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2 L ITERATURÜBERSICHT

2.3 Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)

2.3.3 MRSA beim Menschen

Durch haMRSA oder caMRSA bedingte Infektionen sind ein grenzüberschreitendes, globales Problem. Die Prävalenz von haMRSA steigt in Europa von Nord nach Süd. Hierbei finden sich die höchsten Zahlen für Italien (41 %) (MONNO et al. 2003), Spanien und Frankreich (30 – 34 %) (VOSS 1994), und die niedrigsten Prävalenzen wurden in Dänemark, Schweden und den Niederlanden (0,1 – 1 %) (VOSS 1994) nachgewiesen. In den Niederlanden wird eine strikte „search and destroy“-Strategie gegen MRSA verfolgt (VAN RIJEN et al. 2007), diese Strategie bedingt auch die niedrige MRSA-Prävalenz von <1 %.

Die höchsten Prävalenzen weltweit erreichen Japan, Taiwan, Hongkong und Indien mit mehr als 70 % (KAYABA et al. 1997; VERMA et al. 2000; HSUEH et al. 2001).

Für Deutschland wird eine MRSA-Prävalenz von über 20 % angegeben (RKI 2003), der EU-Mittelwert beträgt 19 % (EFSA 2009 a). Im Vergleich dazu ist anzumerken, dass 20 % der Bevölkerung Dauerträger von S. aureus in der Nase ist (KLUYTMANS et al. 1997; EFSA 2009 b), ohne Symptome zu zeigen, und weitere 60 % sind intermittierende Träger von S.

aureus ohne jegliche Symptome (PEACOCK et al. 2001; EFSA 2009 a).

Als den weltweit wichtigsten, in Krankenhäusern vorkommenden haMRSA nennen YU et al.

(2008) den MRSA-Klon ST239 SCCmec III. Das zweithäufigste Isolat, welches bei Menschen in Deutschland in 2007 und 2008 nachgewiesen wurde, ist MRSA ST225 (NIENHOFF et al. 2009).

Als Antibiotikum der ersten Wahl zur Behandlung von MRSA in der Humanmedizin gilt Vancomycin, jedoch wurden auch hier bereits einige „intermediär-empfindliche“ Stämme beobachtet (KIPP et al. 2004). Weltweit mit großer Sorge wird die Entwicklung von VRSA, den Vancomycin-resistenten Staphylokkoken, betrachtet; sie sind 2002 das erste Mal in den USA aufgetreten (CHANG et al. 2003). Seit den 1980er Jahren werden nasal kolonisierte MRSA-Träger häufig topisch mit Mupirocin behandelt. Auch bei Mupirocin besteht das Problem der Resistenzentwicklung (ELTRINGHAM 1997).

Infektionen mit MRSA sind in der Humanmedizin seit dem 01.07.2009 meldepflichtig gemäß

§6 Absatz 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG).

2.3.3.1 Zoonotische Komponente von laMRSA

Hier soll nur auf die zoonotische Komponente von laMRSA und MRSA in Tierkliniken eingegangen und der humanmedizinische Teil der haMRSA und caMRSA-Infektionen nicht detailliert dargestellt werden. MRSA-Stämme sind beim Menschen vor allem an Haut- und Weichteilinfektionen, aber auch an Atemwegsinfektionen und anderen Erkrankungen wie Endocarditis (EKKELENKAMP et al. 2006) und Mastitis beteiligt (TENHAGEN et al. 2008).

Eine Zoonose ist nach der WHO-Definition eine Erkrankung oder Infektion, deren Erreger unter natürlichen Bedingungen zwischen Wirbeltieren und dem Menschen übertragen werden kann. Dies ist bei MRSA der Fall.

So berichten NIENHOFF et al. (2009) von zwei Fällen, in denen MRSA-Stämme verschiedener Sequenztypen vom Menschen auf Hunde übertragen wurden. In einem Fall wurde bei einem sechs Monate alten, gesunden Hund MRSA ST398 spa-Typ t034 nachgewiesen. Dieser Nachweis gelang auch bei dem Besitzer des Hundes, einem Fachtierarzt für Schweine. Hier wurde die erste Übertragung vom Schwein auf den Tierarzt und dann auf seinen Hund angenommen. Im zweiten Fall handelte es sich um einen elf Jahre alten Hund, bei dem MRSA ST225 spa-Typ t014 (am zweithäufigsten nachgewiesener MRSA in 2007/2008 in Deutschland beim Menschen, s. o.) nachgewiesen wurde. Dieser Nachweis gelang auch bei der 85-jährigen Schwiegermutter des Hundebesitzers, die in Behandlung wegen einer infizierten Dekubitusstelle war. Somit können MRSA-Stämme zwischen Tieren und Menschen übertragen werden. Mit dem MRSA ist nun ein weiterer Keim als Zoonoseerreger zu berücksichtigen (61 % aller Infektionserkrankungen des Menschen sind Zoonosen; WOOLHOUSE u. GOWTAGE-SEQUERIA 2005).

Die Besiedlung mit MRSA führt beim Menschen zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer Infektion (KLUYMANS et al. 1997). WITTE und Mitarbeiter (2009) stellten fest, dass MRSA-Stämme vom Typ CC398 bei Menschen mit beruflicher Exposition zu Tieren vergleichend gefährlichere Infektionen hervorrufen können als PVL-positive caMRSA-Stämme. Ferner zeigte eine Studie von LARSEN et al. (2009), dass MRSA ST398

in einem Land mit einer hohen Schweineproduktion wie Dänemark auch vermehrt klinische Infektionen beim Menschen verursacht.

In verschiedenen Untersuchungen konnten bestimmte Risikofaktoren für Menschen für die Besiedlung mit vom Tier stammenden MRSA-Stämmen benannt werden. Vergleichend dargestellt sind sie in Tabelle 4.

Tabelle 4: Risikofaktoren für Menschen, sich mit vom Tier übertragenen MRSA-Stämmen zu infizieren

Risikofaktor OR-Wert Autor

Kontakt zu Schweinen 12,2 VAN LOO et al. 2007

Kontakt zu Rinder 19,7 VAN LOO et al. 2007

Kontakt zu Hunden 19,4 SUETENS et al. 2008

Kontakt zu Pferden 4,8 SUETENS et al. 2008

Großtierpraxis 2,9 HANSELMANN et al. 2006

Kontakt zu lebenden Schweinen am Schlachthof 57,1 VAN CLEEF et al. 2009

Arbeiten in Schweineställen 40,0 VAN DEN BROEK et al. 2008

Wohnen oder Arbeiten auf Bauernhöfen/Farmen mit Tieren 35,4 EFSA 2009 Krankenhausaufenthalt in den letzten 12 Monaten vor

positiver MRSA Testung

11,4 EFSA 2009

Es wurde nachgewiesen, dass Menschen, die eine berufliche Exposition zu landwirtschaftlichen Nutztieren haben, laMRSA-Träger sein können (WULF u. VOSS 2006;

FEßLER et al. 2010). Die Prävalenz unter den Kälbermästern in den Niederlanden beträgt 38

% (VAN RIJEN et al. 2008). MEEMKEN et al. (2008) nennen eine Häufigkeit des Nachweises von MRSA bei Personen mit beruflicher Exposition zum Schwein in Deutschland von 23 %. Für Geflügelschlachthofmitarbeiter in den Niederlanden mit direktem Kontakt zu lebenden Tieren wird eine Häufigkeit des MRSA-Trägertums von 5,2 % angegeben (MULDERS et al. 2009). In Schweineschlachthöfen beträgt dieser Wert für Personal, das mit lebenden Schweinen Kontakt hat, 15,1 % (VAN CLEEF et al. 2009) und für klinisch tätige Tierärzte in Australien 3,3 % (MOSS 2009). Für Mitarbeiter einer Pferdeklinik konnte während eines MRSA-Ausbruchs eine Prävalenz von 9,4 % nachgewiesen werden (VAN DUIJKEREN et al. 2009). Insgesamt gesehen sind Infektionen mit MRSA ST398 bisher bei Menschen noch selten. Die Pathopotenz für den Menschen wird jedoch aus dem Nachweis bei tiefgehenden Haut- und Weichgewebeinfektionen, bei Beatmungspneumonien und bei einer Sepsis sowie den letalen Ausgängen ersichtlich (CUNY et al. 2009).

2.3.3.2 Lebensmittelintoxikationen

S. aureus spielt auch als Erreger von Lebensmittelvergiftungen eine herausragende Rolle (LONCAREVIC et al. 2005). Wenn sich der Erreger im Lebensmittel stark vermehrt, kommt es zur Bildung sogenannter Enterotoxine, die dann beim Verzehr zu den typischen Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen und Übelkeit führen können (BfR 2008).

JONES et al. (2002) beschrieben einen Fall einer Lebensmittelintoxikation, bedingt durch Enterotoxin C produzierende caMRSA in den USA. Es konnte gezeigt werden, dass die zur Erkrankung führenden Lebensmittel durch die mit MRSA kolonisierte Lebensmittelhändlerin kontaminiert worden waren und nach dem Verzehr zur akuten Gastroenteritis führten.

KADLEC et al. (2009) konnten für ein MRSA ST398 Isolat (spa-Typ t011) das Vorhandensein der Enterotoxin K und Q Gene nachweisen. Das Risiko einer Lebensmittelintoxikation bedingt durch MRSA und MSSA wird als gleich hoch eingestuft (JONES et al. 2002; BfR 2009).

Es gibt auch Berichte über zur Toxinproduktion fähige MRSA, die in Rohmilch und Rohmilchprodukten in Italien nachgewiesen wurden. Solche Produkte stellen besonders für immunsupprimierte Verbraucher ein Risiko dar (NORMANO et al. 2007).

Berichte über durch Lebensmittel übertragene Infektionen mit MRSA liegen bislang nicht vor (siehe Kapitel 2.3.3.3).

2.3.3.3 Lebensmittelinfektionen

Von den Lebensmittelintoxikationen, welche Staphylokokken-Toxin-vermittelt sind, sind die Infektionen mit MRSA zu unterscheiden, welche durch mit MRSA kontaminierte Lebensmittel verursacht werden könnten.

MRSA-Stämme wurden zwar auch im Lebensmittel Fleisch nachgewiesen (siehe Tabelle 5, Kapitel 2.3.4.2.3.), die Konzentration der Keime war jedoch gering (VAN LOO et al. 2007 a), und es gibt bisher keine Hinweise auf Infektionen, die auf den Kontakt mit oder den Verzehr von MRSA-belasteten Lebensmitteln hindeuten (BfR 2009 a; EFSA 2009; TENHAGEN et al.

2009).

KLUYTMANS et al. (1995) beschrieben einen MRSA-Ausbruch in einem niederländischen Universitätskrankenhaus, dessen Ursprung auf einen MRSA-kolonisierten Mitarbeiter zurückzuführen war. Dieser Mitarbeiter bereitete das Essen für die Station „hematology unit“

des Krankenhauses zu und war mit dem MRSA-Typ besiedelt, an welchem die „index“- Patientin starb. Das Lebensmittel fungierte hier als Vektor zwischen dem Mitarbeiter und der Patientin. Diese Patientin wurde wegen akuter myeloischer Leukämie behandelt, sie hatte eine hochgradige Neutropenie, wurde prophylaktisch mit Ciprofloxacin behandelt und erhielt Antacida. Sie erkrankte an einer MRSA-bedingten Blutvergiftung, die trotz sofortiger Behandlung mit Vancomycin nach drei Tagen zum Tod führte. KLUYTMANS et al. (1995) erklären die Infektionsroute so: Nach dem Verzehr von kontaminierten Lebensmitteln konnte der Gastrointestinaltrakt der Patientin durch MRSA kolonisiert werden, von wo aus sich der Keim via Blut ausbreiten konnte, was bei dieser stark immunsupprimierten Patientin einen letalen Ausgang nahm. Dieses hoch virulente MRSA-Isolat stammte vom Menschen und bediente sich letztlich nur des Lebensmittels als Vehikel.

Das BfR (2008) kommt in seiner Stellungnahme vom 26.03.2008 zu dem Ergebnis, dass der Verzehr von erhitztem Fleisch kein Infektionsrisiko birgt. Dieser Meinung ist auch die EFSA (2009). Derzeit ist nicht von einem erhöhten Risiko für eine Kolonisation oder eine Infektion von mit MRSA ST398 kontaminierten Lebensmitteln, weder durch Kontakt noch durch Verzehr, auszugehen. Dies gilt sowohl für die „community“ als auch für die Krankenhäuser (EFSA 2009). Das Fleisch muss allerdings adäquat erhitzt worden sein.

Das größte Risiko für den Menschen geht also von mit MRSA ST398 kontaminierten Lebensmitteln wie nicht ausreichend erhitztem Fleisch (Gehacktes bzw. Mett) und von unpasteurisierten Milchprodukten (Rohmilchprodukten) aus (EFSA 2009 b).

Letztendlich gibt es keine Veröffentlichungen über eine nasale Kolonisation mit MRSA nach oraler Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln (EFSA 2009 a).

Nach einer unpublizierten Studie von DE JONGE wurde bei keinem von 89 untersuchten Fleischhändlern MRSA nachgewiesen (EFSA 2009 b).