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2.5 Schweregrade der Demenz

2.5.2 Mittelschwere Demenz

Im mittleren bzw. mittelschweren Stadium, auch Verwirrtheitsstadium genannt, sind Betroffene auf kurze Zeit zurückliegende Ereignisse zusehends vergesslich, leiden unter rascher Verwirrtheit und haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 20).

32 Aufregungen, Angstzustände und depressive Verstimmtheit nehmen ab, da durch das Fortschreiten der demenziellen Veränderung auch die Gefühlswelt verarmt.

Die Wahrnehmungs- und Beurteilungsfähigkeit und Anteilnahme verringert sich.

Einfachste Alltagsaufgaben und elementare Fertigkeiten gehen verloren, sämtliche Bewegungsabläufe sind zunehmend unkoordiniert, reflexhaft und nicht zielgerich-tet. Fremde Personen und auch nächste Angehörige werden nicht erkannt. Daraus resultieren Ratlosigkeit, Verstörtheit, Unruhe bis hin zu aggressiven Reaktionen.

Normale Kommunikation ist nicht mehr möglich. Antworten beschränken sich auf Wortfetzen oder einzelne Silben, welche oft keinen Zusammenhang ergeben (vgl.

Payk 2010, S. 25-26).

Kognitive Defizitsymptome wie Amnesie (Unfähigkeit sich zu erinnern), Aphasie (Unfähigkeit zu sprechen), Agnosie (Unfähigkeit Personen oder Gegenstände zu erkennen) und Apraxie (Unfähigkeit zu bestimmten Bewegungsfolgen) zählen in diesem Stadium zu den Leitsymptomen. Zeitliche, örtliche und situative Desorien-tierung zählen ebenso dazu. Es können nur einfachste Tätigkeiten beibehalten werden, komplexe Tätigkeiten werden unangemessen und unvollständig ausge-führt. Verhaltensstörungen wie Depression und Angst, Wahnvorstellungen und psychomotorische Unruhe, Agitation und Enthemmung sind an der Tagesordnung.

Es kommt zu einer Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus sowie zu ständiger Unruhe und Weglauftendenz (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

Zwischenzeitlich verspüren betroffene Menschen, dass etwas nicht stimmt, ohne dies weiter einordnen zu können. Schon allein daraus reagieren sie mit depressiver Verstimmung bis hin zur Verzweiflung (vgl. Matolycz 2011, S. 58).

Konkret äußert sich das mittlere Stadium der Demenz, indem sie Probleme mit Worten kompensieren. Sie sagen zum Beispiel statt Regenschirm „Regenstock“

oder das Wort Salz wird durch „Zucker“ ersetzt. Die betroffene Person sitzt zum Beispiel da und starrt nur auf einen Gegenstand oder ein Spiel, welches vor den Augen steht, weil sie jegliche Initiative verloren hat, eine Tätigkeit durchzufüh-ren. Durch gut gemeinte Absichten Dritter, beispielsweise die Unterstützung im Bad, werden Betroffene zusätzlich agitiert und verwirrt. Die örtliche Desorientie-rung zeigt sich, indem sie ihr eigenes Zimmer nicht mehr finden. Sie glauben, die verstorbene Mutter oder der Vater sei noch am Leben, halten die eigene Tochter für die Schwester und bringen so die Generationen durcheinander. Die Fähigkeit

33 zur eigenen Körperpflege geht verloren, da sie Abhandlungen nicht zuordnen können (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 20).

In dieser mittelschweren Phase treten somit Verhaltensänderungen auf, die den Alltag stören. Durch die verstärkte Unruhe wandern Betroffene im Haus herum oder auch außerhalb der eigenen Wohnung. Diese Unruhe weitet sich auch nachts aus. Schlafphasen tagsüber kompensieren die nächtliche Unruhe. Die Erinnerung an das Elternhaus führt zum verstärkten Weglaufen oder, anders ausgedrückt, zum Hinlaufen in die alte Heimat. Dieses Verhalten löst Konflikte zwischen Angehöri-gen und Betroffenen aus. Familienmitglieder sind dadurch vielfach überlastet.

Durch die Orientierungsstörung tritt zusätzlich eine kognitive Inkontinenz auf.

Betroffene erreichen die Toilette nicht rechtzeitig oder benutzen irrtümlich Müll-eimer oder auch Stühle (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 27).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine schwere Störung des Kurzzeit-gedächtnisses auftritt. Erinnerungen gehen verloren, örtliche Orientierungsstörun-gen treten in vertrauter Umgebung auf. Engste Angehörige werden nicht mehr erkannt. Eine optische Apraxie sowie eine Akalkulie (Unfähigkeit zum Rechnen) können beobachtet werden. Der sprachliche Ausdruck sowie das Sprachverständ-nis sind beeinträchtigt. Dies zeigt sich durch eine floskelhafte Sprache sowie Pa-raphasien, sie verlieren zunehmend die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben. Die Störung des Urteilsvermögens zeigt sich dadurch, dass Zusammenhänge nicht mehr erkannt werden. Als nichtkognitive Symptome kommen Unruhe, Aggressi-vität, Wahnphänomene, Angstzustände und Sinnestäuschungen hinzu. Motorische Unruhe und Umherwandern im Zusammenhang mit einer Tag-Nacht-Umkehr sind zu beobachten. Als körperliches Symptom kommt die Harninkontinenz hinzu (vgl. Maier 2008, S. 13).

Da Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit stark begrenzt sind, ist wiederum der Unterstützungs- und Betreuungsbedarf zu eruieren. Da kognitive Defizitsym-ptome vermehrt auftreten, ist eine Unterstützung durch Hilfs- und Fachpersonal erforderlich. Die Betroffenen sind zusehends auf fremde Hilfe angewiesen und können kein unabhängiges Leben mehr führen. Begleitend sind auch in diesem Stadium die Erhebungen des Pflegebedarfes durch neuropsychologische Tests zu untermauern (Mini Mental Status Test nach Folstein - MMS 20 - 11 Punkte) (vgl.

Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

34 2.5.3 Schwere Demenz

Im Spätstadium, auch Hilflosigkeitsstadium genannt, sind die Symptome der De-menz meist stark ausgeprägt. In grundlegenden Aktivitäten aller Belange sind Betroffene auf Hilfe und Pflege angewiesen (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 21).

Während die frühere geistige Lebendigkeit und gemütsmäßige Vielfalt immer mehr schwinden, reduziert sich der/die Betroffene auf den Überlebenskern der Persönlichkeit. Ausdruck und Äußerungen ähneln immer mehr der Kindheit. Der Verstand gibt keinerlei sinnvolle Überlegungen und Handlungen frei, die Betrof-fenen sind auf volle Unterstützung und Pflege rund um die Uhr angewiesen (vgl.

Payk 2010, S. 26).

In diesem Stadium ist nicht nur das Kurzzeitgedächtnis, sondern auch das Lang-zeitgedächtnis betroffen, es wird vom Gedächtnisverfall gesprochen. Verbal ist keine sinnvolle Kommunikation mehr möglich, es wird vom Sprachverfall ge-sprochen. Angehörige werden nicht erkannt. Betroffene sind zusehends apathisch, somnolent, ziehen sich zurück, isolieren sich in ihre eigene Welt in eine Art Dämmerzustand. Unruhe, Nesteln und Schreien stehen an der Tagesordnung. (vgl.

Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

Zusätzlich können Bewegungsstörungen und unkontrollierte Bewegungen und Reflexe auftreten. Das Schreien oder Rufen passiert unkontrolliert, das Wiederho-len von Silben kann beobachtet werden. Auch Halluzinationen und Affektlabilität sind Teil dieses Stadiums (vgl. Matolycz 2011, S. 58).

Ebenfalls ist der Tag-Nacht-Rhythmus gestört. Zusätzlich treten durch Ernäh-rungsstörungen und Schluckprobleme Erkrankungen wie Pneumonie und Harn-wegsinfekte auf (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

In diesem Spätstadium geschieht Kommunikation durch Körpersprache. Worte werden durch Laute und Handlungen ersetzt, indem z.B. die Hände bewegt wer-den, um zu signalisieren, dass sie nicht weiter essen wollen. Körperkontakt und die emotionale Bindung gewinnen immer mehr an Bedeutung (vgl. Kastner/ Lö-bach 2010, S. 28).

Betroffene leben in ihrer eigenen Welt. Dies kann sich durch eigenartige Hand-lungen zeigen, wie z.B. Sessel im Essraum umzustellen, um noch einmal eine vergangene Zeit zu erleben, in der die alte Dame vielleicht zu Hause Verantwor-tung trug. Zur Befriedigung emotionaler Bedürfnisse dienen Gegenstände oder

35 Körperteile. Als Gegenstand kann eine Puppe dienen, die festgehalten wird oder auch die eigenen Hände, die einen imaginären Teig kneten. Das Auf- und Abge-hen dient als Beschäftigung, verhindert Langeweile und hält davon ab, jemanden oder etwas zu suchen. Sie schauen Mitbewohner/innen aber auch Mitarbei-ter/innen zu, ohne sich zu äußern. Ohne Unterstützung in der Körperpflege oder im Rahmen der Ausscheidung ist die Erfüllung der Grundbedürfnisse nicht mög-lich (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 21).

In zeitlicher Abfolge der körperlich-neurologischen Symptome ist zu Beginn die Gangstörung, die in eine Gangunfähigkeit übergeht, zu beobachten. Ohne Beglei-tung verlassen Betroffene ihren Stammplatz nicht mehr selbstständig. Danach treten Störungen der Koordination und des Lagesinns auf. Dadurch fällt das freie Sitzen immer schwerer. Dies führt letztendlich zu Bettlägerigkeit mit massiver Einschränkung aller Lebensaktivitäten. Die betroffenen Personen treten in ein terminales Stadium über. In diesem Zustand ist die Eruierung der Bedürfnisse selbst von Angehörigen schwierig (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 27-28).

Zusammenfassend ist ersichtlich, dass das Gedächtnis und alle kognitiven Funkti-onen schwer gestört sind. Die Sprache beschränkt sich auf „Echolalie und Palila-lie“ bis hin zur vollkommenen Verstummung. Selbstständige Versorgung ist aus-geschlossen. Als nichtkognitive Symptome kommen Enthemmung, Unruhe, Teil-nahmslosigkeit und Nesteln hinzu. Körperlich zeigen sich eine Harn-, aber auch Stuhlinkontinenz und Schluckstörungen. Im Bereich der Mobilität werden Betrof-fene immer mehr eingeschränkt, sie werden rollstuhlpflichtig bis hin zur Bettläge-rigkeit. Die Immobilität und der reduzierte Allgemeinzustand fördern die Infekt-anfälligkeit (vgl. Maier 2008, S. 14).

Der progrediente körperliche Verfall mit Schluckstörungen, Inkontinenz, Gang-störungen und Sturzneigung und allgemeiner hoher Komplikationsneigung bedarf einer ständigen Überwachung der Betroffenen und bedeutet hohen Pflegeaufwand.

Die Belastung der pflegenden Angehörigen in physischer, psychischer und sozia-ler Hinsicht ist extrem und zwingt viele Betroffene zur Heimeinweisung. Beglei-tend sind auch in diesem Stadium die Erhebungen des Pflegebedarfes durch neu-ropsychologische Tests zu untermauern (Mini Mental Status Test nach Folstein - MMS 10 - 0 Punkte) (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 99-100).

36 2.6 Folgen der Demenz

Da die Folgen einer Demenzerkrankung gravierend sind und besondere Heraus-forderungen für Ausbildung und Gesellschaft darstellen, werden diese durch die folgende zusammenfassende Beschreibung noch einmal aufgezeigt.

Für den Demenzkranken ergeben sich Folgen in körperlicher, psychischer und sozialer Hinsicht. In körperlicher Hinsicht zeigen sich in vielen Fällen Austrock-nung bis zum Delir, Verstopfung, Inkontinenz, Sturzgefahr mit den Folgen der Immobilität. Immobilität birgt Gefahren wie Dekubitus, Thrombose, Kontraktur, Pneumonie, Muskelatrophie. Dies wiederum führt häufig zu Mangelernährung und Gewichtsabnahme. In psychischer Hinsicht kann der Verlust des Gedächtnis-ses bis zur Verwahrlosung führen, zu Depression und Suizidgefahr, zu Teilnahms-losigkeit oder Wahnvorstellungen. Es kommt zum sozialen Rückzug durch den Kommunikationsverlust, zur zunehmenden Abhängigkeit und zu Verhaltensstö-rungen (vgl. Grond, 2009, S. 55).

Angehörige leiden zusehends an Überforderung in körperlicher, psychischer, so-zialer und zeitlicher sowie finanzieller Hinsicht. Nicht selten droht dadurch Zu-sammenbruch und Krankheit (vgl. ebd., S. 154).

Professionell Pflegende sind ebenfalls überlastet, resignieren durch den Zwiespalt zwischen eigenen Vorstellungen einer aktivierenden Beziehungspflege und der erlebten, oft rein körperlich funktionalen Versorgung (vgl. ebd., S. 55).

Es entsteht ein Leidensdruck, da Pflegekräfte auf den Umgang mit Menschen mit Demenz oft nicht ausreichend vorbereitet sind. Dies erzeugt Stress und als Folge schlittern nicht selten Pflegende in ein Burn-out Syndrom (vgl. Maier 2008, S.

26).

Nachbarn oder Mitbewohner/innen haben Angst, selbst an einer Demenz zu er-kranken, schämen sich mit solchen Menschen leben zu müssen, ekeln sich bei unangepasstem Verhalten und drängen, die Betroffenen in eine Anstalt einzuwei-sen. Für die Gesellschaft bedeutet dies, dass die Betreuung von an Demenz er-krankten Personen verbessert werden muss, indem die ambulanten und stationären Einrichtungen weiter ausgebaut werden und so den Betroffenen mit ihren Ange-hörigen optimale Hilfe in der Betreuung und Pflege zur Verfügung gestellt wird (vgl. Grond, 2009, S. 56).

37 2.6.1 Nicht-kognitive Symptome der Demenz

Bei 70 bis 90% der Kranken mit Morbus Alzheimer finden sich infolge Verhal-tensstörungen. Vordergründig sind Depressivität, Angst und Schreien, Aggressio-nen, Wahnvorstellungen und Umherlaufen zu beobachten. Die Betroffenen sind oft emotional labil, reizbar und apathisch. Professionell Pflegende und auch An-gehörige stören Verhaltensauffälligkeiten bzw. dieses herausfordernde Verhalten mehr als kognitive Symptome. Zum herausfordernden Verhalten zählt unter ande-rem die permanente Unruhe, welche sich in ständigem Umherlaufen äußert, be-sonders in den Abendstunden. Dieses Verhalten wird deshalb auch „sundowning“

genannt (vgl. Grond 2009, S. 22-23).

Dieses Phänomen wird von Pflegenden und Angehörigen als besonders belastend beschrieben. Es können drei Formen des Umherwanderns unterschieden werden:

Unter „Checking“ wird das wiederholte Aufsuchen des Aufenthaltsortes der Pfle-gekräfte verstanden. Der Begriff „Trailing“ steht für „Nachlaufen“ und unter dem Begriff „Pottering“ ist das „Herumwerkeln“, welches mit Weglauftendenz ver-bunden ist, gemeint (Halek/ Bartholomeyczik 2006 in Matolycz 2001, S. 139-140).

Mit Zunahme des Schweregrades der Demenz häuft sich auch das Schreien und Rufen, lautes Klagen oder Stöhnen. In Form von impulsivem, enthemmtem oder gar zerstörerischem Verhalten zeigen sich Aggressionen und Wutausbrüche.

Schlafstörungen können mangels Ermüdung tagsüber, aber auch als Schlaf-Umkehr verstanden werden. Die Betroffenen sind dabei nachts hellwach und tagsüber schläfrig. Antriebsstörungen treten im Frühstadium und auch im mittle-ren Stadium auf, Apathie jedoch ist bei schwerer Demenz häufig anzutreffen. Im mittleren Stadium tritt mehrheitlich eine Dranginkontinenz mit imperativem Harndrang auf, bei einer fortgeschrittenen Demenz jedoch bei jedem Erkrankten.

Zusätzlich leiden die meisten Menschen mit Demenz an Verstopfung aufgrund geringen Durstgefühls, geringerer Nahrungsaufnahme und als Nebenwirkung von Medikamenten. In Folge können sich Kotsteine bilden, die zum Stuhlschmieren führen können. Besondere Sturzgefahr besteht durch ein kleinschrittiges, schlür-fendes Gangbild, welches durch Einnahme von Neuroleptika verursacht werden kann. Zusätzlich treten psychiatrische Begleitsymptome wie Angst, depressive Verstimmung, Halluzinationen, Bestehlungs- oder Beeinträchtigungswahn und

38 Verkennungen auf. Die Betroffenen haben Angst, alleine zu sein, schwer krank zu werden, sich zu verlaufen oder zu verarmen. Der Krankheitsbeginn ist häufig mit depressiver Verstimmtheit infolge Überforderung gekoppelt. Optische Halluzina-tionen können Auslöser für aggressives Verhalten sein. Betroffene verkennen oft Personen, so glauben sie möglicherweise, dass Personen im Fernsehen real sind, sie erkennen ihr eigenes Spiegelbild oder ihnen vertraute Personen nicht. Es hat den Anschein, als ob andere Personen im Raum gesehen werden. Diese nicht-kognitiven Symptome stellen für Betroffene, Angehörige sowie Pflege- und Be-treuungskräfte eine enorme Herausforderung rund um die Uhr dar (vgl. Grond 2009, S. 23-24).

2.6.2 Besondere Bedürfnisse von Menschen mit Demenz

Im Anfangsstadium brauchen Menschen mit Demenz vor allem Unterstützung im alltäglichen Leben und den möglichen Aktivitäten. Schreitet die Erkrankung vor-an, so teilen sich viele Betroffene durch Mimik, Gestik und unterschiedliche Äu-ßerungen mit (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 13).

Kitwood meinte, dass trotz allem die Betroffenen nicht das Gefühl für Liebe, Trost, primäre Bindung, nach Einbeziehung, Beschäftigung und Identität verlie-ren. Im Mittelpunkt aber steht die Liebe (vgl. Grond 2009, S. 24).

Diese Bedürfnisse sind wohl in jedem Menschen grundgelegt. Jedoch bei Men-schen mit Demenz sind diese Bedürfnisse deutlicher erkennbar. Es ist zu beobach-ten, dass die Intensität dieser Bedürfnisse mit dem Fortschreiten der Erkrankung zunimmt (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 122).

Frena Gray-Davidson versteht in diesem Zusammenhang unter Liebe

…eine großzügige, verzeihende und bedingungslose Annahme, ein emotio-nales Geben von ganzem Herzen, ohne die Erwartung einer direkten Beloh-nung. (Frena Gray-Davidson in Müller-Hergl 2008, S. 121).

Trost steht dabei für Zärtlichkeit und Nähe, Linderung von Leid, und Schmerz und steht für das Gefühl der Sicherheit. Wichtig ist, den Betroffenen Wärme und Stärke zukommen zu lassen, wenn das Gefühl der Verlusterlebnisse in vielerlei Hinsicht präsent wird. Ohne primäre Bindung fällt es jedem Menschen schwer, gut zu funktionieren. Das Bedürfnis nach primärer Bindung bleibt auch bei Men-schen mit Demenz bestehen und steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach Sicherheit (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 123).

39 Pflegepersonen und auch Angehörige müssen lernen, mit diesen Mitteilungsfor-men sensibel umzugehen und zu reagieren (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 13).

Einbezogen werden und als Teil einer Gruppe zu gelten ist ein menschliches Grundbedürfnis, welches sich im Falle einer Demenzerkrankung möglicherweise als „aufmerksamkeitsheischendes Verhalten“ äußert. Betroffene klammern sich an Betreuungspersonen, gehen umher oder protestieren. Bei Nichtbefriedigung dieses Bedürfnisses wird die Person zunehmend abbauen und sich immer mehr zurück-ziehen. Beschäftigung durch Arbeit, Freizeitgestaltung, Spiel etc. bedeutet für jeden Menschen entsprechend seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten in alltägli-che Prozesse einbezogen zu sein. Sobald Mensalltägli-chen ihrer Möglichkeiten und Fä-higkeiten beraubt werden, lassen ihre FäFä-higkeiten zusehends nach; sie fühlen sich nutz- und wertlos. Dieses Bedürfnis schwindet nicht im Falle einer demenziellen Erkrankung. Um Befriedigung durch angepasste Beschäftigung im Falle einer Demenz zu erreichen, ist es von Vorteil, biografische Daten diesbezüglich genau zu kennen. Identität bedeutet zu wissen, wer man ist. Jeder Mensch identifiziert sich durch seine/ihre ganz persönliche Lebensgeschichte mit ihren verschiedenen Rollen und Kontexten. Schon Kitwood, 1997 sagte, dass bei kognitiven Beein-trächtigungen demenziell veränderter Menschen es unumgänglich sei, einerseits genau über die Lebensgeschichte des/der Betroffenen Bescheid zu wissen und andererseits durch empathisches Verhalten in der Einzigartigkeit der betroffenen Person entsprechend zu reagieren. Die Befriedigung dieser genannten fünf Be-dürfnisse führt zu einer Steigerung des Selbstwertes und somit zu mehr Lebens-qualität (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 123-125).

2.7 Therapiemöglichkeiten bei Alzheimer Demenz

Da die Alzheimer-Erkrankung einen progredienten Verlauf aufweist, ist die Sym-ptomatik durch entsprechende Therapie nicht zu stoppen, sondern lediglich zu verzögern. Ganzheitliche Behandlung ist unumgänglich, eine kausale Therapie existiert momentan nicht (vgl. Maier 2008, S. 21).

40 Die teuerste Therapie bleibt ohne ganzheitliche Pflege erfolglos. Alle Demenz-formen sind jedoch zeitlich begrenzt verbesserungsfähig, sekundäre Demenzen teilweise auch heilbar (vgl. Grond 2009, S. 71).

Da der Schwerpunkt der Arbeit in den nicht medikamentösen Therapiemöglich-keiten liegt, werden diese in Form von demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten in einem späteren Kapitel noch ausführlich beschrieben. Im Folgenden werden medikamentöse Therapieformen kurz aufgezeigt.

2.7.1 Medikamentöse Therapie

Unter dem Begriff Antidementiva und Nootropika werden chemische und vom Wirkprinzip her unterschiedliche Arzneimittel zur Verbesserung der Hirnleistung zusammengefasst. Die Effizienz der Cholinesterasehemmer wurde in Studien ü-berzeugend nachgewiesen. Dadurch soll der Verlauf der Krankheit verzögert wer-den. Im Anfangsstadium ist es möglich, dass sich der Zustand durch Einnahme von Antidementiva bis zu zwei Jahre stabilisiert. Auch im mittelschweren und schweren Stadium kann durch Einfluss der medikamentösen Therapie eine Ver-besserung der Alltagsfähigkeiten und Reduktion der Pflegebedürftigkeit erzielt werden. Somit ist ein medikamentöser Behandlungsversuch immer indiziert. Bei erfolgloser Wirkung oder starken Nebenwirkungen soll eine Medikamentenum-stellung aus derselben Medikamentengruppe versucht werden. Für nicht kognitive Symptome werden zusätzlich Neuroleptika und modernen Antidepressiva ohne anticholinerge Wirkung empfohlen (vgl. Maier 2008, S. 21-22).

Das wichtigste „Medikament“ sind aber konstante Bezugspersonen, nicht Psycho-pharmaka (Grond 2009, S. 82-83).

2.7.2 Nicht-medikamentöse Therapie

Bedürfnisorientierte Pflege und Therapie setzt spezielle Betreuungskonzepte, de-ren Grundlage Wertschätzung, Respekt, Zuwendung und Erhalt der Würde der betroffenen Person beinhaltet, ein (vgl. ebd., S. 72).

Vielfach wird die nicht-medikamentöse Therapie mit einer medikamentösen The-rapie kombiniert. Ziel der nicht-medikamentösen TheThe-rapie ist die Erhaltung kog-nitiver, alltagspraktischer und sozialer Kompetenz sowie das psychische und phy-sische Wohlbefinden unter Berücksichtigung des progredienten Verlaufs. Dabei

41 wird die Befindlichkeit der Pflegeperson bzw. Angehörigen verstärkt mit einbe-zogen. Betroffene Menschen in den Alten-, Wohn- und Pflegeheimen sind nicht immer in der Lage, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Kognitiv aktivie-rende Konzepte sind hilfreich in der Bedürfnisbefriedigung und erleichtern die Pflege von Demenzkranken. Sie bieten Techniken, die helfen, den Umgang mit Betroffenen zu erleichtern (vgl. Maier 2008, S 26).

Die aktuell gängigsten nicht-medikamentösen Therapieformen sind Psychothera-pie, Erinnerungs- und Biografiearbeit sowie Milieutherapie oder SoziotheraPsychothera-pie, Kreativtherapie, Ergo- und Physiotherapie, Logotherapie und körperorientierte/

somatische Verfahren (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 67).

In ihrer Wirksamkeit sind die nachfolgenden kognitiv aktivierenden Konzepte nachgewiesen.

• Basisverhalten wie Wertschätzung, Geduld, eindeutiger Dialog und Berüh-rung

• Verhaltenstherapie bei leichter Demenz

• Realitäts-Orientierungs-Training ROT

• Erinnerungstherapie ET

• Selbsterhaltungs-Therapie SET

• Kreative Therapien (Musik-, Kunst- und Tanztherapie)

• Ergotherapie mit sinnvollen Inhalten

• Basale Stimulation (Grond 2009, S. 71-72).

Kognitives Training dient der Verbesserung der kognitiven Defizite, Realitätsori-entierungstraining der Verbesserung der Orientierung, Selbst-Erhaltung-Therapie der Verbesserung der personalen Identität und Biografiearbeit sowie das Konzept der Validation dienen der Verbesserung der Individualität (vgl. Maier 2008, S.

26).

Im Kapitel vier werden ausgesuchte, einzelne nicht medikamentöse Konzepte genauer dargestellt.

Um Inhalte in der Ausbildung genauer zu betrachten, erfolgt zuvor eine Darstel-lung der österreichischen Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe.

Dazu zählen der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege sowie die Pflegehilfe mit der Pflege und Betreuung von Menschen mit Demenz als Schwer-punkt.

42

3 Betrachtung von speziellen Ausbildungsinhalten der Gesund-heits- und Krankenpflegeberufe

Kenntnisse im Umgang mit demenzerkrankten Menschen werden in der Ausbil-dung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe grundgelegt.

Im folgenden Abschnitt werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Ge-sundheits- und Krankenpflegeberufe sowie die daraus resultierenden Inhalte der Curricula für Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege und der Pflegehilfe in Bezug auf das Krankheitsbild der Demenz aufgezeigt. Anschließend werden deut-sche Studienergebnisse herangezogen, um eine Betrachtung über Österreich hin-aus anzustellen und darhin-aus eventuelle Vergleiche zu ziehen. Da diesbezüglich in

Im folgenden Abschnitt werden die gesetzlichen Rahmenbedingungen der Ge-sundheits- und Krankenpflegeberufe sowie die daraus resultierenden Inhalte der Curricula für Allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege und der Pflegehilfe in Bezug auf das Krankheitsbild der Demenz aufgezeigt. Anschließend werden deut-sche Studienergebnisse herangezogen, um eine Betrachtung über Österreich hin-aus anzustellen und darhin-aus eventuelle Vergleiche zu ziehen. Da diesbezüglich in