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Curriculumsanalyse der Pflegehilfe

3.2 Curriculumsanalyse auf demenzsensible Inhalte

3.2.2 Curriculumsanalyse der Pflegehilfe

Im Folgenden wird in kurzer Form das Curriculum der Pflegehilfe betrachtet.

Im Curriculum für die Pflegehilfe des ÖBIG 2004 ist festgehalten, dass die Aus-zubildenden dazu befähigt werden sollen, alte Menschen unter Einhaltung des Berufsbildes umfassend betreuen und pflegen zu können. Als Grundlage für die Pflege von alten Menschen dient das Fach der Gerontologie, Geriatrie und Geron-topsychiatrie. Die Pflege von alten Menschen baut auf die Gesundheits- und Krankenpflege auf und wird mit anderen Unterrichtsfächern wie Palliativpflege und Hauskrankenpflege vernetzt. Inhaltlich empfiehlt das Curriculum, sich an das Pflegemodell der fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel anzulehnen (vgl. ÖBIG 2004, S. 35).

Die formulierten Lernziele im Curriculum der Pflegehilfe bauen auf Schwer-punktthemen wie die allgemeinen Grundlagen und Bedürfnisse alter Menschen und die Aktivitäten und existenziellen Erfahrungen des Lebens (AEDL) nach dem Pflegemodell von Monika Krohwinkel auf. Als Themenschwerpunkte findet man im Curriculum Pflegehilfe in den allgemeinen Grundlagen auch theoretische An-sätze und Betreuungskonzepte wie das Psychobiografische Modell nach Böhm, AEDL-Strukturmodell, fördernde Prozesspflege nach Monika Krohwinkel, Über-gangspflege nach Böhm, Validation nach Naomi Feil, Milieugestaltung und Reali-tätsorientierung. Die folgenden Themenschwerpunkte orientieren sich an Bedürf-nissen alter Menschen im Bereich der AEDL: kommunizieren, sich bewegen, vita-le Funktionen des Lebens aufrecht erhalten, sich pfvita-legen, essen und trinken, aus-scheiden, sich kleiden, ruhen und schlafen, sich beschäftigen, sich als Mann oder Frau fühlen und verhalten, für eine sichere Umgebung sorgen, soziale Bereich des Lebens sichern sowie mit existentiellen Erfahrungen des Lebens umgehen (vgl.

ebd., S. 36-43).

54 Für das Unterrichtsfach der Gerontologie, Geriatrie und Gerontopsychiatrie sieht das Curriculum Pflegehilfe 30 Unterrichtseinheiten vor, wobei vernetzende Unter-richtsfächer nachzulesen sind (vgl. ÖBIG 2004, S. 99).

Neben den Begriffserklärungen zählen altersbedingte, psychische Veränderungen mit den Schwerpunkten der Veränderungen der psychischen Leistungsfähigkeit bei gesunden alten Menschen, Desorientiertheit und Schweregrade sowie Ver-laufsformen zu den Lehrinhalten, welche so wie in der Ausbildung zum gehobe-nen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege laut GuKG Ausbildungsverord-nung großteils von Lehrer/innen für Gesundheits- und Krankenpflege mit psychi-atrischem Diplom für Gesundheits- und Krankenpflege unterrichtet werden. Psy-chische Auffälligkeiten und Behinderungen im Rahmen von psyPsy-chischen Störun-gen im höheren Alter mit den Schwerpunkten Delir, Demenz, Depression, wahn-haftes und halluzinatorisches Verhalten sowie Suizidalität und Sucht zählen zu weiteren Schwerpunkten der Ausbildung zur Pflegehilfe. Das Curriculum sieht vor, in diesem Unterrichtsfach auf somatische/neurologische Krankheitsbilder wie Morbus Parkinson, Apoplexie, Multiple Sklerose, Apallisches Syndrom und Herz-insuffizienz einzugehen (vgl. ebd., S. 99-101).

Die beste Theorie hilft nicht, wenn sie nicht umgesetzt werden kann oder wird.

Der Erwerb demenzspezifischer Kenntnisse passiert vordergründig in der theoreti-schen Ausbildung, muss vertiefend jedoch auch in der berufsspezifitheoreti-schen Praxis auf den jeweiligen Stationen erfolgen. Da in Österreich keine aktuelle Untersu-chung über tatsächlich erworbene und umsetzbare Kompetenzen im Umgang mit demenzerkrankten Menschen zu finden ist, werden im Anschluss die zwei gesich-teten deutschen Studien, welche sich mit Curricula, der Ausbildungssituation und den erworbenen und umsetzbaren Kompetenzen bezüglich demenzsensibler, nicht medikamentöser Konzepte beschäftigen, näher betrachtet und deren Ergebnisse dargestellt.

55 3.3 Studienergebnisse zur Vermittlung demenzspezifischer Themen

Wällisch, Lehrer für Gesundheits- und Krankenpflege mit Diplom Medizinpäda-gogik, und Wulff, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Medizinische Soziologie an der Charite-Universitätsmedizin in Berlin, führten im Rahmen ihrer Studie eine Curriculumsanalyse zweier Schulen in Deutschland, genannt Schule 1 und Schule 2, zum Themenkomplex Demenz durch. Dazu bemerkten sie, dass es in Deutschland unterschiedliche Curricula der Gesundheits- und Krankenpflege gibt. Die Autoren stellten fest, dass diese Thematik in beiden Schulen ausschließ-lich schon im ersten Ausbildungsjahr mit ledigausschließ-lich 29 bzw. 30 Unterrichtseinhei-ten (a 45 min.) abgehandelt wird. Obwohl alle BefragUnterrichtseinhei-ten ähnliche Ergebnisse lie-ferten, stellten sie fest, dass das Curriculum der Schule 1 wesentlich minimalisti-scher als das der Schule 2 bezüglich des Unterrichtsgegenstandes im theoretischen Unterricht konzipiert ist. Durch die Analyse wurde deutlich, dass in der Beschrei-bung des Krankheitsbildes bzw. der Pflegekonzepte je Schule Unterschiede zu erkennen sind. Die Befassung mit einer Demenzdefinition findet laut Curricula in keiner der beiden Schulen statt, was nachfolgend beschriebene Defizite erklärbar macht. Beide Curricula unterscheiden sich deutlich in der Auseinandersetzung mit

„nicht-kognitiven Symptomen“ und den daraus resultierenden pflegerischen In-terventionen. Von den zwei untersuchten Schulen wurden in einer Schule viele nicht-kognitiven Symptome benannt und dementsprechend pflegerische Interven-tionsmöglichkeiten aufgezeigt. Aus dem Ergebnis wird ersichtlich, dass trotz klei-ner Stichprobe von 55 Befragten der Befund zur fehlenden Fachkompetenz ein-deutig und vernichtend ausfällt, dass laut Autoren daraus zwingend Konsequenzen für die Ausbildung abzuleiten sind (vgl. Wällisch/ Wulff 2012, S. 38-42).

Dazu gingen Wällisch und Wulff neben der Curriculumsanalyse auf demenzspezi-fische Themen in Pflegeschulen der Frage nach, wie die Pflegeausbildung Ler-nende auf die Betreuung von Menschen mit Demenz vorbereitet.

Animiert von folgender Aussage von Sabine Bartholomeyczik, Universitätspro-fessorin für Pflegewissenschaft und Lehrstuhlinhaberin für „Epidemiologie-Pflegewissenschaft“ am Institut für Pflegewissenschaft an der Medizinischen Fa-kultät der privaten Universität Witten/Herdecke, welche sich zu der Frage äußert, ob die derzeitige Krankenpflegeausbildung die erforderlichen Kompetenzen anzu-bahnen vermag:

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„Es ist nur immer wieder die Feststellung, wie unbeholfen und kenntnisarm junge Pflegende […] mit dem Thema und vor allem mit den Menschen mit Demenz umgehen. Daraus ist zu schließen, dass die Ausbildung dies nicht genug berücksichtigt.“ (Bartholomeyczik, 2010 in Wällisch/ Wulff 2012, S.

36).

In ihrer Literaturrecherche stellten die Autoren fest, dass kaum deutschsprachige, aktuelle Studien, die sich mit Krankenpflegeschulen, insbesondere mit der The-matik der nicht-kognitiven Symptome der Demenz auseinandersetzen, verfügbar sind. Um dem herausfordernden Verhaltensweisen im Pflegealltag entsprechend zu begegnen, wird von verschiedenen Expert/inn/en empfohlen, folgende demenz-sensible Konzepte anzuwenden: Realitätsorientierungstraining, Validation, Erin-nerungspflege, Basale Stimulation, aber auch Bewegungsförderung sowie pflege-risches Handeln in akuten psychiatrischen Krisen von Demenzkranken (vgl. Wäl-lisch/ Wulff 2012, S. 37).

In Berlin wurden in zwei unterschiedlichen Krankenpflegeschulen Auszubildende vor unmittelbarem Abschluss ihrer Ausbildung zum Thema Umgang mit Demenz befragt. Es erfolgte eine Befragung mittels Fragebogen mit quantitativem Ansatz.

Inhaltlich beschäftigt sich der Fragebogen mit Kenntnissen zum Krankheitsbild der Demenz einschließlich nicht-kognitiver Symptome, Einstellungen der befrag-ten Personen zur Gesamtthematik bzw. speziellen Ausbildungsinhalbefrag-ten und Erfah-rungen mit der Pflege von Menschen mit Demenz. Die Publikation dieser Studie fand im Februar 2012 statt (vgl. ebd., S. 37-38).

Mehr als die Hälfte gab an, dass sie in ihrer Ausbildung gut über das Krankheits-bild Demenz informiert wurden. Knapp 93% bekundeten, dass sie sich gut auf den Umgang mit Menschen mit Demenz vorbereitet fühlen. Knapp 70% der Befragten wussten, dass Demenz heute medikamentös nicht gut zu behandeln ist und die Ursache noch vielfach ungeklärt ist. In diesem Zusammenhang wurde auch nach Definition, Demenzformen und epidemiologischen Kenntnissen gefragt. Dabei hatten sie mehrheitlich Schwierigkeiten, Demenz genau zu definieren, nur jede/r siebte Befragte, also nur 15% konnte irgendeine Stadieneinteilung benennen, wo-bei häufige Demenzformen von den meisten richtig genannt wurden, aber epide-miologische Kenntnisse Mängel aufwiesen. (vgl. ebd., S. 38).

Da mehr als 85% der Befragten keine bzw. falsche Angaben zu Demenzstadien machten, wird dies von den Autoren als problematisch bewertet, da im Rahmen des Pflegeprozesses Interventionen an den entsprechenden Stadien anknüpfen.

57 Dies lässt den Schluss zu, dass junge Pflegende nicht in der Lage sind, pflegerele-vante Defizite und Ressourcen zu erkennen und entsprechende Maßnahmen dar-aus abzuleiten. In weiterer Hinsicht schließen Wällisch/ Wulff dardar-aus, dass eine adäquate Beratung von Betroffenen und Angehörigen auf Grund mangelnden Wissens nicht möglich ist (vgl. Wällisch/ Wulff 2012, S. 39-40).

Knapp 40% der Befragten war der Begriff „herausforderndes Verhalten“ unbe-kannt und über 40% wussten mit dem Begriff „nicht-kognitive Symptome“ nichts anzufangen. Jedoch einzelne Pflegeinterventionen waren geläufig. So kannten ca.

90% der Befragten die Begriffe „ Snoezelen, Basale Stimulation“ und über 60%

gaben an, mit den Begriffen Validation, Realitätsorientierungstraining und Erinne-rungspflege vertraut zu sein. In einem weiteren Schritt wurden die Befragten auf-gefordert, diese Begriffe zu erläutern, wobei keiner der Begriffe mehrheitlich rich-tig erklärt werden konnte (vgl. ebd., S. 38).

Aus diesen Ergebnissen schließen die Autoren, dass eine Auseinandersetzung mit dieser Thematik im Rahmen des Unterrichtes nicht oder mangelhaft stattgefunden hat. Aus den Schwierigkeiten Begriffe des herausfordernden Verhaltens und nicht-kognitive Symptome sowie einzelne Konzepte wie Validation, Realitätsori-entierungstraining, Erinnerungspflege oder basale Stimulation zu erläutern wird laut Meinung der Autoren die vorherige Annahme des mangelhaften Inhaltes der Ausbildung sowie die fehlende, vertiefende Auseinandersetzung im Rahmen der Ausbildung bestätigt (vgl. ebd., S. 40).

Jedoch geben drei Viertel der Befragten an, dass das erlernte Wissen im Umgang mit Menschen mit Demenz in die Praxis transferiert werden konnte, insbesondere das Konzept der Validation (vgl. Wällisch/ Wulff, S. 38). Laut Meinung der Auto-ren verbirgt sich dahinter eine Selbstüberschätzung der Kompetenzen durch die Lernenden (vgl. ebd., S. 41).

Bestimmte Verhaltensweisen wie aggressives Verhalten empfinden 83,6% der Befragten als extrem belastend, davon gaben 45,7% der Befragten an, aggressives Verhalten als eine besonders belastende Verhaltensweise zu empfinden. Fast zwei Drittel der Befragten gaben an, schon einmal von einem demenziell veränderten Menschen, vordergründig in Form von „Schlagen und Kratzen“, angegriffen wor-den zu sein. Dahingehend fällt der deutliche Unterschied zwischen wor-den theoreti-schen Kenntnissen zu diesen Belangen einerseits und dem praktitheoreti-schen Erleben der Lernenden andererseits auf (vgl. ebd., S. 38-40).

58 Laut Autoren ist erkennbar, dass durch vorhandenes Erfahrungswissen die Auszu-bildenden die Probleme wohl erkennen, jedoch dazu theoretisches und praktisches Wissen über Ursache, Erscheinungsformen und Bewältigungsmechanismen fehlt.

Dazu merkten die Autoren an, dass der Erwerb dieser Kenntnisse in der theoreti-schen Ausbildung, aber auch in der berufsspezifitheoreti-schen Arbeit auf den jeweiligen Stationen erfolgen kann (vgl. Wällisch/ Wulff 2012, S. 37-40).

Laut Autoren lässt sich anhand der durchgeführten Studie jedoch nicht feststellen, ob entsprechende Inhalte vermittelt und wieder vergessen wurden. Es lässt sich auch nicht feststellen, ob trotz curricularer Verankerung entsprechende Inhalte keinen Einzug der Thematik in die Klassenzimmer gefunden haben. Das wird als mögliche Schwäche der Untersuchung gesehen (vgl. ebd., S. 41).

Zusammenfassend sagen die Autoren dieser Studie, dass mangelndes theoreti-sches Wissen der Lernenden festzustellen ist und demnach die Fachkompetenz als dürftig angesehen werden muss. Dies lässt den Schluss zu, dass die Ausbildung in beiden untersuchten Schulen bezüglich des Phänomens der nicht-kognitiven Sym-ptome bei Demenz eindeutig Mängel aufweist.

In einer weiteren deutschen Studie wurden Pflegeschulen in Deutschland erstmals auf die Vermittlung von pflegerischen Kompetenzen in der Ausbildung, die zur nachhaltigen Verbesserung von Menschen mit Demenz in Akutkliniken mit Fokus auf demenzsensible, nicht medikamentöse Konzepte führen, untersucht. Dabei wurde eine bundesweite Vollerhebung in Deutschland gestartet, welche vom Insti-tut für Public Health und Pflegeforschung der Universität in Bremen veröffent-licht wurde. Die Studie geht von zwei Annahmen aus. Erstens, dass durch den geringen Stellenwert von Therapie und Versorgung demenzerkrankter älterer Pa-tient/innen an den Pflegeschulen der Gesundheits- und Krankenpflegeausbildung der Einsatz von demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten im Kranken-haus erschwert wird. Zweitens wird angenommen, dass die Altenpflegeschulen im Gegensatz zu den Schulen der Gesundheits- und Krankenpflege über vielfältigere Ansätze zur pflegerischen Versorgung demenzkranker Menschen verfügen (vgl.

Görres/ Stöver/ Bomball/ Schwanke 2012, S. 5-8).

Insgesamt wurden bei einem Rücklauf von 52,4% die Daten von 678 Schul- oder Bereichsleitungen ausgewertet. Es wurden insgesamt 393 Pflegeschulen der Ge-sundheits- und Krankenpflege befragt und 241 Einrichtungen von Bildungsstätten

59 der Altenpflege. Bei 125 Schulen konnte durch fehlende Angaben keine eindeuti-ge Zuordnung eindeuti-getroffen werden. Die Befragung von inseindeuti-gesamt 2.467 Personen erfolgte durch einen Online-Fragebogen (vgl. Görres et al. 2012, S. 9-10).

Die Mehrzahl der Befragten, insgesamt 80% der zweiten Zielgruppe, befand sich zum Erhebungszeitpunkt im zweiten oder dritten Ausbildungsjahr. Die vorliegen-de Stichprobe stellt annähernd ein Abbild aller Pflegeschulen in Deutschland dar und ist somit als repräsentativ einzustufen (vgl. ebd., S. 10).

Gefragt wurde eingangs nach der Relevanz der Vermittlung pflegerischer Kompe-tenzen im Umgang mit demenzerkrankten Personen. Das Ergebnis zeigte auf, dass in beiden Pflegeausbildungen der Vermittlung von demenzspezifischen Kompe-tenzen eine hohe Bedeutung beigemessen wird und auch Auszubildende glei-chermaßen darin einen hohen Stellenwert sehen. Rund 80% aller befragten Schul- und Bereichsleitungen sowie die Zielgruppe der Pflegeauszubildenden bestätigten die Wichtigkeit der Vermittlung von demenzspezifischen Kompetenzen, sowohl in der Altenpflegeausbildung als auch in der Gesundheits- und Krankenpflegeaus-bildung (vgl. ebd., S. 12-13).

Die Annahme, dass die Verbreitung demenzsensibler nicht medikamentöser Kon-zepte im Krankenhaus durch den geringen Stellenwert von Therapie und Versor-gung demenzkranker älterer Patient/inn/en an Pflegeschulen erschwert wird, hat sich laut Studie nur zum Teil bestätigt. Jedoch wird deutlich, dass laut Autoren die Vermittlung von Pflege und Begleitung von Menschen mit Demenz curricular bereits in hohem Maße verankert ist (99,6%) und in bereits allen Pflegeschulen Einzug gehalten hat (vgl. ebd., S. 29).

Die Zuständigkeit für die Vermittlung von demenzspezifischen Kompetenzen obliegt zu über 90% den Pflegepädagog/inn/en, hingegen wird in Altenpflege-schulen verstärkt auf Experten wie Gerontolog/inn/en und Gerontopsychia-ter/innen zurückgegriffen. Schul- und Bereichsleitungen geben an, dass spezifi-sche Wissensvermittlung auch Aufgabe der Mediziner/innen sei (vgl. ebd., S. 14).

Zum Stellenwert einzelner spezieller Themen zum Schwerpunkt Demenz ergab die Studie, dass in 53,8% der befragten Pflegeschulen diese auch vermittelt wer-den, hingegen in den Altenpflegeausbildungen allen Themenbereiche hohe Priori-tät beigemessen wird und an 84% aller Schulen vermittelt werden. Die Schwer-punkte der beiden Ausbildungsformen sind unterschiedlich angelegt. In den Al-tenpflegeschulen sind geringe Differenzen zwischen den Themenbereichen

fest-60 stellbar. Indessen zeigen sich in der Gesundheits- und Krankenpflege deutliche Prioritäten. Demnach finden die stärkste Beachtung Themen, die sich mit den Umgangs- und Interaktionsformen (75,7%) beschäftigen, gefolgt von medizi-nisch-pflegerischen Schwerpunkten innerhalb der Demenzerkrankungen (73,1%).

Weniger häufig kommen Wahrnehmungs- und Körperorientierte Ansätze (63,9%) sowie Betreuungsansätze (56,3%) in der Ausbildung der Gesundheits- und Kran-kenpflege vor (vgl. Görres et al. 2012, S. 15).

Görres et al. schreiben, dass im Theorie-Praxistransfer deutliche Unterschiede erkennbar sind: In den Gesundheits- und Krankenpflegeschulen werden demenz-spezifische Konzepte eher theoretisch vermittelt, der Transfer und die praktische Anwendung sollen laut Autoren optimiert werden. Hingegen wird in den Alten-pflegeausbildungen der Fokus verstärkt auf den Lernort Praxis gelegt, wo einzelne Konzepte geübt und umgesetzt werden. Auffällig zeigt sich die Differenz zwi-schen theoretischer Vermittlung und Umsetzung in die Praxis innerhalb der Ge-sundheits- und Krankenpflege besonders bei Themen wie Tagesstruktur, Biogra-fiearbeit und Validation (vgl. ebd., S. 16-17).

Laut dieser Studie wünschen sich Auszubildende konkrete Anwendungsmöglich-keiten demenzsensibler Konzepte mit einem stärkeren Praxisbezug im Unterricht, eine verbesserte Unterstützung und Praxisanleitung sowie mehr Ressourcen zur Umsetzung und bessere Kooperation, Koordination und Kommunikation (vgl.

ebd., S. 18).

Alle Befragten geben an, dass sie täglich bzw. mehrmals täglich in der prakti-schen Arbeitssituation mit der Betreuung von Menprakti-schen mit Demenz im Kran-kenhaus (75,6%) und in der ambulanten Pflege (66,9%) zu tun haben. In 90% der Fälle übernehmen Auszubildende in der stationären Altenpflege die Versorgung der betroffenen Menschen, sowie in der ambulanten Pflege gut 50% und in der Tagespflege rund 42% (vgl. ebd., S. 20).

Das Sicherheits- und Kompetenzempfinden geht laut Studie nicht konform mit dem hohen Umfang der Wissensvermittlung. Junge Pflegekräfte fühlen sich unsi-cher im Umgang mit demenzerkrankten Menschen. Beide Berufsgruppen geben große Schwierigkeiten bei herausforderndem Verhalten (74%) an. Mehr als die Hälfte der Befragten hat Probleme in der Bedürfniserkennung Betroffener. Sie können mit apathischem Verhalten und Hilflosigkeit sowie der Hilflosigkeit von Angehörigen nur schwer umgehen. 38,1% der Befragten tun sich schwer im

Um-61 gang mit dem Bewegungsdrang von Menschen mit Demenz und 26% haben Schwierigkeiten in der Gesprächsführung (vgl. Görres et al. 2012, S. 21-22).

Nach der Frage der tatsächlichen Umsetzung demenzsensibler Konzepte in den Versorgungsbereichen kamen die Autoren zu folgenden Ergebnissen: Die Umset-zung demenzsensibler Konzepte wird in Einrichtungen der Altenpflege (69,6%) höher eingeschätzt als im Krankenhaus und in der ambulanten Krankenpflege.

Nach Ansicht der Befragten findet eine Umsetzung demenzsensibler Konzepte im Krankenhaus kaum statt (vgl. ebd., S. 24).

Barrieren in der Implementierung von demenzsensiblen, nicht medikamentösen Konzepten stellen laut Autoren unzureichende Rahmenbedingungen bezüglich Zeit, Personal und finanzieller Ressourcen dar. Des Weiteren bildet die mangeln-de Qualifikation und fehlenmangeln-des Interesse einzelner Mitarbeiter/innen eine weitere Barriere. In Krankenhäusern kommt hinzu, dass spezifische Arbeitsabläufe und Schwerpunkte der Abteilungen sowie die kurze Verweildauer die Umsetzung de-menzsensibler Konzepte schwierig gestalten. Im ambulanten Bereich stellt die Integration der Angehörigen eine weitere Barriere dar. Anhand der Studie wird der Bedarf an demenzspezifischen Kompetenzen von den Autoren speziell im Krankenhaus zukünftig hoch eingeschätzt (vgl. ebd., S. 31).

Laut Autoren sehen Schul- und Bereichsleitungen die unzureichenden Aus- und Weiterbildungsangebote zum Thema Demenz als Ursache für die mangelhafte Umsetzung von demenzsensiblen Konzepten, vor allem in den Krankenhäusern.

Die Autoren schreiben weiter, dass Lehrpersonen in der stationären Langzeitpfle-ge Barrieren durch Probleme im Führungsverhalten, Überforderung des PfleLangzeitpfle-ge- Pflege-personals und durch fehlende politische Richtlinien sehen (vgl. ebd., S. 25).

Die Autoren meinen weiters, dass in Tagespflegeeinrichtungen Barrieren neben den Rahmenbedingungen auch durch mangelhafte Qualifikation einzelner Mitar-beiter/innen sowie die fehlende kontinuierliche Betreuung eine Rolle spielen (vgl.

ebd., S. 26).

Die zentralen Ergebnisse diese Studie zeigen die bisher vermittelten demenzspezi-fischen Kompetenzen in den Pflegeschulen sowie den Praxistransfer und den Op-timierungsbedarf auf. Die Auseinandersetzung mit demenzsensiblen Kompeten-zen in den Gesundheits- und Krankenpflegeschulen muss zukünftig forciert wer-den. Obwohl das Thema curricular verankert ist, mangelt es laut Görres et al. an

62 Kompetenzen in der praktischen Umsetzung, speziell in den Akutkliniken (vgl.

Görres et al. 2012, S. 32).

Folgendes Zitat der 652 GKP drückt diese Problematik eindrucksvoll aus:

„Das Thema Demenz ist im Krankenhaus leider noch nicht richtig ange-kommen, die dementen Patienten aber sehr wohl“ (652 GKP in Görres et al.

2012, S. 35).

Aufbauend auf diese grundlegende Studie wurden von den Autoren Handlungs-empfehlungen (vgl. Görres et al. 2012, S.33-35) abgegeben, welche vereinzelt in die zusammenfassende Darstellung dieser Literaturarbeit einfließen werden. Die besondere Rolle und Verantwortung der Ausbildungsstätten hinsichtlich der Ver-breitung demenzsensibler, nicht medikamentöser Konzepte für ihre Pflegeauszu-bildenden wird anhand dieser Studie bewusst.

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4 Pflegerische Interventionen für Demenzkranke

Der Umgang mit den nicht-kognitiven Symptomen oder herausforderndem Ver-halten bei Menschen mit Demenz ist eine anspruchsvolle Facette in der Gesund-heits- und Krankenpflege und bedarf spezieller pflegerischer Interventionen. Dazu stehen verschiedene demenzsensible, nicht medikamentöse Konzepte zur Verfü-gung. Bevor ein gezieltes Konzept an betroffenen Menschen eingesetzt wird, soll versucht werden herauszufinden, warum herausforderndes Verhalten wie Beleidi-gungen, Beschimpfungen, Aggressionen, mangelnde Kooperation etc. überhaupt auftritt und die Situation aus der Sicht des/r Betroffene/n betrachtet werden. Ge-lingt dieser personen-zentrierte Ansatz, wird erkannt werden, dass diese Sympto-me Reaktionen darstellen, welche für Betroffene nicht gut sind und aus deren Sicht vernünftige Reaktionen darstellen. Dahinter können aber auch Bedürfnisse physischer, sozialer, spiritueller oder emotionaler Natur liegen. Diese Reaktionen können auch umgebungsbedingte Gründe haben. Das jeweilige Verhalten kann unbefriedigte Bedürfnisse zum Ausdruck bringen. Pflegepersonen tragen jedoch keine Verantwortung über die dahinter liegenden Gründe. Ein Künstler der Pflege wird jedoch Verhaltensweisen als Ausdruck von unbefriedigenden Bedürfnissen oder als Reaktionen auf etwas Belastendes verstehen und unter Einsatz gezielter Pflegekonzepte in den pflegerischen Alltag integrieren (vgl. Kuhn/ Verity 2012, S. 69-78).

In dieser Arbeit wird auf die Betrachtung des Pflegemodells nach Prof. Erwin Böhm (vgl. Böhm 2009) trotz Manifestierung im österreichischen Curriculum für Gesundheits- und Krankenpflege (vgl. ÖBIG 2003) verzichtet, da es sich hierbei um ein Pflegemodell handelt, dessen Philosophie in einzelne Konzepte einfließen kann, es sich dabei aber nicht um ein Pflegekonzept im engeren Sinn handelt. Die

In dieser Arbeit wird auf die Betrachtung des Pflegemodells nach Prof. Erwin Böhm (vgl. Böhm 2009) trotz Manifestierung im österreichischen Curriculum für Gesundheits- und Krankenpflege (vgl. ÖBIG 2003) verzichtet, da es sich hierbei um ein Pflegemodell handelt, dessen Philosophie in einzelne Konzepte einfließen kann, es sich dabei aber nicht um ein Pflegekonzept im engeren Sinn handelt. Die