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Mi4) Markttor von Milet, Architekturfragmente (ZO Herakleia)

7 Charakterisierung und Herkunftsbestimmung der antiken Marmorartefakte im geologischen

7.3 Milet

7.3.1 Mi4) Markttor von Milet, Architekturfragmente (ZO Herakleia)

Große Teile des um 120 u.Z. errichteten Markt-tors von Milets befinden sich seit 1908 im Ber-liner Museum, wo sie seit 1930 eines der ein-druckvollsten Ensembles bilden (Abbildung 251 oben). Die Säulen wurden ausgebohrt; mit den im Kellerarchiv gelagerten Bohrkernen (Abbildung 251 unten) stand ausreichendes

68 ZO bedeutet Zuordnung zu Lagerstätten.

Abbildung 251: Markttor von Milet im Pergamonmu-seum (oben) und Bohrkerne seiner Säulen im Kel-lerarchiv der Antikensammlung

Probenmaterial zur Verfügung. Zunächst wurde nur Material einer hellweißen, mittel- bis grob-kristallinen Variante analysiert (MilMaT1 und MilMaT2 von den Säulen N 33 und N 45). Da eine genauere Inspektion im Rahmen vorberei-tender Arbeiten für eine Restaurierung des ge-samten Markttors durch die Arbeitsgruppe Sie-gesmund/Rüdrich69 einen weiteren feinkörnigen Marmortyp ermittelte, wurde im September 2003 unter Mithilfe von Martin Maischberger

69 S. http://wwwuser.gwdg.de/~tweiss/geomasek/markttor.htm

(ARGE-Pfanner) gezielt zusätzliches Probenma-terial entnommen. Hiervon konnten allerdings nur noch Dünnschliffe (MilMa43, 59, 61) ange-fertigt werden.

Der petrographische, geochemische und isoto-pengeochemische Befund der grobkörnigeren Variante deckt sich vollständig mit Probenmate-rial der Brüche von Herakleia und unterscheidet sich eindeutig von allen anderen untersuchten Lagerstätten. Wie schon im Kapitel 6.4.4 über die Marmore am Bafa-See beschrieben und auch in der Bildtafel (Abbildung 252 unten) ersichtlich, ist die Bandbreite petrographischer Merkmale der Herakleia-Marmore allerdings beträchtlich.

So galt es die Frage zu beantworten, ob die fein-körnigeren und im Makrogefüge differenzierte-ren Marmore den Herakleia-Brüchen zugeord-net werden können, oder einem anderen Bruch-gebiet entstammen, insbesondere den milesi-schen Brüchen am Südost-Ufer des Bafa-Sees (s. Karte Abbildung 144, vgl. auch Tabelle 32 auf S. 212). Zugleich erfolgt hier exemplarisch eine ausführlichere Beschreibung petrographi-scher Einzelmerkmale, die sich insbesondere beim Fehlen sonstiger Meßmethoden bei der Klärung von Zuordnungsfragen häufig als hilf-reich erwiesen.

Die mittel- bis grobkörnige Herakleia-Variante

In Tabelle 31 sind einige Kennwerte der grob-körnigeren Herakleia-Marmore vom Markttor und aus den Steinbrüchen angeführt. Am fri-schen Bruchstück ist diese qualitätvollste Vari-ante reiner Calcitmarmore von hellweißer Farbe mit ins Gräuliche spielenden wolkigen Tönen (je nach Lichtverhältnissen N 8,5-9 der Mun-sell-Farbskala). Die einzelnen Körner treten deutlich zu Tage, mit glänzenden Spaltflächen und teilweise erkennbarer Zwillingslamellie-rung, ohne jedoch Ablösungsspuren zu zeigen.

Anders verhält es sich bei Probenmaterial aus den Steinbrüchen, dessen Oberfläche längere Zeit dem Verwitterungsangriff ausgesetzt war, und an dem die geringere Kornverzahnung ein Herauslösen aus dem Kornverband begünstigt.

Unter dem Mikroskop zeigen diese Marmore in der Regel ein homogenes polygonales Kornge-füge mit nur geringen Korngrößenunterschieden

(kleinere Körner treten untergeordnet auf), ge-raden bis buchtigen Korngrenzen und im Ver-gleich zu anderen Marmoren nur geringen An-zeichen postmetamorphen Stresses wie geboge-nen Zwillingslamellen oder optischer Zweiach-sigkeit. In der Probe MilMaT1 (Abbildung 252) waren nur ein Quarzkorn und zwei kleine Hell-glimmer zu finden, jedoch recht viele opake Körnchen (wahrscheinlich Pyrit), die wesentlich zu dem leichten Grauton beitragen dürften. In der Probe MilMaT1-2 befinden sich lediglich 2 Quarzkörner, aber auch weniger opake Minera-lien, ebenso in MilMaT2.

Das hohe Y/Ho-Verhältnis wie auch die gerin-gen Spurenelementgehalte insgesamt sind ein weiterer Hinweis darauf, dass in den Sedimenta-tionsraum der sehr reinen marinen Kalke, aus denen die grobkörnigere Variante gebildet wur-de, nur ein geringer Eintrag von kontinentalen Detritus erfolgte (vgl. BAU et al. 1996; CRAMER

1998, S. 160).

Die Probe Milma 59 (Abbildung 252) unter-scheidet sich im Handstück nicht von den 3 vo-rigen Proben, zeigt im Dünnschliff jedoch etwas kleinere Korndurchmesser. Das vorwiegend gleichkörnige Gefüge, die geraden Korngren-zen, geringe Deformationserscheinungen sowie der niedrige Anteil an akzessorischen Minera-lien (2 Quarzkörner 0,04 – 0,12 mm, 3 Hell-glimmer 0,1–0,26 mm, 1 opakes Korn mit he-xagonalem Anschnitt 0,03 mm) lässt sie zwei-felsfrei der grobkörnigeren Marmorvariante von Herakleia zuordnen, wobei der kleinere Korn-durchmesser schon den Übergang zur feinkörni-geren Gruppe andeutet.

Die feinkörnigere Markttor-Marmorvariante Die feinkörnigeren Marmore zeigen eine gräuli-che Färbung (N7-N8) und treten mit und ohne kleinräumige Bänderung auf.

Die Probe MilMa43 (Abbildung 252) besteht aus einem fein-mittelkörnigen weißen Marmor, der im Handstück eine kaum sichtbare gräuliche Bänderung aufweist, die im gesägten Block deutlicher zu Tage tritt. Im Dünnschliff zeigt sich ein Gefüge mit MGS um 2 mm, das von subparallelen Lagen feinerer Körner durchzogen wird. Die größeren Körner wirken weißer und besitzen eine deutlich höhere Lichtdurchlässig-keit als die gräulicheren, feinkörnigen Lagen.

Die Korngrößenverteilung innerhalb der beiden

Probe MGS (mm)

AGS (mm)

ΣSEE

(ppm) ΣSEE/Y Y/Ho Fe (ppm)

Mn (ppm)

Mg Gew%

Sr

(ppm) Fe/Sr δ18O δ13C Milet Markttor

m-körnig 2-3.4 0.7-1.3 0.1 0.4

0.2

0.8 140 13

37 3.5 5.1

0.10

0.11 67-87 0.19 0.55

-3.7/

-3.47 1.46/1.78 Herakleia

m-körnig 2-4 0.8-1 0.1-0.57 0.07-1.1 125-153 9-53 2.5-10 0.7-0.3 47-120 0.05-0.8 -1.8/

3.9 1.12/2.41

Tabelle 31: Streubereiche einiger Kennwerte der mittel-grobkörnigeren Variante der Herakleia-Marmore (MGS, AGS: Maximaler und mittlerer Korndurchmesser, ΣSEE: Summe der Selten Erdelemente)

MilMa T1 MilMa T1-2 MilMa T2

MilMa59 MilMa61 MilMa43

Hk15 Hk04 HkP5Cc

Abbildung 252: Bildtafel mit Dünnschliffen von Marmoren des Markttores von Milet und den Herakleiabrü-chen N+, Maßstabsbalken 2 mm

Bereiche ist jeweils recht homogen, mit gera-den bis buchtigen Korngrenzen und häufigen Zwillingslamellen, die allerdings meist nur einscharig und nicht gebogen sind. Ebenso deutet das Fehlen undulierender Auslöschung auf – wenn überhaupt – lediglich geringen postmetamorphen Stress. Glimmer oder detri-tischer Quarz wurden nicht gefunden; ledig-lich im Bereich kleinerer Körner befindet sich ein 0,3 mm längliches Quarzkorn mit einer angedeuteten idiomorphen Kante, das sekun-där entstanden ist. Teilweise durchtrennen die kleineren Körner die größeren Calcitkristalle.

Beide Befunde deuten darauf hin, dass die feinkörnigen Lagen nicht nur primäre

relikti-sche Sedimente repräsentieren, sondern auch se-kundär im Marmor gebildet wurden. Im gesamten Schliff kommen gleichmäßig verteilt ca. 20 opake Mineralkörner bis 0,05 mm Durchmesser vor.

Die Probe MilMa61 ist noch feinkörniger, aller-dings im Handstückbereich ohne erkennbare Bänderung. Als einzige Probe strömte sie schon beim Anschlagen einen intensiven Geruch nach H2S aus. Unter dem Mikroskop zeigt sie die größ-ten Abweichungen vom Idealtyp der Herakleia-Marmore: neben der Feinkörnigkeit ist das Gefü-ge durch deutliche Anzeichen postmetamorphen Stresses gekennzeichnet: eine annähernd bimoda-le Korngrößenverteilung mit einem höheren An-teil noch kleinerer Körner, gezahnte Korngrenzen,

deformierte Zwillingslamellen und teilweise undulierende Auslöschung.

Jedoch fanden sich nur 2 Quarz- und Glim-merkristalle, und sehr wenig opake Minerale.

Trotz des Geruches sind mikroskopisch kleine Einschlüsse wesentlich undeutlicher als in

Probe MilMa43 erkennbar. Möglicherweise wird die einheitliche Grautönung nicht so sehr durch mineralische und Fluideinschlüsse als vielmehr durch die ausgeprägten intra- und intergranularen Deformationserscheinungen, besonders die unre-gelmäßigen Korngrenzen, hervorgerufen.

Milet-Tor: Eine oder mehrere Marmorquel-len?

Die grobkörnigere Variante der untersuchten Marmore ist eindeutig den Herakleia-Brüchen zuzuordnen. Zwar kommen gelegentlich auch bei den Marmoren von Milet-Ost und besonders Milet-West grobkörnigere Varianten vor, ihre maximalen Korndurchmesser überschreiten aber kaum 2,2 mm, während bei den Herakleia- Marmoren bis 4 mm gemessen wurden. Bei den feinkörnigeren Marmoren aus den drei Bruch-gebieten zeigen sich größere Überschneidungen, so dass eine Herkunft der feinkörnigeren Vari-anten der Marmore des Milet-Markttors vom südlichen Bruchgebiet grundsätzlich nicht aus-geschlossen werden kann. Jedoch zeigen sich die gleichen Merkmale auch bei den Herakleia-Marmoren, wo es stark gebänderte Varianten gibt, von denen die dunkleren beim Anschlagen auch einen deutlich wahrnehmbaren Geruch nach H2S ausströmen. Statt anzunehmen, dass für einen Teil des Markttores die Herakleia-Marmore und für einen anderen die schlechteren Qualitäten aus den kleineren und schwerer er-reichbaren Brüchen am Südufer des Bafa-Sees herangezogen wurden, erscheint es sinnvoller, für das Markttor von Milet als einem großen Bauprojekt insgesamt die Verwendung von Marmoren aus ein und der selben Lagerstätte – nämlich Herakleia – zu postulieren. Angesichts ihrer großen Abbaukapazität wie auch der poli-tischen Stabilität in der Römerzeit dürfte das Problem einer Marmorverknappung der He-rakleiabrüche nicht bestanden haben.

Inwieweit die unterschiedlichen Qualitäten un-ter bearbeitungstechnischen, baustatischen und ästhetischen Gesichtspunkten an bestimmten Teilen des Markttor eingesetzt wurden, lässt sich wohl erst bei einer Sanierung und insbe-sondere Reinigung der teilweise stark ver-schmutzten Oberflächen abschließend beurtei-len. Es bleibt zu hoffen, dass die Untersuchung dieser spannenden Frage zeitgleich mit der Rei-nigung angegangen wird, da die Erfahrung am Pergamonaltar zeigt, dass infolge erneuter Schmutzanlagerung das Zeitfenster für solche Beobachtungen nur relativ kurz geöffnet bleibt.

Die Untersuchung des Markttors von Milet un-terstreicht aber auch die schon beim Pergamon-altar festgestellte Notwendigkeit, bei Prove-nienzbestimmungen an größeren Ensembles sich nicht auf einige wenige Proben zu verlassen und – wo immer möglich – sich mit anderen Projektbeteiligten auszutauschen. Hätten wir zufälligerweise nur Probenmaterial der feinkör-nigeren Marmorvariante zur Verfügung gehabt, wäre eine Zuordnung zu Herakleia nicht mit dieser Bestimmtheit erfolgt.

Deshalb kann auch nicht ausgeschlossen wer-den, dass einige der von uns und anderen Ar-beitsgruppen den südlichen oder anderen Brü-chen zugeordneten Marmorartefakte doch den bedeutend größeren Herakleiabrüchen entstam-men. Bei hinreichendem Probenmaterial und unter Einbeziehung aller makroskopischen Merkmale ist die Herkunftsfrage aber in der Regel lösbar.

7.3.2 Mi1) Delphinion-Altar: ionisches