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Fit für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen

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Academic year: 2022

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Masterupgrade für Absolvent/inn/en des

Universitätslehrganges für Lehrer und Lehrerinnen der Gesundheits- und Krankenpflege

Karl Franzens Universität Graz

Fit für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen

Demenzsensible, nicht medikamentöse Konzepte in der Gesundheits- und Krankenpflege

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science (MSc)

Betreuung:

Mag.

a

Petra Eibel

eingereicht von

Maria Gaugl

Matrikelnummer: 0513309

Vorau, November 2012

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Ehrenwörtliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Abschlussarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmit- tel nicht benutzt und die benutzten Quellen als solche kenntlich gemacht habe.

Vorau, am 25.11.2012 Unterschrift:

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Kurzzusammenfassung

Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit demenzsensiblen, nicht kogniti- ven Konzepten in der Gesundheits- und Krankenpflege. Es wird der Frage nach- gegangen, welche Kenntnisse angehende Gesundheits- und Krankenpflegeperso- nen für die individuelle Betreuung von Menschen mit Demenz benötigen, um den nicht kognitiven Symptomen der Demenz entsprechend begegnen zu können.

Realitätsorientierungstraining, Biografie- und Erinnerungsarbeit sowie das Kon- zept der Validation werden mit Ausbildungsinhalten der Gesundheits- und Kran- kenpflegeberufe in Verbindung gebracht. Ziel ist es aufzuzeigen, dass menschen- würdiges Altern mit dem Krankheitsbild einer Demenz durch professionellen Ein- satz von gezielten demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten möglich ist und sinnvoll gestaltet werden kann. Im Ergebnis wird deutlich, dass grundle- gende Kenntnisse und spezifisches theoretisches Wissen die Voraussetzungen für die professionelle Betreuung von demenzkranken Menschen darstellen. Bei der Vermittlung dieser Kompetenzen wird den Gesundheits- und Krankenpflegeschu- len eine besondere Rolle zuteil. Die Durchführung einer österreichischen Studie zur Evaluierung einer ausreichenden Vermittlung von Kompetenzen bzgl. de- menzsensibler, nicht medikamentöser Konzepte wird angeregt.

Abstract

This master thesis aims at presenting new concepts of taking care of people suf- fering from various forms of dementia in a professional way. These concepts are based on scientific concepts of care. One of the main parts of this scientific paper is literature analysis. However, a special focus is also put on the topic of the edu- cation of people who want to work in the field of care. As the author is of the opinion that nurses need special knowledge so that they can work with people suffering from dementia in a highly professional way this paper offers information on the topics of validation, biographical work and orientation training. It is the central aim of this paper to show that reaching an old age when suffering from dementia is possible with the help of highly professional nurses and care assis- tants. In Austria most nurses are educated at so called colleges of nursing (Schu- len für Gesundheits- und Krankenpflege). Thus it is the special duty of these insti-

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tutions to ensure the best kind of professional training and education. Scientific research has shown that certain professional skills and competences as well as theoretical knowledge are the prerequisites for a highly professional care of clients suffering from dementia. Thus, Austrian colleges of nursing have to guarantee the highest possible level of education.

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Vorwort

Im Zuge meiner beruflichen Laufbahn begegnen mir überall Menschen mit de- menziellen Veränderungen. Sei es im akutstationären Bereich, in den Altenwohn- und Pflegeheimen oder auch im extramuralen Bereich. In jeder Einrichtung erleb- te ich die Überforderung in der Betreuung demenziell erkrankter Menschen durch das Pflegepersonal, durch Ärzteschaft, Therapeuten und Angehörige. Offensicht- lich fürchtet sich die Gesellschaft vor dem Schreckgespenst Demenz. Nachdem die Wissenschaft noch keine kurative Behandlung anbieten kann, ist umso mehr der Pflege- und Betreuungsbereich, nicht nur in der Bedürfnisbefriedigung dieser Menschen, sondern ganz besonders in der Kommunikation mit den Betroffenen gefordert. So faszinierten mich Pflegepersonen, denen es gelang, in die Welt der verwirrten, desorientierten, verhaltensauffälligen Menschen einzudringen, Ver- trauen aufzubauen und den Betroffenen je nach Erscheinungsbild der Demenz würdevoll gegenüber zu treten und so diesen Menschen ein Stück Lebensqualität zu sichern. Als Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege bin ich besonders in der Vermittlung demenzspezifischer Konzepte im Unterricht gefordert. Dabei merkte ich, dass sich junge Menschen, ausgerüstet nur mit theoretischen Grundla- gen, in der Praxis schwer tun. Eine Studie, die besagt, dass junge Menschen für die Begegnung mit demenzerkrankten Menschen mangelhaft ausgebildet sind, gab letztendlich den Anstoß für diese Arbeit.

Zum Gelingen meiner Masterarbeit haben einige Personen beigetragen, bei denen ich mich ganz besonders bedanken möchte. Ein Danke gilt meiner Betreuerin Frau Maga. Petra Eibel, durch deren Denkanstöße und korrekte Art und Weise ich viel dazugelernt habe. Bedanken möchte ich mich auch bei Frau Nina Arth, BSc, MSc, die mich bei der Suche nach Studien tatkräftig unterstützt hat. Danke Herrn Mag.

Herwig Wallner für die Korrektur meiner Arbeit. Der größte Dank aber gilt mei- ner Familie, die mir verständnis- und rücksichtsvoll die Zeit für das Schreiben dieser Arbeit einräumte.

Vorau, November 2012 Maria Gaugl

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung... 8

2 Theoretische Grundlagen ... 12

2.1 Demografische Entwicklung... 12

2.2 Epidemiologie der Demenz... 14

2.2.1 Prävalenz ... 15

2.2.2 Inzidenz ... 16

2.2.3 Ätiopathogenese... 17

2.3 Formen der Demenz ... 18

2.3.1 Primäre Demenzen... 19

2.3.2 Sekundäre Demenzen... 22

2.4 Diagnostik der Demenz ... 25

2.5 Schweregrade der Demenz... 27

2.5.1 Leichte Demenz... 29

2.5.2 Mittelschwere Demenz ... 31

2.5.3 Schwere Demenz ... 34

2.6 Folgen der Demenz... 36

2.6.1 Nicht-kognitive Symptome der Demenz ... 37

2.6.2 Besondere Bedürfnisse von Menschen mit Demenz ... 38

2.7 Therapiemöglichkeiten bei Alzheimer Demenz... 39

2.7.1 Medikamentöse Therapie ... 40

2.7.2 Nicht-medikamentöse Therapie... 40

3 Betrachtung von speziellen Ausbildungsinhalten der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe ... 42

3.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen ... 42

3.1.1 Gesetzliche Rahmenbedingungen für den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege ... 42

3.1.2 Gesetzliche Rahmenbedingungen für Pflegehilfe... 45

3.2 Curriculumsanalyse auf demenzsensible Inhalte ... 46

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3.2.1 Curriculumsanalyse des gehobenen Dienstes für

Gesundheits- und Krankenpflege ... 47

3.2.2 Curriculumsanalyse der Pflegehilfe ... 53

3.3 Studienergebnisse zur Vermittlung demenzspezifischer Themen... 55

4 Pflegerische Interventionen für Demenzkranke... 63

4.1 Realitätsorientierungstraining – ROT ... 64

4.1.1 Bestandteile des ROT ... 65

4.1.2 Wirksamkeit des ROT... 68

4.2 Biografie- und Erinnerungsarbeit... 69

4.2.1 Methoden der Biografie- und Erinnerungsarbeit ... 73

4.2.2 Wirksamkeit von Biografie- und Erinnerungsarbeit... 77

4.3 Validation ... 78

4.3.1 Die vier Stadien der Desorientiertheit ... 82

4.3.2 Anwendung der Validation... 85

4.3.3 Wirksamkeit der Validation ... 90

5 Diskussion ... 94

6 Schlussfolgerung ... 99

7 Literaturverzeichnis ... 102

(8)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bevölkerungspyramide für Österreich 2006 und 2030... 13

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Anzahl von Demenzerkrankten in 1.000 in Österreich …...15

Tabelle 2: Lebensstadien und Lebensaufgaben nach Erik Erikson (Erik H. und Joan Erikson 1977) ………...……….80

Tabelle 3: Neunte Entwicklungsstufe nach Naomi Feil ………81

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1 Einleitung

In Österreich leben 1,8 Millionen Menschen, die 60 Jahre oder älter sind. Diese Bevölkerungsgruppe wird bis zum Jahr 2030 auf 2,7 Millionen Menschen anstei- gen. Das bedeutet eine Zunahme dieser Bevölkerungsschicht um zirka 50%. Dra- matisch wird sich die Zahl der über 85jährigen Personen von derzeit 133.000 auf 300.000 Personen mehr als verdoppeln (Statistik Austria 2007).

Hand in Hand mit dieser Entwicklung wird es zu einer rasanten Zunahme von Menschen mit Demenz kommen. Der erste Österreichische Demenzbericht besagt, dass es derzeit 100.000 Demenzkranke in Österreich gibt. Die Zahl der demenz- kranken Menschen in Österreich wird bis zum Jahr 2050 auf bis zu 270.000 Er- krankte steigen. Das bedeutet, dass bis dahin jeder/e zwölfte Österreicher/in über 60 dement sein könnte (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 19).

Diese Zahlen stellen sämtliche Akteure des österreichischen Gesundheitswesens vor große Herausforderungen.

Demenzerkrankungen, im Speziellen vom Typ Alzheimer, zählen zu den häufigs- ten psychiatrischen Erkrankungen des höheren Alters. Die Medizin kann Demenz bisher nicht verhindern, sie kann bislang wenig dagegen anbieten und es zeichnet sich auch keine Trendwende in der Forschung ab. Eine kurative Behandlung einer Demenz steht heute nur limitiert zur Verfügung. Daraus resultiert, dass Demenz heute mit Ängsten und Tabus behaftet ist (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 6).

Die damit verbundene Multimorbidität (mehrere Erkrankungen einer Person) zwingt ältere Menschen häufiger zu Krankenhausaufenthalten oder bildet auf- grund zunehmender Betreuungs- und Pflegebedürftigkeit gar eine Einbahnstraße in eine Pflegeeinrichtung, was zusätzlich eine enorme finanzielle Belastung des österreichischen Gesundheitssystems darstellt. Bereits 70% der Pflegeheimpopu- lation sind von Demenzsymptomen betroffen (vgl. Schäufele et al. 2009, S. 161).

Nicht-kognitive Symptome bzw. herausforderndes Verhalten wie Rufen, Schreien, ständiges Umherlaufen, permanente Unruhe, Angst, Aggression, aber auch De- pressivität und im fortgeschrittenen Stadium oft hörbares lautes Klagen und Stöh- nen stellen Pflege- und Betreuungspersonen täglich vor enorme Herausforderun- gen und drängen diese nicht selten an ihre Grenzen (vgl. Grond 2009, S. 22).

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9 Der professionelle Umgang mit dieser Symptomatik, welche je nach Stadium un- terschiedlich auftritt, erfordert von Pflegepersonen heute und zukünftig ein hohes Maß an fachlicher, persönlicher und sozialer Kompetenz. Es ist nur allzu leicht vorstellbar, dass kenntnisarme Betreuungskräfte es schwerer haben, den betroffe- nen Menschen ein würdevolles Altern zu ermöglichen.

Gesundheits- und Krankenpflegepersonen bilden die zentrale Berufsgruppe zur Umsetzung demenzsensibler, nicht medikamentöser Konzepte wie beispielsweise Biografiearbeit, Realitätsorientierungstraining und Validation (vgl. Görres/ Stö- ver/ Bomball/ Schwanke 2012, S. 4).

Um menschenfreundliche und professionelle Betreuung durch Einsatz von de- menzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten anbieten zu können, deren o- berste Prämisse die entsprechende Lebensqualität der/s Betroffene/n darstellt, braucht es spezifisches Wissen. Zukünftige Pflegepersonen werden auf den pro- fessionellen Umgang mit erkrankten Menschen in den Schulen für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege vorbereitet. Nicht zuletzt aufgrund der demo- graphischen Entwicklung und der Epidemiologie der Demenz ist es unumgäng- lich, dass die Ausbildung zum gehobenen Dienst für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege und der Pflegehilfe sich intensiv mit dieser Thematik auseinander- setzt.

Spezifische Inhalte werden nach Vorgabe der Curricula der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe gelehrt. Dazu fließt diese Thematik in mehreren Unterrichts- fächern fächerübergreifend ein (ÖBIG 2003).

Die kontinuierliche Teilnahme der diplomierten Gesundheits- und Krankenpfle- gepersonen und verwandter Berufsgruppen an Fort- und Weiterbildungen bildet die Fortsetzung zum Erkenntnisgewinn für die Praxis. Theoretisches Wissen in der Praxis erfolgreich umzusetzen, das ist gerade im Umgang mit Menschen mit Demenz von großer Bedeutung. Der professionelle, zwischenmenschliche Um- gang in der Pflege und die Betreuung durch Einsatz von gezielten, aus demenz- sensiblen, nicht kognitiven Konzepten abgeleiteten Pflegehandlungen je nach Krankheitsstadium, stehen dabei im Vordergrund.

Jedoch stellten Wällisch und Wulff fest, dass junge Pflegekräfte den nicht uner- heblichen, belastenden nicht kognitiven Symptomen bei Menschen mit Demenz oft unbeholfen und kenntnisarm gegenüber stehen (vgl. Wällisch/ Wulff 2012, S.

41). Diese Erkenntnis veranlasst zur genaueren Betrachtung von theoretischen

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10 Grundlagen der derzeitigen Ausbildung und den bewährten Konzepten mit ihrer Umsetzung, um für den Umgang mit demenziell veränderten Menschen gerüstet zu sein.

Ziel dieser Masterarbeit ist aufzuzeigen, dass menschenwürdiges Altern mit dem Krankheitsbild einer Demenz in der heutigen Zeit durch professionellen Einsatz von gezielten demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten möglich und sinnvoll ist. Um für die Betreuung von demenzerkrankten Menschen gerüstet zu sein, sollen in dieser Literaturarbeit entsprechende Inhalte, welche in den Schulen für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege unter Vorgabe des offenen Curri- culums 2003 für den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege so- wie das Curriculum 2004 der Pflegehilfe gelehrt werden, näher betrachtet und daraus Schlüsse gezogen werden. Professionell Pflegende sollen durch diese Ar- beit angeregt werden, ihre theoretischen Kenntnisse, erworbene Kompetenzen, den persönlichen Umgang mit demenzerkrankten Menschen sowie die Umsetzung von demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten zu reflektieren. Die be- schriebenen Konzepte sollen mit der derzeitigen Ausbildungssituation in Verbin- dung gebracht und eventuell weitere zukunftsweisende Überlegungen zur Verbes- serung der Lebensqualität betroffener Personen sowie der erträglichen Gestaltung für Pflegepersonen angestellt werden.

Um zur geschilderten Problemstellung den Bogen von Theorie, Ausbildung und Praxis im Umgang mit demenzerkrankten Menschen zu spannen, ergeben sich folgende Fragen:

• Welches Grundlagenwissen ist Voraussetzung, damit sich Schüler und Schülerinnen der Gesundheits- und Krankenpflege den pflegerischen Be- langen im Umgang mit demenzerkrankten Menschen erfolgreich nähern können?

• Welche theoretischen Kenntnisse benötigen angehende Gesundheits- und Krankenpflegepersonen für die professionelle Betreuung von Menschen mit Demenz?

• Wie viel Platz finden demenzsensible, nicht medikamentöse Konzepte in der Ausbildung der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe?

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11

• Durch welche individuellen, pflegerischen Interventionen kann den nicht kognitiven Symptomen der Demenz sinnvollerweise begegnet werden?

Um die gestellten Forschungsfragen professionell und umfangreich beantworten zu können, werden eingangs die demografische Entwicklung, Epidemiologie der Demenz sowie Demenzformen beschrieben. Theoretische Kenntnisse über Dia- gnostik, Schweregrade der Demenz mit ihrer Symptomatik werden dargestellt.

Folgen dieser Erkrankung und Therapiemöglichkeiten veranschaulichen die be- sondere Herausforderung für Betroffene, Bezugspersonen und professionelle Pflegekräfte.

Die Analyse des österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes mit ihrer Ausbildungsverordnung sowie eine Betrachtung von speziellen Ausbil- dungsinhalten der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe mit dem Schwerpunkt Demenz stellt die Brücke zum erlernten Wissen im Umgang mit demenziell er- krankten Menschen dar. Angeführte Studienergebnisse bilden den Anstoß für e- ventuelle Weiterentwicklungsmöglichkeiten in der Ausbildung. In Folge werden demenzsensible, nicht medikamentöse, kognitiv aktivierende Konzepte beschrie- ben und mit der Ausbildung in Zusammenhang gebracht.

Die Grundlage dieser Literaturarbeit bildet eine umfangreiche Literaturrecherche zu den Schlüsselbegriffen „Demenz“ und „demenzsensible, nicht medikamentöse Konzepte“, „Biografiearabeit“, „Erinnerungsarbeit“, „Realitätsorientierungstrai- ning“, „Validation“, sowie „Ausbildung“, „Curriculum.“

Um einen Überblick zu bekommen, fand im Zeitraum von Feber bis Mai 2012 eine Literaturrecherche im Internet, mit Hilfe der Suchmaschine „Google“, statt.

Danach wurde Fachliteratur über die Verbundsuchmaschine des österreichischen Bibliothekenverbundes gesucht. Spezifische Bücher und Fachzeitschriften „Die Schwester/Der Pfleger“, „Padua“, „Die Österreichische Pflegezeitschrift“, „Pfle- gepraxis“ und „Pflegezeitschrift“ aus der Schulbibliothek wurden ebenfalls zur Literaturrecherche herangezogen, sowie Studien und Fachartikel aus dem Internet.

Es wird darauf geachtet, dass alle Fragen dieser Arbeit mit wissenschaftlich be- legbarer Literatur, zitiert im Harvard Style, beantwortet werden.

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12

2 Theoretische Grundlagen

Um der Pflege und Betreuung von demenziell veränderten Klienten und Klientin- nen erfolgreich zu begegnen, braucht es grundlegende Kenntnisse. Kenntnisse über die zukünftige Entwicklung der österreichischen Bevölkerungsstruktur und die damit einhergehende Zunahme von Menschen mit Demenz spiegelt sich in der Epidemiologie wider. Das Wissen um das Krankheitsbild in allen Formen ist Vor- aussetzung für das Verständnis von nicht kognitiven Symptomen der Demenz.

Mögliche Handlungskonzepte können professionell in der Pflege und Betreuung umgesetzt werden, wenn Grundlagenwissen vorhanden ist. In den folgenden Ka- piteln werden diese Themen bearbeitet.

2.1 Demografische Entwicklung

Die demografische Entwicklung Europas und somit auch Österreichs ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. In den 27 EU-Mitgliedsstaaten betrug 2008 die Anzahl der unter 20jährigen 21,7%, während die über 60jährigen und älteren Personen auf 22,4% kamen. Im Vergleich zwischen Deutschland, Ös- terreich und der Schweiz sind in Deutschland die Kinderzahlen am frühesten ein- gebrochen, somit hat sich das Verhältnis bereits stark zugunsten der älteren Men- schen verschoben. Nunmehr stehen in Deutschland 25,9% der über 60jährigen 18,8% der unter 20jährigen Menschen gegenüber (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/

Klingholz 2011, S. 4).

Dazu kommt, dass die Lebenserwartung in einem beachtlichen Tempo steigt. Im Jahr 2006 betrug die Lebenserwartung der Männer 77,1 Jahre, für Frauen 82,7 Jahre. Dies entspricht einem durchschnittlichen Zugewinn an Lebensjahren zwi- schen 1991 und 2006 bei Männern von 4,8 Lebensjahren und bei Frauen um 3,7 Lebensjahre (vgl. Statistik Austria 2008, S. 14).

Aufgrund der anhaltenden Tendenz der niedrigen Geburtenzahlen lässt sich vor- aussagen, dass sich dieser Effekt unter den heutigen Lebensbedingungen zukünf- tig verstärken wird und der Anteil der hochaltrigen Menschen zunehmen wird.

Demnach wird 2050 jede/r siebte Bürger/inin der Bundesrepublik Deutschland über 80 Jahre alt sein. Österreich, sowie auch die Schweiz befinden sich auf dem

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13 gleichen Weg, jedoch ist die Entwicklung etwas verzögert (vgl. Sütterlin/ Hoß- mann/ Klingholz 2011, S. 4).

Durch diesen demografischen Wandel nimmt der Anteil der erwerbstätigen Men- schen einerseits ab, andererseits wächst die Bevölkerungsgruppe der über 60jährigen Menschen kontinuierlich an. Die ältesten Babyboomer in Österreich sind heute ca. 50 Jahre alt und in ca. 20 Jahren wird die Mehrheit dieser Generati- on das Pensionsalter erreicht haben (vgl. Gruss 2007, S. 74).

Die folgende Darstellung der österreichischen Bevölkerungspyramide für 2006 und 2030 veranschaulicht diese Entwicklung.

Abbildung 1: Bevölkerungspyramide für Österreich 2006 und 2030 (Gleichweit/ Rossa 2009, S. 1)

Es ist klar zu erkennen, dass die heute erwerbstätigen, geburtenstarken Jahrgänge zwischen 15- und 60jährigen in den kommenden Jahrzehnten die Bevölkerungs- gruppe der alten Menschen darstellen werden. Bereits 2030 wird diese Gruppe deutlich zugenommen haben, die prognostizierte Alterung der Gesellschaft wird eingetreten sein.

Im jetzigen umlagefinanzierten Pensionssystem finanzieren diejenigen die Pensi- onen, die gleichzeitig Kinder großziehen und für das eigene Alter Vorsorge tref- fen müssen (vgl. ebd., S. 72).

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14 Der Staat kann heute und wird zukünftig durch die knappen Kassen die sozialen Leistungen nicht im geforderten Ausmaß erbringen können. Der demografische Wandel fordert heute und zukünftig Politik und Gesellschaft enorm (vgl. Sütter- lin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 5).

In diesem Kontext steht die Zunahme der demenziell veränderten Menschen, da dies ein Erscheinungsbild des zunehmenden Alters darstellt und somit das gesam- te Gesundheits- und Sozialsystem herausfordert (Gleichweit/ Rossa 2009, S. 1-2).

2.2 Epidemiologie der Demenz

Mit der höheren Lebenserwartung ist untrennbar verbunden, dass die Wahrschein- lichkeit größer als in jungen Jahren ist, generell an Erkrankungen zu leiden. Die Demenz ist grundsätzlich eine Erkrankung des Alters und trifft die Gesellschaft in ihrem „Geist und Verstand“ (vgl. Sütterlin et al. 2011, S. 5).

Durch diese Tatsache stoßen Betreuung und Pflege sowie die medizinische Ver- sorgung der demenzkranken Menschen an die Grenzen der Leistungsfähigkeit (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 12).

Zur Einschätzung der Belastungen durch Demenz bildet die Hospitalisierung ei- nen interessanten Parameter. Häufig führt nicht die demenzielle Erkrankung zu Spitalsaufenthalten, sondern wird durch mittelbare Folgen der Demenz ausgelöst z.B. durch Stürze oder Flüssigkeits- und Nahrungsmangel (vgl. ebd., S. 22).

In den USA wurde nachgewiesen, dass Patienten/innen mit Alzheimer Demenz häufiger in Krankenanstalten eingewiesen werden als vergleichbare Kontrollper- sonen ohne Demenz (Fillit et al. in Gleichweit/Rossa 2009, S. 22).

Daraus ergibt sich, dass demenziell veränderte Menschen häufiger in Krankenan- stalten versorgt werden müssen und damit einen hohen Kostenanteil im Spitalsbe- reich verursachen. Im Jahr 2005 wurden in Österreich 9.654 Spitalsentlassungen mit der Diagnose Demenz dokumentiert, davon waren rund zwei Drittel Frauen.

Die Mehrheit davon war älter als 65 Jahre (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 22).

An Demenz erkrankte Frauen überleben die Erkrankung durchschnittlich 7,2 Jah- re, Männer hingegen nur 5,7 Jahre (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 4).

Die gesamte Krankheitsdauer ist jedoch sehr unterschiedlich und kann in Einzel- fällen mehr als 20 Jahre betragen (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 23).

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15 Daraus folgt, dass Demenz mit 43% der häufigste Grund für die Einweisung in ein Pflegeheim in Österreich darstellt (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 12).

Da demenzielle Erkrankungen heute noch nicht heilbar sind, enden diese mit dem Tod des/der Erkrankten. Die Mortalität ist im Vergleich zu nicht-dementen Perso- nen zwei- bis dreifach höher. Todesursache ist nicht die Diagnose selbst, sondern mittelbare oder unmittelbare Zustände oder Folgeerkrankungen, wie kardiovasku- läre Erkrankungen, Infektionen, aber auch Sturzverletzungen oder Mangelernäh- rung sind denkbar (vgl. ebd., S. 23).

2.2.1 Prävalenz

Prävalenz ist die Anzahl der an einer bestimmten Erkrankung leidenden Personen in einer Bevölkerung. Der prozentuale Anteil von erkrankten Personen an der Ge- samtbevölkerung oder bestimmten Altersgruppen wird als Prävalenzrate bezeich- net (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 3). In der Eurodem-Studie bzw. der von Ferri et al. durchgeführten Erhebungen wurden Prävalenzzahlen aus dem Jahre 2005 für Österreich ermittelt. Demnach entspricht die Gesamtprävalenz von 1,15 – 1,27%

dem europäischen Durchschnitt. Es ist aber davon auszugehen, dass aufgrund von mangelnder Datenqualität, insbesondere der Bevölkerungsdaten für Personen über 95 Jahre, hier eine Unterschätzung des tatsächlichen Ausmaßes der Prävalenz vor- liegt (vgl. ebd., S. 12-14). Die umfassendsten Berechnungen stellte Wancata et al.

an. Basierend auf internationalen epidemiologischen Studien und Daten aus dem Österreichischen statistischen Zentralamt ergeben sich folgende Berechnungen:

Jahr Anzahl von Demenzkranken

in 1.000

1951 35,5

2000 90,5

2010 108,5

2020 129,6

2030 163,4

2040 199,8

2050 233,8

Tabelle 1: Anzahl von Demenzerkrankten in 1.000 in Österreich (Gleichweit/ Rossa, S. 15)

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16 Aus Tabelle 1 ist abzulesen, dass in Österreich im Jahre 1951 35.500 Personen an Demenz litten. Diese Zahl verdreifachte sich beinahe rund um die Jahrtausend- wende und lässt bis 2050 eine Zahl von 233.800 Demenzkranken hochrechnen (vgl. Gleichweit/ Rossa, S. 14-15).

Alter ist also der entscheidende Risikofaktor, an einer Demenz zu erkranken, nach dem 65. Lebensjahr steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich an. Der Anteil der Be- troffenen über dem 65. Lebensjahr beträgt demnach zwischen sechs und neun Prozent, sie verdoppelt sich jedoch alle fünf Altersjahre. Weniger als drei Prozent der Erkrankungen treten unterhalb dieser Altersgrenze auf (vgl. Sütterlin/ Hoß- mann/ Klingholz 2011, S. 10-13).

Betrug der prozentuelle Anteil dieser Bevölkerungsgruppe in Österreich im Jahr 2008 noch 22,5%, so werden für das Jahr 2020 26% und für das Jahr 2050 bereits 34% prognostiziert (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S.1).

In der Altersgruppe der über 90jährigen beträgt die Anzahl der Betroffenen bereits über 30% (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 3).

In Zahlen ausgedrückt leben heute in Deutschland 1,3 Millionen Menschen mit Demenz, in Österreich rund 130.000 und in der Schweiz 120.000 Personen. Diese Zahlen werden sich bis zum Jahr 2050 in Österreich und der Schweiz verdoppeln (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 6).

Mehr als zwei Drittel der Betroffenen sind Frauen. Dies ergibt sich durch die hö- here Lebenserwartung, sie sind daher mit steigender Demenzwahrscheinlichkeit stärker vertreten (vgl. ebd., S. 13).

2.2.2 Inzidenz

Inzidenz ist der Anteil der Neuerkrankungen in der Bevölkerung in einem be- stimmten Zeitraum, z.B. einem Jahr (Kastner/ Löbach 2010, S. 4).

Grundsätzlich steigt die Inzidenz der Demenz ebenfalls mit zunehmendem Le- bensalter. Es kann ein starker Anstieg der Inzidenz ab dem 80. Lebensjahr beo- bachtet werden. Die Anzahl der Neuerkrankungen in Österreich lag im Jahr 2000 noch bei rund 24.000 Fällen. Diese Zahl wird sich bis zum Jahr 2050 mehr als verdoppeln, die Zahl der jährlichen Neuerkrankungen wird demnach auf beinahe 60.000 neu Betroffene ansteigen. Steigt jedoch die durchschnittliche Lebenser- wartung stärker als prognostiziert, so müsste auch von einer höheren Erkran-

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17 kungsrate ausgegangen werden. Ansonsten entsprechen diese Zahlen dem europä- ischen Durchschnitt (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 16-17).

2.2.3 Ätiopathogenese

1906 wurde erstmals die häufigste Hirnerkrankung im Alter vom deutschen Psy- chiater Alois Alzheimer beschrieben und später von seinem langjährigen Mentor Emil Kraepelin „Alzheimer`sche Krankheit“ genannt. Durch charakteristische Verklumpungen von Proteinen im Gehirn kommt es zur Entstehung von so ge- nannten Plaques, diese korrespondieren in einem nicht sehr überzeugenden Aus- maß mit dem Schweregrad der Demenz. Eine kausale Rolle in diesem Zusam- menhang können auch Faktoren wie Infektionen, oxidativer Stress oder entzündli- che Prozesse, die das alternde Gehirn nicht mehr durch adäquate Abwehrmecha- nismen erfolgreich zu bekämpfen vermag, spielen (vgl. Gruss 2007, S. 186-187).

Abgesehen davon wird das „vierte Lebensalter“, d.h. das Lebensalter jenseits von 85 Jahren ohnedies mit schwerwiegenden kognitiven, sensorischen als auch moto- rischen Defiziten einhergehen (vgl. ebd., S. 223).

Die Wissenschaft kann sich aber nicht erklären, warum manche Menschen in gu- ter geistiger Gesundheit alt werden, obwohl nach ihrem Tod massive Plaques im Gehirn aufzufinden sind (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 10).

In verschiedenen Untersuchungen wird deutlich, dass nicht einzelne Faktoren al- leine einen Ausbruch der Erkrankung bewirken. Multifaktorielles Geschehen mit genetischer Komponente ist wahrscheinlicher. Eine Schlüsselrolle dabei wird der Amyloid-Pathologie zugeschrieben. Die Forschung der letzten Jahre sagt, dass die pathologische Anhäufung von Amyloid in bestimmten Hirnregionen den primären pathologischen Prozess einleitet. Durch weitere Prozesse ist daraufhin eine globa- le Hirnatrophie beobachtbar (vgl. Maier 2008, S. 9-10).

Aufgabe der heutigen Wissenschaften wird zukünftig sein, neue Technologien in der biomedizinischen Forschung weiter zu entwickeln, um zukünftig Krankheits- entstehung voraussagen und für Erkrankte eine entsprechende „maßgeschneider- te“ Therapie entwickeln zu können. Faszinierende Möglichkeiten bietet dazu die Stammzellenforschung (vgl. Gruss 2007, S. 218-219).

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18 2.3 Formen der Demenz

Demenz leitet sich aus dem lateinischen Wort „dementia“ ab und bedeutet „ohne Verstand“. Demenz bezeichnet eine Gruppe von Krankheitsbildern, wobei nach und nach Funktionen des Gehirns wie das Gedächtnis, das Denken, die Orientie- rung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsfähigkeit verloren gehen. Das Bewusstsein ist dabei nicht getrübt, jedoch können sich Halluzinatio- nen einstellen. Zusätzlich hat es den Anschein, als ob sich die Persönlichkeit manchmal verändert. Vom heiteren Menschen bis hin zu Antriebslosigkeit und herausforderndem Verhalten, z.B. unkontrollierten Gefühlsausbrüchen, ist alles beobachtbar (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 9).

Demenz ist nach der allgemeinen anerkannten ICD-10-Klassifikation

„ein Syndrom als Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden Krankheit des Gehirns mit Störung vieler höherer kortikaler Funktionen, einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und Urteilsvermögen. Das Bewusstsein ist nicht getrübt. Die kognitiven Beeinträchtigungen werden gewöhnlich von Ver- änderungen der emotionalen Kontrolle, des Sozialverhaltens oder der Mo- tivation begleitet, gelegentlich treten diese auch eher auf. Dieses Syndrom kommt bei Alzheimer-Krankheit, (…) vor, die primär oder sekundär das Gehirn betreffen“ (Geichweit/ Rossa 2009, S. 3).

Bereits 1984 wurde von einer Arbeitsgruppe von Neurowissenschaftlern und Ärz- ten in den USA eine der anerkanntesten Definitionen erarbeitet:

„Demenz ist das Nachlassen des Gedächtnisses und anderer kognitiver Funktionen im Vergleich zu früheren Funktionsniveaus des Patienten, be- stimmt (…) durch Anomalien, die anhand der klinischen Untersuchung und neuropsychologischer Tests festgestellt werden.

(…) Demenz ist eine auf Verhalten beruhende Diagnose und kann nicht durch einen Gehirn-Scan, ein EEG oder andere Laborinstrumente be- stimmt werden, obwohl sich durch diese Mittel spezielle Ursachen der Demenz identifizieren lassen“ (Mc Khann et al. 1984 in Müller-Hergl 2008, S. 42).

Diese Definitionen sagen, dass ein deutlicher Hinweis besteht, dass die kognitiven Leistungen eines Menschen, betrachtet von einem früheren Niveau aus, gesunken sind (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 42).

Grundsätzlich wird zwischen primären und sekundären Demenzformen unter- schieden. Um eine primäre Demenz festzustellen, muss zuvor eine sekundäre Demenz ausgeschlossen werden (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 29).

(20)

19 Primäre Demenzen sind eindeutig mit einer Schädigung des Gehirngewebes in Zusammenhang zu bringen. Sekundäre Demenzen gehen mit anderen pathologi- schen Befunden oder physiologischen Störungen einher (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 42-43).

2.3.1 Primäre Demenzen

Primäre Demenzen lassen sich in degenerative und nicht degenerative Formen unterscheiden, wobei degenerative Formen im Vergleich zu nicht degenerativen Formen als fortschreitend gelten. Zu den degenerativen Demenzen zählt die so genannte Alzheimer-Krankheit, vaskuläre Demenz sowie Frontotemporale De- menz, Lewy-Körperchen-Demenz bzw. Demenz bei Morbus Parkinson. Diese machen in etwa 80 Prozent aller Demenzformen aus. Selten kommt die Demenz bei Chorea Huntington und Creutzfeld-Jacob-Erkrankung vor (vgl. Kastner/ Lö- bach 2010, S. 29).

Alzheimer-Krankheit

Drei Merkmale vom Alzheimer-Typus werden in der Pathologie beschrieben: Ers- tens gibt es einen allgemeinen Verlust von Neuronen und synaptischen Verbin- dungen bis zu 40%. Zweitens besteht eine globale Atrophie des Gehirns und drit- tens gibt es Anzeichen einer Zellstrukturdegeneration. Senile Plaques und Alz- heimer-Fibrillen sind nicht die einzigen Zeichen. Daher sprechen manche Autoren eben von der Lewy-Körperchen-Demenz oder Demenz bei Morbus Parkinson.

Möglicherweise ist die Demenz vom Typ Alzheimer demnach ein Oberbegriff, der verschiedene pathologische Prozesse abdeckt (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 44- 45).

Klinisch und epidemiologisch ist die Alzheimer-Demenz mit 60 bis 80 % die häu- figste Form der Demenz. Die präsenile Demenz tritt bereits vor dem 65. Lebens- jahr auf, darüber hinaus wird von einer senilen Demenz gesprochen, wobei die präsenile Demenz lediglich 5 % der gesamten Alzheimer-Demenzen ausmacht (Gleichweit/ Rossa 2009, S. 4).

Die Veränderungen im Gehirn bei der Alzheimer-Krankheit sind exakt beschrie- ben, jedoch hat die Ursachenforschung noch nicht den gewünschten Effekt ge- bracht (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 30).

(21)

20 Als Risikofaktor zur Entwicklung einer Alzheimer-Demenz gilt das Alter an sich, das Geschlecht (mehr Frauen als Männer), niedriges Bildungsniveau, genetische Faktoren, gewisse Vorerkrankungen wie Diabetes, Morbus Parkinson, Depression sowie Schädel-Hirn-Traumen als auch das Rauchen, Alkoholabusus und Fehler- nährung. Sie gilt als chronische Erkrankung, welche bis heute nicht heilbar ist (Gleichweit/ Rossa 2009, S. 5).

Der Symptomverlauf bei der Alzheimer Krankheit ist unverwechselbar und ty- pisch: Nach Störungen der Emotionen lässt die Merkfähigkeit, das Gedächtnis und folglich lassen die sprachlichen und motorischen Fähigkeiten des/der Betrof- fenen nach. Körperliche Symptome folgen wie Inkontinenz, Bewegungsstörung und auch die Nahrungsaufnahme wird zunehmend beeinträchtigt. Therapeutisch steht die Symptomreduktion und somit Progressionsverzögerung im Vordergrund (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 32).

Die Alzheimer-Erkrankung verläuft progressiv und führt zum Tod, wobei Aus- wirkungen und Dauer der Erkrankung stark differieren. Als Todesursachen wer- den letztendlich häufig Herz-Kreislauf-Versagen oder Infektionen sowie Folgen von mangelnder Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr beschrieben (Gleichweit/ Ros- sa 2009, S. 5).

Vaskuläre Demenz

Die vaskuläre Demenz steht im Zusammenhang mit einer verringerten Blutzufuhr in Bereichen des Gehirns und somit mit einer zerebrovaskulären Krankheit (vgl.

Müller-Hergl 2008, S. 45).

Risikofaktoren sind in erster Linie Bluthochdruck und auch Diabetes mellitus (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 33).

Durch Ablagerungen von Amyloid kann es zu Gefäßverschlüssen im Gehirn kommen, am häufigsten treten Schäden der grauen Hirnsubstanz auf. Treten win- zige Hirninfarkte auf, so spricht man von einer Multiinfarkt-Demenz. Diese lassen sich manchmal im Scan nachweisen. Der Schaden, der durch winzige Hirninfarkte generalisiert entsteht, ist dem Bild der Alzheimer-Krankheit ähnlich. Bei dieser Form bestehen meist allgemeine Probleme im Herz-Kreislauf-System. Die Gehir- ne mancher an Demenz verstorbener Menschen zeigen jedoch Merkmale des Alz- heimer-Typus als auch pathologische Veränderungen der Gefäße (vgl. Müller- Hergl 2008, S. 45).

(22)

21 Als Risikofaktor zur Entwicklung einer vaskulären Demenz gilt ebenso wie bei der Alzheimer-Demenz das Alter an sich und das Geschlecht (mehr Männer als Frauen). Ebenso bedeutet ein niedriges Bildungsniveau ein höheres Risiko für eine vaskuläre Demenz. Genetische Faktoren und Depressionen gelten ebenfalls als Risikofaktoren. Komorbiditäten wie Arteriosklerose mit ihren möglichen Zu- sammenhängen mit Diabetes und Hypertonie können dabei ebenfalls eine Rolle spielen (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 6).

Die vaskuläre Demenz beginnt plötzlich, hat einen stufenhaften Verlauf und steht im kausalen Zusammenhang mit einem kleineren oder größeren Hirninfarkt, der mit einer Ischämie der betroffenen Region einhergeht und zum Absterben von Gehirnzellen führt. Die kognitiven Veränderungen des Betroffenen sind meist von Dauer. Der stufenhafte Verlauf hängt mit weiteren ischämischen Ereignissen zu- sammen. Der Zustand des/der Betroffenen stabilisiert oder verbessert sich sogar häufig mit oder ohne Behandlung, jedoch kann sich der Zustand auch plötzlich wieder verschlechtern. Eine Unterscheidung der vaskulären Demenz von der Alz- heimer-Krankheit ist aufgrund der Symptomatik kaum möglich (vgl. Kastner/

Löbach 2010, S. 32).

Jedoch treten bei der vaskulären Demenz zusätzlich häufiger und oft früher neuro- logische Symptome wie Hemiplegien, Sprach- und Bewusstseinsstörungen, Schluckstörungen, Inkontinenz und Gangstörungen auf. Im Anfangsstadium kön- nen die kognitiven Fähigkeiten weitgehend erhalten bleiben, jedoch im Verlauf entwickelt sich das neurologische Krankheitsbild zum so genannten Demenzsyn- drom (vgl. Höwler in Matolycz 2011, S. 59).

Ist eine Demenz weit fortgeschritten, so lässt sich nicht mehr klar zwischen einer vaskulären Demenz und einer Alzheimer-Demenz unterscheiden – hier wird von einer Mischform gesprochen. Aufgrund einer höheren vaskulären Komplikations- rate wie Rezidiv-Schlaganfälle oder Herzinfarkte, scheint die Lebenserwartung bei einer vaskulären Demenz geringer zu sein als bei einer Alzheimer-Demenz (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 6-7).

Auch Kastner und Löbach schreiben, dass im fortgeschrittenen Stadium häufig von einer gemischten Form der Demenz gesprochen wird (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 33).

(23)

22 Frontotemporale Demenz

Die Frontotemporale Demenz betrifft den Bereich des Vorderhirnes. Die Ursa- chen von Veränderung des Vorderhirnes erstrecken sich über Durchblutungsstö- rungen, Hirntumore und Entzündungen. Es treten sehr früh psychische Verände- rungen auf. Es kommt zu deutlichen Verhaltensänderungen bzw. Verhaltensstö- rungen. Kognitive Symptome wie beispielsweise Gedächtnisstörungen treten zu Beginn der Erkrankung selten auf. Differenzialdiagnostisch muss zwischen einer möglichen Persönlichkeitsstörung, Psychose, Schizophrenie oder Depression un- terschieden werden. Nicht selten kommt es daher zur Fehldiagnostik, da diese Form der Demenz mit psychischen Störungen, Aggressivität und Enthemmung einhergeht. Sie fallen oft durch unangemessenes, stereotypes Verhalten, Distanz- losigkeit und mangelnde Krankheitseinsicht auf. Über- oder Fehleinschätzungen durch den/die Betroffene/n sind durch das meist gut erhaltene Gedächtnis nicht selten. Eine Unterform der Frontotemporalen Demenz bildet der Morbus Pick, der jedoch bereits in jungen Jahren auftritt und eine familiäre Häufung zeigt (vgl.

Kastner/ Löbach 2010, S. 35-37).

Lewy-Körperchen-Demenz

Die Lewy-Körperchen-Demenz ist dahingehend bedeutsam, als dass sie eine be- sondere Nähe zum Morbus Parkinson aufweist. Auch hier zeigen sich ähnlich wie bei der Alzheimer-Krankheit spezifische Veränderungen im Gehirn. Betroffene zeigen schon früh Parkinson-Symptome und stürzen häufig. Es zeigt sich dabei ein fluktuierender Verlauf, sie sind zeitweise unbeeinträchtigt, dann wiederum zeigen Betroffene ausgeprägte Symptome. Zusätzlich kommt es zu szenarischen und optischen Halluzinationen, die häufig mit Neuroleptika behandelt werden. Bei der Lewy-Körperchen-Demenz kommt es jedoch zu übersteigerten Nebenwirkun- gen aus dem Bereich der Parkinson-Symptomatik. Zu einer adäquaten Therapie stehen heute dahingehend nur wenige Erfahrungen zu Verfügung (vgl. ebd., S.

37).

2.3.2 Sekundäre Demenzen

Sekundäre Demenzen sind oft mit anderen pathologischen Befunden oder physio- logischen Störungen gekoppelt (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 43).

(24)

23 Diese werden durch nicht primär im Gehirn ablaufende Prozesse ausgelöst. Aus- löser können Medikamente, Alkohol oder Stoffwechselveränderungen sein. Bei unklaren Verläufen muss auch an Sonderformen gedacht werden, wie es bei Ver- giftungen oder parasitären Erkrankungen vorkommen kann (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 37-38).

Medikamentös bedingte Demenzen

Viele der Ursachen und somit der sekundären Demenzen sind behandelbar. Je- doch aufgrund vielfältiger Krankheitsbilder im Alter ist es oft nicht möglich, Me- dikamente, die möglicherweise demenzielle Veränderungen auslösen, abzusetzen.

So sind beispielsweise Benzodiazepine neben Analgetika die am häufigsten ein- gesetzten Präparate. Neben den Abhängigkeitsproblemen führen diese Präparate mehr oder weniger zu kognitiven Einschränkungen im Bereich der Konzentration und Aufmerksamkeit sowie der Reaktionsfähigkeit und der Merkfähigkeit. Be- sonderer Aufmerksamkeit bedarf es in der Schmerzbeurteilung und Schmerzbe- handlung von demenzkranken Menschen. Insbesondere können Opiate und nicht- steroide Antiphlogistika für akute Verwirrtheitssymptome verantwortlich gemacht werden. Bei kognitiven Beeinträchtigungen von Schmerzpatienten ist in erster Linie immer an eine Medikamentennebenwirkung zu denken. Im Unterschied zu einer primären Demenz zeigen diese Patient/inn/en keinen progressiven Verlauf.

Ziel bleibt jedoch die Vermeidung einer Polypharmazie oder einer unnötigen Me- dikamentengabe. Multiprofessionelle Zusammenarbeit von verschiedenen Fach- disziplinen der Medizin ist unumgänglich (vgl. ebd., S. 37-41).

Alkoholdemenzen

Aufgrund von chronischem Alkoholkonsum kann es durch Mangel an Vitamin B1 (Thiamin) zum Auftreten des Wernicke-Korsakow-Syndrom kommen, dieses Syndrom wird wiederum in zwei Teilbereiche gegliedert: Die Symptome der Wernicke-Enzephalopathie erstrecken sich über Augenmuskellähmungen, Desori- entiertheit, Bewusstseinsstörungen sowie Sprech- oder Schluckstörungen und A- taxie. Beim Korsakow-Syndrom hingegen kommt es vordergründig zu retrograder Amnesie, Konfabulationen und Desorientiertheit. Diese Syndrome können auch kombiniert auftreten und mit Vitamin B1 erfolgreich behandelt werden; jedoch bei unzureichender Behandlung und langjährigem Alkoholkonsum kann das Kor-

(25)

24 sakow-Syndrom chronisch verlaufen oder auch tödlich enden. Bei Alkoholde- menzen kann es aufgrund toxischer Wirkung des Alkohols zu kognitiven Störun- gen kommen. Es zeigen sich Störungen der Handlungsausführungen und der Pla- nung. Meist gibt es eine Suchtvorgeschichte, Betroffene sind in der Regel jüngere Menschen (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 41).

Stoffwechselbedingte Demenzformen

Im Zusammenhang mit stoffwechselbedingten Demenzformen sind vor allem hy- per- und hypoglykämische Zustände sowie Schilddrüsenerkrankungen und auch andere Endokrinopathien sowie Vitamin-Mangel-Erkrankungen und chronische Leber- und Nierenerkrankungen zu nennen (vgl. ebd., S. 41).

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die primären Formen am häufigsten auftreten und zwischen degenerativen und vaskulären Veränderungen zu unterscheiden ist.

Zur degenerativen Demenz zählt in erster Linie die Alzheimer-Krankheit oder auch „senile oder präsenile Demenz“ bzw. „Morbus Alzheimer“ oder „Demenz des Alzheimer-Typs“ genannt. Die Erkrankung beginnt schleichend und schreitet langsam voran. Die vaskuläre Demenz wird auch als „Arteriosklerotische De- menz“ bzw. „Multi-Infarkt-Demenz“ bezeichnet. Dabei handelt es sich um eine Hirnleistungsstörung aufgrund von Mangeldurchblutung oder Gefäßerkrankungen (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 95-97).

Die Vaskuläre Demenz tritt meist plötzlich auf, der Verlauf obliegt keiner Regel- mäßigkeit, sie ist durch einen schritt- und schubweisen Verlauf gekennzeichnet (vgl. Matolycz 2011, S. 56).

Bei der sekundären Demenz ist der geistige Verfall Folge einer anderen organi- schen Erkrankung, wie zum Beispiel bei Hirnverletzungen, Hirntumoren oder einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Ebenfalls können verschiedene Arzneistoffe und Gifte wie beispielsweise Alkohol, Drogen oder Schwermetallbelastung zur vorübergehenden Demenz (reversible Form) führen (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 37).

(26)

25 2.4 Diagnostik der Demenz

Die Diagnose Demenz zu stellen ist eine schwierige Aufgabe und die Diagnose ist nie eindeutig. Bereits innerhalb der primär degenerativen Demenz gibt es hin- sichtlich der Differentialdiagnostik viele Schwierigkeiten (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 49).

In Bezug auf eine Alzheimer-Erkrankung ist eine differenzialdiagnostische Abklä- rung besonders wichtig, da es sich um eine Ausschlussdiagnose handelt. Nach Möller (2001) in Maier 2008, müssen somatische Erkrankungen wie z. B. Delir, Depressionen, vaskuläre Demenzen, Demenzen bei Morbus Parkinson, Lewy- Körper-Krankheit, die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung, die progressive Paralyse durch die Lues-Serologie, das Korsakow-Syndrom, das Morbus Pick und der Normaldruck-Hydrozephalus abgegrenzt werden. Zusätzlich sind leichte kogniti- ve Störungen ebenfalls von einer Demenzerkrankung abzugrenzen. Daher muss im Rahmen der Diagnosestellung gewissenhaft und ganzheitlich gearbeitet wer- den (vgl. Maier 2008, S. 19-20).

Ein Fortschritt wurde im Erkennen von Multiinfarkterkrankungen erzielt. Allge- meine Verfahren wie der Einsatz von Scans zur Unterstützung der Diagnostik vom Alzheimer-Typus stehen erst am Anfang der Entwicklung (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 50).

Die Diagnostik erfolgt durch eine gründliche Anamnese des/der Betroffenen so- wie durch eine Fremdanamnese der Angehörigen. Neben internistischer und neu- rologischer Untersuchungen kommen bildgebende Verfahren des Gehirns wie Computertomographie und Magnetresonanztherapie als Ausschlussverfahren zum Einsatz. Dazu gehören Basis-Laboruntersuchungen und eventuell Biomarker. Ne- ben den Einschränkungen des Denkvermögens werden vor allem psychische Stö- rungen und Verhaltensänderungen erfasst. Auch das Ausmaß der Alltagsein- schränkungen sowie die Belastung der Angehörigen werden festgestellt (vgl.

Kastner/Löbach 2010, S. 45-46).

Um psychische Störungen festzustellen, steht heute eine Vielzahl an psychologi- schen Methoden zur Verfügung. Eine grobe Schätzung des Leistungsvermögens zu einem bestimmten Zeitpunkt wird durch den Mini-Mental-Status nach Folstein et al., 1975 erzielt. Zu bemerken ist, dass dieses Verfahren keine Möglichkeit bie-

(27)

26 tet, die früheren Niveaus der Person in Bezug auf Erziehung und Fertigkeiten zu testen (vgl. Müller-Hergl 2008, S. 49).

Im Rahmen des Mini-Mental-Status Test (MMS) nach Folstein werden Fragen nach der zeitlichen und örtlichen Orientierung gestellt. In Bezug auf Merkfähig- keit und Aufmerksamkeit werden drei unterschiedliche Begriffe von der Testper- son nachgesprochen, bis zu fünfmal wiederholt mit dem Ziel, dass der entspre- chende Begriff gemerkt wird (vgl. Grond 2009, S. 26).

Um die Aufmerksamkeit und Rechenfähigkeit zu testen, werden von 100 immer sieben abgezogen, jeder richtige Schritt ergibt dabei einen Punkt. Um die Erinne- rungsfähigkeit zu testen, werden die vorhin genannten drei Begriffe wiederholt und bepunktet (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 47).

Danach werden Sprache und andere Funktionen getestet, indem Begriffe wie Armbanduhr und Bleistift nach der Frage „Was ist das?“ benannt werden sollen.

Danach soll die Testperson einen einfachen Satz nachsprechen, z.B. „Sie leiht ihm kein Geld.“ Danach soll ein dreiteiliger Befehl ausgeführt werden. Beispiel:

„Nehmen Sie ein Blatt Papier in die Hand, falten Sie dieses in der Mitte und legen Sie es auf den Boden.“ Sodann wird eine schriftliche Anweisung vorgelesen und befolgt, z.B. „Schließen Sie die Augen.“ Danach folgt das Schreiben eines voll- ständigen Satzes und abschließend das Nachzeichnen einer geometrischen Figur.

Die einzelnen Punkte werden zusammen gezählt und bewertet. Dabei beträgt die maximale Punktezahl 30. Erreicht die Testperson 30 bis 28 Punkte, so bedeutet dies, nicht dement zu sein. Unter 24 Punkte besteht ein Verdacht der Demenz und unter 14 Punkte bedeutet, an einer schweren Demenz zu leiden (vgl. Grond 2009, S. 26-27).

Kastner und Löbach geben beim gleichen Testverfahren ähnliche Bewertungspa- rameter an. Sie sprechen von einer schweren Demenz erst unter neun Punkten, von einer erheblichen Demenz unter 16 Punkten, von einer Demenz von 16 bis 21 Punkten. Von 22 bis 24 Punkte wird eine mäßige Demenz eingestuft. Erreicht die Testperson 25 Punkte und mehr, so ist keine Demenz vorhanden (vgl. Kastner/

Löbach 2010, S. 48).

Ein weiteres gängiges Testverfahren stellt der Uhrentest dar. Hier soll die Testper- son in einen vorgezeichneten Kreis das Ziffernblatt einer Uhr und infolge eine vorgegebene Uhrzeit einzeichnen (vgl. Grond 2009, S. 27).

(28)

27 Dabei werden nicht nur die räumliche Konstruktionsfähigkeit durch Zuordnung entsprechender Zahlen im Uhrzeigersinn getestet, sondern auch das logische und abstrakte Denken sowie die Kritikfähigkeit. Schon im frühen Stadium einer Alz- heimer-Demenz gelingt die Zuordnung der Zeiger nur schwer, aber letztendlich doch. Im mittleren Stadium gelingt es nur mehr unter größter Anstrengung und Schwierigkeiten, später gar nicht mehr. Es ist zu beachten, dass die Ausprägung der Demenz im Uhrentest nicht mit den Stadien der Demenz korreliert. Eine ge- naue Aussage über die Gedächtnisleistung kann damit ähnlich dem MMS Test nach Folstein nicht getroffen werden (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 48-49).

Jedoch lassen sich Defizite im Bereich der visuell-räumlichen Wahrnehmung be- reits durch unregelmäßige Abstände der Zeigerdarstellung erkennen. Wenn Zif- fern fehlen oder zusätzlich Zahlen eingeschrieben werden, Zeiger fehlen oder falsch eingezeichnet werden, ist auf erhebliche Orientierungsprobleme zu schlie- ßen (vgl. Payk 2010, S. 30).

Da der Mini-Mental-Test nach Folstein und der Uhrentest die gängigsten psycho- logischen Testungen sind, beschränkt sich diese Arbeit lediglich auf diese Verfah- ren.

Im folgenden Kapitel werden die Stadien der Demenz nach Schweregraden darge- stellt, wobei jedes Stadium durch die genannten psychologischen Testungen un- termauert werden soll. Da die Demenz von Alzheimer-Typ die am häufigsten an- zutreffende Demenzform ist, wird der Verlauf anhand der Alzheimer-Krankheit beschrieben. Vorweg muss die normale Altersvergesslichkeit von einer beginnen- den Alzheimer-Demenz unterschieden werden.

2.5 Schweregrade der Demenz

Erste Anzeichen von demenziellen Veränderungen werden oft nicht wahrgenom- men und somit bagatellisiert. Beginnende Symptome werden gerne dem „norma- len“ Alterungsprozess zugeschrieben. Erst bei zunehmenden Beschwerden wird die Möglichkeit einer krankhaften Störung in Betracht gezogen. Beeinträchtigun- gen sind meist vor der Diagnosestellung bereits manifest (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 7).

(29)

28 Nicht zuletzt durch die immense Reizüberflutung der Menschen in den Industrie- gesellschaften der heutigen Zeit wird unser mentales Fassungsvermögen oft auf eine harte Probe gestellt, sodass die Grenze zwischen normaler Altersvergesslich- keit und beginnender Demenz zusätzlich verschwimmt (vgl. Payk 2010, S. 22).

Daher ist es wesentlich, dass zwischen normalem Altern und beginnender De- menz eine Abgrenzung erfolgt. Normal alternde Menschen vergessen gelegentlich Neues, da sie dies möglicherweise als unwichtig einstufen. Sie verlegen Sachen an jedoch üblichen Orten, lernen schwer unter Zeitdruck, haben Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und sind etwas verlangsamt. Der Antrieb sowie die emotio- nale Kontrolle und das soziale Verhalten sind jedoch nicht auffällig. Dauerstress, Infektionen, postoperative Störungen und auch Depressionen können Ursache dafür sein. Da Demenzkranke und depressive alte Menschen oft ähnliche Sym- ptome aufweisen, ist es wichtig, auf die Unterscheidung dieser Krankheitsbilder besonders Acht zu geben (vgl. Grond 2009, S. 29-30).

Der Beginn einer Alzheimer-Demenz ist schleichend, es gibt jedoch Unterschiede in der Art und dem Ausmaß der beginnenden Vergesslichkeit. Das Datum oder den Wochentag zu vergessen ist bei monotonen Tagesabläufen eines alten Men- schen nichts Außergewöhnliches. Gegenstände liegen zu lassen oder diese zu ver- gessen ist in stressigen Zeiten als normal anzusehen. Alte Menschen sorgen sich, wenn bestimmte Worte oder Begriffe entfallen, auch diese Art des Vergessens ist an sich der normalen Altersvergesslichkeit zuzuordnen. Sie können sich genauso irren oder täuschen, bemerken aber, dass sie sich geirrt oder getäuscht haben. Hel- fen jedoch keine Notizzettel oder Gedächtnisstützen und werden Dinge verlegt oder vergessen, auf denen der Mensch im Normalfall besonders achtet, dann soll- ten Betroffene und Angehörige reagieren (vgl. Matolycz 2011, S. 56-57).

Mediziner sprechen bei Auftreten solcher Auffälligkeiten von „leichter kognitiver Beeinträchtigung“, wobei dieser Zustand häufig in eine Demenz, meist vom Typ Alzheimer mündet (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/ Klingholz 2011, S. 11).

Demenzerkrankte hingegen vergessen häufig Neues und Altes, selbst Wichtiges.

Sie verlegen Dinge an unüblichen Plätzen, können Neues kaum noch lernen, da sie sich nicht länger als zehn Minuten konzentrieren können. Sie haben Schwie- rigkeiten im Planen und Organisieren (vgl. Grond 2009, S. 29).

(30)

29 Das US-amerikanische Nationalinstitut für Altersforschung hat Hinweise für mög- liche beginnende Alzheimer-Krankheit folgendermaßen beschrieben:

1. Auch nach einer Antwort wird dieselbe Frage noch einmal gestellt.

2. es wird mehrfach dieselbe Geschichte erzählt,

3. alltägliche Verrichtungen wie Kochen, Putzen oder die Bedienung von Küchengeräten fallen schwer oder sind nicht mehr möglich,

4. ein vernünftiger Umgang mit Geld, Schriftverkehr oder Behörden ist nicht mehr möglich,

5. auch bekannte Gegenstände werden nicht mehr wieder gefunden bzw. ver- legt,

6. Körperpflege und Äußeres werden vernachlässigt,

7. auf eine bestimmte Frage wird dieselbe Frage als Antwort wiedergegeben (Payk 2010, S. 23).

Menschen können sich in fremden Umgebungen verlaufen. Im Zusammenhang mit demenzieller Veränderung weiß jedoch eine erkrankte Person nicht, wie er/sie dort hingekommen ist bzw. findet den Weg nicht mehr zurück (vgl. Matolycz 2011, S. 56-57).

Werden Schlüssel und Schlüsselbund an unsinnigen Plätzen wie dem Kühlschrank oder dem Backrohr deponiert oder vertraute Gegenstände, Personen oder Orte nicht erkannt, werden Füll- und Ersatzwörter verwendet, um sich auszudrücken, sollte ein Arzt zur Abklärung aufgesucht werden (vgl. Sütterlin/ Hoßmann/

Klingholz 2011, S. 11).

Zahlreiche Autoren haben das Krankheitsbild Demenz selbst eingeteilt bzw. klas- sifiziert. Gängig ist eine Einteilung in drei Stufen: leichte, mittlere und schwere Demenz (vgl. Gleichweit/ Rossa 2009, S. 7-8).

Stadien und ihre Symptome werden jedoch der Einzigartigkeit jedes Menschen nicht immer gerecht. So spricht Kuhn und Verity vom Frühstadium, mittleres Sta- dium und Spätstadium (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 18).

2.5.1 Leichte Demenz

Im Anfangsstadium bzw. frühen Stadium kommen Betroffene in ihrem Alltag noch gut zurecht. Sie führen ein weitgehend unabhängiges Leben, sie kommuni- zieren wie gewohnt deutlich mit Worten und Sätzen. Jedoch sind sie vergesslicher als sonst und es fällt auf, dass sie Dinge verlegen und sich nicht erinnern können.

(31)

30 Aufgrund der Abnahme der Denkfertigkeiten fällt es schwerer als früher, Proble- me zu lösen (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 18).

Die Betroffenen erleben ihre Gedächtnisschwäche als lästig, sie klagen über ihre Vergesslichkeit und ärgern sich, wenn gängige Namen, bekannte Daten, ja sogar Termine vergessen werden. Sie sind frustriert, wenn sie Dinge des täglichen Ge- brauchs an vermeintlichen Plätzen nicht auffinden können, sie kaschieren ihre Erinnerungslücken durch nichtssagende Floskeln. Somit werden nicht selten ande- re Personen des Diebstahls verdächtigt oder gar beschuldigt, wenn Gegenstände oder persönlich wertvolle Dinge nicht gefunden werden (vgl. Payk 2010, S. 23- 24).

Daraus resultieren Wahnideen. Verarmungsideen und Bestehlungswahn sind mög- lich. Dieses Stadium ist generell gekennzeichnet durch Lustlosigkeit, Freudlosig- keit, Schuldgefühle, Verunsicherung und Desinteresse. Antriebsstörungen, ver- minderte Motivation und reduzierte Produktivität führen zur verminderten Leis- tungsfähigkeit und zu sozialem Rückzug (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 98).

Das Verdrängen der ersten kognitiven Auffälligkeiten kann zur Unterlassung ge- wohnter Tätigkeiten und auch Hobbys führen (vgl. Matolycz 2011, S. 58).

Konkret äußert sich das Frühstadium der Demenz durch Wiederholen von glei- chen Fragen z.B. an welchem Tag oder wann die nächste Mahlzeit vorgesehen ist.

Durch das Erfinden von Geschichten vermeidet die betroffene Person zu lügen und versucht eine Fassade aufzubauen, um den Gedächtnisausfall zu kompensie- ren. Wird die Brille nicht gefunden, werden andere beschuldigt. Sie machen somit andere für ihre Gedächtnislücken verantwortlich. Auf direkte Fragen äußern sie Irritationen durch verärgerte Aussagen wie z.B. „Das geht Sie nichts an!“ und kompensieren somit Fertigkeiten des Gedächtnisses und des Denkens. In peinli- chen Situationen reagieren Betroffene oft kreativ, indem sie versuchen, gewitzt zu antworten, z.B. „Die Brille muss ein neues Zuhause gefunden haben.“ Um die Kontrolle über gewisse Situationen aufrecht zu halten, schreien beispielsweise Betroffene andere Menschen an, wenn diese auf „seinem/ihrem Sessel sitzen“

(vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 19).

Den Angehörigen fallen erste Fehlhandlungen bei komplexeren Aufgaben auf. Es fällt auf, dass Betroffene Schwierigkeiten beim Kochen haben, beim Bedienen des Herdes oder anderer Geräte. Diese Menschen sind mit dem Alltag überfordert.

Lebensmittel verderben im Kühlschrank, es wird wiederholt Gleiches eingekauft,

(32)

31 oder Einkäufe werden generell vermieden und Rechnungen bleiben unerledigt.

Angehörige beklagen sich, dass einerseits Wortfindungsstörungen auffallen, ande- rerseits Inhalte und Gegebenheiten aus längst vergangener Zeit klar präsent sind, ja sogar verschärft erinnert werden. Die Betroffenen fühlen sich anscheinend in der Vergangenheit sicher, das ständige Erzählen aus dieser Zeit wird für Angehö- rige zur Belastungsprobe. In der häuslichen Pflege sind Pflegekräfte verstärkt mit den Problemen der Angehörigen konfrontiert (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 26- 27).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Gedächtnis in dieser Phase be- einträchtigt ist, wobei neue Informationen erschwert gespeichert und abgerufen werden können. Das Orientierungsvermögen ist in erster Linie in der fremden Umgebung gestört. Visuell-räumliche Fähigkeiten nehmen ab, Abbildungen wer- den fehlerhaft interpretiert und räumliche Verhältnisse falsch eingeschätzt. Wort- findungsstörungen äußern sich durch Reduzierung des Wortschatzes, das Urtei- lungsvermögen ist zusehends eingeschränkt, sodass Schwierigkeiten in der Durch- führung von praktischen Aufgaben bestehen. Nichtkognitive Symptome kommen hinzu, wie Gleichgültigkeit, Unruhe und depressive Verstimmtheit sowie Stim- mungsschwankungen. Jedoch die Motorik ist nicht verändert. Eine selbstständige Lebensführung ist weitgehend erhalten (vgl. Maier 2008, S. 13)

Da es jedoch zu Schwierigkeiten im Alltag kommen kann, ist der Unterstützungs- und Betreuungsbedarf zu eruieren. Diese Ergebnisse sind laufend zu evaluieren, da die beginnende Erkrankung zur kontinuierlichen Abnahme der Leistungsfähig- keit führt und es so zur Einschränkung oder zum Versagen im Alltag kommen kann. Begleitend sind diese Ergebnisse durch neuropsychologische Tests zu un- termauern (Mini Mental Status Test nach Folstein - MMS 30 – 32 Punkte) (vgl.

Steidl/ Nigg 2011, S. 98).

2.5.2 Mittelschwere Demenz

Im mittleren bzw. mittelschweren Stadium, auch Verwirrtheitsstadium genannt, sind Betroffene auf kurze Zeit zurückliegende Ereignisse zusehends vergesslich, leiden unter rascher Verwirrtheit und haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 20).

(33)

32 Aufregungen, Angstzustände und depressive Verstimmtheit nehmen ab, da durch das Fortschreiten der demenziellen Veränderung auch die Gefühlswelt verarmt.

Die Wahrnehmungs- und Beurteilungsfähigkeit und Anteilnahme verringert sich.

Einfachste Alltagsaufgaben und elementare Fertigkeiten gehen verloren, sämtliche Bewegungsabläufe sind zunehmend unkoordiniert, reflexhaft und nicht zielgerich- tet. Fremde Personen und auch nächste Angehörige werden nicht erkannt. Daraus resultieren Ratlosigkeit, Verstörtheit, Unruhe bis hin zu aggressiven Reaktionen.

Normale Kommunikation ist nicht mehr möglich. Antworten beschränken sich auf Wortfetzen oder einzelne Silben, welche oft keinen Zusammenhang ergeben (vgl.

Payk 2010, S. 25-26).

Kognitive Defizitsymptome wie Amnesie (Unfähigkeit sich zu erinnern), Aphasie (Unfähigkeit zu sprechen), Agnosie (Unfähigkeit Personen oder Gegenstände zu erkennen) und Apraxie (Unfähigkeit zu bestimmten Bewegungsfolgen) zählen in diesem Stadium zu den Leitsymptomen. Zeitliche, örtliche und situative Desorien- tierung zählen ebenso dazu. Es können nur einfachste Tätigkeiten beibehalten werden, komplexe Tätigkeiten werden unangemessen und unvollständig ausge- führt. Verhaltensstörungen wie Depression und Angst, Wahnvorstellungen und psychomotorische Unruhe, Agitation und Enthemmung sind an der Tagesordnung.

Es kommt zu einer Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus sowie zu ständiger Unruhe und Weglauftendenz (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

Zwischenzeitlich verspüren betroffene Menschen, dass etwas nicht stimmt, ohne dies weiter einordnen zu können. Schon allein daraus reagieren sie mit depressiver Verstimmung bis hin zur Verzweiflung (vgl. Matolycz 2011, S. 58).

Konkret äußert sich das mittlere Stadium der Demenz, indem sie Probleme mit Worten kompensieren. Sie sagen zum Beispiel statt Regenschirm „Regenstock“

oder das Wort Salz wird durch „Zucker“ ersetzt. Die betroffene Person sitzt zum Beispiel da und starrt nur auf einen Gegenstand oder ein Spiel, welches vor den Augen steht, weil sie jegliche Initiative verloren hat, eine Tätigkeit durchzufüh- ren. Durch gut gemeinte Absichten Dritter, beispielsweise die Unterstützung im Bad, werden Betroffene zusätzlich agitiert und verwirrt. Die örtliche Desorientie- rung zeigt sich, indem sie ihr eigenes Zimmer nicht mehr finden. Sie glauben, die verstorbene Mutter oder der Vater sei noch am Leben, halten die eigene Tochter für die Schwester und bringen so die Generationen durcheinander. Die Fähigkeit

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33 zur eigenen Körperpflege geht verloren, da sie Abhandlungen nicht zuordnen können (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 20).

In dieser mittelschweren Phase treten somit Verhaltensänderungen auf, die den Alltag stören. Durch die verstärkte Unruhe wandern Betroffene im Haus herum oder auch außerhalb der eigenen Wohnung. Diese Unruhe weitet sich auch nachts aus. Schlafphasen tagsüber kompensieren die nächtliche Unruhe. Die Erinnerung an das Elternhaus führt zum verstärkten Weglaufen oder, anders ausgedrückt, zum Hinlaufen in die alte Heimat. Dieses Verhalten löst Konflikte zwischen Angehöri- gen und Betroffenen aus. Familienmitglieder sind dadurch vielfach überlastet.

Durch die Orientierungsstörung tritt zusätzlich eine kognitive Inkontinenz auf.

Betroffene erreichen die Toilette nicht rechtzeitig oder benutzen irrtümlich Müll- eimer oder auch Stühle (vgl. Kastner/ Löbach 2010, S. 27).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass eine schwere Störung des Kurzzeit- gedächtnisses auftritt. Erinnerungen gehen verloren, örtliche Orientierungsstörun- gen treten in vertrauter Umgebung auf. Engste Angehörige werden nicht mehr erkannt. Eine optische Apraxie sowie eine Akalkulie (Unfähigkeit zum Rechnen) können beobachtet werden. Der sprachliche Ausdruck sowie das Sprachverständ- nis sind beeinträchtigt. Dies zeigt sich durch eine floskelhafte Sprache sowie Pa- raphasien, sie verlieren zunehmend die Fähigkeit zu lesen und zu schreiben. Die Störung des Urteilsvermögens zeigt sich dadurch, dass Zusammenhänge nicht mehr erkannt werden. Als nichtkognitive Symptome kommen Unruhe, Aggressi- vität, Wahnphänomene, Angstzustände und Sinnestäuschungen hinzu. Motorische Unruhe und Umherwandern im Zusammenhang mit einer Tag-Nacht-Umkehr sind zu beobachten. Als körperliches Symptom kommt die Harninkontinenz hinzu (vgl. Maier 2008, S. 13).

Da Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit stark begrenzt sind, ist wiederum der Unterstützungs- und Betreuungsbedarf zu eruieren. Da kognitive Defizitsym- ptome vermehrt auftreten, ist eine Unterstützung durch Hilfs- und Fachpersonal erforderlich. Die Betroffenen sind zusehends auf fremde Hilfe angewiesen und können kein unabhängiges Leben mehr führen. Begleitend sind auch in diesem Stadium die Erhebungen des Pflegebedarfes durch neuropsychologische Tests zu untermauern (Mini Mental Status Test nach Folstein - MMS 20 - 11 Punkte) (vgl.

Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

(35)

34 2.5.3 Schwere Demenz

Im Spätstadium, auch Hilflosigkeitsstadium genannt, sind die Symptome der De- menz meist stark ausgeprägt. In grundlegenden Aktivitäten aller Belange sind Betroffene auf Hilfe und Pflege angewiesen (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 21).

Während die frühere geistige Lebendigkeit und gemütsmäßige Vielfalt immer mehr schwinden, reduziert sich der/die Betroffene auf den Überlebenskern der Persönlichkeit. Ausdruck und Äußerungen ähneln immer mehr der Kindheit. Der Verstand gibt keinerlei sinnvolle Überlegungen und Handlungen frei, die Betrof- fenen sind auf volle Unterstützung und Pflege rund um die Uhr angewiesen (vgl.

Payk 2010, S. 26).

In diesem Stadium ist nicht nur das Kurzzeitgedächtnis, sondern auch das Lang- zeitgedächtnis betroffen, es wird vom Gedächtnisverfall gesprochen. Verbal ist keine sinnvolle Kommunikation mehr möglich, es wird vom Sprachverfall ge- sprochen. Angehörige werden nicht erkannt. Betroffene sind zusehends apathisch, somnolent, ziehen sich zurück, isolieren sich in ihre eigene Welt in eine Art Dämmerzustand. Unruhe, Nesteln und Schreien stehen an der Tagesordnung. (vgl.

Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

Zusätzlich können Bewegungsstörungen und unkontrollierte Bewegungen und Reflexe auftreten. Das Schreien oder Rufen passiert unkontrolliert, das Wiederho- len von Silben kann beobachtet werden. Auch Halluzinationen und Affektlabilität sind Teil dieses Stadiums (vgl. Matolycz 2011, S. 58).

Ebenfalls ist der Tag-Nacht-Rhythmus gestört. Zusätzlich treten durch Ernäh- rungsstörungen und Schluckprobleme Erkrankungen wie Pneumonie und Harn- wegsinfekte auf (vgl. Steidl/ Nigg 2011, S. 99).

In diesem Spätstadium geschieht Kommunikation durch Körpersprache. Worte werden durch Laute und Handlungen ersetzt, indem z.B. die Hände bewegt wer- den, um zu signalisieren, dass sie nicht weiter essen wollen. Körperkontakt und die emotionale Bindung gewinnen immer mehr an Bedeutung (vgl. Kastner/ Lö- bach 2010, S. 28).

Betroffene leben in ihrer eigenen Welt. Dies kann sich durch eigenartige Hand- lungen zeigen, wie z.B. Sessel im Essraum umzustellen, um noch einmal eine vergangene Zeit zu erleben, in der die alte Dame vielleicht zu Hause Verantwor- tung trug. Zur Befriedigung emotionaler Bedürfnisse dienen Gegenstände oder

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