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6 Wichtige Marmorlagerstätten, ihre Randbedingungen und Charakteristika

6.3 Lesbos (Moria)

Abbildung 122: Blick auf erstarrte Lavafront nörd-lich von Thermi

Geologisch und morphologisch prägnant sind auf Lesbos (siehe Karte Abbildung 16) vor allem die über die Hälfte des Inselareals bedeckenden vulkanischen Gesteine (Abbildung 122). Sie entstanden vor 22-18 Millionen Jahren (HIGGINS & HIGGINS 1996) im Zusammenhang mit der seit dem Oligo-zän einsetzenden Spannungstektonik und dem hieraus resultierenden intensiven kal-kalkalinen Vulkanismus im gesamten Mit-telmeerraum (vgl. Diskussion der Andesite in Kapitel 7.7.2). Spektakulärer Zeuge dieser vor 18 Millionen Jahren mit ignimbritischen Eruptionen verbunden vulkanischen Aktivi-täten ist der „Versteinerte Wald“ bei Sigri im Westen der Insel. Auch wenn der Vulkanis-mus schon lange erloschen ist, belegen zahl-reiche heiße Quellen (87°C bei Polychnitos) die fortgesetzten Auswirkungen der Kollisi-onsbewegungen zwischen afrikanischer und eurasischer Platte.

Aber im Südosten brachte die Insel auch den in römischer Zeit begehrten dunklen Marmor Bigio Antico hervor, der im Edikt des Di-okletian mit 40 Dinar in der Größenordnung ebenfalls preiswerter prokonnesischer und thasischer Marmore bewertet wurde.

Die geographische Nähe von Lesbos zu Per-gamon ließ es von Anfang an notwendig erscheinen, dortige Marmorlagerstätten als Lieferanten in Betracht zu ziehen.

Bereits die Arbeiten von HECHT (1972) und LAZZARINI et al. (1999) hatten Hinweise dafür geliefert, dass zumindest einige der mit hellen Fossilresten versehenen dunklen Marmore in Pergamon von hier stammten.

HECHT (1972) beschreibt folgende Marmore:

unterkarbonische und permische

Marmorho-rizonte zwischen 50 m (mit heller bis grau-blauer Farbe) und 100 m Mächtigkeit, die permischen Marmore auch darüber, mehrere Dekameter mächtige Marmorbrekzien, die Korngrößen variieren zwischen grobkristal-lin bis äußerst feinkörnig, "eigenartigerweise sowohl in den schwächer als auch in den stärker metamorphen Bereichen".

Leider ergab sich erst im Anschluss an die 7.

ASMOSIA-Konferenz auf Thasos im Sep-tember 2003 die Möglichkeit, kurz die Mar-morvorkommen von Lesbos Moria aufzusu-chen und bis nach Thermi einiges Probenma-terial zu entnehmen, von dem anschließend bisher lediglich Dünnschliffe angefertigt werden konnten.

Der Besuch der Burg (Kastro) und der bei-den vorzüglichen Museen von Mytilene so-wie der antiken Steinbrüche von Moria machten deutlich, dass zwischen Lesbos und dem hellenistischen Pergamon eine stärkere Beziehung bestanden haben dürfte als bisher angenommen. Hauptbaumaterial im antiken Mytilene ist vulkanisches Gestein (roter und grüner Andesit, Tuff, Trachyt, harter schwarzer Basalt), an dem auf der Insel kein Mangel besteht.

Abbildung 123: Granitsäule mit roten Feldspat-kristallen und graue Marmorsäule mit hellen Fos-silresten auf dem Kastro von Mytilene/Lesbos

Daneben liegen auf dem Kastro-Gelände und selbst am Strand vor der Abzweigung nach Moria antike Säulen aus dunklem Kozak-Granodiorit (s. Abbildung 306 S. 215) sowie rotem Granit mit großen Feldspatkristallen (Abbildung 123). Entsprechende Plutonite sind auf Lesbos nicht ausgewiesen. Fein- bis mittelkörniger weißer Marmor fand unterge-ordnet Verwendung. Bei Geländebegehun-gen im Bereich von Moria und unterhalb des Klosters Agios Rafail fanden sich beide Va-rianten als Feldsteine zur Terrassierung für den großflächigen Olivenanbau und im Ge-röll der Bäche, in denen jedoch Schiefer bei weitem dominieren.

Wesentlich häufiger vertreten ist ein hell- bis dunkelgrauer, gelegentlich fast schwarzer Marmor, oft mit weißlichen Mustern, die eine Folge sekundären Wachstums von Cal-citkristallen an Unstetigkeitsstellen sein könnten. Besonders eindrucksvoll werden sie an Schalenüberresten fossiler Megalodonten deutlich, die häufig, aber keineswegs immer, vorkommen. Sie finden sich in den Steinbrü-chen von Moria (Abbildung 124-Abbildung 130), in denen die fossilen Reste – oft senk-recht zur Schichtung eingeregelt (Abbildung 128) – massiv auftreten.

Diese Steinbrüche sind mehrere hundert Me-ter lang, bis 50 m hoch und in mindestens zwei hintereinanderliegende Abbaugalerien gestaffelt (Abbildung 125). Das Abbauvolu-men dieses in der Römerzeit begehrten schwarzgrauen musterreichen marmor lesbi-um oder Bigio Antico war gewaltig. Der größte Bruch ist 200 m lang, 120 m breit und bis 30 m tief (LAZZARINI et al. 1999). Neben großen kompakten Vorräten und dem auffäl-ligen Design war die Küstennähe (s.

Abbildung 124) sicherlich ausschlaggebend für ihren niedrigen Preis und ihre weite Verbreitung von Rom bis Byzanz. Über das gesamte Bruchgebiet und darüber hinaus verstreut befinden sich dutzende von liegen-gebliebenen Kapitellen und Säulen (Abbildung 124, Abbildung 129 und Abbildung 130), die größte von mir vermes-sene ist bei 0,88 m Durchmesser 3,52 m lang. Keineswegs alle weisen erkennbare Schädigungen auf.

Abbildung 124: Blick von Moria-Brüchen auf die Ostküste von Lesbos. Vorne rechts antike Säule

Abbildung 125: Zweite der gestaffelten Lesbos-Moria-Abbaugalerien

Abbildung 126: Grubenbau der Lesbos-Moria-Marmore

Abbildung 127: Manuell erzeugte Schrämspuren an Lesbos-Moria-Abbauwand

Abbildung 128: Subparallel zur Schichtung ver-laufende Fossilreste in Lesbos-Moria-Steinbruch

Abbildung 129: Grauer Marmor mit charakteristi-schen Megalodonten-Schalen, Lesbos Moria

Abbildung 130: Graugesprenkelte Säule aus dem gleichen Bruch ohne markante Fossilien

Die erkennbaren Korngrößen der calciti-schen Marmore reichen von fein- bis mittel-körnig mit maximalen Korndurchmessern von 3-8 mm bei einem Median von 4 mm (LAZZARINI et al. 1999). Bei den Fossilien soll es sich neben Megalodon sp., die die in Abbildung 128 und Abbildung 131) erkenn-bare orientierte Deformation aufweisen, um Crinoidea und Biomikrite handeln. Trotz der dunklen Färbung trat beim Anschlagen kaum ein Geruch auf.

Abbildung 131: Dünnschliffe von Moria-Marmoren mit wenigen (o. LbMo3) und vielen (u.

LbMo4) Fossilresten, N+, Maßstabsbalken 2 mm

Die triassischen Marmore mit Megalodon-tenführung im oberen Teil sollen in anchi- bis epithermale Phyllite, Sandsteine und Quarzkonglomerate eingelagert sein (JACOBSHAGEN 1986, S. 174), die sich in der Tat zusammen mit Quarziten fanden. Das schon von HECHT (1972) bei Lesbos-Marmoren registrierte auffällig weite Korn-größenspektrum, die verwaschenen und sehr unregelmäßigen, gezahnten Korngrenzen, ausgeprägte Kornlängung, der Erhalt eines großen Teils des Fossilbestands und zugleich ausgeprägte Deformationserscheinungen (u.a. gebogene Zwillingslamellen,

undulie-rende Auslöschung) deuten auf schwache grünschieferfazielle Bildungsbedingungen

mit höhergradigen Metamorphosepeaks und postkristalliner Deformation hin.

Abbildung 132: Moria-Marmore im pergamenischen Rundmonument des Attalos I bei Athenatempel

Marmorobjekte des Moria-Typs finden sich nicht nur auf dem Kastro und im Museum von Mytilene (datiert seit dem frühen 4. Jh.

v.u.Z.), sondern auch in Pergamon, und zwar in beträchtlichen Mengen (s. Diskussion ab Kapitel 7.7.6). Zu den ältesten datierbaren Stücken gehören solche mit charakteristi-schen Megalodonten (Abbildung 132), u.a.

in den Stufen zum Großen Altar eingebaut, aber auch graue mittelkörnige Marmore mit und ohne Muster.

Abbildung 133: SW-Dünnschliffaufnahme von grauem Marmor im Sockel des Zeusaltars (Kaegr_1), N+, Maßstabsbalken 2 mm

Die Probe (Kaegr_1) eines ungemusterten, aber geschichteten, körnig-glänzenden grau-en Marmors vom Sockel des Telephosfrie-ses, wie sie sich auch an der Außenwand des Altarhofs und seiner Rückseite befinden (Kapitel 7.7.6), fällt mit δC von 0,7 und δΟ

von -3,2 in das von Lazzarini beschriebene Isotopenfeld der Moria-Marmore (δC 0,7 / 2,7; δO -0,2 / -4,2, vgl. Abbildung 338). Sie ist feinkörniger (Abbildung 133) und wesent-lich akzessorienreicher (viele Quarz- und opake Lagen sowie Glimmer) als von Lazza-rini für die Moria-Marmore (MGS 3 – 8 mm) beschrieben, ähnelt aber äußerlich stark auch dort auffindbaren Marmoren, die leider nicht beprobt wurden.

Demgegenüber zeigen die eigenen Moria-Dünnschliffe durchaus erhöhte Anteile an Quarz, Glimmern und kohligen Flittern, die das Graphitstadium nicht erreicht haben.

Ebenfalls sehr akzessorienreich sind die un-einheitlich grauweißen Proben des Waffenre-liefs der pergamenischen Athenahallen (Ka-pitel 7.7.12). Trotz fehlender Fossilspuren lassen ihre Isotopie und Gefügemerkmale ebenfalls eine Herkunft aus den Moria-Brüchen vermuten.

Abbildung 134: Thron des Potamon im Museum von Mytilene von vorne und von der Seite. Er besteht aus einem Marmor mit dem erkennbaren heteroblastischem Korngefüge und der charakte-ristischen parallelen Bänderung prokonnesischer Marmore. Fotos aus Museumsführer (ARCHONTIDOU & ACHEILARA 1999, S. 96)

Im Museum von Mytilene sind aber auch deutliche Hinweise auf die – zeitgleich zu Pergamon – frühe Verwendung prokonnesi-scher Marmore zu finden. So weist der aus der Mitte des 3. Jh. v.u.Z. stammende Thron des Potamon deren charakteristische Bände-rung, Farbton und heteroblastisches Kornge-füge (geschätzte MGS 3 mm) auf. Nähere Untersuchungen im Museum waren nicht möglich (Abbildung 134).

Im 8. und 7. Jh. v.u.Z. übte Mytilene die Kontrolle über einen Saum der benachbarten kleinasiatischen Küste aus, und vom 4. Jh.

v.u.Z. bis zum 1. Jh. u.Z. wurde wie auch in Pergamon dem in Kleinasien beheimaten Demeter-Kult gehuldigt, ebenso hat der Te-lephos-Mythos deutliche Spuren hinterlas-sen. Ansonsten scheinen sich beide Herr-schaftsgebiete nicht näher berührt zu haben;

die kleinasiatischen Landbesitzungen umfaß-ten nur einen schmalen Küsumfaß-tenstreifen. Nach der Schlacht am Ipsus (301 v.u.Z) stand es zunächst unter der Kontrolle von Lysima-chos, seit 280 v.u.Z unter der der Ptolomäer.

Seit dem 2. Jh. v.u.Z. kam, wie auch in Per-gamon, der römische Einfluß verstärkt zur Geltung. Trotz dieser Überschneidungen findet sich weder im Mytilene-Museumsführer ein Hinweis auf Pergamon, noch wird umgekehrt z.B. bei RADT (1999) Mytilene auch nur erwähnt.

Abbildung 135: Römischer Aquädukt bei Moria aus grauem Marmor, Ziegeln und Glimmerschie-fern

Die Bedeutung Mytilenes im allgemeinen und der Moria-Brüche im besonderen wäh-rend der römischen Epoche wird auch an den Überresten des römischen Aquädukts am den Brüchen gegenüberliegendem Ortsausgang von Moria deutlich (Abbildung 135). Es be-steht ebenfalls aus dunklem Marmor, die Bögen der obersten Stufe sind allerdings aus Ziegeln hergestellt, und die Zwischenräume offensichtlich mit Feldsteinen aus lokalen Glimmerschiefern ausgefüllt.

Kann die Verwendung dunkler Marmore aus den Moria-Brüchen in Pergamon durch die bisherigen Beobachtungen und Analysen als abgesichert gelten, so lässt sich die Verwen-dung weißer Marmorvarianten in Pergamon, die ebenfalls auf Lesbos (einschließlich bei zahlreichen Museumsobjekten) vorkommen, keineswegs ausschließen. So sollen bei Thermi qualitätsvollere Marmore abgebaut worden sein, die auch heute noch ausgebeu-tet werden (HIGGINS & HIGGINS 1996). Aus all diesen Gründen sollte der Aufforderung der Direktorin des K´Ephorates von Mytile-ne, Frau Archontidou-Argyri, nachgekom-men werden, für die Klärung dieser archäo-logisch keineswegs irrelevanten Fragen über das DAI ein Forschungsprojekt zu beantra-gen, ohne dessen ministerielle Genehmigung selbst Publikationen auf Schwierigkeiten stoßen würden.

6.4 Mäandertalregion: Geomorphologie,