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3 Herkunftstypische Merkmalsmuster von Marmoren und Methoden zu ihrer Bestimmung

3.2 Petrographisch-mineralogische Merkmale

3.2.2 Mikroskopisch bestimmbare Merkmale

Aufnah-men der Marmoroberflächen mittels geeigneter Algorithmen (Cluster-Analyse, Fuzzy-Methoden, neuronale Netzwerke) zu klassifizieren und zu-zuordnen.

Daneben werden verschiedene Verfahren getes-tet, um z.B. den Glanz polierter Werksteinober-flächen zu quantifizieren (z.B. ERDOGAN 2000).

In einem jüngst vorgestellten Ansatz (BIRICOTTI

& SEVERI 2003; BIRICOTTI & SEVERI 2004) wer-den aus der diffusen Streuung von mit Laserlicht bestrahlten Oberflächen verschiedene Gefüge-merkmale ausgewertet; für die mobile Messappa-ratur sind lediglich die Laserdiode mit

Stromver-sorgung, Interferenzfilter und Notebook incl.

Software erforderlich. Mit der bisher erstellten Datenbank ließen sich verschiedene antike La-gerstätten unterscheiden.

Trotz aller erreichten und noch zu erwartenden Fortschritte hat sich jedoch bisher gezeigt, dass menschliche Experten besonders bei archäo-metrischen Fragestellungen noch bei weitem ü-berlegen sind, insbesondere wenn komplexe mul-tivariate Merkmalbündel, wie in den Punkten a) - j) erläutert, berücksichtigt werden sollen.

3.2.2 Mikroskopisch bestimmbare Merk-male

Die Verbindung makroskopischer mit mikrosko-pischen Beobachtungen bildet die Grundlage des Klassifizierungsschemas nach LEPSIUS (1891) . Doch bereits früh warnte der amerikanische Petrologe H. S. WASHINGTON (1898) vor Fehl-klassifizierungen insbesondere ohne ausreichende petrographische Kenntnisse. Er zitierte den Fall des Satyrs im Pariser Louvre, der bei einem Au-tor als "parisch", bei einem anderen als "mögli-cherweise thassisch, aber sicher nicht parisch"

beschrieben wurde.

HERZ & PRITCHET (1953) zeigten, dass gleiche Epigraphien einmal als hymettisch, ein anderes mal als pentelisch angesprochen wurden. Prob-lematisch in Bezug auf die Forderung nach Re-produzierbarkeit sind heutzutage sicherlich auch Vergleiche der Korngröße mit "gewöhnlichem deutschen Zucker im Unterschied zu Kolonialzu-cker" bei LEPSIUS (S. 15). RENFREW & PEACY

(1968) bestritten aufgrund eigener Studien den Aussagewert qualitativer petrographischer Her-kunftsbestimmungen sogar vehement. Diese Un-stimmigkeiten trugen dazu bei, dass modernere Analyseverfahren zum Zuge kamen, wie bei der Isotopenanalyse zunächst jedoch mit der gleichen Einseitigkeit.

Auch im Licht des Stellenwerts petrographischer Methoden in dieser Arbeit bleibt das Verdienst von Lepsius festzuhalten, zum erstenmal mit sys-tematischer Beobachtung eine Katalogisierung und reproduzierbare Herkunftsbestimmung anti-ker Marmorobjekte versucht zu haben. Zudem wurden von anderen Autoren (MOLTESEN et al.

1992; MOLTESEN 1994) viele der Lepsius´schen Zuordnungen vorwiegend isotopenanalytisch als zutreffend bestätigt.

3.2.2.1 Polarisationsmikroskopie Dünnschliffe erlauben das Mikroskopieren mit dem Durchlichtmikroskop. Aufgrund der hohen Doppelbrechung der Karbonate (vgl. TRÖGER

1982) sollten sie höchstens 0,01 mm dick sein (ANDREAE et al. 1972, S. 403). Orientierte Pro-bennahme ist vorteilhaft, jedoch bei Artefakten häufig nicht möglich. Die Unterscheidung der Karbonate (Dolomit, Calcit, Ankerit usw.) mittels Anfärbeverfahren hat sich bei den Marmoren jedoch nicht als sinnvoll erwiesen (s. Kapitel 4.4.3.1).

Bei niedrigmetamorphen feinkörnigen Marmo-ren, die noch reliktische Merkmale von organi-schem Kalkstein aufweisen, lassen sich unter Umständen fossile Überreste erkennen (MARINOS 1948). Aber auch bei den Marmoren von Lesbos, die MGS um 4 mm und mehr auf-weisen, sind fossile Spuren (u.a. Megalodonten-Schalen) sowohl im Handstück als auch unter dem Mikroskop deutlich erkennbar.

3.2.2.2 Auflichtmikroskopie

Bei Verwendung von Anschliffen kann auflicht-mikroskopisch der Bestand an opaken Minera-lien (z.B. Pyrit, Magnetit, Graphit) qualitativ und quantitativ ermittelt werden. Aber auch die Kar-bonatminerale, ihre Korngrenzen und Verzwil-lingungen werden deutlich sichtbar, besonders beim Einsatz von Interferenzkontrasteinrichtun-gen.

3.2.2.3 Mineralbestand

Wichtigste Hilfsmittel zur Bestimmung des Mi-neralbestands sind Durchlicht- oder Polarisati-onsmikroskopie, Auflichtmikroskopie sowie Pul-verdiffraktometrie, die hier alle eingesetzt wur-den und in wur-den entsprechenwur-den Kapiteln genauer beschrieben werden. Für noch präzisere Aussa-gen eignen sich die Elektronenmikroskopie (TEM und SEM, bes. zu Gefügemerkmalen s.

DAL PINO et al. 1999), Mikrosonde (OGILVIE

2001) und andere hochauflösende Verfahren.

Nicht vergessen werden sollte jedoch, dass sich bereits mit einfachen Hilfsmitteln (Lupe usw.) wesentliche Feststellungen zum Mineralbestand treffen lassen.

3.2.2.4 Gefügemerkmale

Korngrößenverhältnisse und Kornformen bestimmen wesentlich die Struktur (engl. "textu-re") des Gesteins. Seine Textur ("fabric") beruht

auf der Anordnung der Komponenten im Raum, ihrer Einregelung usw.

In den Gefügemerkmalen spiegeln sich die Aus-wirkungen der Veränderung des Ausgangsmate-rials nach der Sedimentation durch Diagenese und Metamorphose während der oft mehrfachen Senkungs- und Heraushebungsprozesse bis zum Entstehen einer abbaufähigen Marmorlagerstätte wieder. Versenkung in größere Teufen bei höhe-ren Temperatuhöhe-ren führt im Prinzip zu Kornver-gröberung (s. MOLLI et al. 2000) mit homogener Korngrößenverteilung und geraden Korngrenzen, die sich idealerweise in 120°-Winkeln berühren.

Demgegenüber wirken feinverteilte Verunreini-gungen als Kristallisationskeime, so dass viele kleine Körner entstehen, deren Umwandlung in große Körner energetisch ungünstig ist. Gefüge-kundlich lassen sich die die Wachstumsprozesse beeinflussenden Faktoren sowohl an experimen-tell erzeugten als auch an natürlichen Marmoren mittel geeigneter Modellrechnungen erfassen (für Marmore z.B. MAS & CROWLEY 1996; BERGER

2004).

Variierende Drücke deformieren das Korngefüge;

ein heteroblastisches Gefüge mit ungleichen Korngrößen, unregelmäßigen Korngrenzen und vielen oft gebogenen Zwillingslamellen (z.B.

COVEY-CRUMP 1998; DE BRESSER et al. 2001) ist die Folge; im Extremfall kann es bis zur Myloni-tisierung kommen (z.B. BURLINI & KUNZE

2000). Jedoch ist auch der Temperatureinfluss nicht nur auf die Kornwachstumsraten sondern auch z.B. auf die Zwillingsbildungsprozesse (z.B.

FERRILL 1998) zu berücksichtigen. Wechselnde Hebungs-, Senkungs- und Rekristallisationspro-zesse erzeugen zwischen diesen beiden Grundty-pen eine Vielzahl herkunftsindizierender Muster.

Schnitteffekte üben sowohl auf die feststellba-ren Korngrößen wie auch Kornformen Einfluss aus. Im Normalfall schneidet ein Dünnschliff ein Korn nicht entlang seines größten Durch-messers. Weicht ein Korn von seiner isometri-schen Idealgestalt ab und treten noch zusätzlich Orientierungen auf, kann es zu vollkommen irreführenden Interpretationen kommen.

3.2.2.4.1 Korngröße

Die Korngrößenbestimmung kann sich vor allem bei sehr ungleichmäßiger (bi- oder polymodaler) Körngrößenverteilung und unregelmäßigen Kornformen schwierig gestalten und an Aussa-gekraft verlieren.

Zur Größenmessung eines Mineralkorns stehen grundsätzlich 3 Möglichkeiten zur Verfügung:

a) Reine Längenmessung (größter, kleinster, mittlerer Durchmesser);

b) Statistische Längenmaße (Durchmesser nach Feret und Martin, Krumbeins (1935)

"maximum horizontal intercept");

c) Flächenmaße (Durchmesser des flächen-gleichen Kreises).

Verschiedene Autoren geben Korndurchmesser an, ohne dass immer deutlich wird, wie diese ermittelt wurden. LAZZARINI (1980a) ermittelte Korngrößen verschiedener Vorkommen in mm2, indem die Gesamtfläche einer Bildprojektion durch die Kornzahl geteilt wurde.

Bei den eigenen Untersuchungen der Te-lephosfries-Marmore 1995 wurden entlang einer Traverse im Dünnschliff die längsten Durchmes-ser und senkrecht dazu die Breite der Einzelkör-ner gemessen. Dies erlaubt z.B. mittels eines Histogramms eine Vorstellung von der Korngrö-ßenverteilung zu erhalten; auch das Län-gen/Breitenverhältnis ist so darstellbar.

Teilweise wurde auch der mittlere Kornan-schnitt ermittelt, indem eine Messstrecke durch die Zahl der geschnittenen Körner geteilt wurde, was zu einem kleineren Korndurchmesser als beim ersten Verfahren führen kann.

Im Prinzip wurde bei den jetzigen Untersuchun-gen ähnlich verfahren. Allerdings erfolgte ange-sichts der Vielzahl vorhandener Dünnschliffe die Messung in der Regel nicht direkt am Mikroskop.

Vielmehr wurden die mittleren Korndurchmes-ser (average grain size, AGS) durch Ausmessen der Anzahl der Körner entlang mehrerer Mess-strecken auf den vergrößerten Dünnschliffauf-nahmen (s. Abbildung 31) ermittelt. Ein Ver-gleich mit den Ergebnissen unter dem Mikroskop zeigte eine hinreichend gute Übereinstimmung.

Da eine eventuelle Kornlängung auf den Auf-nahmen leicht erkennbar ist, wurde parallel zu den langen und kurzen Korndurchmessern ge-messen. Der Quotient aus beiden Messstrecken ist ein Maß für die Kornlängung.

Ein besonders nützliches und für den Metamor-phosegrad charakteristisches Merkmal ist die maximale Korngröße (maximum grain size MGS). Für ihre Ermittlung wurden die jeweils 3 größten Körner gemessen. Der Quotient aus MGS und AGS kann ein Maß für die Heterogeni-tät bzw. HomogeniHeterogeni-tät des Kristallgefüges sein.

Stark über 2 hinausgehende Quotienten weisen auf ein heterogenes Gefüge hin.

Die so ermittelten Kennwerte von Lagerstätten sind ab S. 105 in Abbildung 77 bis Abbildung 81 graphisch dargestellt.

3.2.2.4.2 Kornformen und Korngrenzen Kristalloblastese in Wechselwirkung mit Defor-mationsprozessen beeinflusst neben den Korn-größen die Korngestalt12. Reiner Calcitmarmor ist xenomorph, Dolomitanteile neigen zu Idio-morphie. Polygonalgefüge mit 120°-Winkeln an mehr oder minder geraden Korngrenzen deuten auf Gleichgewichtszustände hin. Die ausgeprägte drucksensitive Plastizität des Calcits kann sich in Elongationen (senkrecht zur Druckrichtung), Translations- und Deformationszwillingen, opti-scher Zweiachsigkeit usw. äußern. Neutronen-diffraktometrisch wurde bestätigt, dass kurzfristi-ge schnelle Temperaturerhöhunkurzfristi-gen ohne Aus-wirkung auf das Gefüge bleiben, wohingegen schon geringer kontinuierlicher mechanischer Stress das kristallographische Gefüge stark ver-ändert (IVANKINA et al. 2001). Detailliertere rhe-ologische Untersuchungen haben gezeigt, dass hoher Druck bei 1000 K zunächst zu Kornlän-gung sowie Orientierung der kristallographischen c-Achsen führt, bei weiterer Druckerhöhung bil-dete sich jedoch infolge von Subkornrotation und Rekristallisation an neuen Kristallisationskeimen ein gleichkörniges Gefüge (PIERI et al. 2001b).

Im Dünnschliff ist besonders die Ausbildung der Korngrenzen von Schnitteffekten relativ unbeein-flusst und in gewissen Fällen ein brauchbares Unterscheidungsmerkmal. Sehr unregelmäßige, gezahnte oder stufige Korngrenzen sind Indikato-ren für die Nichteinstellung thermodynamischen Gleichgewichts und/oder postmetamorphen Stresses.

3.2.2.4.3 Möglichkeiten der quantitativen Bestimmung von Gefügemerkmalen Die Stereologie beschreibt verschiedene Verfah-ren zur quantitativen Gefügeerfassung. Grund-sätzlich folgen Analyseverfahren (z.B. U NDER-WOOD 1970) zur quantitativen Erfassung von Gefügemerkmalen und Mineralphasen drei Grundtypen:

12vgl. AUGUSTITHIS (1985)

• Punktanalyse (eindimensional): es wird die Zahl der "Treffer" eines Punktrasters zur Gesamtzahl der Punkte ins Verhältnis gesetzt.

• Linearanalyse (eindimensional): Länge, Punkte oder Anzahl pro Testlinie werden ausgemessen.

• Flächenanalyse (zweidimensional): gra-vimetrisch (ausschneiden und wiegen), optisch (Videokamera und Detektor) oder planimetrisch (Digitalisiertableau). Durch Umfahren der Form kann auch ein kom-plexerer "Formfaktor" bestimmt werden (z.B. GERMANN et al., 1988, s.

Abbildung 233 auf S. 173). In Fortset-zung dieses Verfahrens haben in jüngerer Zeit für die Auswertung der Korngren-zenränder z.B. das SHAPES-Programm (PANOZZO & HÜRLIMANN 1983) Ver-wendung gefunden. Der hierbei ermittelte PARIS-Faktor ist ein Maß für die Konve-xität/Konkavität der Korngrenzengeomet-rie. Eine weitere Verfeinerung ist die quantitative fabric analysis (SCHMID et al. 1999). An 63 Proben von 14 Brüchen aus 6 Lagerstättendistrikten konnten 6 Brüche unterschieden werden, wobei die mittleren ln-transformierten Durchmesser sowie der PARIS-Faktor die höchste Dis-kriminanzfunktion aufwiesen.

Angesichts der sehr hohen Aussagekraft der Dünnschliffaufnahmen und einer großen Anzahl geochemischer Daten erwiesen sich in dieser Arbeit die im Kapitel 3.2.2.4.1 skizzierten quanti-tativen Korngrößenangaben der Linearanalyse als vollkommen ausreichend.

3.2.2.4.4 Regelungsgrad

Gefügeuntersuchungen13 mittels U-Tisch (SANDER 1950) und Röntgentexturgoniometer (SCHULZ 1949) ermöglichen Aussagen über Ori-entierungen der optischen Achsen der Calcitkör-ner und ihrer Zwillingslamellen, und können so z.B. der Zusammenfügung von Fragmenten und der Herkunftsbestimmung dienen. Bei stark rekristallisierten, grobkörnigen Marmoren sind reliktische Gefügestrukturen mit Einregelungen

13 S. TURNER (1953) über Zwillingslamellen, HERZ (1953), HERZ & PRITCHET (1953), WEISS (1954), HERZ (1955), BAUTSCH & KELCH (1960), ANDREAE et al.(1972), EILERT (1978).

der kristallographischen c-Achsen in der Regel kaum noch erkennbar (vgl. aber DE WALL et al.

2000). Neuere Verfahren verwenden in Anleh-nung an die Achsenverteilungsanalyse von San-der die Computer Integrated Polarisationsmikro-skopie (CIP) (HEILBRONNER et al. 1993), wobei die Interferenzfarben jedes Pixels einer Serie digital aufgenommener Dünnschliffe für die Be-stimmung der Orientierung der c-Achse dienen.

Allerdings sind angesichts der hohen Doppelbre-chung des Calcits Ultradünnschliffe erforderlich.

Vorzugsorientierungen der Kornachsen können mittels Verfahren wie PAROR, die Symmetrie der Orientierung der Korngrenzenoberflächen mittels der SURFOR-Methode (PANOZZO 1983, 1984) bestimmt werden.

Zwar nimmt auch in dieser Arbeit die Verwen-dung digitalisierter Dünnschliffaufnahmen brei-ten Raum ein. Trotz gewisser Fortschritte (zuletzt SCHMID & FLAMMER 2002; MARINONI et al.

2003) erwies sich jedoch eine automatisierte Auswertung am PC mit einem vertretbaren Auf-wand nicht als sinnvoll. Die unterschiedlichen Interferenzfarben drücken nicht unterschiedliche Mineralphasen aus, wovon bestehende Auswer-tungssoftware ausgeht, sondern unterschiedliche Schnittlagen der gleichen Phase, in der Regel von Calcit. Verschärft wird diese Problematik noch durch die häufige Anwesenheit von Zwillings-domänen.

Als günstigstes und einfach handhabbares Ver-fahren hat sich die Kombination der bei den Korngrößen beschriebenen quantitativen Verfah-ren (Linearanalyse mit MGS, AGS und diverse Quotienten) mit qualitativen Beschreibungen erwiesen, wobei die direkte Verwendung der Gesamtdünnschliffaufnahmen nicht nur anschau-lich ist, sondern auch die detailliertesten Informa-tionen liefert (s. z.B. Kapitel 4.4.2).

Erst nach Abschluss der Arbeiten hat sich her-ausgestellt, dass in einigen Fällen zusätzliche Gefügeuntersuchungen die diskriminatorische Aussagekraft mancher Herkunftsbestimmungen möglicherweise weiter verbessert hätten (s. z.B.

Kapitel 6.4.7).