Deutschland gehört zu den Ländern mit einer mittleren MRSA-Prävalenz. Von den in den Jahren 2006 und 2007 an das Nationale Referenzzentrum für Staphylokokken eingesandten MRSA-Isolaten (3944 Isolate) wurden in acht Fällen Infektionen mit MRSA ST398 festgestellt (0,22 %), hierzu siehe auch Tabelle 3 (WITTE et al. 2008; EFSA 2009).

Tabelle 3: Anteil von MRSA ST398 an allen MRSA-Isolaten beim Menschen

Land Anteil (in %) von MRSA ST398 an allen

typisierten MRSA

EU insgesamt 0,7

Niederlande 12,0 (klinische Isolate)

Belgien 5,0 (klinische Isolate und Screening) Dänemark 2,0 (klinische Isolate)

Deutschland 0,2

Österreich 3,0 (klinische Isolate und Screening) Großbritannien* keine Nachweise bekannt

* Großbritannien ist ein Land mit einer sehr hohen MRSA-Inzidenz, 40 % der S. aureus-Isolate sind MRSA

Umfangreiche Daten zum Vorkommen von MRSA ST398 in der Normalbevölkerung liegen für Deutschland bislang nicht vor. Die oben genannten Isolate stammten von klinisch schwer erkrankten Menschen und wurden im Rahmen diagnostischer Untersuchungen gewonnen. Sie lassen daher keine repräsentative Aussage über das Vorkommen von MRSA ST398 in der Bevölkerung zu. Daten über das Vorkommen von MRSA des Typs ST398 bei Menschen in Nordwestdeutschland, in einem Gebiet mit intensiver Nutztierhaltung, wurden im Rahmen der Konstituierung einer MRSA-Arbeitsgruppe beim Bundesministerium für Ernährung,

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) am 09.01.2008 vorgelegt. Sie zeigen, dass Stämme, die vermutlich diesem Typ zuzuordnen sind, in der untersuchten Region einen höheren Anteil ausmachen als in den Isolaten des RKI (FRIEDRICH 2009).

Dies bestätigten auch die Untersuchungen von MEEMKEN et al. (2008) zum Vorkommen von MRSA bei Menschen mit beruflicher Exposition zum Schwein. In dieser Studie ergab sich ein Anteil an MRSA ST398-positiven Personen mit einer beruflichen Exposition zum Schwein (n = 86) von 23 %.

Niederländische Untersuchungen von Patientenscreenings zeigten ebenfalls eine hohe Prävalenz an MRSA-Trägern unter den Kälberhaltern. So konnte in der zweiten Hälfte des Jahres 2006 für 22 % der MRSA-positiven Patienten ein Zusammenhang mit der Kälberhaltung aufgezeigt werden (VAN RIJEN et al. 2008). Darüber hinaus erfordert der Nachweis von PVL-positiven MRSA-Stämmen des Typs ST398 aus Infektionen von Menschen von YU (2008) in einem chinesischen Krankenhaus und von WELINDER-OLSSON et al. (2008), hier spa-Typ t034, besondere Beachtung. MEVIUS et al. (2009) und ARGUDIN et al. (2009) veröffentlichten Untersuchungen zum Vorkommen virulenzassoziierter Gene bei MRSA ST398. Resultat der Studien von MEVIUS et al. (2009) und ARGUDIN et al. (2009) ist die Aussage, dass der MRSA-Typ ST398 nur schwach mit virulenzassoziierten Genen ausgestattet ist. Die Untersuchungen von KEHRENBERG et al.

(2009) und KADLEC und SCHWARZ (2009) konnten vereinzelt weitere, mit multiplen Resistenzen assoziierte Gene für vom Schwein stammende MRSA, nachweisen. Durch den Erwerb virulenzassoziierter Gene kann eine weitere Adaptation von MRSA ST398 an den Menschen erfolgen (RKI 2008). Es gibt Länder wie z. B. Kanada, die die Prävalenz von humanen Infektionen mit MRSA ST398 als sehr niedrig angegeben: ein Fall in 1995 und fünf Fälle in 2007/2008 (spa-Typen t034 (viermal) und t1250 (einmal)) (GOLDING et al. 2009).

Es wurden verschiedene Expositionspfade für MRSA ST398 beim Menschen aufgezeigt. So können sich Menschen

1) über den Kontakt mit Nutztieren,

2) über Aerosole in Tierställen und Emissionen aus Tierställen (Umwelt), 3) über Lebensmittel (Kontakt und Verzehr) oder

4) über Mensch-zu-Mensch-Übertragungen mit MRSA ST398 infizieren (TENHAGEN et al. 2008).

In Berichten aus den Niederlanden wird dem laMRSA ST398 im Vergleich zu haMRSA-Typen eine geringere Tendenz zugesprochen, sich in Kliniken zu verbreiten (Patient-zu-Patient-Übertragung) (WASSENBERG et al. 2008; VAN RIJEN et al. 2008; TENHAGEN et al. 2009).