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Modellansätze zur Messung von Rohstoffsubstitution und Sekundärrohstoffeinsatz

4. Verstärkte Nutzung von Sekundärrohstoffen in den NRW-Schlüsselindustrien

4.2 Modellansätze zur Messung von Rohstoffsubstitution und Sekundärrohstoffeinsatz

Modellansätze

Um die Fortschritte bei der Umsetzung der Circular Economy sichtbar zu machen und untersuchen zu können, müssen ge-eignete Modelle und Ansätze herangezogen werden, die den Einsatz von Sekundärrohstoffen abbilden können. Die hierbei existierenden Ansätze basieren auf der grundlegenden Idee der Circular Economy. Je nach Zielsetzung der Untersuchung und Verfügbarkeit geeigneter Daten werden unterschiedliche Aspekte des Wertstoffkreislaufs hervorgehoben und mit ent-sprechenden Indikatoren hinterlegt.

Die Modellvorstellungen unterscheiden sich jeweils in Hinblick auf die abgebildeten Ströme und Prozesse und die Indikato-ren, die jeweils in Hinblick auf die Beeinflussung des Kreislaufs gebildet werden. Abbildung 4.2.1 zeigt Charakteristika ver-schiedener Ansätze aus Studien, die sich mit der Frage des Sekundärrohstoffeinsatzes auseinandersetzen. Künftig wäre es sinnvoll, diese Modelle zudem um Primärrohstoffe zu er-weitern, da hierdurch eine rohstoffliche Betrachtung und Be-wertung entlang der gesamten Wertschöpfungskette möglich.

Abb. 4.2.1: Charakteristika unterschiedlicher Modellansätze zur Erfassung des Sekundärrohstoffeinsatzes

Zielsetzung der Studie Verwendete Indikatoren

Europäische Kommission (2020a), Study on the EU's list of Critical Raw Materials 2020 Hintergrundinformationen zur Liste kritischer Rohstoffe für die

EU 2020.

Informationen über das Verfahren zur Risikoanalyse von Roh-stoffen.

Risikobewertung für 83 Rohstoffe.

End-of-Life Recycling Input Rate (EoL RIR) Substitution Index for Economic Importance (SI-EI) Substitution Index for Supply Risk (SI-SR)

Tercero Espinoza und Soulier (2017), Defining regional recycling indicators for metals Erweiterung globaler Recyclingindikatoren auf die regionale

Ebene unter Berücksichtigung offener Grenzen.

Old Scrap Ratio (OSR) Recycling-Input Rate (RIR)

End-of-Life Recycling Rate (EoL RR, CR und PR) Overall Processing Rate (OPR)

Overall Recycling Efficiency Rate (ORER) Eurometaux und Eurofer (2012), Recycling Rates of Metals

Überblick über valide und harmonisierte Ansätze zur Messung der Recyclingfähigkeit und des Recyclings.

Die Ansätze sollen die Möglichkeit eröffnen, Potenziale zu identifizieren und das Erreichen gesetzlicher Zielvorgaben zu messen.

End-of-Life Recycling Rate (EoL RR, CR und PR) Overall Recycling Efficiency Rate (ORER) Recycling-Input Rate (RIR)

UNEP (2011a), Recycling Rates of Metals A Status Report Statusreport der Arbeitsgruppe Global Metal Flows für das In-ternational Resource Panel.

Überblick (Literaturauswertung) über den tatsächlichen Um-fang des Recyclings für 60 Metalle.

Old Scrap Collection Rate (EoL CR) End-of-Life Recycling Rate (EoL RR) Old Scrap Ratio (OSR)

Recycled Content (RC) Recycling Input Rate (RIR) Reck et al. (2008), Anthropogenic Nickel Cycle: Insights into Use, Trade, and Recycling Materialflussanalyse zu Nutzung, Handel und Recycling von

Nickel für 52 Länder, Territorien oder Ländergruppen, acht Re-gionen und weltweit.

End-of-Life Recycling Rate (EoL RR)

Eigene Darstellung.

Während die Studie des UN Environmental Programm (UNEP 2011a) den Fokus auf das globale Metallrecycling legt, unter-suchen die Studien der Europäischen Kommission (2020a) und der Metallverbände Eurometaux und Eurofer (2012) das Metallrecycling im europäischen Raum. Die Studie der Euro-päischen Kommission (2020a) erläutert den Aufbau soge-nannter Fact Sheets für Rohstoffe, die als separate Doku-mente im Raw Material Information System11 der EU bereitge-stellt werden.

Die Fact Sheets liefern anhand entsprechender Indikatoren für jeden der 83 berücksichtigten Rohstoffe einen Gesamtüber-blick über den Markt, einschließlich den Substitutionsmöglich-keiten für den Rohstoff und einer Einschätzung darüber, ob es sich unter den Gesichtspunkten der politischen Stabilität des Förderlandes und der geologischen Verfügbarkeit aus Sicht der EU um einen risikobehafteten Rohstoff handelt.

Ein Beispiel für die Komplexität eines detaillierten Recycling-kreislaufs von der globalen Ebene bis zu einzelnen Regionen liefert z.B. die Untersuchung von Reck et al. (2008) für Nickel.

Die im Folgenden diskutierten Unterschiede sind im Zusam-menhang mit den zugrundeliegenden Modellvorstellungen zu beobachten.

Abbildung relevanter Stoffströme zur Erfassung des Sekundärrohstoffeinsatzes

Zahlreiche Modellansätze sind ursprünglich entwickelt wor-den, um globale Recyclingzusammenhänge zu beschreiben.

Für das Bundesland NRW sind demgegenüber gerade die re-gionalen und regionsübergreifenden Stoffströme und ihre Be-deutung von großem Interesse. Daher ist in unserem Zusam-menhang die Studie von Tercero Espinoza und Soulier (2017) von hoher Relevanz. Die Autoren untersuchen in ihrer Studie die Frage, ob und inwieweit Modelle in Hinblick auf regionale Recyclingsysteme mit offenen Grenzen zu erweitern sind, da unterhalb der globalen Ebene zusätzliche (direkte und indi-rekte) Rohstoffströme durch die Ein- und Ausfuhr von Gütern das Ergebnis von Recyclingprozessen beeinflussen können.

Aufbauend auf den Ergebnissen dieser Untersuchung können für die Schlüsselindustrien in NRW die relevanten Stoffströme für Abbildung und Erfassung des Sekundärrohstoffeinsatzes dargestellt werden (Abb. 4.2.2).

Im Kern steht die Darstellung des Rohstoffkreislaufs, dem das Konzept der Circular Economy zugrunde liegt: von den Primär-rohstoffströmen über die Herstellung des Ausgangsmaterials, vom Produktionsbereich über die Verwendung, die Sammlung und das Sortieren bis hin zum Recycling von Wertstoffen.

Abb. 4.2.2: Relevante Stoffströme zur Abbildung des Sekundärrohstoffeinsatzes der Schlüsselindustrien in NRW

Eigene Darstellung, basierend auf Tercero Espinoza und Soulier (2017) sowie Dittrich et al. (2021).

11 Factsheets für 2020 als PDF-Datei: op.europa.eu/de/publication-detail/-/publication/8dabb4c1-f894-11ea-991b-01aa75ed71a1 oder online je Rohstoff: rmis.jrc.ec.europa.eu/?page=rm-profiles#/.

Häufig gibt es bei der Herstellung von Ausgangsmaterialien, von Vor- und Endprodukten sowie bei der Verwendung der Endprodukte Materialverluste an die Umwelt. Diese können dissipativ sein, wenn sich die an die Umwelt abgegebenen Stoffe nicht zurückgewinnen lassen (z.B. beim Einsatz mine-ralischer Düngemittel, die vom Boden und den Pflanzen auf-genommen werden) oder sie treten auf, weil Rückgewin-nungsverfahren im aktuellen Marktumfeld für einen Rohstoff (noch) nicht wirtschaftlich sind und Reststoffe daher deponiert oder vorläufig ungenutzt gelagert werden.

Im- und Exporte: Austausch mit anderen Regionen Für das Recycling im regionalen Kontext sind darüber hinaus Rohstoffströme zu berücksichtigen, die durch den Warenaus-tausch mit anderen Regionen entstehen. Die Ein- und Ausfuhr von Gütern beschränkt sich hierbei nicht nur auf Endprodukte, sondern umfasst auch den Außenhandel mit Abfällen. Einer-seits verlassen auf diese Weise Rohstoffe den Kreislauf, an-dererseits werden durch Importe zusätzliche Materialströme in den Kreislauf gebracht. Diese Importe und Exporte von Roh-stoffen sind an unterschiedlichen Stellen bei der Erfassung und Bewertung des Recyclings zu berücksichtigen:

- Zunächst stellt der interregionale Austausch mit Rohstof-fen kein grundsätzliches Problem für die Erreichung der Ziele einer Circular Economy dar. Recyclingprozesse sind in aller Regel durch economies of scale gekennzeichnet.

Ein stark regional differenziertes Recycling von Rohstof-fen ist somit ineffizient und mit einem überhöhten Auf-wand verbunden, da die economies of scale in den Trenn- und Recyclingprozessen nicht realisiert werden können.

Allerdings steigen mit einem weiteren Transport der Roh-stoffe auch die Transportkosten. Somit ist im Zweifelsfall eine Abwägung zwischen diesen beiden Aspekten zu tref-fen, die je nach betrachtetem Rohstoff unterschiedlich ausfällt. Ländergrenzen sind für diese grundsätzliche Überlegung irrelevant. So kann es ökologisch gesehen sinnvoller sein, Recyclingmaterialien über die Grenze zu transportieren als einen längeren Transport innerhalb des Landes vorzunehmen.

- Die Problematik sieht bei internationalen Strömen von Gütern für das Recycling anders aus. Hier sind insbeson-dere die Exporte ins Nicht-EU-Ausland von Relevanz. So-weit es sich um illegale Exporte handelt, sind diese mit ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu unterbinden. Aber auch bei legalen Exporten stellen sich Fragen. So werden einerseits in Deutschland nicht mehr verwendete Güter im Ausland weiter genutzt (ein Beispiel ist der Export von Kraftfahrzeugen nach Afrika). Andererseits sind die Stan-dards beim Recycling in vielen Nicht-EU-Ländern gerin-ger als in Deutschland, was zu einem Export der Umwelt-belastung im Rahmen des Recyclings führt.

- Ein rein pragmatischer Aspekt ergibt sich in Hinblick auf die Indikatorenbildung (siehe unten). Die Rohstoffströme durch den Außenhandel haben Auswirkungen auf die

Höhe der aus den Materialströmen berechneten Indikato-ren und müssen berücksichtigt werden, da es sonst zu verzerrten Ergebnissen kommt. Problematisch sind in die-sem Zusammenhang nicht dokumentierte und/oder ille-gale Materialströme. Sie sind in der Regel nicht durch ent-sprechende Daten abzubilden und beeinträchtigen damit die Aussagekraft eines Indikators (Tercero Espinoza und Soulier, 2017).

Dissipation von Rohstoffen

Ein Element der Kreislaufidee ist es, die Dissipation von Roh-stoffen aus den Kreisläufen zu verhindern, um damit Verluste zu minimieren. Bei einigen Nutzungen von Rohstoffen ist das von vorneherein nicht möglich, da die Nutzungen selbst schon mit der Dissipation der Rohstoffe in die Umwelt einhergehen.

Die Dissipation von Rohstoffen aus den Produktionsprozes-sen wurde bereits in der Vergangenheit vielfach sehr weitge-hend eingedämmt. Darüber hinaus bieten sich wichtige An-satzpunkte, die eine Dissipation von Rohstoffen aus dem Kreislauf verhindern können:

- Die Verbesserung der Recyclingprozesse, die dazu führt, dass ein immer größerer Anteil der Rohstoffe der Wieder-verwertung zugeführt werden kann.

- Die Optimierung der Haushaltstrennung wie auch der Sammel- und Trennsysteme.

- Das recyclinggerechte Design, das dazu führt, dass ein möglichst hoher Anteil der in den Produkten enthaltenen Rohstoffe in die Wiederverwertung gehen kann.

Ergänzend zur Betrachtung der kosten- und nutzenorientier-ten Effizienz muss zunehmend auch eine qualitative Effektivi-tätsbetrachtung vorgenommen werden. Unter zirkulären Ge-sichtspunkten kann es dabei notwendig sein, die Nutzung ei-nes Produktes zu verkürzen, um die Werthaltigkeit der inkor-porierten Werkstoffe zu erhalten. Die weitgehende Verhinde-rung der Dissipation von Rohstoffen ist jedoch mit hohen Kos-ten verbunden, sodass eine Abwägung erfolgen muss.

Konsequenzen für NRW

Die Gegenüberstellung unterschiedlicher Modelle einer Kreis-laufwirtschaft zeigt, dass das Modell, das für die Analyse einer Kreislaufwirtschaft in NRW geeignet ist und Anwendung fin-den sollte, die Interdepenfin-denz mit anderen Regionen und der Umwelt mit in den Blick nehmen sollte. Auf regionaler Ebene sollten dabei insbesondere auch illegale Exporte ins EU-Aus-land in den Blick genommen werden, die häufig dazu führen, dass die End-of-Life-Produkte nicht nach fortgeschrittenen Standards recycelt werden. Demgegenüber sind Export- und Importbeziehungen mit Regionen für die Etablierung effizien-ter und funktionsfähiger Kreislaufsysteme unabdingbar. Ver-luste von Rohstoffen in die Umwelt wiederum können durch die Entwicklung effizienter Kreislaufsysteme in NRW verrin-gert, jedoch nicht gänzlich unterbunden werden.

4.3 Parameter zur Messung von Rohstoffsubstitution und